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    Visionen über Öl - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 10.10.04 12:58:21 von
    neuester Beitrag 21.10.04 15:36:31 von
    Beiträge: 17
    ID: 912.678
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      schrieb am 10.10.04 12:58:21
      Beitrag Nr. 1 ()
      Ich denke mir, dass es noch 10-15 Jahre dauert. Dann haben die USA sämtliche grösseren Ölvorräte unter ihrer Kontrolle.Dann wird das Öl in den USA billig, für alle anderen aber 100$kosten.Und die USA werden dadurch die Weltmacht haben.:eek:
      Avatar
      schrieb am 10.10.04 13:05:19
      Beitrag Nr. 2 ()
      Was machen die dann mit ihrer Weltmacht?
      Avatar
      schrieb am 10.10.04 13:24:35
      Beitrag Nr. 3 ()
      naiv!
      Avatar
      schrieb am 10.10.04 13:54:17
      Beitrag Nr. 4 ()
      Kriege führen,was sonst?!
      Avatar
      schrieb am 10.10.04 14:02:18
      Beitrag Nr. 5 ()
      Dafür fahren wir dann mit Wasserstoff und das know how behalten wir für uns :D

      sollen die in ihrem Öl doch ersaufen :)

      ausserdem gibts in der Nordsee noch massig Öl

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      schrieb am 10.10.04 14:44:07
      Beitrag Nr. 6 ()
      dummerweise haben das know-how für wasserstoff auch die :rolleyes:
      und in der nordsee gibts mehr wasser als öl :cry:
      Avatar
      schrieb am 10.10.04 14:49:26
      Beitrag Nr. 7 ()
      das stimmt so mit Sicherheit nicht.

      In 20 Jahren ist in China "marktkapitalistische" Demokratie.

      China ist dann die Wirtschaftsmacht Nr. 1 und damit zwangsläufig Nachfolger der USA als Weltmacht Nr. 1

      Die USA versinkt in Dekadenz und Ihren Schulden.

      Langsam sollte man anfangen chinesich zu lernen.

      LG
      daxi
      Avatar
      schrieb am 10.10.04 14:52:36
      Beitrag Nr. 8 ()
      #6 Dafür gibts in den USA massig viel an Wasserköpfen....
      :laugh:
      Avatar
      schrieb am 10.10.04 14:57:37
      Beitrag Nr. 9 ()
      #8

      lauter einwanderer :laugh:

      daxrunner,

      wir wollen bei allen chancen für china nicht vergessen, daß dieses land noch immer eine KOMMUNISTISCHE einparteiendiktatur ist.
      in 20 jahren kann dort auch wieder kulturrevolution sein :rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 10.10.04 15:06:49
      Beitrag Nr. 10 ()
      #7 möglich.

      Birgt allerdings ebenfalls Risiken ... innere Instabilität der USA ist nicht witzig.
      Mit nichts läßt sich ein Land so gut einen, wie mit einem Krieg.
      Avatar
      schrieb am 10.10.04 16:43:14
      Beitrag Nr. 11 ()
      In der Nordsee gibt es Massig Oel ?


      Mein Gott sind hier einige Ahnungslos ...

      2010 ist Schluss mit nennenswerten Mengen Oel aus der Nordsee
      Avatar
      schrieb am 10.10.04 16:56:49
      Beitrag Nr. 12 ()
      @Geist:
      (nur zum Rechnen, wieviel Energie notwendig ist, um das Erdöl zu ersetzen, falls es mal aus sein sollte):

      wie hoch ist die weltweite jährliche Ölförderung?

      80 Millionen Barrel?

      Danke!
      Avatar
      schrieb am 10.10.04 17:03:55
      Beitrag Nr. 13 ()
      naja china...
      faule kredite bis zum anschlag... wie wär´s mit aktien aus dem nahen osten ? oder afrika ? ölpflanzen könnten die in massen anbauen... die industrieländer haben für den bedarf da viel zu wenig land !

      taiwan, vietnam usw wären auch gute investitionsländer
      Avatar
      schrieb am 11.10.04 14:18:59
      Beitrag Nr. 14 ()
      @brüller:


      "Dafür fahren wir dann mit Wasserstoff und das know how behalten wir für uns"

      Joo und von wo bekommen wir den Wasserstoff? Hast du eine cooly Minenaktie für mich? *fg*

      Oder wollen wir den wieder aus Gas und Öl herstellen?

      @Robert:

      82 Millionen Barrel AM TAG bzw. 30 Mrd. Fass im Jahr ist die weltweite Förderung im Moment, zur Historie und wahrsch. Entwicklung dieser Menge siehe die Titelgrafik hier:

      http://www.f27.parsimony.net/forum67590/
      Avatar
      schrieb am 11.10.04 17:53:54
      Beitrag Nr. 15 ()
      80 Millionen Barrel am Tag, das sind ca. 12 Millionen Tonnen am Tag die größtenteils durch die Auspüffe und Schornsteine geblasen werden!

      Das entspricht der Energie von zwei der jemals gebauten grössten Wasserstoffbomben AM TAG!

      Wahnsinn...

      Oilrig, danke für die Korrektur!!!
      Avatar
      schrieb am 21.10.04 13:12:54
      Beitrag Nr. 16 ()
      zwar schon 10 Jahre alt, aber aktuell wie nie zuvor!

      von Heinz Peter Dürr, Physiker und EHEMALGIGEM Leiter der Max planck Gesellschaft, lesenswert, aber auch erschreckend!


      Die 1,5-Kilowatt-Gesellschaft

      Intelligente Energienutzung als Schlüssel zu einer
      ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsweise

      (Vortrag 1994)





      1. Einführung

      Die folgenden Überlegungen haben mit der Vision einer ökologisch nachhaltigen, gerechten und lebenswerten menschlichen Zivilisation zu tun, eine Utopie, deren Realisierung aus heutiger Sicht unwahrscheinlich erscheint. Und doch müssen wir wohl, wenn wir der Menschheit langfristig eine Überlebenschance sichern wollen, eine solche Zivilisation mit allen Mitteln anstreben.

      Dies überhaupt zu versuchen, verlangt nicht, daß wir zu Traumtänzern werden und unsere Augen vor der eigentlichen Wirk­lichkeit verschließen. Im Gegenteil: Wir sollten die Wirklichkeit in vollem Umfange ins Visier nehmen und dabei erkennen, daß die Zukunft nicht einfach nur eine festgefügte Fortsetzung der Vergangenheit ist, die uns mit unverrückbaren Wahrscheinlich­keiten notwendig in bestimmte Richtungen zwingt, sondern daß die Zukunft im weit höherem Maße offen ist als es unserer durch vergangene Erfahrung und selektive Wahrnehmung konditionierten Phantasie auf den ersten Blick erscheinen mag.

      Wir sind aufgefordert, die Zukunft im vollem Bewußtsein unserer Einbettung in einen größeren Zusammenhang mitzugestalten, anstatt uns fatalistisch dem sogenannten ‚natürlichen Lauf’ der Dinge zu ergeben, die immer mehr Folgen unseres eigenen maßlosen Tuns sind.

      Lassen wir uns also bei den uns wünschenswerten Zielen nicht von der vermeintlichen Unwahrschein­lichkeit ihrer Verwirklichung abschrecken. Prüfen wir vielmehr deren prinzipielle Möglichkeit und überlegen wir uns Wege, die von der Unwahrscheinlichkeit über die Wahrscheinlichkeit zur Tatsächlichkeit führen könnten. Dies be-

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      deutet keine Aufforderung zu einer `Augen-zu-und-durch’-Strategie, sondern zu einem Handeln, daß in weit höherem Maß als wir dies heute tun, die hohe Komplexität und die wechselseitigen Bedingtheiten der Wirklichkeit wahrnimmt und berücksichtigt. `Ganzheitlich’ wahrnehmen, global denken und dann auch lokal handeln, sollte dabei unsere Devise sein.

      Es ist selbstverständlich unmöglich in einem kurzen Vortrag, den vollen Bogen zu spannen. Ich will es trotzdem in Ansätzen versuchen mit dem Ziel, daß am Schluß etwas steht, was mit konkretem praktischen Handeln zu tun hat. Diese Absicht soll auch mein Vortragstitel ausdrücken, der sogar – konkreter geht es wohl nicht – eine benannte Zahl `1,5 Kilowatt’ enthält, was bei manchem allerdings nur Assoziationen zum elektrischen Strom weckt, hier jedoch allgemeiner auf die Frage abzielen soll, welche Energieansprüche jeder von uns vernünftigerweise in Zukunft stellen darf, ohne unsere Erde irreversibel zu ruinieren.

      Mein Vortrag bewegt sich also allgemein in dem heute so heiß diskutierten Spannungsfeld von Ökologie und Ökonomie. Ich bin mir voll bewußt, daß zu diesem Thema hier in Wuppertal zu reden bedeutet, ,Eulen nach Athen zu tragen’. Dennoch: Im ersten Jahr der Europäischen Union, wo in der Öffentlichkeit vielfach Hoffnungen auf wachsende Märkte und Wohlstands­verbesserungen keimen, sollte immer und immer wieder auf die eigentlichen Grundprobleme unserer heutigen wirtschaftlichen Entwicklung hingewiesen und über geeignete Abhilfen laut nachgedacht werden.

      Unsere wirtschaftlichen Betrachtungen und Handlungsweisen lassen ja in der Regel völlig unberücksichtigt, inwieweit die globale gesamtwirt­schaftliche Entwicklung überhaupt mit der notwendigen Vorbedingung verträglich ist, das endliche und nicht beliebig robuste Ökosystem unserer Erde, in dem wir Menschen auf Gedeih und Verderb eingebettet sind, uns langfristig als Lebens­grundlage zu erhalten. Ursprünglich hatte die wirtschaftliche Entwicklung ja vor allem zum Ziel, dem Menschen die physischen Bürden des Lebens-

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      alltags zu erleichtern und sein allgemeines Wohlbefinden zu fördern. Aufgrund der speziellen Rahmenbedingungen und Spielregeln unseres Wirtschaftssystems, die nicht nur zu hohen Leistungen, sondern zu Höchstleistungen in einem ganzen begrenzten Sinne zwingen, hat sich jedoch hier eine verhängnisvolle Eigendynamik entwickelt, die unserer Steuerung zu entgleiten droht oder bereits schon entglitten ist. Ähnlich wie dem Sport durch die Forderung zur Höchstleistung im unerbittlichen Konkurrenzkampf seine ursprüngliche Bestimmung zur Gesundheitsförderung langsam verloren geht, so wird die Wirtschaft ihrer Aufgabe, die wesentlichen Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen, immer weniger gerecht.

      So zeichnet sich doch immer deutlicher ab, daß das unerbittliche Wettrennen der verschiedenen Länder und Ländergruppen um größere Marktvorteile letztlich von denjenigen gewonnen werden wird, die am schnellsten, raffiniertesten und umfassendsten die Naturschätze unserer Erde zu ihren Gunsten auszuplündern vermögen. Dieses Wettrennen gleicht deshalb immer mehr einem Wettsägen an dem Ast, auf dem wir letztlich alle sitzen. Hierbei ist die beunruhigende Erkenntnis wichtig, daß dieses unsinnige und selbstmörderische Tun in keiner Weise `unnatürlich’ ist. Denn die Natur wird niemanden in den Arm fallen, seine eigenen langfristigen Überlebenschancen zu mindern, so wie die Natur ja auch keine direkten Hinweise gibt, Überlebensvorteile besser wahrzunehmen. Sie überläßt vielmehr alle diese Entscheidungen, scheinbar teilnahmslos, dem ewigen Spiel von `Versuch und Irrtum’.

      Unsere geistigen Fähigkeiten erlauben uns, Gesetzmäßigkeiten in der Natur zu erkennen und damit in gewissem Umfange Zukünftiges vorherzusehen und vorherzusagen. Durch geeignete Manipulation des Gegenwärtigen erwächst uns dadurch die Fähigkeit, in gewissem Umfange Prozesse in eine von uns gewünschte Richtung zu lenken. Es ist diese Fähigkeit eines bewußten Verständnisses der Natur zusammen mit unserer (in einer langen erfolgreichen Stammesentwicklung etablierten) Vernunft, die uns prinzipiell die Flexibilität gibt,

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      nicht alle Versuche und die dabei möglichen Irrtümer mitsamt ihren negativen Folgen (einschließlich des totalen Scheiterns) auch wirklich und tatsächlich ausführen zu müssen, sondern nicht-erfolgversprechende Wege in weiser Voraussicht von vorneherein zu meiden.

