Ludwig Erhard lebt... - 500 Beiträge pro Seite
eröffnet am 25.07.04 10:40:28 von
neuester Beitrag 26.07.04 08:51:54 von
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Ludwig Erhard lebt in Neuseeland
Günter Ederer porträtiert das unbekannte Reformparadies
Bonn - Neuseeland war bis 1984 ein typischer sozialistischer Wohlfahrtsstaat. Margarine gab es nur auf Krankenschein – zum Schutz der heimischen Butterindustrie. Am Wochenende bestand ein Arbeitsverbot, sogar Restaurants mussten geschlossen bleiben. Der Spitzensteuersatz lag bei 60 Prozent, die Inflationsrate bei fast 18 Prozent. Der Lebensstandard war seit zehn Jahren in Folge gesunken. Subventionitis und Bürokratie wucherten. Jeder Landwirt bestritt allein 40 Prozent seines Einkommens aus staatlichen Zuwendungen. Eine trostlose Situation, welche die "Agenda 2010"-Pläne der Bundesregierung auf einmal in hellerem Licht erscheinen lässt.
Und wie sieht Neuseeland heute aus? Der selbständige Filmproduzent und Wirtschaftsjournalist Günter Ederer, unter anderem bekannt als Fernostkorrespondent des ZDF in Tokio, liefert im Wirtschaftsmagazin Criticón http://www.criticon.de eine Reportage aus dem Neuseeland des Jahres 2004. Seine Eindrücke belegen einen fundamentalen Wandel, den ausgerechnet Sozialdemokraten in dem ehemaligen Wohlfahrtsstaat Neuseeland bewirkt haben. Subventionsabbau und Deregulierung der Wirtschaft haben eine radikale Steuerreform ermöglicht. Heute unterliegt jegliches Einkommen, egal aus welchen Quellen es kommt, den gleichen Steuersätzen. Der Steuerbürger addiert seine Einnahmen und trägt sie in ein Formblatt ein, das er auch aus dem Internet beziehen kann. Das kostet ihn höchstens eine Stunde Arbeitszeit pro Jahr. Der Merz’sche "Bierdeckel" lässt grüßen.
Die sozialdemokratische Führung des Landes brach die allgegenwärtige Gewerkschaftsmacht, die beispielsweise einen Ladenschluss schon um 18 Uhr durchgesetzt hatte. Die Regierung entzog den staatlichen Unternehmen, Bahnen und Verkehrsbetrieben die üppigen Subventionen. Mit Erfolg: Heute senken städtische Busgesellschaften die Kosten, die Leistung von Flughäfen, Hafenbetrieben und der Forstwirtschaft expandiert. Offiziell gibt es zur Zeit nur noch 4 Prozent Arbeitslose in Neuseeland. In Deutschland haben wir aktuell – nach der alten Berechnung – über 5 Millionen Arbeitslose.
Sozial ist, was Arbeit schafft. Dieser Satz ist einfach und banal, aber trotzdem richtig. Neuseelands Sozialdemokraten haben ihn beherzigt. Und sie schwören auf Ludwig Erhard. Ederer zitiert Roger Parr, einen der geistigen Väter des neuseeländischen Reformmodells: "Wir haben uns genau die Lehren von Ludwig Erhard angeschaut und sie umgesetzt. Wir haben also von Deutschland gelernt. Je mehr ein Land Erhard beherzigt, um so erfolgreicher wird es sein, egal ob es so klein ist wie Singapur oder so groß ist wie die USA. In Deutschland scheint Ihr Ludwig Erhard vergessen zu haben."
Die Bevölkerung reagiert positiv auf diese Entwicklungen und freut sich über einen enormen Zugewinn an Freiheit. Der Milchbauer John Hathaway ruht nicht auf einem sanften Subventionsbett. Trotzdem kein Dauerlamento wie bei deutschen Bauern, die vom Staat Geld für jede Witterungsveränderung verlangen. Der neuseeländische Landwirt sagt stolz: "Ich bin lieber auf mich selbst gestellt. Da weißt Du, was Du hast, machst Deine eigenen Entscheidungen und bist Dein eigener Herr." Deutschland kann sich solche Sozialdemokraten und solche freiheitsfanatischen, selbständigen Bauern so darf man Ederer zusammenfassen, nur wünschen. Gewarnt seien allerdings die Finanzbeamten: Nach der Reform wurden in Neuseeland 4.000 der 8.000 Finanzbeamten freigesetzt.
www.criticon.de - Das Magazin für Markt, Mittelstand und Freiheit
Günter Ederer porträtiert das unbekannte Reformparadies
Bonn - Neuseeland war bis 1984 ein typischer sozialistischer Wohlfahrtsstaat. Margarine gab es nur auf Krankenschein – zum Schutz der heimischen Butterindustrie. Am Wochenende bestand ein Arbeitsverbot, sogar Restaurants mussten geschlossen bleiben. Der Spitzensteuersatz lag bei 60 Prozent, die Inflationsrate bei fast 18 Prozent. Der Lebensstandard war seit zehn Jahren in Folge gesunken. Subventionitis und Bürokratie wucherten. Jeder Landwirt bestritt allein 40 Prozent seines Einkommens aus staatlichen Zuwendungen. Eine trostlose Situation, welche die "Agenda 2010"-Pläne der Bundesregierung auf einmal in hellerem Licht erscheinen lässt.
Und wie sieht Neuseeland heute aus? Der selbständige Filmproduzent und Wirtschaftsjournalist Günter Ederer, unter anderem bekannt als Fernostkorrespondent des ZDF in Tokio, liefert im Wirtschaftsmagazin Criticón http://www.criticon.de eine Reportage aus dem Neuseeland des Jahres 2004. Seine Eindrücke belegen einen fundamentalen Wandel, den ausgerechnet Sozialdemokraten in dem ehemaligen Wohlfahrtsstaat Neuseeland bewirkt haben. Subventionsabbau und Deregulierung der Wirtschaft haben eine radikale Steuerreform ermöglicht. Heute unterliegt jegliches Einkommen, egal aus welchen Quellen es kommt, den gleichen Steuersätzen. Der Steuerbürger addiert seine Einnahmen und trägt sie in ein Formblatt ein, das er auch aus dem Internet beziehen kann. Das kostet ihn höchstens eine Stunde Arbeitszeit pro Jahr. Der Merz’sche "Bierdeckel" lässt grüßen.
Die sozialdemokratische Führung des Landes brach die allgegenwärtige Gewerkschaftsmacht, die beispielsweise einen Ladenschluss schon um 18 Uhr durchgesetzt hatte. Die Regierung entzog den staatlichen Unternehmen, Bahnen und Verkehrsbetrieben die üppigen Subventionen. Mit Erfolg: Heute senken städtische Busgesellschaften die Kosten, die Leistung von Flughäfen, Hafenbetrieben und der Forstwirtschaft expandiert. Offiziell gibt es zur Zeit nur noch 4 Prozent Arbeitslose in Neuseeland. In Deutschland haben wir aktuell – nach der alten Berechnung – über 5 Millionen Arbeitslose.
Sozial ist, was Arbeit schafft. Dieser Satz ist einfach und banal, aber trotzdem richtig. Neuseelands Sozialdemokraten haben ihn beherzigt. Und sie schwören auf Ludwig Erhard. Ederer zitiert Roger Parr, einen der geistigen Väter des neuseeländischen Reformmodells: "Wir haben uns genau die Lehren von Ludwig Erhard angeschaut und sie umgesetzt. Wir haben also von Deutschland gelernt. Je mehr ein Land Erhard beherzigt, um so erfolgreicher wird es sein, egal ob es so klein ist wie Singapur oder so groß ist wie die USA. In Deutschland scheint Ihr Ludwig Erhard vergessen zu haben."
Die Bevölkerung reagiert positiv auf diese Entwicklungen und freut sich über einen enormen Zugewinn an Freiheit. Der Milchbauer John Hathaway ruht nicht auf einem sanften Subventionsbett. Trotzdem kein Dauerlamento wie bei deutschen Bauern, die vom Staat Geld für jede Witterungsveränderung verlangen. Der neuseeländische Landwirt sagt stolz: "Ich bin lieber auf mich selbst gestellt. Da weißt Du, was Du hast, machst Deine eigenen Entscheidungen und bist Dein eigener Herr." Deutschland kann sich solche Sozialdemokraten und solche freiheitsfanatischen, selbständigen Bauern so darf man Ederer zusammenfassen, nur wünschen. Gewarnt seien allerdings die Finanzbeamten: Nach der Reform wurden in Neuseeland 4.000 der 8.000 Finanzbeamten freigesetzt.
www.criticon.de - Das Magazin für Markt, Mittelstand und Freiheit
Man sollte aber erwähnen, dass die Regierung Neuseelands nachdem Sie die Reformen eingeleitet hatte einen gewaltigen "Denkzettel" bei der nächsten Wahl erhielt, weil die Bürger nicht mit den rigorosen Änderungen einverstanden waren. Allerdings führte die dann an die Macht gekommene Opposition den Reformprozess unerbittlich fort, was natürlich zu ihrer Abwahl bei der nächsten Wahl führte. Regierung und Opposition hatten sich vor Beginn des Reformprozesses nämlich geeinigt, das Reformprogramm ohne Rücksicht auf Umfrageergebnisse durchzuführen.
Neuseelands Politiker haben also weiter als nur eine Legislaturperiode in die Zukunft geblickt.
Dies scheint in Deutschland nicht möglich zu sein; zu sehr kleben die meisten Machthaber an ihren Stühlen.
Schade, dass bei vielen Politikern Eigennutz vor Gemeinwohl geht.
Mit resignierten Grüßen
Dirac
Neuseelands Politiker haben also weiter als nur eine Legislaturperiode in die Zukunft geblickt.
Dies scheint in Deutschland nicht möglich zu sein; zu sehr kleben die meisten Machthaber an ihren Stühlen.
Schade, dass bei vielen Politikern Eigennutz vor Gemeinwohl geht.
Mit resignierten Grüßen
Dirac
Wer an einer differenzierten Analyse der Resultate neoliberaler Wirtschaftspolitik in Neuseeland seit 1984 interessiert ist, findet einen Einstieg in dem Aufsatz von Paul Dalziel, »New Zealand`s Economic Reforms: an assessment«, Review of Political Economy, XIV, 1 (2002).