      Diese Flexibilität stellt in der Tat einen enormen Überlebensvorteil dar, vorausgesetzt jedoch, wir nutzen sie. Denn die Natur fühlt sich von uns keineswegs brüskiert, wenn wir mit dem monotonen Hinweis, `Realisten` zu sein – also in freiwilliger Beschränkung (wie Walter Kroy das einmal so schön formuliert hat), die Welt nur `durch den Rückspiegel zu beurteilen’ –, starrköpfig darauf bestehen, unsere besonderen zukunftsahnenden Fähigkeiten ungenutzt zu lassen und partout alle Fehl­entwicklungen voll ausbaden zu wollen. Die Natur wird uns dann eben nach altbewährter Methode – wie unzählig viele Lebensformen vor uns, die wegen Unvermögens oder Dummheit sich nicht vorteilhaft in die über vier Milliarden Jahre währende Entwicklung einklinken konnten – einfach aus der Evolution entlassen. Die Natur kann nämlich ohne uns leben, aber wir nicht ohne die Natur und ihr auf der Erdoberfläche speziell ausgeprägtes Ökosystem, in das wir eingepaßt sind.





      2. Ökologisch nachhaltige Wirtschaftsweise

      Es erscheint offensichtlich: Ohne eine Änderung der Rahmenbedingungen und der Spielregeln der von uns praktizierten Ökonomie können keine der uns heute bedrängenden Probleme – der Friedenssicherung, des Ressourcenschutzes, der Mitwelt­verträglichkeit und der Herstellung und Bewahrung wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und kultureller Ausgewogenheiten zwischen den Menschen und den Völkern – langfristig gelöst werden. Bei der jetzigen wachstumsorientierten Wirtschaftsweise lassen wir nämlich irrtümlicherweise die wesentliche und notwendige Einbettung des Menschen in seine natürliche Mitwelt außer acht. Wir tun dies, weil wir aus der beobachteten relativen Robustheit des in mehr als

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      vier Milliarden Jahren stetig gewachsenen und hochausgetesteten Ökosystems der Erde den fatalen Fehlschluß ziehen, die Umwelt sei ein unendlich ergiebiges und unendlich nachsichtiges Medium, aus dem wir nach Belieben einerseits Ressourcen für unsere wachsende Produktion und unseren üppigen Lebensstil entnehmen und in das wir andererseits die dabei entstehenden Abfälle alle folgenlos abkippen können. Ähnlich wie bei einem gesunden Körper, den wir vermöge eines differenzierten und leistungsfähigen Immunsystems getrost Krankheiten aussetzen und dadurch seine Gesundheit sogar noch weiter stärken können, so läuft dies alles relativ glimpflich ab, solange die äußeren Eingriffe nicht zu massiv oder für das System zu fremdartig werden.

      Es gibt in der Natur ein wichtiges Grundgesetz – in der Physik als Entropiesatz oder ,Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik’ bekannt, nach dem in abgeschlossenen Systemen eine unwahrscheinliche Konfiguration (kleine Entropie) im Laufe der Zeit sich automatisch in eine wahrscheinlichere (mit größerer Entropie) verwandelt. Dies hat die wesentliche Konsequenz, daß jegliche Ordnungsstruktur in einem System, jede Besonderheit, jedes Ausgezeichnetsein letztlich abgebaut und zerstört wird, sich also von alleine in Unordnung auflöst, wenn nicht von außen eine ordnende Hand eingreift. Das überrascht uns nicht. Wir können diese Erfahrung täglich bei unserem Schreibtisch machen.

      Zu diesem ‚natürlichen’ Trend zur Ordnungsminderung oder auch – wenn wir sinngemäß höher differenzierte Strukturen mit einem höheren Wert belegen – zur ‚Wertzerstörung’ beobachten wir nun auf unserer Erdoberfläche erstaunlicherweise eine Gegenentwicklung der ständigen ‚Wertschöpfung’ oder ,Werterzeugung’, wie sie am deutlichsten in der Evolution des Lebendigen zu immer höher differenzierten Organismen zum Ausdruck kommt. Dieses scheinbar anormale Verhalten zur ‚Wertsteigerung’ und strukturellen Höherentwicklung geschieht aber nicht im Widerspruch zum Entropiesatz, der eine automatische Vermehrung von Unordnung oder Entropie fordert, sondern ist eine Folge davon, daß die Erde im

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      elektromagnetischen Strahlungsfeld der Sonne liegt. Durch das Sonnenlicht wird der Erde dauernd Ordnungsenergie oder Syntropie (negative Entropie) zugeführt. Die Sonne spielt also gewissermaßen in der Evolution des Lebens die Rolle einer ständig ,ordnenden Hand’, welche den allgemeinen Wertzerfall teilweise in einen Wertzuwachs umkehrt. Es ist diese ständige Syntropiezufuhr – dieses stetige ,Einkommen’ an Ordnungsenergie, an Syntropie, das wir täglich kostenlos von der Sonne entgegennehmen, welche die Evolution des Lebendigen auf der Erde vorantreibt und die primär auch für die Wertschöpfungs­prozesse der Menschen verantwortlich ist.

      Wenn wir dabei von einem `Wertschöpfungsprozeß der Menschen` sprechen, so muß dieser hier zunächst in der hier verwendeten allgemeineren Bedeutung verstanden werden und nicht in dem in der Ökonomie üblichen eingeschränkteren Sinne. In der Ökonomie bezieht sich Wertschöpfung ja im wesentlichen auf die ‚Erzeugung von Tauschwerten’, was in der Regel bei der hier verwendeten Werte-Definition mehr einem `Wertvernichtungsprozeß` gleicht. Denn die enorme industrielle Entwicklung wurde erst möglich durch eine sekundäre Nutzung der Sonnen-Syntropie über die fossilen Energieträger Kohle, Erdöl und Erdgas.

      In einem Jahrhundert verschleudern wir mit diesen Energieressourcen ein ungeheures Syntropie-`Vermögen` unserer Erde, das in der Vergangenheit – vermöge der Photosynthese energiereicher Kohlenstoffverbindungen durch grüne Pflanzen und Kleinorganismen – über Hunderte von Jahrmillionen aus der Sonneneinstrahlung (also millionenmal langsamer) aufgesammelt wurde.

      Die `Wertschöpfung` und Produktivität moderner Industriegesellschaften gleicht deshalb mehr der Methode eines Bankräubers, der die geringen Kosten seiner Schweißgeräte mit den wesentlich größeren ‚Gewinnen’ bilanziert, die ihm als Beute beim Knacken von immer neuen und reicher gefüllten Tresoren mit Naturschätzen zufällt. Dieser Vergleich mag schief erscheinen. Denn wie insbesondere Wirtschaftswissenschaftler immer wieder betonen: Die uns umgebende Natur sei doch unermeßlich reich an Naturschätzen, die niemanden

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      gehören (warum also Raub?), und außerdem seien diese Naturschätze ja in der natürlich vorkommenden, in der Erde verborgenen Form zunächst völlig wertlos (warum also Schätze?), wenn eben nicht der intelligente, einfallsreiche menschliche Geist genügend Verstand entwickelt hätte, sich hierzu einen geeigneten Zugang zu verschaffen. Die von niemanden bestrittene Endlichkeit bestimmter nicht-erneuerbarer Ressourcen erscheint also bei dieser Betrachtung im wesentlichen unwirksam, da sie gewissermaßen immer wieder durch die unbegrenzte Phantasie des Menschen, sich immer neue Ressourcen zu erschließen, überlistet oder sogar überkompensiert wird.

      Bei einem Rückblick auf die Vergangenheit mit ihren großen wissenschaftlich-technischen Erfolgen mag diese Vorstellung gerechtfertigt erscheinen. Dies bedeutet jedoch nicht, daß sie letztlich schlüssig ist. Im Gegenteil: Die hemmungslose Eskalation im Verbrauch nicht-erneuerbarer Ressourcen führt in der Folge zu einer immer mehr beschleunigten Erschöpfung dieser Ressourcen und ihrer nachfolgenden Ersatzstoffe. Die Substitution von Ressourcen gelingt nämlich nur teilweise und ist letztlich begrenzt, weil auch Naturwissenschaftler keine Zauberer sind, obgleich sich manche in diesem Sinne sehen und als solche anbieten. Es erscheint beliebig unwahrscheinlich, daß diese losgetretene Lawine aus sich heraus je geeignete Gegenkräfte wird entwickeln können, um ihre Dynamik einzufangen, bevor sie, wegen der Endlichkeit der Erde, in einer vor allem für uns Menschen gigantischen Katastrophe endet.

      Diese offensichtliche Destabilisierung wird darüber hinaus noch erheblich verschärft durch eine direkt damit gekoppelte Eskalation in der Erzeugung von ,Müll’, als was wir die Endprodukte dieser Ressourcen ansehen, die – weil für uns unbrauchbar – nicht mehr auf eine geeignete Weise zum Anfangspunkt des Produktionskreislaufes zurückgeführt werden.

      Auf Grund des Entropiesatzes ist jeglicher Wertzuwachs immer gleichzeitig mit einem Wertzerfall verknüpft. Dies ist

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      für uns jedoch oft nicht so sichtbar, weil die Wertminderung etwa durch eine nicht wahrgenommene Verwandlung von hochwertiger Energie – zum Beispiel elektrischer Energie oder chemischer Energie eines Brennstoffes – in minderwertige Wärmeenergie erfolgt. Je weniger und je langsamer Umwandlungen stattfinden, umso geringer der Wertzerfall oder der Syntropieverbrauch. Deshalb sind Mäßigung und Entschleunigung die besten Voraussetzungen, um bei Syntropiezufuhr den ‚unnatürlichen’ Aufbauprozessen gegenüber den ‚natürlichen’ Abbauprozessen eine Chance zu geben. Im Gegensatz zur Technik, die vor allem in ihrer alten Form rasante, hochbeschleunigte Prozesse bevorzugt und damit Syntropie nutzlos verschleudert, bevorzugt die uns umgebende Natur bei ihren Umwandlungen genügend sanfte und langsame Prozesse, um die Syntropie voll auszunutzen.

      Da die Zukunft wegen der komplexen Struktur der Wirklichkeit in wesentlichen Teilen nicht nur praktisch, sondern prinzipiell nicht prognostizierbar ist – physikalisch sprechen wir in diesem Zusammenhang von einem ‚deterministischen Chaos’ –, liefert die in der Technik an einfachen Systemen erfolgreich erprobte und deshalb dominant bevorzugte Strategie, Prozesse bezüglich bestimmter, ausgewählter Optionen zu maximieren, nur kurzfristige Vorteile.

      Um langfristig überlebensfähige Strukturen zu entwickeln, müssen vielmehr Entwicklungsprozesse gewählt werden, bei denen die Zahl möglicher Optionen maximiert wird, damit höhere Flexibilität und deshalb eine bessere Anpassungsfähigkeit an sich verändernde äußere Bedingungen erreicht wird. Die Existenz des Menschen ist dafür das beste Beispiel. Aus diesem Grunde dominiert in der uns umgebenden Natur die differenzierte Vielfalt über die machtvolle Einfalt, und dies nicht – so viel wir heute wissen – aufgrund einer eingeprägten Absicht der Natur, sondern als Ergebnis eben dieses Ausleseprozesses. Ein Evolutionsprozeß, der höher differenzierte Strukturen hervorbringen will, muß daher genügend langsam erfolgen, um den vielfältigen Neuschöpfungsversuchen eine Chance zu geben, ihre Lebensfähigkeit und möglicherweise ihre relative

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      Überlegenheit in Wechselwirkung mit den schon existierenden Lebensformen gründlich zu erproben. Es wäre deshalb für uns Menschen ratsam, bei unseren Handlungen die Natur nicht als unseren Gegenspieler zu betrachten, sondern voll mit ihr zu kooperieren, um an ihrer über Viermilliarden Jahre alten Erfahrung teilzuhaben. Wir müssen unser Handeln und Wirtschaften so ausrichten, daß wir die Vitalität und Produktivkraft unseres irdischen Ökosystems – d.h. seine ökologische ,Nachhaltigkeit’ im Sinne der ,Sustainability’ – in unserem eigenen Interesse fördern und nicht zerstören.