Unter folgendem Link ist eine PDF-Fassung zu bekommen:
http://unpan1.un.org/intradoc/groups/public/documents/APCITY…
In der Zusammenfassung schreibt der Autor:
»Evans et al. (1996, p. 1895) concluded their review of New Zealand`s reforms with the comment that New Zealand once again appears to be emerging as a laboratory from which results will animate economic debate and policy throughout the world. The present paper reports from the laboratory that the New Zealand experiment did not succeed, despite achieving greater microeconomic efficiency in some industries and obtaining its intermediate objectives of price stability and fiscal balance. Examining the ultimate objectives of the reforms, this paper has shown that:
(1) New Zealand sacrificed a large volume of real per capita GDP after 1987;
(2) its average unemployment rate increased substantially after 1988;
(3) labour productivity growth declined after 1992; and
(4) the per capita real income of low-income households in 1996 was more than 3% lower in absolute terms than it had been in 1984.
Stoic defenders of the reforms can always argue that New Zealand`s economic performance might have been even worse if it had not embarked on the comprehensive programme of reforms in 1984, or if it had implemented reform at a slower pace in line with other OECD countries. Such counterfactuals can never be disproved, of course, but it should be emphasised that the reforms were launched with very different objectives in mind. The Economic Summit Conference convened in September 1984 to endorse the necessity for reform began its unanimously approved communiqué with the following observation (ESC, 1984, p. 302):
"Participants were aware of two seemingly contradictory facts. New Zealand has abundant resources to realise the reasonable economic and social objectives of all its people. Despite that, these aspirations have not always been fulfilled. There is an unacceptable level of poverty. There are people in our community who have major difficulties with housing, health care, and meeting essential family needs. This failure to match resources and performance has not been a short term problem but rather a feature of the New Zealand economy for the last thirty years."
The hope in 1984 was that economic reform would reverse this trend of the previous 30 years. Seventeen years later, with higher unemployment and lower real incomes at the bottom end of New Zealand`s income distribution, it is clear that the comprehensive reforms of the late 1980s and early 1990s did not achieve that core objective.«
Unter folgendem Link ist eine PDF-Fassung zu bekommen:
http://unpan1.un.org/intradoc/groups/public/documents/APCITY…
In der Zusammenfassung schreibt der Autor:
»Evans et al. (1996, p. 1895) concluded their review of New Zealand`s reforms with the comment that New Zealand once again appears to be emerging as a laboratory from which results will animate economic debate and policy throughout the world. The present paper reports from the laboratory that the New Zealand experiment did not succeed, despite achieving greater microeconomic efficiency in some industries and obtaining its intermediate objectives of price stability and fiscal balance. Examining the ultimate objectives of the reforms, this paper has shown that:
(1) New Zealand sacrificed a large volume of real per capita GDP after 1987;
(2) its average unemployment rate increased substantially after 1988;
(3) labour productivity growth declined after 1992; and
(4) the per capita real income of low-income households in 1996 was more than 3% lower in absolute terms than it had been in 1984.
Stoic defenders of the reforms can always argue that New Zealand`s economic performance might have been even worse if it had not embarked on the comprehensive programme of reforms in 1984, or if it had implemented reform at a slower pace in line with other OECD countries. Such counterfactuals can never be disproved, of course, but it should be emphasised that the reforms were launched with very different objectives in mind. The Economic Summit Conference convened in September 1984 to endorse the necessity for reform began its unanimously approved communiqué with the following observation (ESC, 1984, p. 302):
"Participants were aware of two seemingly contradictory facts. New Zealand has abundant resources to realise the reasonable economic and social objectives of all its people. Despite that, these aspirations have not always been fulfilled. There is an unacceptable level of poverty. There are people in our community who have major difficulties with housing, health care, and meeting essential family needs. This failure to match resources and performance has not been a short term problem but rather a feature of the New Zealand economy for the last thirty years."
The hope in 1984 was that economic reform would reverse this trend of the previous 30 years. Seventeen years later, with higher unemployment and lower real incomes at the bottom end of New Zealand`s income distribution, it is clear that the comprehensive reforms of the late 1980s and early 1990s did not achieve that core objective.«
Siehe auch:
"Reformen in Neuseeland, Parallelen zu Deutschland ? Fragen an die Poltikexperten"
Thread: Reformen in Neuseeland, Parallelen zu Deutschland ? Fragen an die Poltikexperten
"Reformen in Neuseeland, Parallelen zu Deutschland ? Fragen an die Poltikexperten"
Thread: Reformen in Neuseeland, Parallelen zu Deutschland ? Fragen an die Poltikexperten
Geht doch rüber, wenn es Euch hier nicht paßt!
Wow! Neuseeland, klein, fein schnuggelisch! Wer wollte nicht schon mal ins Land der Aras. Und hier auch dort war der große Fjorderbauer tätig.
Und dort sind alle Menschen reich und glücklich, bis auf läppische 4 Prozent Menschen! Lächerlich.
Keener weiß was genaues! Nur irgendwelche Zeitungsgeschichten. Mächt nix! Es paßt ins Weltbild! Und wenn man a bisserl dreht und quetscht, dann paßt auch Deutschland hinein.
Wow! Neuseeland, klein, fein schnuggelisch! Wer wollte nicht schon mal ins Land der Aras. Und hier auch dort war der große Fjorderbauer tätig.
Und dort sind alle Menschen reich und glücklich, bis auf läppische 4 Prozent Menschen! Lächerlich.
Keener weiß was genaues! Nur irgendwelche Zeitungsgeschichten. Mächt nix! Es paßt ins Weltbild! Und wenn man a bisserl dreht und quetscht, dann paßt auch Deutschland hinein.
Servus Bettner
"Und hier auch dort war der große Fjorderbauer tätig."
Kannst du mir den Sinn dieses Satzes erklären?
"Und dort sind alle Menschen reich und glücklich, bis auf läppische 4 Prozent Menschen! Lächerlich."
Ich halte es durchaus für erstrebenswert die Arbeitslosenquote auf 4% zu senken.(Und darüber hinaus den Staatsbankrott abzuwenden und die Wachstumsschwäche zu beseitigen) Was ist daran lächerlich?
"Keener weiß was genaues! Nur irgendwelche Zeitungsgeschichten."
Was ist das für ein dämliches Gelaber??
Das Modell Neuseeland ist Realität.
"Es paßt ins Weltbild!"
In dein marxistische Weltbild anscheinend nicht
"Und wenn man a bisserl dreht und quetscht, dann paßt auch Deutschland hinein."
Warum soll eine Politik der Vernunft in Deutschland andere Ergebnisse als in Neuseeland bringen? Wenn ich diesen Käse immer höre : "kleines Land", "dünn besiedeltes Land" als hätte das Wirtschaftsystem etwas mit der Bevölkerungsdichte/Zahl zu tun
"Und hier auch dort war der große Fjorderbauer tätig."
Kannst du mir den Sinn dieses Satzes erklären?
"Und dort sind alle Menschen reich und glücklich, bis auf läppische 4 Prozent Menschen! Lächerlich."
Ich halte es durchaus für erstrebenswert die Arbeitslosenquote auf 4% zu senken.(Und darüber hinaus den Staatsbankrott abzuwenden und die Wachstumsschwäche zu beseitigen) Was ist daran lächerlich?
"Keener weiß was genaues! Nur irgendwelche Zeitungsgeschichten."
Was ist das für ein dämliches Gelaber??
Das Modell Neuseeland ist Realität.
"Es paßt ins Weltbild!"
In dein marxistische Weltbild anscheinend nicht
"Und wenn man a bisserl dreht und quetscht, dann paßt auch Deutschland hinein."
Warum soll eine Politik der Vernunft in Deutschland andere Ergebnisse als in Neuseeland bringen? Wenn ich diesen Käse immer höre : "kleines Land", "dünn besiedeltes Land" als hätte das Wirtschaftsystem etwas mit der Bevölkerungsdichte/Zahl zu tun
@ Bettner ,du hast ja bemängelt, das niemand "etwas genaues wisse". Hier ist eine ausführliche Abhandlung des Themas. Ist das "genau" genug?
Technische Universität Ilmenau
Institut für Volkswirtschaftslehre
_________________________________________________________
Diskussionspapier Nr. 12
Modell Neuseeland?
Reformen und Reformergebnisse im Überblick
Andreas Knorr
September 1997
Institut für Volkswirtschaftslehre
Helmholtzplatz
Oeconomicum
D-98 684 Ilmenau
Telefon 03677/69-4030/-4032
Fax 03677/69-4203 ISSN 0949-3859
1
Inhalt
I. Einführung und Problemstellung
II. Neuseeland im Überblick
1. Geographie und Bevölkerung
2. Politik
3. Volkswirtschaft
a) Grunddaten
b) Ursachen der Wirtschaftskrise
c) Die heutige Wirtschaftslage
III. Der öffentliche Sektor
1. Die Reorganisation der öffentlichen Erwerbswirtschaft
a) Die `Corporatisation` öffentlicher Unternehmen
b) Diskussion
c) Das (unvollendete) Privatisierungsprogramm
2. Die Reorganisation der öffentlichen Verwaltung
a) Der State Sector Act 1988
b) Der Public Finance Act 1989
c) Diskussion
3. Die Reform der öffentlichen Finanzwirtschaft
a) Steuerreform
b) Massiver Subventionsabbau
c) (Teil-)Reform des Sozialsystems
d) Der Fiscal Responsibility Act 1994
- Gesetzlicher Zwang zum `Responsible fiscal management`
- Gesetzliche Informationspflichten
- Reform des Rechnungswesens der Regierung
e) Diskussion
IV. Arbeitsmarkt
1. Privatwirtschaft
2. Öffentlicher Dienst
3. Der Employment Contracts Act 1991
4. Diskussion
V. Ursachen und politökonomische Aspekte des Reformprozesses
VI. Schlußbetrachtung
2
I. Einführung und Problemstellung
Die nahezu universalen Wirtschaftsreformen, denen sich Neuseeland ab 1984 unterzog,
gelten zu Recht als weltweit beispiellos. Erstaunen rufen nicht nur die Radikalität des ordnungspolitischen
Paradigmawechsels und die Geschwindigkeit hervor, mit der dort der
Übergang von der wohl am stärksten regulierten und protegierten zu der am stärksten marktwirtschaftlich
ausgerichteten Volkswirtschaft (nicht nur) in der OECD vollzogen wurde.
Gerade den ausländischen Beobachter überrascht darüber hinaus, daß der Reformprozeß maßgeblich
von einer Labour-Regierung konzipiert und durchgesetzt wurde, also von Politikern
eben jener Partei, die in der Vergangenheit marktwirtschaftliche Prinzipien abgelehnt und die
deshalb Mitte der dreißiger Jahren in Neuseeland einen der ersten umfassenden, sprich hochgradig
interventionistischen Wohlfahrtsstaaten der Moderne begründet hatte.
Angesichts der großen Erfolge, die Neuseeland mit seinem Reformprogramm bei der
Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Inflation bei einer zugleich deutlichen und anhaltenden
Belebung des Wirtschaftswachstums erzielen konnte, gilt das Land inzwischen weithin
als Modell für andere erstarrte westliche Volkswirtschaften wie namentlich Deutschland. Dies
belegen nicht zuletzt die Informationsreisen des deutschen Wirtschaftsministers Rexrodt im
Februar und von Bundeskanzler Kohl im Mai 1997. Allerdings sind die neuseeländischen
Reformen aufgrund der zum Teil bis heute sehr unterschiedlichen institutionellen
Rahmenbedingungen und einer deswegen ebenfalls teilweise abweichenden Problemlage nur
partiell für die aktuelle Standortdiskussion in der Bundesrepublik von Relevanz. Dies trifft vor
allem für die Reform des öffentlichen Sektors, der öffentlichen Finanzwirtschaft und für die
Deregulierung des Arbeitsmarktes zu. Nur sie werden daher im folgenden ausführlich gewürdigt.
Bewußt verzichtet wurde demgegenüber zum einen auf die Erörterung der für
Deutschland irrelevanten, für den Erfolg des neuseeländischen Reformexperiments allerdings
unerläßlichen Liberalisierung grenzüberschreitender wirtschaftlicher Transaktionen. Gleiches
gilt mit derselben Begründung zum anderen für die Reform der Geld- und Währungsordnung.
Als deren Kernelemente sind die Entlassung der Notenbank in die Unabhängigkeit in allen
Belangen der geldpolitischen Steuerung zu nennen, jedoch verknüpft mit der Vorgabe eines
jährlichen Inflationsziels (zunächst null bis zwei, derzeit null bis drei Prozent), bei dessen
wiederholtem oder gar dauerhaftem Verfehlen die Regierung den Notenbankchef entlassen
könnte. Analysiert werden schließlich noch die Determinanten des Reformprozesses.
II. Neuseeland im Überblick
1. Geographie und Bevölkerung
Mit einer Fläche von 268.670 km2 ist Neuseeland kaum größer als die alten Bundesländer.
Es liegt jedoch weiter als jedes andere Mitgliedsland der OECD von seinen wichtigsten
3
Handelspartnern entfernt. Die Einwohnerzahl entspricht mit derzeit 3,6 Millionen in etwa
derjenigen Berlins. 73,8 Prozent der Neuseeländer sind europäischer, meist britischer
Abstammung. Auf die beiden größten Minoritäten, die Maori-Ureinwohner und die
Neuseeländer polynesischer Herkunft, deren mittlerer Lebensstandard und deren
Lebenserwartung deutlich unter und deren Arbeitslosenrate markant über dem Wert für die
weißen Neuseeländer liegt, entfallen 12,9 respektive 3,5 Prozent. Die am schnellsten wachsende
Bevölkerungsgruppe ist auch in Neuseeland die der über Fünfundsechzigjährigen, deren
Anteil sich offiziellen Schätzungen zufolge von jetzt zwölf auf neunzehn Prozent bis 2031 erhöht
haben wird. Das Verhältnis von Rentnern zu Erwerbstätigen hätte sich damit von 1:6 auf
1:2,9 verschlechtert.
2. Politik
Neuseeland ist eine parlamentarische Demokratie. Staatsoberhaupt ist formal die englische
Königin. Sie wird vor Ort durch den Governor-General repräsentiert, dessen Kompetenzen
weitgehend denjenigen des deutschen Bundespräsidenten entsprechen. Politisch wie verwaltungstechnisch
ist Neuseeland eine der am stärksten zentralisierten Nationen der Erde. Das
Parlament besteht aus nur einer Kammer, dem House of Representatives. Föderale Elemente
wie - zum Teil mitentscheidungsberechtigte - Regionalparlamente oder auch ein Finanzausgleichssystem
deutscher Prägung sind in Neuseeland völlig unbekannt. Vielmehr gliedert sich
das Land in zwei Regierungs- und Verwaltungsebenen: in die mit allen wesentlichen, auch den
wirtschaftspolitischen, Kompetenzen ausgestattete `Central Government`, bestehend aus dem
Parlament und der Staatsregierung samt Verwaltungsunterbau, sowie in die `Local
Government`, deren wenige Zuständigkeiten inklusive sämtlicher Finanzierungsmodalitäten
ausschließlich und einseitig vom Parlament gesetzlich festgelegt werden. Mit Ausnahme des
Rechts zur Festsetzung der Benutzungsentgelte für die von ihr erbrachten kommunalen
Dienstleistungen (Müllabfuhr etc.) verfügt die `Local Government`-Ebene also über keinerlei
für die neuseeländische Wirtschaftspolitik bedeutsamen Kompetenzen.
Dem neuseeländischen Parlament gehören seit den letzten Wahlen vom 12. Oktober 1996
120 Mandatsträger an. Die Legislaturperiode dauert drei Jahre. Die Abgeordneten wurden
1996 erstmals nach dem Verhältniswahlrecht bestimmt, das der deutschen Variante weitestgehend
entspricht. Es trat an die Stelle des zuvor praktizierten relativen Mehrheitswahlrechts,
dessen Abschaffung von der Bevölkerung in zwei Referenden 1992 und Ende 1993 erzwungen
wurde. Die amtierende Regierung ist eine Koalition der gemäßig konservativen National Party
und der rechtskonservativen New Zealand First Party. Sie errang 61 Mandate und verfügt
damit über eine Mehrheit von nur einem Sitz. Im Parlament vertreten sind des weiteren Labour
(37 Mandate), die weiter linksgerichtete Alliance (dreizehn Sitze), die radikal marktwirtschaftliche
Association of Consumers and Taxpayers, kurz ACT (acht Mandate), sowie die
4
konservative United-Partei (ein Abgeordneter). ACT, die weitere Reformen insbesondere im
bislang weitgehend ausgesparten Gesundheitswesen sowie in der Sozialpolitik fordert, wurde
von Roger Douglas gegründet. Er konzipierte als Finanzminister der Labour-Regierung zwischen
1984 und seiner Entlassung aus dem Amt 1988 viele der wichtigsten
Wirtschaftsreformen, so die Steuerreform, den radikalen Subventionsabbau und die Reform des
öffentlichen Sektors und setzte diese politisch durch. Alliance und New Zealand First stellen
demgegenüber Neugründungen zweier ehemaliger prominenter Mitglieder von Labour
beziehungsweise von National dar, die beide den marktwirtschaftlichen Reformkurs ihrer damaligen
Parteien ablehnten: des Sozialisten Anderton respektive des einstigen Minister for
Maori Affairs der National-Regierung, Peters.
Vor der Wahlrechtsänderung regierten sowohl Labour als auch National in der Zeit nach
dem Zweiten Weltkrieg jeweils viermals, und zwar meist mit einer klaren absoluten Mehrheit.
Da Labour jedoch nur bis 1949, von 1957 bis 1960 sowie von 1972 bis 1975 und von 1984 bis
1990 den Regierungschef stellte, ist der in den übrigen Jahren alleine regierenden National-
Partei - schon aufgrund ihrer gravierenden wirtschaftspolitischen Fehlentschei-dungen von
1975 bis 1984 - die politische Hauptverantwortung für den wirtschaftlichen Nie-dergang des
Landes bis 1984 anzulasten.
Hinzuweisen ist schließlich auf zwei weitere politisch-administrative Besonderheiten
Neuseelands: Im Unterschied zur Bundesrepublik genügt in Neuseeland zur Verabschiedung
von Gesetzesentwürfen eine einfache Stimmenmehrheit im Parlament. Dies gilt von wenigen
Ausnahmen wie Teilen des Wahlrechts abgesehen auch für geplante Änderungen des in einer
Vielzahl von Rechtsquellen verstreuten neuseeländischen Verfassungsrechts. Des weiteren
genossen die neuseeländischen `Civil servants` traditionell niemals einen auch nur annähernd so
umfassenden rechtlichen Kündigungsschutz wie die deutschen Beamten sowie faktisch auch die
im deutschen öffentlichen Dienst beschäftigten Angestellten und Arbeiter, selbst wenn in
Neuseeland vor 1984 betriebsbedingte Kündigungen weder in der öffentlichen Verwaltung
noch in öffentlichen Unternehmen ausgesprochen worden waren. Anders als die deutschen
Beamten verfügen die `Civil servants` jedoch seit jeher über das Streikrecht.
3. Volkswirtschaft
a) Grunddaten
Neuseeland erwirtschaftete 1995 ein BIP von 86,3 Mrd. NZ-$ (1 NZ-$ » 1,05 DM), was
etwa 59 Prozent des deutschen BIP/Kopf entspricht. Neun Prozent der Wirtschaftsleistung
entfallen auf den primären Sektor (1983: acht Prozent), dreißig Prozent (1983: 31 Prozent) auf
den sekundären und 62 Prozent (1983: sechzig Prozent) auf den tertiären Sektor (OECD,
1985, 85f.; 1996, 182). Allerdings erhöhte sich der Anteil der im tertiären Sektor Beschäftigten
zwischen 1983 und 1995 von 56,6 auf 66,6 Prozent, während im sekundären Sektor ein
5
deutlicher Rückgang von 32,2 auf nur mehr 22,6 Prozent zu verzeichnen war. Mit 10,8 (1983:
11,2 Prozent) nahezu konstant blieb dagegen der Anteil der im internationalen Vergleich
außerordentlich wettbewerbsfähigen und de facto nicht mehr staatlich subventionierten
neuseeländischen Landwirtschaft.