      3. Realisierung einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaft

      Doch wie läßt sich eine ökologisch nachhaltige Wirtschaft in unseren heutigen ,real existierenden’ Gesellschaftssystemen praktisch verwirklichen? Hier stehen wir vor einer fast unlösbaren Aufgabe. Denn die Möglichkeit, irgendwelche Ziele überhaupt ,aktiv’ ansteuern zu können, setzt zunächst eine prinzipielle Steuerungsfähigkeit des gesellschaftlichen Systems voraus, was wiederum eine ausreichende Flexibilität und Reaktionsfähigkeit seiner Glieder verlangt. Dies kann wohl nur bei einer genügend weitgehenden Dezentralisierung der gesellschaftlichen Gesamtstruktur erreicht werden. Denn Flexibilität verlangt notwendig eine umfassende und unabhängige Partizipation der Menschen, was nur in relativ kleinräumigen Strukturen – ,small is beautiful’ (nach Fritz Schuhmacher und seinem geistigen Vorgänger, dem Alternativen Nobelpreisträger 1983 Leopold Khor) – funktioniert, da sie wechselseitige Dialoge voraussetzt. Auch brauchen wir dringend zur Orientierung ,neue’ Wertvorstellungen. Vermutlich müssen die Werte dabei gar nicht so neu sein, sondern könnten unmittelbar an den tradierten Weisheiten der alten Weltkulturen anknüpfen, die uns Liebe, Mitgefühl und Kooperation lehren. Dem gegenüber scheint unser westlicher ,wissenschaftlich-technisch-wirtschaftlicher Fundamentalismus’ – mit seiner irrigen Vorstellung, bei ausreichender Kenntnis aller Ge-

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      gebenheiten letztlich alles ,in den Griff’ bekommen zu können, und mit seiner primitiven Bewertung, alle Werte entsprechend dem Tauschwert allein durch Geld zu beziffern – eher in letzter Konsequenz zu Sinnentleerung, Erstarrung und Einebnung ethnischer und kultureller Vielfalt zu führen. Ethnische und kulturelle Vielfalt ist jedoch für die Überlebensfähigkeit der Menschheit so wichtig wie die Artenvielfalt für die belebte Natur; sie ist der hochdifferenzierte Humus, aus dem neue Formen wachsen müssen. Allerdings wird die ethnisch-kulturelle Vielfalt ihre vitalitätsstärkende Rolle nur spielen können, wenn diese nicht durch Arroganz und Machtstreben in unzähligen, unfruchtbaren Nationalitätenstreitigkeiten zermürbt und aufgerieben wird, sondern in wechselseitiger Hochachtung und aktiver Toleranz, im Geltenlassen eines ,sowohl-als-auch’ ihre synergetischen und symbiotischen Wechselbeziehungen entwickelt, bei denen zum Nutzen aller das Ganze mehr wird als die Summe seiner Teile.

      Die vor uns stehende Aufgabe einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaft ist in der Tat gigantisch und ihre Realisierung, wie von allen ‚Realisten’ immer wieder betont, absolut utopisch. Wenn aber – wie immer gesagt wird – die Utopien von gestern die Realitäten von heute sind, so müssen den Realitäten von morgen Utopien heute vorausgehen. Viele betonen in diesem Zusammenhang, daß dies vor allem und zunächst einen grundlegenden Bewußtseinswandel bei uns in den industrialisierten Ländern und eine entsprechende Veränderung unseres Lebensstils nötig macht. Das ist zweifellos richtig. Aber wir würden dazu wohl die Einsichtsfähigkeit und den Idealismus der Menschen überfordern. Zur Unterstützung dieses Prozesses müssen dringend die Gesetze staatlicher Verfassungen und die Rahmenbedingungen der Wirtschaft derart geändert werden, daß in dem von ihnen zugelassenen freien Spiel der Kräfte die augenblickliche krasse Diskrepanz zwischen ökonomischer und ökologischer Rationalität gemildert und langfristig aufgehoben wird. Recht und Wirtschaft müssen ihre Naturvergessenheit überwinden und in ihren Normen und Handlungsweisen berücksichtigen, daß unsere Um-

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      welt künftig nicht mehr als kostenlose Goldmine und Müllkippe einkalkuliert und mißbraucht wird. Umweltschutz nur als einen gigantischen Reparaturbetrieb zu interpretieren, wie dies vornehmlich heute geschieht, ist kurzsichtig und irreführend, da jegliche vermehrte Aktivität (sofern sie nicht einer besseren Verwertung der Sonnensyntropie dient) – aufgrund des Entropiesatzes – notwendig irgendwo zusätzliche Zerstörung bewirkt. Wir müssen deshalb mit aller Kraft auf Formen der Produktion und des Verbrauchs hinwirken, bei denen Schäden von vornherein weitgehendst vermieden werden.

      Die Einführung ökologisch motivierter gesetzlicher Rahmenbedingungen in eine Wirtschaftsordnung steht nicht im Widerspruch zur Vorstellung einer ,freien Marktwirtschaft’ in ihrer ursprünglichen Bedeutung, weil Freiheit nie von Verantwortung entkoppelt werden kann. Auch die bisher üblichen Marktmechanismen sind ja nicht ,frei’ im Sinne von ‚willkürlich’, da sie sich an gewisse Normen – so vor allem die Menschenrechte, die verfassungsmäßige Ordnung, die Sittengesetze und andere Gesetze von Recht und Ordnung – halten müssen. Es ist dringend geboten, hier weitere Forderungen zu erheben, um wenigstens die verbal proklamierten Bedingungen des Generationenvertrags zu erfüllen, der uns doch verpflichtet, nach Möglichkeit unseren Kindern keine minderwertigere Erde als die von unseren Eltern übernommene zu hinterlassen.

      Jeder, der sich einmal mit den Fragen des ‚nachhaltigen Wirtschaftens’ befaßt hat, weiß selbstverständlich, wie schwierig es ist, präzise zu beschreiben, was wir nun eigentlich praktisch darunter verstehen sollen. Es erscheint unmöglich, den Begriff der ‚Nachhaltigkeit’ genügend zu konkretisieren, um ihn etwa in Form eines allgemeinen Rezeptbuches für alle Interessenten anwendbar zu machen. Das hat nicht nur mit einer augenblicklichen Unkenntnis zu tun, die etwa durch weitere Forschung und Expertisen ausgeräumt werden könnte, sondern ist von einer prinzipiellen Art. Genau betrachtet sind wir dabei nämlich als Menschen in keiner schlechteren Situation als die ‚Natur’ selbst: denn die ‚Natur’ auf der Erde versucht ja (unserer heutigen Kenntnis nach)

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      nicht ihre langfristigen, nach immer weiterer Differenzierung strebenden Ordnungsstrukturen aufgrund eines umfassenden Superplanes (mit einem bestimmten Ziel im Auge) zu verwirklichen, sondern sie muß diese nach dem Prinzip von ,Versuch und Irrtum’, gewissermaßen spielerisch, aber unter optimaler Ausnützung synergetischer Vorteile – also konstruktiven Zusammenwirkens schon existierender Lebensformen – herausfinden. Nachhaltigkeit wird also nicht in der genauen Befolgung ganz bestimmter Rezepte, sondern durch eine offene, aufmerksame, umsichtige Lebenseinstellung erreicht.

      Leichter ist es dagegen anzugeben, welche Maßnahmen und Verhaltensweisen ein ökologisch nachhaltiges Wirtschaften verschlechtern oder befördern werden, was allerdings nicht heißt, daß wir dadurch der Lösung unserer Aufgabe schon wesentlich näher wären. Denn die eigentlichen Schwierigkeiten treten doch bei der praktischen Umsetzung auf. Hierbei müssen wir einerseits schmerzhaft erkennen, daß wir uns selbst als Verbraucher und potentieller Nutznießer im Wege stehen. Andererseits müssen wird zusätzlich auch gegen alle die vielfältigen Machtstrukturen ankämpfen, deren Reichtum und Einfluß zu wesentlichen Teilen ja bisher durch ein ‚Nicht-nachhaltiges Wirtschaftsverhalten’ gespeist wurden. Um bei den Änderungsbemühen nicht sofort Don-Quixotisch zu scheitern, ist es deshalb wichtig, sorgfältig nach ‚Katalysatoren’ zu suchen, die nüchtern und illusionslos von den bestehenden wirtschaftlichen und politischen Kräfte ausgehen und sie konstruktiv für die notwendigen Transformationen einzuspannen versuchen.





      4. Energie als Schlüssel zum Einstieg

      Im Hinblick auf die notwendigen Veränderungen unserer Wirtschaft in Richtung auf eine ökologisch nachhaltige Wirtschaftsweise kommt den Fragen der langfristigen Energieversorgung und -nutzung eine Schlüsselrolle zu. Dies ist offen-

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      sichtlich, spielt doch die ‚arbeitsfähige’ Energie und die mit ihr verbundene Syntropie als Motor aller Umwandlungsprozesse in der Natur eine entscheidende Rolle. Dazu kommt, daß Fragen der Energie, verglichen mit den hochkomplexen ökologischen Problemen, wissenschaftlich und technisch einfacher zu fassen sind. Deshalb bietet sich die Energieproblematik als Einstieg in die umfassende Problematik einer ‚Nachhaltigen Wirtschaft’ besonders an und erscheint auch als Ansatzpunkt für eine praktische Umsetzung in der Gesellschaft hervorragend geeignet.

      Zunächst einige begriffliche Klarstellungen. Für den Physiker ist die Energie eine Größe, für die ein strenger Erhaltungssatz gilt, was besagt: Energie wird nirgends erzeugt und nirgends verbraucht. Energie kann sich nur von einer Form in eine andere verwandeln, z. B. von elektrischer Energie in Bewegungsenergie oder in Wärmeenergie. Was wir verbrauchen, ist eigentlich nicht Energie, sondern wir brauchen zunächst etwa: Licht zur Beleuchtung, Kraft zum Antrieb einer Maschine oder zur Verformung von Materialien, ein warmes Zimmer, die Möglichkeit zum Kochen, uns schneller als zu Fuß fortzubewegen usw. Wir nennen dies Energiedienstleistungen. Sie hängen eng mit der vorher schon erwähnten Ordnungseigenschaft Syntropie zusammen. Die verschiedenen Formen der Energien sind nämlich nicht gleichwertig. Es gibt kostbare, ‚arbeitsfähige’ Energie (mit hoher Syntropie), wie z. B. elektrische oder mechanische Energie und nutzlose, ,nicht-arbeitsfähige’ Energie, wie z. B. gleichverteilte Wärmeenergie. Bei jeder Umwandlung von Energien findet gewöhnlich eine Qualitätsminderung der Energie statt, wird Syntropie verbraucht. Bei Energiedienstleistungen wird höherwertige Energie in minderwertigere Energie, meist Umgebungswärme, verwandelt.
      Wenn wir z. B. Auto fahren, so wird letztlich – wenn wir an unseren Ausgangspunkt zurückkehren – keine Energie verbraucht. Vielmehr wird die im Benzin gespeicherte chemische Energie vollständig in Wärmeenergie der Reifen, der Straßen, der Bremsbeläge, der Luft usw. verwandelt. Auch ein

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      warmes Zimmer braucht keine Energie. Die Heizung ist nur zur Kompensation der Wärmeverluste an die kältere Umgebung nötig.

      Intelligente Energieerzeugung und Energienutzung bedeutet deshalb die Qualitätseigenschaft der Energie, ihre Syntropie bestmöglich zu nutzen. Hier liegen enorme Möglichkeiten für eine effizientere Befriedigung unserer vielfachen Bedürfnisse. Diese Potentiale werden gewöhnlich weit unterschätzt, zum Teil weil sie unter der üblichen Bezeichnung ,Energieeinsparungen’ bei uns ganz falsche Assoziationen und meist mit negativer Färbung wecken.

      Bei der Betrachtung verschiedener Energieformen ist es lehrreich, sich einmal anschaulich ihre quantitativen Entsprechungen vor Augen zu führen. Ein Vergleich der mechanischen, elektrischen und thermischen Energie-Einheiten liefert aufschlußreiche Überraschungen. So läßt sich z. B. bei Verbrennung von 1 kg Steinkohle, also etwa von zwei Händen voller Eierkohlen, eine Tonne oder 1000 l (100 Eimer) Wasser um 7° erhitzen. Mit derselben Energie kann man aber dieselbe Wassermenge, also eine Tonne Gewicht, etwa 3000 m hoch heben! Dies entspricht der mechanischen Arbeit eines Zugpferdes für einen ganzen Arbeitstag (10 Stunden) oder von vier Menschen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Elektrisch betrachtet entspricht dies 8 Kilowattstunden, also der von einer Kochplatte (1 kW) über 8 Stunden abgegebenen Wärmeenergie. Auffallend ist also, wie wenig kostbar mechanische Energie ist und damit auch die physische Arbeitsenergie des Menschen. Verglichen mit den Stromkosten dürften wir einem Sklaven mit seiner körperlichen Energieleistung von etwa einer Fünftel Kilowattstunde pro Stunde nach heutigen Stromtarifen nur etwa 50 Pfennig für seinen zwölfstündigen Arbeitstag oder etwas mehr als 4 Pfennig für die Arbeitsstunde bezahlen. Hier wird deutlich, was billige Energie heißt.

      Wir können dies noch anschaulicher machen, wenn wir diese Zahlen mit dem durchschnittlichen Energieverbrauch einer einzelnen Person (Mann, Frau, Kind) in den Industrienationen und den Entwicklungsländern vergleichen. Der Lei-

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      stung 1 kW, d. h. von durchschnittlich 1 kW-Stunde (kWh) für jede Stunde Tag und Nacht, entsprechen mehr als die Leistung eines Pferdes oder von vier Menschen in dauerndem Einsatz oder 1/10 l Erdöl pro Stunde. Da Menschen (und auch Pferde) nicht ununterbrochen arbeiten können, ist die bessere Vergleichszahl 1 kW = 10 Sklaven. Bei einer mittleren Energieverbrauchsleistung von 11 kW in den USA heißt dies, daß jeder US-amerikanische Staatsbürger im Schnitt 110 Sklaven für sich beschäftigt, ein mittlerer 4-Personenhaushalt also insgesamt ein Gesinde von 440 Sklaven. Ein Europäer mit einer mittleren Energieverbrauchsleistung von 6 kW beschäftigt immerhin noch 60 Sklaven, während ein Mensch aus einem armen Entwicklungsland wie Bangladesch mit einer Energieverbrauchsleistung von knapp 100 W gerade noch einen Sklaven für sich beansprucht. Ein Chinese hat schon 10 Sklaven. Wir sollten uns diese Zahlen immer wieder vor Augen halten, wenn wir über die Frage der Zumutbarkeit einer Mäßigung unseres Energieverbrauchs nachdenken.

      Im Vergleich zu den chemischen Energien (die im Ursprung, aufgrund der Kräfte in der Atomhülle, elektromagnetischer Natur sind), wie sie beim Verbrennen von Steinkohle oder Benzin auftreten, werden bei der Spaltung von schweren Atomkernen, wie z.B. dem spaltbaren Uranisotop U235, auf die Masse bezogen eine Million mal mehr Energie freigesetzt: 1 kg U235 entspricht energetisch also etwa 1000 Tonnen oder 1 Kilotonne Steinkohle. Andererseits ist das spaltbare Uranisotop nur zu 0,7 % im Natururan vorhanden.





      5. Engpässe bei Energiequellen und Energiesenken

      Unsere menschlichen Aktivitäten werden aus einer Reihe von Energiequellen gespeist. Als praktisch zeitlich unbegrenzte Energie-Ressource, gewissermaßen als ständiges Energie-Einkommen, steht uns nur die täglich von der Sonne zugestrahlte ‚arbeitsfähige’ Energie (mit einer Leistung von 178.000 Terawatt) zur Verfügung, (wobei wir, wenn wir ,un-

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      begrenzt’ sagen, davon absehen, daß unsere Sonne bald ihre Lebensmitte erreicht hat und in etwa 5 Milliarden Jahren ihre Kernfusionsenergie-Vorräte aufgezehrt haben wird). Soweit diese Sonnenstrahlung nicht schon von der oberen Erdatmosphäre in den Weltenraum reflektiert wird, können wir sie primär direkt über das Sonnenlicht oder sekundär als Wasser- und Windenergie oder über Biomasse nutzen.

      Wirtschaftlich wird die Sonnenenergie heute nur in einem sehr begrenzten Umfange genutzt. Von dem heutigen Weltprimär­energieverbrauch (1990) mit einer Leistung von etwa 13 Terawatt, was etwa 1/13 700 der Sonneneinstrahlung oder der Körperleistung von 130 Milliarden Sklaven oder bei 5,4 Milliarden Menschen auf der Erde durchschnittlich 2,4 kW pro Person oder 24 Sklaven entspricht, werden weltweit nur etwa 1,6 Terawatt (TW) oder 12 % durch Biomasse und weitere 0,8 TW oder 6 % durch Wasserkraft abgedeckt. Diese Zahlen sollten verglichen werden mit den 40 TW der Sonnenenergie (also etwa dem dreifachen des Welt-Primärenergieverbrauchs), die nach heutigen Schätzungen auf den Landflächen der Erde im Mittel als Biomasse gebunden werden, was also bezüglich der Gesamt-Sonnenstrahlung nur zu etwa 0,2 Promille gelingt.

      Dieser winzig klein erscheinende Wirkungsgrad geht jedoch nur zu einem kleinen Teil, nämlich zu etwa 5 %, zu Lasten der eigentlichen Photosynthese der Pflanzen. Hier spielt vor allem eine Rolle, daß etwa nur ein Viertel der Sonnenenergie, nämlich im wesentlichen nur im roten und violetten Wellenlängenbereich des sichtbaren Lichtes, photosynthetisch aktiv ist und in diesen Bereichen im Mittel nur zu 28 % konvertiert wird. Hierbei ist die Energieaufnahme im langwelligen (roten) Bereich (33 %) effektiver als im kurzwelligen (ultravioletten) Bereich (22 %), weil im Schnitt für die Bindung eines Kohlenstoffatoms sechs Photonen unabhängig von ihrer Energie nötig sind. Durch Reflexion des Lichtes an den Pflanzen gehen nochmals 25 % verloren. Insbesondere im grünen Bereich, also gerade dort (Wellenlänge 0,48 Mikron), wo die Sonne ihre höchste Intensität besitzt, ist sogar wegen

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      der starken Reflexion dieses Lichtes durch grüne Pflanzen die Biomassebildung am geringsten. Zusammengenommen wird dadurch der Wirkungsgrad auf etwa 0,25 x 0,28 x 0,75 = 5 % reduziert. Dieses charakterisiert ein absolutes Maximum. Ungefähr wird dies auch kurzzeitig realisiert im tropischen Regenwald (direkt gemessene Biomassebildung bis zu 4,4 %). Die über ein Jahr gemittelte Ernteproduktivität in den USA liegt bei 1,7 %, wobei allerdings eine zusätzliche Energiezufuhr durch den Kunstdünger gegengerechnet werden muß. Auch in den Tropenwäldern sinkt wegen des Eigenverbrauchs und der starken Abbauprozesse im warmen Klima die Netto-Biomassenrate auf weniger als 1 %. Im allgemeinen bleibt aus ähnlichem Grunde auch andernorts die Netto-Biomassenrate wesentlich unter 1 %, insbesondere wenn auch eine große Zahl anderer Faktoren wie Bewölkung, Blattabschattung, klimatische (Temperatur) und geographische Bedingungen berücksichtigt werden.

      Im Vergleich zu der von außen auf die Erde fallenden Sonnenstrahlung ist die auf der Erdoberfläche ankommende Sonnenstrahlung um etwa 44 % reduziert, weil ein erheblicher Teil aufgrund von Reflexion in der oberen Atmosphäre (33 %), Verdunstungsarbeit (21 %) und Winderzeugung (2 %), verloren geht. Zieht man nun noch in Betracht, daß nur etwas weniger als 30 % der Erdoberfläche von 510 Millionen km2 aus Land besteht, von dem wiederum ungefähr nur 60 Millionen km2, also weniger als die Hälfte (oder rund 12 % bezogen auf die Erdoberfläche) für die Photosynthese `ausreichend’ pflanzen­überwachsen ist, so daß sich leicht die früher erwähnte Biomassenbildung von etwa 0,02 % verstehen läßt.

      Für die mittlere Biomassen-Erzeugungsrate auf den bewachsenen Flächen errechnet sich ein Wert von etwa 0,65 W/m2. Es ist nicht ganz richtig, die Meere bei dieser Aufrechnung ganz zu vernachlässigen, da sich im Küstenbereich ähnliche Erzeugungsraten für die Biomasse wie im Tropenwald ergeben, die allerdings auch hier nur von kurzem Bestand ist, zum Teil weil sie den gewichtigen Anfang einer langen Nahrungskette bildet.

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      Der Löwenanteil, nämlich 82 % des Welt-Primärenergieverbrauchs von 13 TW oder 10,7 TW, ist jedoch nicht mit der ständig zuströmenden Sonnenenergie verbunden, sondern basiert auf nicht-erneuerbaren Energieträgern, so vor allem 77 % auf den fossilen Brennstoffen Kohle, Erdöl und Erdgas, und etwa 5 % auf Atomkernspaltung.

      Das gesamte jemals vorhandene Weltvorkommen an fossilen Brennstoffen, von denen wir schon einen großen Teil aufgebraucht haben, entspricht energiemäßig nur der Sonneneinstrahlung von etwa zwei Wochen. Dies mag uns überraschen, wenn wir daran denken, daß sich die fossilen Lagerstätten über Zeiträume von hundert Millionen Jahren gebildet haben. Wir müssen dem gegenüber uns jedoch daran erinnern, daß weit weniger als ein Promille der Sonnenenergie zeitweise in Biomasse gebunden wird und Biomasse geologisch nur unter ganz besonderen geologischen Bedingungen (mit weniger als einer millionstel Wahrscheinlichkeit) in tiefere Erdschichten gelangt.

      Die zeitlichen Reichweiten der nicht-erneuerbaren Energieträger ergeben sich aus einem Vergleich des Vorkommens und der Verfügbarkeit dieser Energieträger in der uns zugänglichen Erdkruste mit unserem jetzigen und künftig zu erwartenden Energieverbrauch. Hier treten gravierende Engpässe auf. Vergleicht man etwa den jetzigen Weltverbrauch von fossilen Energieträgern, der etwa einer halben Stunde Sonneneinstrahlung entspricht, mit dem ,zwei-wöchigen’ Vorkommen der fossilen Brennstoffe, so kommt man auf eine Reichweite von etwa 600 Jahren. Diese Abschätzung ist aber viel zu grob. Sie muß in dreierlei Hinsicht verbessert werden. Erstens lassen sich nicht alle Vorkommen wirtschaftlich vernünftig abbauen. Zweitens müssen wir in Betracht ziehen, daß Vorrat und Verbrauch bei den verschiedenen fossilen Energieträgern in sehr verschiedener Beziehung zueinander stehen. So ist insbesonders Erdöl im Vergleich zu Kohle viel seltener, der Verbrauch von Erdöl jedoch höher als der von Kohle. Dies bedeutet, daß Erdöl wesentlich schneller als Kohle bei Fortschreibung des jetzigen Trends zur Neige gehen wird. Wir müssen schließlich drittens berücksichtigen, daß

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      der Verbrauch keineswegs bei den jetzigen Zahlen stehenbleiben wird, sondern, wie dies die Vergangenheit gezeigt hat, wohl weiterhin jährlich eine gewisse Zuwachsrate (etwa 3 % für Erdöl und Erdgas und etwas weniger für Kohle) erfährt. Unter allen diesen Gesichtspunkten gelangt man für die Reichweiten etwa zu den Prognosen: Steinkohle und Braunkohle 200 Jahre, Erdöl 45 Jahre und Erdgas 60 Jahre. Selbst wenn wir die Vorräte an fossilen Energieträgern auf irgendeine Weise – etwa durch massiven Einsatz von Kernenergieträgern – effektiv verdoppeln könnten, so würde dies bei einem 3%-igen jährlichen Wachstum des Energieverbrauchs die drohende Verknappung nur um etwa 23 Jahre hinauszögern. Wir müssen also zu drastischen Mitteln greifen, um aus unserem globalen Energiedilemma herauszukommen.

      Das ist aber noch nicht alles. In unseren Überlegungen haben wir bisher nämlich nur die künftigen Engpässe auf der Ressourcenseite der Energie in Betracht gezogen. Wie heute immer deutlicher wird, treten jedoch auf der Entsorgungsseite nicht minder große Schwierigkeiten auf, die langfristig ebenfalls eine Beschränkung des Energieumsatzes notwendig machen. Allgemein bekannt ist dies heute ja durch die Erzeugung von Kohlendioxyd bei der Verbrennung von kohlenstoffhaltigen Brennstoffen (vor allem also von Kohle, dann aber auch von Erdöl und im geringeren Maße von Erdgas), das als Treibhausgas Klimaveränderungen im globalen Maßstab heraufbeschwört.

      Vermutlich ist dies nur die Spitze eines Eisbergs, erscheint es doch unmittelbar einleuchtend, daß alle anthropogenen, technisch aufbereiteten und angewendeten Energieflüsse in irgendeiner Weise, direkt oder indirekt, zu mehr oder weniger großen Störungen des irdischen Ökosystems führen. Wolfram Ziegler hat in einer Studie, in welcher der anthropogene Ausfall biologischer Arten als wichtiger Hinweis für die technisch-zivilisatorische Überbelastung der natürlichen Systeme gewertet wird, die interessante These vertreten, daß der anthropogene und letztlich thermische durchschnittliche Energiefluß pro Zeit- und Flächeneinheit effektiv als Kausal- und Kenngröße für die Umweltbelastung

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      geeignet sei. Für Mitteleuropa kommt er hierbei auf eine maximale Grenzbelastung von 160 ± 20 kW/km2 oder 0,16 ± 0,02 W/m2.