Mit einer Exportquote von 24,2 Prozent (1984: 24 Prozent) und einer Importquote von
24,6 Prozent (1984: 26,9 Prozent) ist Neuseeland relativ stark in die internationale
Arbeitsteilung integriert. Allerdings gelang es dem Land nur allmählich, sich durch eine
Diversifikation der Absatz- und Beschaffungsmärkte sowie der Exportgüterpalette aus der bis
lange nach dem Zweiten Weltkrieg extremen und extrem einseitigen (außen)wirtschaftlichen
Abhängigkeit vom einstigen `Mutterland` Großbritannien zu lösen. Noch während des
Koreakriegs erzielte Neuseeland neunzig Prozent seiner Ausfuhrerlöse durch den Export von
nur drei landwirtschaftlichen Erzeugnissen - Wolle, Lammfleisch und Molkereiwaren - auf den
britischen Markt, von wo es im Gegenzug über sechzig Prozent aller Einfuhren, meist industrielle
Fertigwaren, bezog. 1973, dem Jahr des EWG-Beitritts des Vereinigten Königreichs,
entfielen nur noch je zwanzig Prozent der Ein- und Ausfuhren auf diesen bilateralen Handel.
Inzwischen ist Großbritannien mit 6,2 Prozent der Exporte und 6,2 Prozent der Importe jedoch
nur mehr der viertgrößte Handelspartner Neuseelands nach Australien (20,7 Prozent und 20,9
Prozent), Japan (16,3 Prozent und 14,9 Prozent) sowie den USA (10,4 Prozent und 20,1
Prozent). Außerdem gelang es Neuseeland, seine Abhängigkeit von den drei wichtigsten
Devisenbringern auf dreißig Prozent zu vermindern, wenngleich noch immer sechzig Prozent
der Exporterlöse mit Agrarerzeugnissen verdient werden. Stark gestiegen ist jedoch der Anteil
des Tourismus, der holzverarbeitenden Industrie (Zellstoff und Papier), der elektrotechnischen
Industrie, der Chemie, des Maschinenbaus und der Softwarebranche (Statistics New Zealand
1995, 171ff; 202ff).
b) Ursachen der Wirtschaftskrise
Gemessen am Pro-Kopf-Einkommen war Neuseeland 1950 die drittreichste Nation der
Erde. 1984, dem Jahr des Beginns des Reformprozesses, war das Land auf den 23. Rang zurückgefallen.
Ursache für diesen relativen Abstieg war das im Vergleich zu den übrigen
OECD-Mitgliedern unterdurchschnittliche Produktivitätswachstum, das sich in einem mittleren
realen Wirtschaftswachstum von lediglich 1,1 Prozent pro Jahr in eben dieser Periode niederschlug
(Crocombe/Enright/Porter/u.a., 1991, 18f.). Die markante Verschlechterung der
Wirtschaftslage belegen auch folgende Indikatoren:
- Die offiziell ausgewiesene Arbeitslosenquote war von 0,8 Prozent, dem historischen
Höchststand bis Mitte der siebziger Jahre, auf 4,9 Prozent geklettert; die Ein-Prozent-
Schwelle war erst 1978 überschritten worden. Ein beträchtlicher Teil der Unterbeschäftigung
wurde allerdings durch den gezielten Einsatz des öffentlichen Sektors als
6
Instrument der Beschäftigungspolitik - 1984 waren 22 Prozent aller Neuseeländer im
öffentlichen Dienst inklusive der öffentlichen Unternehmen beschäftigt -, durch diverse
staatliche Arbeitsmarkt- und Umschulungsprogramme, durch ein engmaschiges Netz von
Importhemmnissen in Gestalt des in der OECD umfassendsten Importlizenz-systems,
sehr hoher Einfuhrzölle sowie umfassender Devisen- und Kapitalverkehrsbeschränkungen
- die etwa 75 Prozent der Inlandsproduktion direkt oder indirekt mehr
oder minder vollständig vor ausländischer Konkurrenz abschirmten (OECD, 1979, 38) -
sowie durch großzügige staatliche Beihilfen an die Landwirtschaft und andere
Schlüsselindustrien (Kohle, Energie, Stahl, Petrochemie) kaschiert. Das Ausmaß der so
verdeckten Unterbeschäftigung läßt sich am Anstieg der Arbeitslosenquote auf 11,1
Prozent 1992 sowie daran ablesen, daß die im Zuge der Reformen umstrukturierten und
in den Wettbewerb entlassenen sowie teils privatisierten staatlichen Unternehmen ihre
Belegschaften im Mittel um fünfzig Prozent verkleinern mußten, um wettbewerbsfähig zu
bleiben.
- Ähnlich stark verfälschte die offizielle Inflationsrate von 3,5 Prozent den tatsächlichen
Kaufkraftverlust. Ihr niedriger Wert erklärt sich ausschließlich mit dem am 22. Juni 1982
als Reaktion auf eine Preissteigerungsrate von 15,8 Prozent von der damaligen National-
Regierung verhängten generellen Lohn- und Preisstopp, der erst nach dem Wahlsieg
Labours Ende 1984 wieder aufgehoben wurde.
- Trotz der weitgehenden Abschottung Neuseelands gegenüber dem Ausland erreichte das
Leistungsbilanzdefizit mit 5,5 Prozent des BSP den höchsten Wert aller OECD-Staaten.
Da sich zudem auch die Auslandsverschuldung der öffentlichen Hand zwischen Anfang
der siebziger Jahre und 1984 um den Faktor 1,5 auf 23,5 Prozent, der Nettoschuldenstand
sogar von 6,8 auf 31,6 Prozent des BSP und die jährliche Nettokreditaufnahme
von 1,6 auf 8,8 Prozent des BSP erhöht hatten, stufte die Rating-Agentur Standard &
Poor`s Neuseelands Bonität zwischen 1983 und 1991 von AAA um drei Stufen auf nur
mehr AA- herab. Ähnlich verhielt sich Moody´s (Evans/Grimes/Wilkinson/Teece, 1996,
1895ff.).
- Das Einwanderungsland Neuseeland verzeichnete infolge der Abwanderung zehntausender,
meist hochqualifizierter Inländer vor allem nach Australien, in die USA, nach
Großbritannien und Kanada erstmals in seiner Geschichte einen länger andauernden,
stark negativen Migrationssaldo (Bedford, 1996, 22) - mit einem entsprechendem
volkswirtschaftlich problematischem Verlust an Humankapital.
Hauptverantwortlich für die tiefgreifende Strukturkrise, in der sich Neuseeland 1984 befand,
waren die unzähligen lenkenden staatlichen Eingriffe in Marktprozesse und insbesondere in die
Preisbildung auf den Güter- und Faktormärkten sowie zur Regulierung des Marktzutritts. Von
ihnen blieb schließlich direkt oder indirekt kein Sektor der Volkswirtschaft ausgenommen, und
7
sie verzerrten aufgrund der unterschiedlichen Interventionsdichte die
Allokationsentscheidungen beträchtlich - mit allen hinlänglich bekannten wohlfahrtsmindernden
Effekten. Wie sich freilich an der Entwicklung der Staatsfinanzen und der Inflationsrate
insbesondere nach den exogenen Schocks des EWG-Beitritts Großbritanniens 1973 sowie der
beiden Ölkrisen 1973 und 1979 erkennen läßt, mußten die Interventionen auf der Mikroebene
makroökonomisch jedoch zunehmend durch eine expansive Geld- und Fiskalpolitik flankiert
werden. In letzter Konsequenz bedeutete das nicht nur, daß die bestehenden marktwidrigen
Eingriffe gleichsam zementiert wurden. Vielmehr machte das wenig stabilitätsorientierte
Verhalten der Regierung ständig neue, noch weitergehende marktwidrige Interventionen mit
dem schon angesprochenem allgemeinem Lohn- und Preisstopp als negativem Höhepunkt
erforderlich.
Weiter beschleunigte sich der wirtschaftliche Abstieg Neuseelands schließlich durch den
trotz erster Anzeichen der künftigen Strukturkrise unvermindert vorangetriebenen Ausbau des
im internationalen Vergleich ohnehin generösen wohlfahrtsstaatlichen Leistungsangebots. Ein
bezeichnendes Beispiel ist die auf ein Wahlversprechen zurückgehende Wiedereinführung einer
steuerfinanzierten und damit nicht beitragspflichtigen und jedem Bürger ungeachtet seiner
individuellen (Nicht-)Bedürftigkeit zustehenden Altersrente durch die 1975 wiedergewählte
National-Regierung, verbunden mit der Absenkung der Altersgrenze von 65 auf sechzig Jahre
und einer deutlichen Rentenerhöhung. Allgemein ist zu konstatieren, daß das sehr großzügige
Sozialleistungssystem zusammen mit der - wie noch zu zeigen sein wird - die Lohnstruktur
stark nivellierenden Regulierung des Arbeitsmarktes die Anreize zur Ersparnisbildung, zur
Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und zur Humankapitalbildung durch berufliche Aus- und
Fortbildung immer mehr erlahmen ließ. So hatten 1988 immerhin 24 Prozent aller
Arbeitnehmer keine weiterführende Schule besucht, und 45 Prozent konnten gar keinen
Schulabschluß vorweisen (Massey 1995, 29). Wohlgemerkt wurde die ordnungspolitisch völlig
verfehlte Wirtschaftspolitik Neuseelands (nicht nur) nach 1945 aber parteiübergreifend und
von der Bevölkerung als unabdingbar erachtet, um das traditionelle Oberziel der Wirtschaftsund
Sozialpolitik des Landes - die Schaffung einer auch materiell möglichst egalitären
Gesellschaft - verwirklichen zu können.
c) Die heutige Wirtschaftslage
Gemessen an den zuvor herangezogenen Indikatoren hat sich die wirtschaftliche Lage
Neuseelands, allerdings erst nach einer schweren achtjährigen Strukturkrise, in der sich vor
allem die Arbeitsmarktlage weiter verschlechterte und die Staatsverschuldung nochmals beträchtlich
anstieg, inzwischen fundamental gebessert:1
1 Vgl. zum folgenden Reserve Bank of New Zealand (1997, 3f), OECD (1996, 176f.), Minister of Finance
(1996, 6), Statistics New Zealand (1995, 27).