      Es ist interessant, diese ‚empirisch’ ermittelte Grenzbelastung mit der in Deutschland im Mittel am Boden einfallenden Sonnenstrahlung von 116 W/m2 zu vergleichen. Die Grenzbelastung liegt hierzu bei etwa einem Promille. Aufschlußreicher erscheint vielleicht ein Vergleich mit dem früher abgeschätzten Mittelwert für die sonnen-induzierte Biomasse von etwa 0,65 W/m2 (also etwa 0,5 % im Vergleich zur am Boden ankommenden Sonnenstrahlung). Dies bedeutet, daß der ökologisch maximal verträgliche kommerzielle Energieumsatz bei etwa einem Fünftel der im Mittel durch Sonnenenergie gebildeten Biomasse liegt. Für den Globus ließe sich daraus eine Grenzbelastung durch anthropogene, technisch aufbereitete Energieumsätze in Höhe von insgesamt 8 TW extrapolieren.

      Es sollte vielleicht nochmals betont werden, daß die hier abgeschätzten Grenzwerte unabhängig von der Ressourcenfrage sind, da von den negativen Auswirkungen der Energieumsetzung auf die Ökosphäre (output oder Entsorgung) und nicht von der Knappheit von Primärenergieträgern (input) ausgegangen wurde. Wir nehmen dabei an, daß Sonnenenergie-Nutzung nicht in die hier akzentuierten anthropogenen, technisch aufbereiteten Energieumsätze eingerechnet werden muß, was gerechtfertigt erscheint, solange diese nicht extrem anders als in der Natur (z. B. durch hohe Konzentration) vor sich geht. Da das Biosystem der Erde sich über Jahrmilliarden auf die Sonneneinstrahlung als wesentliche Primärenergiequelle eingestellt hat, erscheint das hier gewonnene Ergebnis, daß eine Störung des Biosystems dann schädlich wird, wenn es sich den Werten der sonnen-induzierten Biomasse nähert, recht plausibel.



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      6. Das persönliche Energie-Budget

      Eine solchermaßen vorgegebene energetische Grenzbelastung der Ökosphäre von etwa 8 TW würde dann entsprechend der jeweiligen Bevölkerungsdichte eine Begrenzung des mittleren Pro-Kopf-Verbrauchs an Primärenergie erfordern. Unter der Annahme einer gleichverteilten Nutzung der ,Natur’ auf unserer Erde durch die derzeitig etwa 5,4 Milliarden Menschen – was offensichtlich ein Gebot der Gerechtigkeit sein sollte, würde aufgrund dieser Überlegungen ein Primärenergieverbrauch pro Kopf von nur etwa 1,5 Kilowattstunden pro Stunde, also 1,5 kW zulässig erscheinen. Dies entspricht pro Kopf und Jahr 13000 Kilowattstunden oder 1300 Liter Erdöl oder 1,6 Tonnen Steinkohlen oder auch 13000 km Interkontinentalflug. Dieser Wert von 1,5 kW muß mit den etwa 6 kW pro Kopf-Verbrauch eines Mitteleuropäers, den 11 kW eines US-Amerikaners, den 800 W eines Chinesen oder den 80 W eines Bewohners der ärmsten Länder verglichen werden.

      Lassen Sie mich bezüglich dieser Zahl 1,5 kW oder 8 TW für den totalen Verbrauch eine kurze kritische Bemerkung machen. Zweifellos ist die hier vorgestellte Abschätzung einer Energiegrenzbelastung des irdischen Ökosystems von etwa 8 TW (was der persönlichen Primärenergieleistung von 1,5 kW entspricht) reichlich anfechtbar. Dennoch gewinnt man den Eindruck, daß ein Wert in dieser Größenordnung in vielerlei Hinsicht plausibel erscheint. Er ist nicht weit weg von dem jetzigen Weltmittelwert ohne Biomasse und Wasserkraft von 10,7 TW (was einem Pro-Kopf-Wert von 2,0 kW entspricht), von dem wir den Eindruck haben, daß er langfristig schon nicht mehr ökologisch verträglich sei. Sollten wir jedoch in der Tat unsere Abschätzung zu pessimistisch gemacht haben, so wird dies in Zukunft außerordentlich hilfreich sein, da wir mit Sicherheit, wenigstens in den nächsten Dekaden, mit weit mehr als 5.4 Milliarden Menschen zu rechnen haben. Schließlich haben die insgesamt nur noch 8 TW kommerzielle Primärenergie eine Größenordnung, von

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      der man sich gut vorstellen kann, daß sie – wenn wir nun auch die prekäre Ressourcenseite mitberücksichtigen – langfristig direkt oder indirekt ganz aus Sonnenenergie gespeist werden könnte.

      Doch welche Konsequenzen hätte die Forderung einer solchen Absenkung des Energieverbrauchs für die nördliche Welt und insbesondere auch für uns hier in Europa? Ein Absenken des Energieverbrauchs in Mitteleuropa auf 1/4 des jetzigen Verbrauchs (in den USA sogar auf 1/7), der unserer Forderung gerecht wird, ist selbstverständlich nicht einfach, aber unmöglich ist es nicht. Eine grobe Betrachtung ergibt, daß eine erste Halbierung unseres jetzigen Energieverbrauchs allein durch technische Maßnahmen – also intelligentere Formen der Energie-Erzeugung und der Energie-Nutzung ohne Schmälerung der Energiedienstleistungen – möglich sein sollte. Eine zweite Halbierung würde aber wohl nur durch eine Änderung unseres Lebensstils möglich sein. Diese zweite Halbierung stellt die eigentliche Herausforderung für uns dar. Um ihr wirksam zu begegnen, wird individueller guter Wille und Idealismus dringend nötig sein, aber langfristig kaum ausreichen. Wir brauchen dazu äußere Hilfestellungen. Dies beschert uns ein typisches Henne-Ei-Problem: Eine Bereitschaft zu einer solchen Änderung wird durch eine äußere Hilfestellung gefördert, die andererseits politisch nur durch eine solche Bereitschaft initiiert und inszeniert werden kann. Es geht also darum, für diese Bereitschaft eine kritische Masse zu schaffen.





      7. Politische Umsetzungsstrategien

      Eine Initiative in Richtung einer 1,5-Kilowatt-Gesellschaft kann m. E. nur von der Bevölkerung ausgehen. Sie hat dafür, wie ich glaube, genügend Verantwortungsbewußtsein. Die Menschen müssen das Problem aber von ihrem eigenen Standort sehen und richtig einschätzen können. Was bedeutet dies konkret?

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      Ich halte es für nicht ausgeschlossen – und dies ganz im Sinne, wie es auch von Ernst Ulrich von Weizsäcker seit Jahren in aller Deutlichkeit propagiert wurde –, daß in Deutschland oder auch in der ganzen Europäischen Gemeinschaft eine geeignete Lenkungsabgabe auf nicht-erneuerbare Energieressourcen wie etwa Kohle, Erdöl, Erdgas und Kernenergie politisch durchgesetzt werden kann, so daß deren Marktpreise sich in den nächsten 15 bis 20 Jahren real auf etwa das Drei- bis Vierfache ihres jetzigen Preises erhöhen würden, vorausgesetzt

      daß die Bevölkerung zuvor umfassend über Sinn und Zweck dieser Maßnahme unterrichtet wird;

      daß diese Erhöhung in einer stetigen und voll berechenbaren Weise über einen längeren Zeitraum, sagen wir von 15 oder 20 Jahren, vollzogen wird (was eine jährliche Preissteigerungsrate von etwa 7 % plus Inflationsrate erfordern würde);

      daß die dabei zusätzlich eingezogenen Gelder zum wesentlichen Teil in einer geeigneten, die ökologische Nachhaltigkeit weiter unterstützenden Weise wieder an die Verbraucher zurückfließen.

      Ein kleinerer, nicht zurückgegebener Teil sollte zur Erschließung der Sonnenenergie in allen Formen und zur Reparatur der durch den erhöhten Energieverbrauch verursachten Umweltschäden, also zur Internalisierung der durch diesen Verbrauch aufgetretenen und noch auftretenden externen Kosten, verwendet werden. Der Schwerpunkt der Investitionen sollte jedoch anfänglich eindeutig bei einer Umstrukturierung der Produktion in Richtung auf Energieeffizienz und Schadensvermeidung als auf Schadensreparatur gerichtet sein. Ein durch eine Preiserhöhung erzeugter zusätzlicher Kostendruck würde langfristig die Schadensvermeidung vor der Schadensreparatur wirtschaftlich begünstigen.



      Ich sollte vielleicht noch eine kurze Bemerkung anfügen, auf welche Weise die bei der Lenkungsabgabe vereinnahmten Gelder wieder an die Verbraucher zurückfließen sollen. Viele

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      betrachten die Rückführung dieser Gelder als den eigentlich kritischen Teil einer solchen Maßnahme, weil es sich hierbei doch um ganz beträchtliche Summen handelt, die dem Staate, der diese ja zunächst kassiert, enorme Manipulationsmöglichkeiten einräumen würde. Andererseits ist aber ja eine gezielte Verwendung letztlich die eigentliche Absicht einer Lenkungsabgabe. Eine dadurch bewirkte Erhöhung der Staatsquote im Wirtschaftsgeschehen wird jedoch von einigen mit großer Skepsis betrachtet. Viele möchten deshalb die Verfügung über diese Gelder im wesentlichen den Steuerzahlern selbst überlassen. Dies kann am leichtesten wohl durch eine geeignete Absenkung der Mehrwertsteuer geschehen oder, noch gerechter – wie es etwa in der Schweiz vorgesehen werden soll, durch Bildung eines Ökofonds, aus dem jeweils am Jahresende das eingesammelte Geld als Ökobonus gleichmäßig an alle Staatsangehörigen ausgeschüttet wird. Bei dieser Verteilung nach dem Gießkannenprinzip würden wir aber dann gerade auf eine zusätzliche hochwirksame Ökolenkung verzichten.

      Ich würde es deshalb für eine bessere Lösung halten, einen solchen Ökofond im Rahmen einer staatsunabhängigen Stiftung einzurichten, die durch ihre Statuten auf die Förderung der ökologischen Nachhaltigkeit der Wirtschaft festgelegt ist. Diese Stiftung sollte durch einen geeignet ausgewählten ökologischen Stiftungsrat geleitet werden, der sich aus kompetenten und weitsichtigen Personen aus allen Teilen der Gesellschaft konstituiert und der für eine verantwortungsvolle, ökologisch optimale und sozial ausgewogene Verteilung der Gelder sorgen soll.

      Eine auf diese oder ähnliche Weise kaufkraft-abgepufferte Energieverteuerung könnte eine entscheidende Wende in unserer Wirtschaftsweise bewirken. Sie würde in der Folge nicht nur den gesamten Primärenergieverbrauch senken, sondern insgesamt den Umsatz von ‚Material’ dämpfen, wodurch eine erhebliche Verminderung des Schadstoffausstoßes resultieren würde. Außerdem würde durch eine dadurch letztlich bedingte Verteuerung des Transports auch eine räumliche Dezentralisierung von Produktion, Handel und Gewerbe wesent-

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      lich begünstigt werden. Dies wiederum würde die Bewahrung und Entwicklung eigenständiger wirtschaftlicher und kultureller Strukturen fördern mit allen ihren positiven Konsequenzen bezüglich größerer Unabhängigkeit der spontan kommunikationsfähigen Lebenseinheiten (der Regionen) und damit zu einer höherer Lebensqualität ihrer Menschen führen.

      Im Gegensatz zu dieser optimistischen Vorstellung halten die meisten jedoch eine solche Energieverteuerung politisch für praktisch undurchführbar, weil sie glauben, daß dies – um lokale Benachteiligungen und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden – notwendig eine globale Einführung voraussetzt, was kaum konsensfähig erscheint. Meines Erachtens ist jedoch der Erfolg einer Energie-Lenkungsabgabe für ihre Initiatoren nicht notwendig an eine weltweite Einführung gekoppelt. Denn bei dem geschilderten Vorgehen würden einerseits kompensierende Vergünstigungen durch das teilweise rücklaufende Geld die Nachteile für den einzelnen wesentlich mindern helfen, andererseits aber – und dies ist wohl das Entscheidendere – würden die dadurch stimulierten, kräftigen Entwicklungen intelligenter Energieerzeugungs- und Energienutzungstechnologien, von denen viele als entwicklungsreife Pläne ungenutzt in diversen Schubladen verstauben, für die Pioniere einen zukunftsträchtigen Markt mit enormen langfristigen Vorteilen erschließen. Es könnte hier also eine Innovationslawine mit starken positiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt ins Rollen kommen, die durch die Möglichkeiten der ,sanften’ Technik, der Mikroelektronik und Informatik, wissenschaftlich-technisch unterstützt würde.