8
- Das reale Wirtschaftswachstum betrug 1994 5,4 Prozent, 1995 5,3 Prozent und 1996 3,0
Prozent und erreichte damit die mit Abstand höchsten Werte seit Reformbeginn. Neuseeland
übertraf damit deutlich den OECD-Durchschnitt.
- Die Arbeitslosenrate - nunmehr nicht mehr durch verdeckte Unterbeschäftigung verfälscht
- liegt derzeit bei noch immer rückläufiger Tendenz nach einem temporären Anstieg
auf 11,1 Prozent bis Ende 1992 bei 6,0 Prozent.
- Noch markanter war der Rückgang der Inflationsrate, die sich nach Erreichen des
Höchststands von 18,2 Prozent 1987 nach der Aufhebung des Lohn- und Preisstopps
und der Kapitalverkehrskontrollen bis 1992 auf nur mehr 0,8 Prozent vermindert hatte.
1996 belief sich der Kaufkraftverlust gemessen am Indikator Konsumentenpreisindex auf
2,2 Prozent und gemessen an der für die Geldpolitik der neuseeländischen Notenbank
relevanten Zielgröße Basisinflationsrate auf 2,1 Prozent.
- Das Leistungsbilanzdefizit ging auf 3,0 Prozent des BSP zurück. Bemerkenswert ist die
zugleich erreichte Rückführung der Auslandsverschuldung der öffentlichen Hand auf
15,1 Prozent des BSP (1987: 39,5 Prozent); sie soll der Regierung zufolge bis Ende
1997 sogar vollständig getilgt sein. Der Abbau der Auslandsverschuldung, aber auch des
staatlichen Defizits insgesamt, wurde im übrigen überwiegend aus Privatisierungserlösen
finanziert. Zudem verzeichnete Neuseeland nicht zuletzt aufgrund des drastischen
Subventionsabbaus und der Verbreiterung der Steuerbasis durch eine radikale
Steuertarif- und -strukturreform mit Ausnahme von 1991 seit 1988 einen -ständig
steigenden - Haushaltsüberschuß. Entsprechend verbesserte sich auch das Rating des
Landes wieder deutlich (bei Standard & Poor`s auf die zweitbeste Kategorie AA+, bei
Moody`s auf AA1).
- Seit 1991 weist Neuseeland schließlich wieder einen positiven und - abgesehen von den
Jahren 1992 und 1993 - prozentual zunehmenden Wanderungssaldo auf.
III. Öffentlicher Sektor
Im Ergebnis bedeuten die in Neuseeland vollzogenen Reformen eine grundsätzliche
Neubewertung der Rolle des Staates in einer marktwirtschaftlichen Ordnung. Etwas konkreter
manifestierte sich der ordnungspolitische Paradigmawechsel in der expliziten Abkehr vom
früheren Leitbild eines allumfassenden Wohlfahrtsstaates. Ungewöhnlich im Vergleich zu der
eher theoriefernen und oft auf Ad-hoc-Basis betriebenen Wirtschaftspolitik anderer Nationen
ist dabei die außergewöhnlich starke Beachtung, die zentrale Aussagen der Neuen
Institutionenökonomik, namentlich der Principal-Agent-Theorie und der Transaktionskostenökonomik,
des Public Choice, der Theorie der bestreitbaren Märkte und der positiven
Theorie der Regulierung bei den politisch Verantwortlichen bei der Formulierung des Reformprogramms
und der praktischen Ausgestaltung der Reformmaßnahmen fanden. Folgende
9
Ideen zogen sich gleichsam wie ein roter Faden durch das gesamte Reformprogramm und
wurden - außer im Gesundheitswesen - mit erstaunlicher Konsequenz verwirklicht (Easton
1994, 78ff.):
- Staatliche Eingriffe in Marktprozesse und die erwerbswirtschaftliche Betätigung des
Staates, insbesondere unter Monopolbedingungen, sollten künftig als äußerst restriktiv
zu handhabende und begründungspflichtige Ausnahmen gelten.
- Die Anreize für effizienzminderndes opportunistisches Verhalten, Rent-seeking und
`Regulatory capture` bei der Erbringung öffentlicher Leistungen sollten durch die strikte
Trennung der politischen wie der administrativen Kompetenzen und Verantwortlichkeiten
für jeden einzelnen Schritt des Entscheidungsfindungs- und Leistungserstellungsprozesses
minimiert werden. Streng voneinander getrennt werden sollten vor
allem die Zuständigkeiten für die Bereiche Politikberatung, Festlegung und Finan-zierung
des Leistungsangebots, Leistungsbeschaffung/-erstellung, Wahrnehmung von
Eigentümerinteressen sowie Ausübung hoheitlich-regulierender Aufgaben.
- Verwirklicht werden sollte auch das Prinzip der Wettbewerbsneutralität. Zum einen sollten
öffentlichen Unternehmen demnach fortan weder Vorteile (Befreiung von der
Steuerpflicht, Nichtkonkursfähigkeit) noch Nachteile (politische Einflußnahme, unentgoltene
Übernahme politisch erwünschter nicht kostendeckender Leistungen) aus ihrem
besonderen Status erwachsen. Zum zweiten sollte das Arbeits- und Tarifrecht des öffentlichen
Dienstes den Regularien in der Privatwirtschaft angeglichen werden. Zum
dritten sollte schließlich ein möglichst allokationsneutrales Steuer- und Transfersystem
geschaffen werden.
- Minister, Behördenleiter und das Management öffentlicher Unternehmen sollten weit
stärker als zuvor die persönliche Verantwortung für die Effektivität und Effizienz ihres
Handelns tragen müssen. Erreichen wollte man dies einerseits (ex ante) durch die
Vorgabe vertraglich eindeutig spezifizierter Outputkategorien und eine bessere
Transparenz hinsichtlich der ergriffenen Maßnahmen sowie durch eine deutliche
Ausweitung der Berichtspflichten gegenüber dem Parlament, dem Rechnungshof und der
Öffentlichkeit. Andererseits sollten (ex post) leistungsfähigere, sprich vor allem vor
politischer Einflußnahme besser abgeschirmte Aufsichts- und Kontrollmechanismen
implementiert und die Verantwortlichen bei Über- und Untererfüllung ihrer Zielvorgaben
erstmals auch unmittelbar selbst wirtschaftlich belohnt oder bestraft werden.
- Um eine bessere Zielgenauigkeit bei der Vergabe von Haushaltsmitteln und damit eine
effizientere Nutzung des verfügbaren Budgets zu bewirken, aber auch um die
Bedürfnisse ihrer Empfänger beziehungsweise Nachfrager besser zu befriedigen und zugleich
bestehende Fehlanreize zu eliminieren, sollte auch das Angebot sämtlicher öffentlicher
Leistungen - angefangen von den Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung
und den Verwaltungsabläufen über monetäre wie reale Transfers hin zu den von einigen
10
Staatsunternehmen erbrachten gemeinwirtschaftlichen Leistungen - in drei Schritten
überprüft und optimiert werden: Erstens durch die Einführung eines leistungsfähigen
Rechnungswesens, mit dem die tatsächlichen Produktionskosten und damit näherungsweise
auch die Opportunitätskosten jeder öffentlichen Leistung ermittelt und
offengelegt werden sollten. Zweitens durch die sukzessive Einführung von Zuzahlungen
oder gar kostendeckenden Nutzungsgebühren anstatt der damals üblichen steuerfinanzierten
und somit scheinbar kostenlosen Bereitstellung. Drittens sollte schließlich
der damals pauschale Anspruch auf Sozialleistungen eingeschränkt und diese nur noch
beim Nachweis objektiver Bedürftigkeit gewährt werden.
1. Die Reorganisation der öffentlichen Erwerbswirtschaft
a) Die `Corporatisation` öffentlicher Unternehmen
Vor 1984 waren die Fachministerien das zentrale Vehikel der Wirtschaftspolitik gewesen.
Sie nahmen in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich nicht nur alle hoheitlich-regulierenden
Aufgaben wahr, sondern betätigten sich darüber hinaus oft auch selbst erwerbswirtschaftlich
(Coddington 1993, 75ff.) - und dies, ausgenommen den Banken- und Versicherungssektor, die
Stahlerzeugung und die Forstwirtschaft, stets geschützt vor inter- wie intramodaler privatwirtschaftlicher
Konkurrenz (so im Post- und Telekommunikationwesen, im Luft- und Schienenverkehr
sowie in der Energiewirtschaft). Die aus diesen institutionellen Rahmenbedingungen
für die gesamte Volkswirtschaft zwangsläufig resultierenden statischen wie dynamischen
Effizienzverluste sind hinlänglich bekannt und bedürfen keiner näheren Erläuterung (siehe dazu
Kruse 1985). Sie wurden auch von der Labour-Regierung klar erkannt, die sich daher mit
Wirkung zum 1. April 1987 zur Ausgliederung der wirtschaftlich bedeutendsten `State-trading
activities` aus den Fachministerien und deren Übertragung auf zunächst neun neugegründete
`State-Owned Enterprises` (SOE) entschied (sogenannte `Corporatisation` oder
Korporatisierung). Im Fall des früheren Post Office war dies verbunden mit einer Entflechtung
nach den drei Sparten Post- und Frachtdienste, Postbank und Telekommunikation. Einige Jahre
später wurde auch der Strommonopolist Electricity Corporation vertikal und auf der
Erzeugungsstufe zusätzlich horizontal entflochten. Hinzu kam die Korporatisierung von fünf
bereits bestehenden Staatsunternehmen wie der Air New Zealand und der New Zealand
Railways Corporation. Im Zeitablauf stieg die Zahl der SOE kurzzeitig auf mehr als dreißig;
derzeit sind es fünfzehn, darunter die NZ Post Ltd, die Stromerzeuger Electricity Corporation
Ltd und Contact Energy Ltd sowie der Stromnetzbetreiber TransPower Ltd. Später wurde das
Korporatisierungsmodell, das rechtlich im State-Owned Enterprises Act 1986 verankert ist,
auch auf die öffentlichen Unternehmen der `Local Government`-Ebene übertragen.