      Wichtig wäre es allerdings dabei, der Bevölkerung klar zu machen, daß es sich bei diesen Lenkungsabgaben nicht um neue Steuern zur Finanzierung irgendwelcher anderweitiger Staatsausgaben (außer der Internalisierung externer Kosten) handelt, sondern um ein ,Abhalte-Anreiz-Steuerungsinstrument’ mit dem Hauptziel, eine intelligentere Nutzung der arbeitsfähigen Energie zu fördern und damit den Verbrauch an Primärenergie drastisch abzusenken. Denn ökologisch betrachtet rangiert ,Energieeinsparung’ eindeutig günstiger als

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      die Bereitstellung zusätzlicher fossiler oder nuklearer Energien, und dies gilt auch wirtschaftlich, wenn wir mit ,richtigen’, die externen Kosten berücksichtigenden Preisen rechnen. Bei richtiger Vorteilnahme sollte auch für ,den kleinen Mann’ oder ,die kleine Frau’ insgesamt dadurch kaum eine wirtschaftliche Verschlechterung eintreten.

      Zur weiteren Erhöhung der Akzeptanz einer solchen Maßnahme bei der Bevölkerung wäre es wohl psychologisch ratsam, durch eine detaillierte Auflistung und Veröffentlichung der Energieaufwendungen der wichtigsten Verbrauchsgüter (in deren gesamtem ,Lebens’-Zyklus) und Dienstleistungen dem einzelnen Menschen die Möglichkeit zu bieten, sich eine eigene Vorstellung von seinem persönlichen Energieverbrauch zu verschaffen. Die Abschätzung der gesamten Energieaufwendungen von Produkten ,von der Wiege bis zur Bahre’ verlangt im allgemeinen eine komplizierte Produktlinien-Analyse, die auf unübersichtliche Weise vom gesamten Wirtschaftsprozeß abhängt. Für den hier anvisierten Zweck ist jedoch nur eine ganz grobe Bewertung für die energie-intensivsten Produkte nötig, um einen Eindruck von der jeweiligen Energiequalität der Produkte zu vermitteln. Greenpeace Schweiz hat z. B. 1990 eine solche Liste und entsprechende Fragebogen erstellt, der sich auf einen Schweizer Staatsbürger mit einem mittleren Pro-Kopf-Energieverbrauch von 6,5 kWh pro Stunde bezieht und die folgende Verteilung bei der Primärenergie aufzeigt:

      – Wohnen (Heizen, Warmwasser, Geräte, Licht) 29 %
      – Transport – persönliche Mobilität (privater und öffentlicher Verkehr, Produktion von Autos, Straßenbau) 18 %
      – Zusätzlicher privater Konsum (Verbrauchsgüter, Dienstleistungen, Versicherungen usw.) 27 %
      – Ernährung (Nahrungsmittel, -Verarbeitung, -Verteilung) 14 %
      – Öffentlicher Konsum (Schulen, Verwaltung, Forschung, Kultur, Militär usw.) 12 %


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      Mit Hilfe solcher Listen und Fragebögen könnte im Prinzip jeder in einem zweiten Schritt selbst versuchen, sein persönliches ,Energie-Menü’ im Rahmen seines mittleren 1,5 kW-Energie-Leistungsbudgets zusammenzustellen. Jeder von uns würde dadurch ein Gefühl entwickeln, an welcher Stelle und in welchem Maße wir heute ,über unsere Verhältnisse’ leben und welche Schritte er oder sie persönlich unternehmen müßte, um zu einem ökologisch verträglicheren Lebensstil zu gelangen.

      Mit der Vorstellung einer `1,5-kW-Gesellschaft` sollten wir dabei nicht eine Ökodiktatur suggerieren, die eine 1,5 kW Beschränkung als strikte Forderung erhebt, sondern diese Vorstellung soll neue Vorbilder schaffen und zur allgemeinen Bewußtseinbildung beitragen. Sie soll die Menschen befähigen, die notwendige kritische Masse für eine Änderung zu bilden.

      Denn viele, so glaube ich, würden wohl bei dieser Übung mit Erleichterung feststellen, daß eine solche Energiebeschränkung, die zweifellos an manchen Stellen einschneidende Änderungen lieber Gewohnheiten und dementsprechend auch empfindliche Opfer verlangt, jedoch keineswegs von uns erfordert, künftig in ,Sack und Asche’ zu vegetieren und sehr wohl ein im besten Sinne sinnerfülltes, lust- und freudvolles Leben zuläßt.

      Wir brauchen heute dringend Entwürfe für solche positiven, in vollem Sinne lebenswerte Lebensstile. Es gibt solche, und deshalb wird auch ein Wandel nicht ausgeschlossen sein. Wir müssen ihn nur wirklich wollen und ihn, vor allem katalytisch, richtig auf den Weg bringen.









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      Bibliographische Nachweise



      Die Verantwortung naturwissenschaftlichen Erkennens
      Vortrag vom 31.10.1989 an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im Rahmen der Ringvorlesung "Die Verantwortung des Wissens"; in: Wissen als Verantwortung – Ethische Konsequenzen des Erkennens, Hans-Peter Müller (Hg.), Verlag W. Kohlhammer - Stuttgart Berlin Köln 1991

      Mensch und Natur - Die Partnerschaft mit der Umwelt
      "Partnerschaftliche Verantwortung für die (Um-)Welt", Autorisierte Vortragsabschrift vom Tonband, in: Gemeinsam nutzen statt einzeln verbrauchen. Internationales Forum für Gestaltung, Ulm, Anabas Verlag 1993

      Ökologische Herausforderung der Ökonomie - Eine naturwissenschaftliche Betrachtung
      "Ökonomie und Natur - Von der wachstumsfixierten Wirtschaftsordnung zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise", Beratungsrunde von Vor-, Nach- und Querdenkern aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Medien; Evangelische Akademie Tutzing, 19.-21.2.1990; zuletzt als Beitrag zur Ringvorlesung der FU Berlin "Energie-Umwelt-Abrüstung", 27.1.1992; in: Informationsdienst Wissenschaft&Frieden 3 u. 4, BDWI-Verlag 1992

      Naturwissenschaft und Poesie - Begreifen und Spiegeln der Wirklichkeit
      Essay entstanden für "Metamorphosen des Wirklichen", 5. Cortona-Woche der ETH Zürich 14.-21.4.1991 zu "Naturwissenschaft und Ganzheit des Lebens", sowie "Naturwis-

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      senschaft und poetischer Raum - Begreifen und Spiegeln der Wirklichkeit" vor dem PEN-Club Österreich in Wien 6.5.1991; in: Scheidewege, 22, Friedrich G. Jünger und Max Himmelheber (Hg.), 1992

      Sicherheitspolitik im Spannungsfeld von Ökologie und Ökonomie
      Kolloquium "Europäische Sicherheitsinteressen" 1.-2.7. 1991 in Hamburg; und Evangelische Akademie Tutzing und European Center for International Security (EUCIS), 11.-l 4. Oktober 1993, Konferenz "Auf dem Weg zu einer neuen internationalen Ordnung"; in: epd-Dokumentation "Kooperative Sicherheitspolitik in der Ost-West- und der Nord-Süd-Dimension", hg. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik e.V., Frankfurt/M. 1994

      Die 1,5-Kilowatt-Gesellschaft - Intelligente Energienutzung als Schlüssel zu einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsweise
      Beitrag zur Vortragsreihe am Wuppertalinstitut für Klima, Umwelt und Energie im Wissenschaftszentrum NRW, Wuppertal 25.1.1994; und Eröffnungsvortrag zu "Billige Energie zu hohen Kosten - Internalisierung externer Effekte: Philosophie und Theorie", Energieverwertungsagentur, Wien 30.3.-1.4.1993

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      Der Herausgeber

      MATTHIAS BRAEUNIG, 1964 in Berlin geboren, studierte Physik an der Technischen und an der Freien Universität Berlin. Erste wissenschaftliche Arbeiten im Bereich experimenteller Kern- und Elementarteilchen-Physik. In Freiburg lernte er Yoga, das er u. a. als Kursleiter weitergibt. Mit der Gründung des "Atelier für ökologische Bildung" 1993 in Stauten konzentriert sich sein Interesse auf die Erforschung ganzheitlicher Organisationsstrukturen und Systeme. Das Atelier will neue Ansätze für Unternehmens- und Entwicklungsbegleitung im Sinne einer Ökologie fruchtbar machen.



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      schrieb am 21.10.04 15:36:31
      Beitrag Nr. 17 ()
      Richard Heinberg
      EIN BRIEF AUS DER ZUKUNFT


      Ich grüße Euch, Leute aus dem Jahr 2001! Ihr lebt in dem Jahr, in dem ich geboren bin. Ich bin jetzt einhundert Jahre alt, und ich schreibe Euch aus dem Jahr 2101. Ich nutze die letzten Überbleibsel der hochentwickelten Technik, die von Wissenschaftlern Eurer Zeit entwickelt wurde, um diese Nachricht in der Zeit zurückzusenden in eines Eurer Computernetzwerke. Ich hoffe, daß es bei Euch ankommt, und dass es Euch veranlaßt, innezuhalten und über Eure Welt nachzudenken, sowie über die nötigen Maßnahmen.
      Zu mir selbst nur das Nötigste: Ich bin ein Überlebender. Ich habe in vielen Situationen und auf viele Arten extrem viel Glück gehabt, und ich betrachte es wirklich als ein Wunder, dass ich diese Nachricht an Euch noch verfassen kann. Ich habe viel Zeit damit verbracht, eine Karriere als Historiker zu verfolgen, aber die Umstände haben mich auch gezwungen, die Fähigkeiten eines Bauern, eines Furiers, eines Guerillakämpfers, eines Technikers und nun auch die eines Physikers zu erlernen und auszuüben. Mein Leben war lang und ereignisreich . . . aber das ist nicht der Grund, warum ich so viel Aufwand treiben mußte, um die Nachricht an Euch zu senden. Der Grund ist vielmehr das, was ich in diesem Jahrhundert (was noch vor Euch liegt) erlebt habe und was mich verpflichtet, es Euch auf diesem außergewöhnlichen Weg mitzuteilen.
      Ihr lebt am Ende eines Zeitalters. Ihr könnt das vielleicht nicht verstehen. Ich hoffe aber, daß Ihr es versteht, wenn Ihr meine Nachricht gelesen habt.
      Ich möchte Euch mitteilen, was Ihr unbedingt wissen müßt, aber einiges davon wird Euch schockieren. Bitte habt Geduld mit mir. Ich bin ein alter Mann und ich habe nicht viel Zeit für Feinheiten. Wenn das, was ich sage, unglaublich erscheint, betrachtet es als Science Fiction. Aber hört bitte gut zu. Diese Technik ist nicht sehr zuverlässig, und ich weiß nicht, wieviel tatsächlich bei Euch ankommt. Bitte gebt diese Informationen weiter an andere. Es ist wahrscheinlich die einzige Nachricht dieser Art, die Ihr jemals erhalten werdet.
      Da ich nicht weiß, wie viele Informationen ich Euch tatsächlich senden kann, beginne ich mit den wichtigsten Themen. Es sind die Themen, die Euch am meisten helfen werden, zu verstehen, wohin Eure Welt steuert. Energie war der zentrale Dreh- und Angelpunkt dieses Jahrhunderts. Ich geschichtlichen Rückblick müßte ich sogar sagen, daß Energie auch der zentrale Dreh- und Angelpunkt des 19. und 20. Jahrhunderts war. Neue Energiequellen wurden im 19. Jahrundert entdeckt – Kohle, dann Öl -, und danach wurden dann alle möglichen neuen Technologien entwickelt, um diese neu gefundene Energie nutzen zu können. Transport, Herstellung, Landwirtschaft, Beleuchtung, Heizung – alles wurde revolutioniert, und die Ergebnisse haben großen Einfluß auf das Leben aller Menschen nicht der industrialisierten Welt gehabt. Alle Leute wurden vollkommen abhängig von den neuen Geräten: von importierter, chemisch gedüngter Nahrung, von chemisch hergestellten Medikamenten, die mit Hilfe fossiler Energieträger geliefert wurden, von der Vorstellung ständigen Wachstums (schließlich würde es doch immer möglich sein, mehr Energie zu erzeugen, für den Transport und die Produktion, oder?). Nun hat sich gezeigt, daß das 19. und 20. Jahrhundert auf der aufsteigenden Seite der Wachstumskurve lagen, das vergangene 21. Jahrhundert jedoch auf der absteigenden Seite – dem Abgrund. Es hätte für alle vollkommen klar erkennbar sein können, daß die Energiequellen, auf denen alles aufgebaut war, erschöpfbar waren. Aber irgendwie machte sich niemand große Gedanken darum. Ich vermute, es liegt daran, daß die Leute generell dazu neigen, sich an einem bestimmten Lebensstil zu gewöhnen, und ab dann verschwenden sie nicht mehr viele Gedanken daran. Das ist auch heute noch so. Die jungen Leute von heute haben nie etwas anderes gekannt. Sie nehmen unseren Lebensstil als gegeben hin – die Reste der Industriegesellschaft zu durchwühlen, auf der Suche nach Dingen, die man gebrauchen kann -, so als hätten die Menschen immer so gelebt, so als wäre das der Sinn unseres Lebens.
      Ja, die Energiekrise. Das fing so um die Zeit meiner Geburt an. Die Leute dachten damals, das würde nur kurze Zeit dauern, es sei alles nur ein politisches oder technisches Problem, und daß bald alles wieder normal werde. Sie glaubten nicht??/weiterhin, daß "normal" im langfristigen historischen Sinne bedeutete, von der Energie des ankommenden Sonnenlichts und dem Vegetationswachstum der Biosphäre zu leben. Perverserweise glaubten sie, es sei "normal", fossile Energiequellen so zu verbrauchen, als gäbe es kein Morgen. Ich so war es auch fast, denke ich.
      Die meisten Leute dachten zuerst, die Knappheit könne durch Technologie behoben werden. Im Rückblick ist das ziemlich lächerlich. Denn schließlich wurde all ihre modernen Geräte ja gerade entwickelt, einen vorübergehenden Überfluß von Energie zu nutzen. Sie produzierten keine Energie. Klar, es gab die Atomreaktoren (die sich zu echten Albträumen entwickelten), aber deren Bau und die spätere Entsorgung kostete so viel Energie, daß fast die gesamte erzeugte Energie wieder verbraucht wurde. Genauso war es mit Solarzellen. Offensichtlich hat sich nie jemand hingesetzt und ausgerechnet, wieviel Energie für die Herstellung gebraucht wurde, beginnend mit den Siliziumscheiben, die Nebenprodukte der Computerherstellung waren, aber auch die Energie für den Bau der Fabrik selbst. Es stellte sich später heraus, daß die Herstellung der Solarzellen fast genauso viel Energie verbrauchte wie die Zellen während ihrer Lebensdauer erzeugen konnten. Trotzdem wurde eine Menge davon gebaut – ich wünschte, es wären mehr gewesen – und viele sind noch heute in Betrieb. (Sie liefern die Energie für dieses Gerät, mit dem ich Euch diese Signale aus der Zukunft senden kann.) Solarenergie war eine gute Idee. Der größte Nachteil war einfach, daß es nicht ausreichte für die energieverschwendenden Gewohnheiten der Menschen. Als die fossilen Brennstoffe knapp wurden, gab es keine Technologie, mit der die Menschen ihren gewohnten Lebensstil hätten beibehalten können. Viele brauchten ziemlich lange, bis sie das erkannten. Ihr pathetischer Glaube an die Technologie erwies sich als fast religiös, gerade so, als seien ihre Geräte geweihte Objekte, die sie mit einem unsichtbaren, aber omnipotenten Gott verbanden, der die Gesetze der Thermodynamik außer Kraft setzen konnte.
      Natürlich gehörten zu den ersten Auswirkungen der Energieknappheit Wirtschaftsrezessionen, gefolgt von einem Abschwung ohne Ende. Die Wirtschaftswissenschaftler hatten immer auf der Basis ihrer eigenen Religion gearbeitet – einem absoluten, unerschütterlichen Glauben an den Gott Markt, an Angebot und Nachfrage. Sie rechneten aus, daß der Preis des Öls steigen würde, wenn es knapp wird, und daß damit die Suche nach Alternativen lohnenswert würde. Aber Sie machten sich nie die Mühe, es bis zum Ende zu durchdenken. Andernfalls hätten Sie erkannt, daß die Umstellung der gesamten Infrastruktur unserer Gesellschaft Jahrzehnte dauern würde, während die Preisauswirkungen der Knappheit erst ein paar Wochen oder Monate vor dem Zeitpunkt auftreten würden, zum dem eine hypothetische Ersatzenergie nötig wäre. Davon abgesehen, hätten sie auch erkannt, daß es keinen Ersatz für die Hauptenergieressourcen gab.
      Die Wirtschaftswissenschaftler konnten nur in Geld rechnen. Grunderfordernisse wie Wasser oder Energie tauchten in ihren Berechnungen nur im Hinblick auf die finanziellen Kosten auf. Damit waren sie austauschbar mit allen anderen Gütern – Orangen, Flugzeugen, Diamanten, Briefmarkensammlungen oder anderen. Am Ende waren die Grunderfordernisse jedoch überhaupt nicht austauschbar mit anderen Wirtschaftsgütern. Wenn es kein Wasser gab, konnte man die Briefmarkensammlungen nicht trinken, egal wie wertvoll die Sammlung auch war. Und wenn es nirgends Nahrung zu kaufen gab, konnte man keine Dollars essen. Nach einiger Zeit begannen die Leute daher, das Vertrauen in ihr Geld zu verlieren. Und als das passierte, wurde ihnen klar, das Vertrauen das war, was dem Geld seinen Wert gab. Die Geldsysteme brachen einfach zusammen – erst in einem Land, dann im nächsten. Es gab Inflationen, Deflationen, Tauschwirtschaft und Diebstahl in unvorstellbarem Ausmaß, als die Dinge ihren eigenen Lauf nahmen.
      Zur Zeit meiner Geburt verglichen Kommentatoren die Weltwirtschaft gern mit einem Spielcasino. Ein paar Leute verdienten Milliarden von Dollar, Euro und Yen durch den Handel mit Währungen, Aktien und Warenterminverträgen. Keiner von diesen Leuten tat etwas nützliches. Sie gaben einfach ihre Wette ab und sahnten oft kolossale Gewinne ab. Wenn man den Dingen auf den Grund ging, sah man, daß das gesamte Geld aus den Taschen gewöhnlicher Leute stammte ... aber das ist eine andere Geschichte. Aber diese gesamten Wirtschaftsaktivitäten waren abhängig von Energie, globalen Transport- und Kommunikationsmöglichkeiten und vom Vertrauen in das Geld. Im frühen 21. Jahrhundert ging dieses Casino pleite. Nach und nach wurde auf einen anderen Vergleich umgeschwenkt. Aus dem globalen Casino wurde ein dörflicher Flohmarkt.
      Da immer weniger Energie zur Verfügung stand und der Handel durch instabile Währung behindert wurde, schrumpften Produktion und Transport in großem Maße. Es wurde vollkommen egal, wie wenig Nike seinen Arbeiten in Indoniesien bezahlte – sobald der Transport extrem teuer wurde, lösten sich die Gewinne aus der Globalisierung in nichts auf. Aber Nike konnte nicht einfach wieder Fabriken in den USA öffnen. Alle diese Fabriken waren 20 Jahre vorher abgerissen worden. Das gleiche passierte allen anderen Herstellern von Kleidung, Elektronik usw. Die gesamte lokale Infrastruktur war zerstört worden, um Platz zu schaffen für die Globalisation, für billigere Produkte und für größere Unternehmensgewinne. Und nun hätte der Wiederaufbau dieser Infrastruktur gewaltige Finanz- und Energie-Investitionen erfordert – gerade dann, als Finanzmittel und Energie immer knapper wurden.
      Die Geschäfte waren leer. Die Leute waren arbeitslos. Wie sollten sie überleben? Das einzige, was ihnen übrigblieb, war alles das zu recyceln, was vor der Energiekrise hergestellt worden war. Anfangs, nach der ersten wirtschaftlichen Schockwellen, verkauften die Leute ihr Zeug über Internet-Auktionen – wenn Strom da war. Dann, als klar wurde, daß die Lieferung ohne zuverlässige Transportmittel problematisch wurde, begannen die Leute, Dinge an den Straßenecken anzubieten, um ihre Mieten, Hypotheken und die Nahrungsmittel bezahlen zu können. Da aber die Währungen zusammenbrachen, hatte das auch keinen großen Sinn, so daß die Leute mit Tauschhandel begannen und nutzten, was noch irgendwie zu nutzen war. Die grausame Ironie lag darin, daß ihr Besitz größtenteils aus Autos und elektronischen Geräten bestand, die niemand mehr benutzen konnte. Wertlos! Wer Handwerkzeuge besaß und damit umgehen konnte, wurde jedoch wohlhabend. Und ist es immer noch.
      Die Industriegesellschaft hat jedenfalls während ihres kurzes Bestehens eine unglaubliche Menge Schrott erzeugt. In den letzten 50 bis 60 Jahren haben die Leute praktisch jede Müllkippe, dies es jemals gab, umgegraben, um nach nützlichen Dingen zu suchen. Was für ein unglaublicher Schlamassel! Mit allem Respekt, es ist mir immer schwer gefallen, zu verstehen, warum – und sogar wie – ihr früher Milliarden von Tonnen wertvoller, nützlicher Ressourcen verbraucht habt, nur um daraus Berge von stinkendem Müll zu erzeugen, deren Nutzungsdauer kaum meßbar war? Ich muß sagen, daß die Qualität der Werkzeuge, Möbel, Häuser usw. die ihr uns hinterlassen habt, und die wir benutzen müssen, weil wir nichts anderes haben, ziemlich jämmerlich ist.
      Aber ich möchte mich für die letzten Bemerkungen entschuldigen. Ich will nicht garstig oder unhöflich sein. Einige der Werkzeuge sind wirklich gut. Aber Ihr solltet eines verstehen: Der industrielle Lebensstil, an den Ihr Euch gewöhnt habt, hat schreckliche Folgen für Eure Kinder und Enkel. Ich kann mich nur sehr undeutlich daran erinnern, als ich vielleicht fünf oder sechs Jahre alt war, daß ich alte Fernsehserien aus den Fünfziger Jahren gesehen habe, Ozzie und Harriet, Vater ist der Beste, Lassie... Dort wurde eine harmlose Welt gezeigt, wo Kinder in kleinen Gemeinschaften aufwuchsen, umgeben von Freunden und Familien. Alle Probleme wurden von den Erwachsenen behoben, die meistens freundlich und weise waren. Alles erschien so stabil und gütig.
      Zur Zeit meiner Geburt war diese Welt, wenn es sie überhaupt jemals gab, schon lange Vergangenheit. Als ich alt genug war, um zu verstehen, was im großen und ganzen ablief, löste sich die Gesellschaft schon an den Nähten auf. Es begann mit Stromausfällen, zuerst immer nur ein paar Stunden. Dann wurde das Erdgas knapp. Wir mußten nicht nur die meiste Zeit des Winters frieren, sondern die Stromausfälle wurden auch immer schlimmer, weil die Stromerzeugung teilweise vom Erdgas abhing. Dann wurden Öl und Benzin knapp. Zu dieser Zeit – ich war da wohl ein Teenager – lag die Wirtschaft in Trümmern und es herrschte ein politisches Chaos.