Privatpersonen ist der Erwerb stimmberechtigter Gesellschafteranteile an den SOE verwehrt.
Alleineigentümer und Kontrolleur sämtlicher SOE ist somit die Regierung, vertreten
11
durch die beiden formal voneinander unabhängigen `Shareholding Ministers`: den
Finanzminister, dem die Wahrung der Eigentümerinteressen des Staates obliegt, und den
Minister for State-Owned Enterprises (seit 1996: Minister for State Services). Letzterer hat
dafür zu sorgen, daß die SOE-Führungen ihre in Section 4 des State-Owned Enterprises Act
1986 festgelegte allgemeine Zielvorgabe "to operate as a successful business" erreichen.
Konkret bedeutet diese Klausel, daß jedes SOE so effizient und rentabel wie ein vergleichbares
Privatunternehmen zu wirtschaften hat, sich jeder positiven wie negativen Diskriminierung
einzelner Gruppen von Beschäftigten aufgrund ihrer Rasse oder ihres Geschlechts enthalten
muß sowie den Beschäftigten hinreichende Möglichkeiten zur beruflichen Aus- und
Fortbildung zu offerieren hat. Außerdem verpflichtet das Gesetz die SOE, "to exhibit a sense
of social responsibility by having regard to the interests of the community [in which they operate
] and by endeavouring to accomodate or encourage these when able to do so". Freilich begründet
die zuletzt genannte Vorgabe keine Gemeinverpflichtung im Sinne der deutschen
Gemeinwirtschaftslehre, sondern ist lediglich als Aufforderung zum Sponsoring kultureller,
sportlicher oder karitativer Veranstaltungen zu verstehen. Laut Section 7 des State-Owned
Enterprises Act 1986 hat die Regierung allerdings das Recht, ein SOE zur Erbringung defizitärer
Infrastrukturleistungen zu verpflichten. Für die Mehrkosten der Übernahme solcher `Non
commercial activities`, die im übrigen vertraglich genau zu spezifizieren sind, ist das betroffene
SOE dann aber ganz oder teilweise aus allgemeinen Haushaltsmitteln zu kompensieren.
Um die Leistung der SOE zudem auch mittels der üblichen Bilanzkennziffern beurteilen zu
können und sie mit einer Privatunternehmen in etwa vergleichbaren Bilanzstruktur zu versehen,
werden zwischen der Regierung und den SOE-Managements noch sogenannte `Sale and
purchase agreements` abgeschlossen. Der darin vereinbarte Kaufpreis, der in etwa dem abdiskontierten
Ertragswert des SOE entsprechen soll, ist in der Regel in einer Mischung von
Unternehmensanteilen, der Übernahme von Pensionszusagen und teilweise in bar an die
Regierung zu entrichten. Das neben den Geschäftsberichten und einigen weiteren
Informationspflichten wichtigste Kontrollinstrument der Regierung den SOE gegenüber ist
jedoch das `Statement of Corporate Intent` (SCI). Dessen Inhalt wird von den `Shareholding
Ministers` jährlich und nach Möglichkeit einvernehmlich mit dem obersten Aufsichtsorgan der
SOE, deren Boards - die im übrigen von Anfang an bis heute konsequent ausnahmslos weder
mit aktiven oder ehemaligen Politikern noch mit Beamten besetzt wurden -, vereinbart. Es
enthält zum einen alle Schwerpunkte der mittelfristigen Unternehmens- wie Finanzplanung,
also insbesondere Entscheidungen über Diversifikations- oder größere sonstige
Investitionsvorhaben. Zum anderen werden darin auch die Rentabilitäts-, Kosten- und
Produktivitätskriterien fixiert, anhand derer die Leistung des SOE und seines Managements ex
post überprüft werden soll. Schließlich wird in den SCI noch die im Falle eines Gewinns an die
Regierung auszuschüttende Dividende vereinbart, wobei die `Shareholding Ministers`
grundsätzlich das Recht haben, den Board in dieser Frage zu überstimmen. Jede weitere direkte
12
Einflußnahme der `Shareholding Ministers` auf Unternehmensentscheidungen - so auf die
Preisgestaltung und die Personalpolitik - per Weisung und ohne entsprechende Vereinbarung
im SCI ist untersagt.
Dafür unterliegen die SOE grundsätzlich und vollumfänglich der direkten wie der indirekten
Besteuerung sowie der Wettbewerbsaufsicht des Kartellamts nach dem allgemeinen
Wettbewerbsrecht; ordnungspolitische Ausnahmebereiche analog den §§ 99ff. GWB sind in
Neuseeland völlig unbekannt. Außerdem haben sie im Gegensatz zur Vergangenheit nun weder
die Möglichkeit, eine Bürgschaft der Regierung für Kredite in Anspruch zu nehmen oder zu
subventionierten Konditionen ein Darlehen bei einem öffentlichen Kreditinstitut eingeräumt zu
bekommen. Auch arbeitsrechtlich wurden die SOE von Beginn an mit privaten Unternehmen
voll gleichgestellt, das heißt, sie unterliegen fortan nicht mehr dem - bis 1991 abweichendem -
öffentlichem Dienst- und Tarifrecht. Die unbestritten wichtigste Einzelmaßnahme zur
Umsetzung des Prinzips der Wettbewerbsneutralität besteht jedoch in der Beseitigung - im Fall
NZ Post Ltd der Einschränkung - jeglicher rechtlicher Marktzutrittsbarrieren. So hob die
neuseeländische Regierung unter anderem 1986 die Ausschließlichkeitsrechte der Air New
Zealand im Inlandsluftverkehr und bereits 1989(!) sämtliche Monopolrechte der Telecom
Corporation, also das Endgeräte-, das Sprachdienst- und das Netzmonopol, ohne
Übergangsfrist auf. Eine Durchleitungspflicht zu nicht diskriminierenden Bedingungen gilt seit
1988 in der Strom- und Gaswirtschaft; seitdem ist dort auch der Marktzutritt auf der
Erzeugerstufe und im Handel freigegeben. In Verbindung mit der Entflechtung einiger als
besonders marktbeherrschend erachteter SOE büßte damit auch das Problem wettbewerbsverzerrender
interner Subventionen viel von seiner früheren Brisanz ein.
b) Diskussion
Die `Corporatisation` steigerte die Effizienz der öffentlichen Unternehmen im Vergleich zu
ihrer früheren Organisationsstruktur beträchtlich (Duncan 1996, 402 ff.; Knorr 1993, 220 ff.;
OECD 1996, 167ff.). So erreichten sogar die zuvor chronischen Verlustbringer `Gelbe Post`,
Staatsbahn und `Forest Service` dauerhaft die Gewinnzone, und zwar trotz des Abbaus respektive
der deutlichen Einschränkung ihrer einstigen Monopolrechte und obwohl sie die vor allem
durch den spürbaren Personalabbau erzielten Produktivitätszuwächse durch deutliche
Preissenkungen an ihre Kunden weitergaben. Zugleich verbesserte sich die Angebotsqualität
merklich. Nichtsdestotrotz weist das Korporatisierungsmodell gravierende Schwächen auf, die
eine rasche Privatisierung der restlichen SOE angeraten erscheinen läßt.
So häufen sich offenbar wieder die Versuche der Regierung, Unternehmensentscheidungen
einzelner SOE - namentlich als `mißbräuchlich` erachtete Tariferhöhungen in der Elektrizitätswirtschaft
- aus wahltaktischem Kalkül und ungeachtet der originären Zuständigkeit des
Kartellamts in der Anwendung des Wettbewerbsrechts unmittelbar zu beeinflussen (Kelsey
13
1993, 34ff.). Des weiteren ist die dem SOE-Modell zugrundeliegende These, die
Überwachungs-, Selektions- und Sanktionsfunktion der Kapitalmärkte könne durch ministerielle
Kontrolle und umfassende Rechenschaftspflichten ersetzt werden, als ökonomisch unhaltbar
zurückzuweisen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Unmöglichkeit disziplinierender
Übernahmedrohungen sowie des de facto, wenn auch nicht de jure, fehlenden
Konkursrisikos der SOE. Überdies waren und sind zur langfristigen Sicherung der
Wettbewerbsfähigkeit der SOE mitunter umfangreiche Investitionen auch in unverbundene
Märkte vonnöten, die ob des damit verbundenen Risikos mit dem Eigeninteresse des Staates an
sicheren, hohen und stetigen Dividendeneinkünften konfligieren können. Im Sonderfall der NZ
Post kollidiert dieses Eigeninteresse noch dazu mit der ordnungspolitisch gebotenen
Beseitigung der noch verbliebenen und, wie dessen Geschäftsberichte offenbaren, auch sehr
lukrativen Monopolrechte dieses SOE. Deren Fortbestand ist im übrigen auch als klarer
Verstoß gegen das SOE-Modell anzusehen, da die Monopolgewinne dazu dienen sollen, das
Unternehmen für die Mehrkosten der ihm bis heute auferlegten gemeinwirtschaftlichen
Aufgaben zu entschädigen. Laut State-Owned Enterprises Act 1986 müßten diese, wie
erwähnt, jedoch aus dem allgemeinen Staatshaushalt finanziert werden. Schließlich ließe sich
auch die Erhöhung des Eigenkapitals der SOE nur durch Einsparungen bei anderen
Budgetposten oder durch eine Erhöhung der staatlichen Kreditaufnahme realisieren. Vor dem
Hintergrund des Prinzips Wettbewerbsneutralität sollte man auch nicht übersehen, daß die
Regierung einigen der neuen SOE - so der Bahn - einen Großteil ihrer Altschulden erließ.
c) Das (unvollendete) Privatisierungsprogramm
Wegen der angeführten Mängel des Korporatisierungsmodells, aber auch angesichts der
ausufernden Staatsverschuldung, entschloß sich die Labour-Regierung im Dezember 1987 entgegen
einem anderslautendem Wahlversprechen zur Privatisierung mehrerer SOE. Die Erlöse
aus dem offiziell bis heute andauernden, faktisch aber seit 1994 ruhenden Privatisierungsprogramm
werden auf 3,6 Prozent des kumulierten neuseländischen BSP der Jahre
1987 bis 1994 geschätzt (Massey 1995, 141). Sie liegen damit deutlich über dem Vergleichswert
für Großbritannien (ein Prozent) und wurden in der Tat ganz überwiegend zur
Schuldentilgung verwendet. In ordnungspolitisch begrüßenswerter Manier und in klarem
Gegensatz zu Großbritannien entschieden sich sowohl die Labour- als auch die National-
Regierung aber bislang bewußt gegen den Verkauf solcher SOE, die über ein rechtliches
Monopol verfügen oder die in ihrer aktuellen Struktur, also ohne vorherige Entflechtung, als
zu marktbeherrschend gelten. Umso unverständlicher ist, daß sich noch immer viele SOE in
Staatsbesitz befinden, die wie die NZ Post, die beiden konkurrierenden Stromerzeuger oder
auch die Coal Corporation, durchaus in ordnungspolitisch unbedenklicher Form zu privatisieren
wären.