      Dann, zum Ende meiner Teenagerzeit, entwickelte sich eine ganz klare Haltung unter den jungen Leuten. Es war das Gefühl äußerster Verachtung für alle, die älter als dreißig oder vierzig Jahre waren. Diese Erwachsenen hatten so viele Ressourcen konsumiert, und nun war für ihre eigenen Kindern absolut nichts mehr übrig. Natürlich hatten diese Erwachsenen, als sie jünger waren, nichts anderes getan als alle anderen auch. Für sie war es ganz normal, uralte Wälder abzuholzen, um Papier für ihre dicken Telefonbücher zu haben, oder auch den letzten Rest Öl in ihre Geländewagen zu tanken, oder gleich die Klimaanlage einzuschalten, wenn ihnen zu warm war. Für die Kinder meiner Generation war dies alles nur eine blasse Erinnerung. Unsere Erfahrungen waren ganz anders. Wir wuchsen auf in der Dunkelheit, Wasser und Essen waren knapp, auf den Straßen herrschte Gewalt, an den Ecken standen Bettler, ohne Schutz von dem Wetter, mit Verschmutzung und Müll, der nicht mehr aus unserer Sichtweite wegtransportiert werden konnte. Für uns waren die Erwachsenen die Feinde.
      An manchen Orten waren die Generationenkriege nur schwelende Konflikte. An anderen Orten gab es willkürliche Angriffe auf Leute, die älter als Dreißig waren. Und es gab auch systematische Vernichtungen. Heute schäme ich mich dafür, obwohl ich nicht an Gewalttätigkeiten gegen Ältere beteiligt war, daß ich mitgemacht habe diese Leute an den Pranger zu stellen und zu beschuldigen. Diese armen alten Leute – die aus meiner heutigen Perspektive zum Teil noch recht jung waren – waren genauso verwirrt und betrogen wie wir Kinder. Ich kann mich in ihre Lage versetzen. Versucht es einmal selbst: Wie war das, als Ihr das letzte Mal in einem Laden wart, um etwas zu kaufen, und sie hatten es nicht? (Dieses kleine Gedankenexperiment verlangt mir viel ab, da ich seit Jahrzehnten nicht mehr in einem "Laden" war, in dem es überhaupt etwas nennenswertes zu kaufen gab. Aber ich versuche, es so darzustellen, daß Ihr es verstehen könnt.) Wart Ihr frustriert? War Ihr ärgerlich: "Ich bin umsonst hierhergefahren für dieses Ding, und nun muß ich quer durch die Stadt fahren, um es woanders zu kaufen"? Nun gut, dann multipliziert diese Frustration und diesen Ärger mit Tausend oder Zehntausend. Dies ist das, was wir täglich durchmachen mußten, für jedes Alltagsprodukt, für jede Dienstleistung, für jeden Behördengang. Aber diese Erwachsenen hatten auch praktisch ihren gesamten Besitz durch den wirtschaftlichen Zusammenbruch verloren. Und jetzt klauten ihnen Kinderbanden auch noch den Rest und überschütteten sie mit Verachtung. Das muß verheerend für sie gewesen sein, unerträglich.
      Heute, im Jahre 2104 bin ich selbst so alt, daß ich mehr Verständnis für alles habe. Wir versuchen alle, irgendwie klarzukommen, so gut wir können.
      Ich denke, Ihr seid jetzt neugierig und wollt wissen, was in diesem Jahrhundert ab 2004 passiert ist, Politik, Kriege, Revolutionen. Nun gut, ich werde Euch erzählen, was ich weiß. Aber es gibt vieles, das ich nicht weiß. Seit ungefähr sechzig Jahren gibt es die früheren globalen Kommunikationsnetze und Telefonverbindungen nicht mehr. Über viele Teile der Erde weiß ich praktisch nichts. Aber ich erzähle Euch, soviel ich kann.
      Wie Ihr Euch vorstellen könnt, als die Energieknappheit sich in den USA bemerkbar machte und die Wirschaft ins Trudeln geriet (interessant, daß ich immer noch dieses Wort benutze. Nur die Allerältesten von uns haben jemals ein Flugzeug trudeln oder auch nur fliegen gesehen), wurde die Leute wütend und suchten nach einem Sündenbock. Die Regierung wollte natürlich nicht der Schuldige sein, und deshalb machten diese Bastarde (enschuldigt, die sind mit immer noch unsympathisch) genau das, was Politiker immer gemacht haben – sie suchten einen Feind außerhalb des Landes. Sie schickten Kriegsschiffe, Bomber, Raketen und Tanks in ferne Ländern, der Himmel weiß, für welche gräßlichen Aufgaben. Dem Volk wurde erzählt, dies sei nötig, um den amerikanischen Lebensstil zu schützen. Aber es gab nichts auf der Welt, mit dem das zu Erreichen gewesen wäre. Das Problem war nämlich genau der amerikanische Lebensstil.
      Die Generäle schafften es, ein paar Millionen Menschen umzubringen. So viel ich weiß, könnten es auch Dutzende oder Hunderte Millionen gewesen sein. In den Nachrichten gab es nie genaue Aussagen, da die Medien durch das Militär zensiert wurden. Auf den Straßen gab es Proteste gegen den Krieg, und die Kriegsgegner wurden verfolgt. Manche wurden gefangengenommen und in KZs gesteckt. Zum Ende hin wendete die Regierung total faschistische Methoden an. Es gab lokale Aufstände und brutale Niederschlagungen. Aber es war alles umsonst. Im Krieg wurde nur noch schneller verbraucht, was an Öl noch vorhanden war, und nach fünf schrecklichen Jahren brach die Regierung einfach zusammen. Es gab keinen Treibstoff mehr.
      Wenn wir schon bei der Politik sind – in den ersten Jahren der Knappheit hatten die bestehenden politischen Lehren nur wenig hilfreiches zu bieten. Der rechte politische Flügel war vollständig damit beschäftigt, die Wohlhabenden vor Beschuldigungen zu schützen und die gesamte Last auf die armen Leute abzuwälzen sowie auf ausländische Sündenböcke: die Araber, die Nordkoreaner usw. Währenddessen waren die politisch Linksstehenden so besessen, die gemeinen Unternehmer zu bekämpfen, daß sie es überhaupt nicht kapierten, daß die neuen Probleme der Gesellschaft nicht durch gerechtere Verteilung gelöst werden könnten. Ich persönlich tendiere als Historiker mehr zur Linken, da ich glaube, die Anhäufung von Wohlstand war geradezu obszön. Ich vermute, daß ein großer Teil des Leidens hätte verhindert werden können, wenn dieser gesamte Wohlstand in einem frühen Stadium gerechter verteilt worden wäre, als das Geld noch etwas wert war. Aber wenn man den Meinungsführern der politischen Linken zuhörte, konnte man glauben, alles würde gut, wenn nur die Unternehmen gezügelt und die Milliardäre um ihre Reichtümer erleichtert würden. Aber nichts sollte gut werden, egal wie.
      Es gab also diese beiden politischen Lager, die sich auf den Tod bekämpften und sich gegenseitig die Schuld gaben, während die Leute schon hungerten oder durchdrehten. Was das Volk brauchte, war grundlegende Informationen und Ratschläge, jemanden, der ihnen die Wahrheit sagte, nämlich daß ihr Lebensstil nicht mehr zu halten war, und er ihnen einige kollektive Überlebensstrategien aufzeigen konnte.
      Vieles von dem, was im letzten Jahrhundert passiert ist, konnte auf Grund der Vorhersagen von Wissenschaftler ganz klar erwartet werden: wir hatten dramatische Klimaänderungen, Aussterben von Tier- und Pflanzenarten, schreckliche Epidemien, alles das, was die Umweltwissenschaftler um die Jahrtausendwende vorausberechnet hatten. Aber ich glaube, dies ist kein Grund zur Genugtuung für die Nachkommen dieser Wissenschaftler. "Ich habe es Euch doch gesagt", ist in dieser Situation ein dürftiger Trost. Tiger und Wale waren ausgestorben, und wahrscheinlich Zehntausende anderer Arten. Da es aber keine zuverlässige globale Kommunikation mehr gibt, weiß man nicht genau, um welche Arten es sich handelt. Für mich sind Singvögel zum Bespiel nur noch eine Erinnerung aus vergangenen Zeiten. Ich nehme an, daß es in China oder Afrika lange Liste ausgestorbener Arten gibt. Die Klimaänderungen wurden ein großes Problem, nicht nur für den Anbau von Nahrungsmitteln, sondern schon für das bloße Überleben. Man konnte nie wissen, welche Schwärme von unbekannten Insekten im nächsten Jahr auftauchen würden. Ein, zwei oder drei Jahre lang war es nur am regnen. Dann folgte eine Dürre für fünf oder sechs Jahre. Das ist nicht nur ärgerlich, es ist lebensbedrohlich. Dies ist nur einer der Faktoren, die zu einem dramatischen Rückgang der Weltbevölkerung in diesem letzten Jahrhundert führten
      Viele Leute nennen es "Das Absterben", andere "Das Zurückstutzen" oder "Die Läuterung" oder "Die Reinigung". Einige Begriffe sind schmackhafter als andere, aber in Wirklichkeit gibt es keine beschönigende Möglichkeit, die Ereignisse zu beschreiben: Kriege, Epidemien und Hungersnöte.
      Nahrung und Wasser waren ein großer Faktor. Frisches, sauberes Wasser ist seit Jahrzehnten rar. Es macht die jungen Leute verrückt, wenn sie Geschichten hören, daß die Leute früher riesige Mengen von Wasser zum Bewässern ihres Rasens benutzten. Wenn ich ihnen über Toiletten mit Wasserspülung erzähle, finden sie das unerträglich. Einige glauben, ich nähme sie auf den Arm. Heutzutage geht es bei Wasser um ernste Dinge. Wenn Du es vergeudest, muß ein anderer sterben.
      Vor vielen Jahrzehnten begannen die Leute – gezwungenermaßen – zu lernen, wie man seine eigene Nahrung anbaut. Nicht alle machten es richtig, und es herrschte viel Hunger. Mit am schlimmsten war, daß es keine guten Samen gab. Es gab nur wenige Leute, die wußten, wie man Samen bis zum nächsten Jahr aufbewahren konnte, so daß die vorhandenen Vorräte an Samen schnell aufgebraucht waren. Ein großes Problem waren auch die modernen Hybrid-Züchtungen: Nur wenige der Pflanzen trugen brauchbare Samen für das nächste Jahr. Die genetisch veränderten Pflanzen waren noch schlimmer. Sie verursachten alle möglichen ökologischen Probleme, die uns noch heute belasten, besonders die Vernichtung von Bienen und anderen nützlichen Insekten. Die Samen guter, befruchteter Pflanzen sind für uns Gold wert.
      Als ich noch jünger war, habe ich einige Reisen unternommen, zu Fuß und zu Pferd. Das war, als ich fünfzig oder sechzig Jahre alt war und als wir noch Berichte aus den anderen Teilen der Welt bekamen. Nach dem, was ich gesehen und gehört habe, scheinen die Leute in den verschiedenen Gebieten unterschiedlich gut mit den Veränderungen klargekommen zu sein. Ironischerweise sieht es so aus, als ginge es den Leuten am besten, die am meisten unter der Zivilisation zu leiden hatten. Sie haben immer noch eine Menge Wissen, wie man auf einfache Art auf dem Land leben kann. In manchen Gegenden haben sich die Leute zu ländlichen Gemeinschaften zusammengeschlossen. Andere versuchen, in den großen Städten zu überleben. Sie reißen den Asphalt auf und versuchen, alles mögliche anzupflanzen, und den ganzen Schrott zu verkaufen, den die Stadtmenschen zurückließen, als sie um 2020 in Massen aus den Städten flohen. Für mich als Historiker besteht eine der größten Enttäuschungen darin, das schnelle Verschwinden von Kenntnissen zu beobachten. Ich wart damals so verrückt, die meisten wichtigen Informationen auf elektronischen Medien oder auf säurehaltigem Papier festzuhalten – was sich sehr schnell auflöste. Alles, was uns geblieben ist, sind verblasste Fotos, unvollständige Bücher und zerfledderte Zeitschriften.
      Manche der jungen Leute schauen sich die Werbung in den alten Zeitschriften an und fragen sich, was es für ein Leben gewesen sein mag, in einer Welt mit Flugzeugen, Elektrizität und Sportwagen. Es muß eine Utopie gewesen sein, das Paradies! Andere ist nicht so amüsiert über die Vergangenheit. Es gehört wohl zu meinem Job als Historiker: Ich muß alle darauf hinweisen, daß die glänzende Welt der Werbung nur eine Seite der Medaille war. Auf der anderen Seite gab es die zügellose Ausbeutung von Menschen und Natur, die Blindheit gegenüber den Folgen, was schließlich zu den Schrecken des letzten Jahrhunderts führte.
      Ihr fragt Euch wahrscheinlich, ob ich auch ein paar gute Nachrichten habe, etwas Ermutigendes zur Zukunft Eurer Welt. Wie fast immer, hängt es von der Perspektive ab. Viele der Überlebenden haben wertvolle Lektionen gelernt. Sie haben gelernt, was wichtig ist und was nicht. Sie haben gelernt, guten Boden, lebensfähige Samen, sauberes Wasser, reine Luft und gute Freunde, auf die man sich verlassen kann, zu schätzen. Sie haben gelernt, für sich selbst verantwortlich zu sein, statt auf die Hilfe irgendwelcher Regierungen oder Organisationen zu hoffen. Heute gibt es keine "Arbeitsstellen" mehr, so daß die Leute über ihre eigene Zeit verfügen. Sie denken mehr nach. Dies war einer der Gründe dafür, daß die alten Religionen auf der Strecke geblieben sind, und daß die Leute die Spiritualität in der Natur und ihrer lokalen Gemeinschaft wiederentdeckt haben. Die Kinder sind heutzutage begierig darauf, zu lernen und ihre eigene Kultur zu entwickeln. Die Schrecken des Zusammenbruchs der Industrie-Zivilisation gehören der Vergangenheit an. Es ist ein neuer Tag.
      Könnt Ihr die Zukunft ändern? Ich weiß es nicht. Diese Frage birgt jede Menge logischer Widersprüche. Ich kann kaum die technischen Hintergründe verstehen, wieso ich Euch diese Nachricht in die Vergangenheit senden kann. Vielleicht, wenn Ihr diesen Brief gelesen habt, vielleicht tut Ihr etwas, das meine Welt ändert. Vielleicht rettet Ihr einen Wald oder eine Lebensform, oder Ihr bewahrt einige Samen auf, oder Ihr bereitet Euch und Eure Mitmenschen auf die kommende Energieknappheit vor. Dies würde sich wiederum auf mein Leben auswirken. Aber dann würde auch dieser Brief anders lauten, und Ihr würdet etwas anderes lesen. Und dann würdet Ihr wieder andere Maßnahmen ergreifen. Wir würden eine Art kosmische Rückkopplung zwischen Vergangenheit und Zukunft schaffen. Ein sehr interessanter Gedanke.


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