14
2. Die Reorganisation der öffentlichen Verwaltung
Das Ziel, die Effizenz der Leistungserstellung in der gesamten öffentlichen Verwaltung
nachhaltig zu erhöhen, versuchte die Labour-Regierung durch eine umwälzende Reform der
Verwaltungsorganisation, des öffentlichen Dienstrechts und des Haushaltsrechts zu erreichen.
Die gesetzlichen Grundlagen bildeten die einander ergänzenden State Sector Act 1988 und
Public Finance Act 1989.
a) Der State Sector Act 1988
Die Reorganisation der öffentlichen Verwaltung folgte grundsätzlich denselben Prinzipien
wie die Reform der öffentlichen Erwerbswirtschaft. Die in der Folge zu beobachtende absolute
Erhöhung der Zahl staatlicher Behörden - bei allerdings zugleich insgesamt leicht sinkendem
Personalbestand - ist somit lediglich die logische Konsequenz des angestrebten `Unbundling`
der Kompetenzen der einzelnen Teileinheiten der öffentlichen Verwaltung, das effizienzmindernde
Zielkonflikte sowie die Wahrscheinlichkeit und Virulenz von Prinzipal-Agent-
Konflikten und von `Regulatory capture` minimieren sollte. Daß diese Entflechtung die
Koordination des Verwaltungshandelns tendenziell erschweren und im Ausmaß der dadurch
eingebüßten Synergieeffekte auch verteuern würde, wurde von der Labour-Regierung erkannt,
die daraus resultierenden Effizienzverluste im Vergleich zu den als Ergebnis der Reform erwarteten
dynamischen Effizienzgewinnen jedoch als Quantité négligeable bewertet.
Mit dem State Sector Act 1988 wurde des weiteren das öffentliche Dienstrecht weitgehend
- gewisse Ausnahmen gelten nur noch für Polizei und Streitkräfte, allerdings nicht für die dort
beschäftigten Zivilangestellten - an das in der Privatwirtschaft herrschende Arbeits- und
Tarifrecht angepaßt, bis zum Inkrafttreten des Employment Contracts Act 1991 allerdings zunächst
nur für die Angehörigen der obersten Hierarchieebene, nämlich die nunmehr als `Chief
executives` (CE) statt als `Permanent heads` bezeichneten Behördenleiter. Die wichtigsten
Neuerungen bezogen sich dabei auf die Beschäftigungsdauer und auf die Modalitäten der
Ernennung, der Entlohnung sowie der Leistungsbeurteilung samt etwaiger Konsequenzen.
Konkret wurden so die drei traditionellen Prinzipien faktische Unkündbarkeit bei garantiertem
regelmäßigem beruflichem Aufstieg nach Dienstalter sowie gleiche Bezahlung bei gleicher
Seniorität, Dienststufe und für als gleichwertig klassifizierte Tätigkeiten abgeschafft. An ihre
Stelle traten zum einen zeitlich auf fünf Jahre befristete, aber verlängerbare Arbeitsverträge mit
individuell zu vereinbarender Entlohnung. Zum anderen wurden den CE in den Arbeitsverträgen
erstmals konkrete Leistungsziele vorgegeben (zum Beispiel die Steigerung der
Produktivität um x Prozent, eine Erhöhung des Selbstfinanzierungsanteils durch Nutzergebühren
oder die allgemein übliche Vorgabe, den Substanzwert des Behördenvermögens zu
erhalten). Deren dauerhafte Übererfüllung kann seitdem positive beziehungsweise deren
15
Verfehlen negative Sanktionen bis hin zur vorzeitigen Entlassung nach sich ziehen. Schließlich
wurde die zuvor übliche Diskriminierung externer Bewerber beseitigt - jene mußten
grundsätzlich `clearly more merit` beweisen als behördeninterne Mitbewerber, was sich in der
Vergangenheit nicht zuletzt aufgrund der umfassenden Widerspruchsrechte unterlegener `Civil
servants` als nahezu unüberwindliche Marktzutrittsschranke erwiesen hatte -, und alle
Vakanzen werden seither öffentlich, oft weltweit, ausgeschrieben.
Um eine politische Einflußnahme auf Personalentscheidungen auf der obersten
Führungsebene der öffentlichen Verwaltung zu unterbinden, obliegt die jährliche Evaluierung
der CE nicht dem zuständigen Fachminister, sondern der von der Regierung weisungsunabhängigen
State Services Commission (SSC). Durch ihr Vorrecht, der Regierung eine
Kandidatenliste vorlegen zu dürfen, ist diese Behörde überdies maßgeblich an der Besetzung
von Vakanzen beteiligt. Zwar ist die Regierung nicht an die Vorschläge der SSC gebunden; die
Ernennung eines nicht gelisteten Kandidaten müßte sie allerdings öffentlich bekanntgeben.
Grundlegend reformiert wurde schließlich auch die Kompetenzverteilung zwischen den
Behördenleitern und den jeweiligen Fachministern als deren oberste Dienstherren. Schließlich
erscheint die Vorgabe konkreter Leistungsziele, für deren (Nicht-)Erfüllung die CE persönlich
haften müssen, nur sinnvoll, wenn diese zugleich in der Lage sind, frei von direkter politischer
Einflußnahme und somit alleinverantwortlich über den Einsatz der zur Leistungserstellung
erforderlichen Inputs und deren Mix zu entscheiden; die Frage, wie besagte Inputs zu finanzieren
sind, ist im noch zu diskutierenden Public Sector Act 1989 geregelt. Auch diesen
Entscheidungsspielraum garantiert das Gesetz den CE weitgehend. Zum einen haben nunmehr
die CE die alleinige Kompetenz zum Abschluß von Arbeits- und Tarifverträgen mit ihren
Untergebenen; zuvor wurde diese Funktion auf der Arbeitgeberseite für den gesamten öffentlichen
Sektor zentral von der SSC übernommen. Zum anderen entscheidet nur der CE und
nicht wie zuvor das Parlament über die Aufteilung des seiner Behörde für die Erstellung der
von ihr zu erbringenden Leistungen - die sogenannten `Outputs` - zugewiesenen Budgets auf
Sachmittel und Personalausgaben. Und nur der CE entscheidet, ob eine bestimmte (Vor-)Leistung
behördenintern oder durch Contracting-out extern erstellt werden soll. Damit wurde
zugleich auch das frühere Verbot, nicht aufgebrauchte Budgetmittel aus einem Haushaltstitel in
einen sachlich anderen Haushaltstitel zu transferieren, beträchtlich gelockert.2
2 Das reformierte neuseeländische Haushaltsrecht kennt nur noch vier, jeweils sehr weit abgegrenzte
Haushaltstitel: Mittelzuweisungen für Zahlungsverpflichtungen der Regierung insgesamt (dazu zählen
alle Sozialleistungen), Mittelzuweisungen an einzelne Leistungserbringer für die von diesen zu erstellenden
`Outputs`, Mittelzuweisungen zur Erhöhung des Sachkapitalstocks einzelner staatlicher Stellen
sowie Mittelzuweisungen für sonstige (= unerwartete) Ausgaben. Mittelumschichtungen innerhalb einer
der vier Titelgruppen sind jederzeit zulässig, während Umschichtungen zwischen zwei oder mehr dieser
Kategorien der Zustimmung des Kabinetts bedürfen.
16
b) Der Public Finance Act 1989
Mit diesem Gesetz wurden die Grundprinzipien der Vergabe der im Staatshaushalt verfügbaren
Finanzmittel auf die einzelnen Teileinheiten der öffentlichen Verwaltung fundamental
reformiert, um die Transparenz und die Effizienz der Mittelvergabe sowie der Mittelverwendung
nachhaltig verbessern zu können. Grundlegend umgestaltet wurden flankierend dazu
auch das staatliche Rechnungswesen, die Berichtspflichten der Verwaltung gegenüber
Regierung, Parlament und Öffentlichkeit sowie das Cash-Management der öffentlichen Hand.
Generell wurde auch hier bewußt eine weitgehende Angleichung an die im Privatsektor
üblichen Praktiken und Methoden angestrebt.
Als erste einschneidende Neuerung ist die Abkehr von der Inputorientierung bei der
Vergabe von Budgetmitteln an die einzelnen staatlichen Stellen anzuführen. Statt dessen vereinbaren
die zuständigen Fachminister im Kabinett nunmehr für jeden Politikbereich zunächst
sogenannte `Outcomes`, das heißt, die von der Regierung angestrebten politischen Endziele respektive
allgemein die gewünschten "impacts on, or consequences for, the community of ... the
activities of Government" (Section 3 des Public Sector Act 1989). Im nächsten Schritt wird
dann entschieden, mittels welcher konkreten `Outputs` das avisierte `Outcome`-Ziel erreicht
werden soll. Erst dann wird der konkrete Leistungserbringer designiert. Beachtenswert ist in
diesem Zusammenhang, daß jeder Ressortchef auch andere als die ihm unmittelbar
unterstehenden Verwaltungseinheiten und im Regelfall sogar einen konkurrierenden privaten
Anbieter mit der Erbringung besagter `Outputs` beauftragen kann. Damit herrscht erstmals ein
gewisser Wettbewerb sowohl der staatlichen Stellen untereinander als auch zwischen den
Gestaltungsalternativen behördliche (staatliche) oder private Leistungserstellung.
Im letzten Schritt wird schließlich durch Kabinetts- und Parlamentsbeschluß noch der genaue
Mittelbetrag festgelegt, der dem designierten `Output`-Erbringer zugewiesen wird. Je nach
den spezifischen ökonomischen und juristischen Charakteristika des fraglichen `Output` findet
dabei entweder das Verfahren B (`Mode B`) oder das Verfahren C (`Mode C`) Anwendung.3
Mittelzuweisungen nach `Mode B` decken sämtliche Produktionskosten der fraglichen `Outputs`
inklusive des Abschreibungsbedarfs ab; Eigeneinnahmen des Leistungserbringers wie
Verwaltungs- und Nutzergebühren werden jedoch angerechnet. Zu den Behörden, deren
`Outputs` nach Verfahren B abgegolten werden, zählen die gesamte Ministerialbürokratie, also
die Fachministerien sowie die übrigen `Policy agencies` wie das Kartellamt oder die Zentralbank
und alle staatlichen Einrichtungen, die reine öffentliche Güter erstellen, deren Beschaffung oder
Erbringung dem Gesetzgeber als nicht wettbewerblich organisierbar gilt (Polizei, Militär,
Justiz).
3 Unmittelbar nach dem Inkrafttreten des Public Finance Act 1989 wurde daneben kurzzeitig noch das
ausdrücklich als Übergangslösung gedachte und inzwischen nicht mehr praktizierte Verfahren A (`Mode
A`) angewendet. Eine nähere Erläuterung erübrigt sich daher.
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Die Mittelzuweisungen für `Outputs`, für die Verfahren C gilt - ein Beispiel wäre der Bereich
Politikberatung -, bemessen sich dagegen nach deren Marktpreis. Die Umsätze und die
Gewinne der Behörde aus der Erbringung dieser `Outputs` unterliegen zudem voll der indirekten
wie der direkten Besteuerung; des weiteren hat die leistungserbringende Behörde der
Regierung marktübliche Fremdkapitalzinsen auf das ihr zur Leistungserstellung überlassene
Sachkapital zu bezahlen. Schließlich haben die staatlichen Stellen, die `Mode C`-`Outputs` erstellen,
eine detaillierte Bilanz wie ein Privatunternehmen aufzustellen. Der einzige wesentliche
Unterschied zwischen ihnen und einem SOE besteht somit, abgesehen von der in aller Regel
wesentlich engeren Produktpalette der Behörde, nur darin, daß ein SOE - vorbehaltlich eines
ausdrücklichen Verbots der `Shareholding Ministers` - jederzeit in neue Geschäftsfelder
diversifizieren könnte.
Ein eventuell erwirtschafteter Jahresüberschuß darf im übrigen bei einem `Mode B`-`Output`
- außer mit der Zustimmung des verantwortlichen Ministers - nicht bei der fraglichen Behörde
selbst verbleiben, sondern steht in voller Höhe der Regierung zu. Bei `Mode C`-`Outputs` würde
dagegen der Minister nach Lage des Einzelfalls über den abzuführenden Gewinnanteil und den
Zeitpunkt der Überweisung entscheiden. Allen staatlichen Stellen ist es jedoch nunmehr
erlaubt, die Erlöse aus der Veräußerung nicht mehr benötigter Sachwerte vollständig
einzubehalten. Da die Erwirtschaftung eines bestimmten Mindestgewinns (beziehungsweise
eines maximalen Fehlbetrags) in der Praxis grundsätzlich von allen CE gefordert und entsprechend
sanktioniert wird, haben die Behördenleiter somit keine Anreize zur Bildung stiller
Reserven und zu unnötigen Investitionen. Inwieweit diese Regelung jedoch (Fehl-)Anreize zur
Gewinnsteigerung durch Absenkung der `Output`-Qualität und/oder der `Output`-Quantität
bewirkt, hängt davon ab, ob im Einzelfall eine genaue Ex ante-Spezifikation der zu erbringenden
Leistung und/oder eine exakte Ex post-Kontrolle möglich ist.
Als zweite wichtige Neuerung verlangte der neuseeländische Gesetzgeber von der überwiegenden
Mehrzahl aller staatlichen Stellen, einen Teil ihres Budgets - der genaue Prozentsatz
wird in Abhängigkeit von der Marktfähigkeit der in diese Regelung einbezogenen `Outputs`
festgelegt - durch Eigeneinnahmen selbst zu finanzieren. So haben beispielsweise die Studenten
der staatlichen Universitäten inzwischen einen Eigenanteil von 25 Prozent an den
Kursgebühren zu tragen; nur die restlichen 75 Prozent werden also aus dem Bildungsetat bereitgestellt.
Da jede Hochschule autonom über die Höhe der Kursgebühren und natürlich über
ihr Kursangebot bestimmen kann, herrscht in Neuseeland inzwischen ein lebhafter Wettbewerb
der Universitäten untereinander um Studenten und Lehrkräfte. Bemerkenswerte
Wettbewerbselemente kennzeichnen auch die übrigen Teilbereiche des staatlichen
Schulwesens. Zwar ist der Besuch dieser Bildungsstätten schon wegen der Schulpflicht
grundsätzlich kostenlos, ein Schulwechsel ist aber jederzeit möglich. Der Etat jeder einzelnen
Schule hängt nunmehr alleine von der Zahl der bei ihr immatrikulierten Schülerinnen und
18
Schüler ab, da der neuseeländische Staat jeder Lehranstalt für jeden bei ihr eingeschriebenen
`Pupil` einen pauschalen jährlichen Fixbetrag zuweist.
Die dritte wesentliche Neuerung, die der Public Sector Act 1989 nach sich zog, war die
Einführung eines periodenbezogenen Rechnungswesens nach dem Vorbild der in der
Privatwirtschaft üblichen Kostenrechnungssysteme. Es ersetzte die zuvor im öffentlichen
Sektor praktizierte einfache Einnahmen-Ausgaben-Rechnung vollständig. Alle staatlichen
Stellen sind seitdem gesetzlich zur Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung
sowie zur Bilanzierung verpflichtet. Konkret bedeutet diese Reform unter anderem, das nunmehr
alle tatsächlichen oder auch nur vermuteten zukünftigen finanziellen Verpflichtungen
bereits zu dem Zeitpunkt zu verbuchen sind - und gegebenenfalls entsprechende
Rückstellungen zu bilden sind -, an dem sie eingegangen oder erkannt wurden und nicht erst
dann, wenn sie zu Auszahlungen führen.
Die vierte und letzte bedeutsame Neuerung bezog sich auf die Umgestaltung des Cash-
Managements der öffentlichen Hand. Den Behörden ist es seit der Aufhebung des
Notenbankmonopols über deren Einlagen und die Abwicklung des gesamten staatlichen
Zahlungsverkehrs erlaubt, ihre Konten bei privaten Kreditinstituten zu führen und dort außerdem
überschüssige Mittel renditebringend anzulegen. Daneben unterhält das
Finanzministerium, das Treasury, selbst ein zentrales Staatskonto bei der Notenbank. Auf dieses
Sammelkonto wird - soweit vorhanden - am Ende eines jeden Arbeitstages der Gesamtüberschuß
aller Staatskonten transferiert und bis zum nächsten Morgen auf den nationalen
oder internationalen Geldmärkten angelegt.
c) Diskussion
Die Ziele der Verwaltungsreform wurden weitgehend erreicht. So gelang es in der Tat in
den meisten Bereichen der öffentlichen Verwaltung, Anreize für effizientes Wirtschaften zu
schaffen und das Angebot an öffentlichen Dienstleistungen den Bedürfnissen der Nachfrager
besser anzupassen. Erkennen läßt sich dies zum einen an der inzwischen wesentlich schnelleren
und flexibleren Abwicklung von Vorgängen und den seitdem erfolgten Anpassungen der Produktpalette
der öffentlichen Verwaltung. Auch konnte das Auftreten bekannter Phänomene
(Dezemberfieber!) und das regelmäßige Überschreiten der ursprünglichen Budgetansätze - und
damit die Notwendigkeit, Nachtragshaushalte erstellen und finanzieren und im Parlament
verabschieden zu müssen - deutlich reduziert werden.
Zurückzuführen sein dürften diese positiven Ergebnisse im wesentlichen auf die spürbare
Flexibilisierung des Haushaltsrechts mit der Konsequenz einer produktivitätssteigernden größeren
Entscheidungsautonomie der CE über die Verwendung der ihnen für ihre Behörde zugewiesenen
Budgetmittel, die klare Abgrenzung der Verantwortlichkeiten sowie die stärker leistungsbezogene
Entlohnung und grundsätzlich befristete Anstellung der CE. Zudem erlaubte
19
die Angleichung des öffentlichen Dienstrechts an das in der Privatwirtschaft übliche Arbeitsrecht
spätestens nach dem Inkrafttreten des Employment Contracts Act 1991 ebenfalls die
Nutzung beträchtlicher noch brachliegender Produktivitätsreserven. Nicht unterschätzt werden
sollte schließlich auch die Bedeutung der Einführung eines stark privatwirtschaftlich ausgerichteten
Rechnungswesens in der gesamten öffentlichen Verwaltung. Erst damit verfügten alle am
politischen Entscheidungsprozeß Beteiligten - also Politiker und die Verantwortlichen in der
öffentlichen Verwaltung -, aber auch, wenngleich in geringerem Umfang und nur indirekt über
Nutzergebühren, die Steuerzahler und Wähler als die letztlich Betroffenen über die unerläßlichen
Informationen über die (Opportunitäts-)Kosten der Erstellung einzelner öffentlicher Leistungen.
Dieses Wissen ermöglichte in vielen Fällen erstmals einen Vergleich mit den Kosten
der Contracting-out-Alternative sowie, zumindest bei den `Mode C`-`Outputs`, auch die genauere
Ermittlung der für diese Leistungen tatsächlich bestehenden Nachfrage.
Abgesehen von den bereits angesprochenen Mängeln lassen sich im Vergleich zum ökonomisch
weit unbefriedigenderem Status quo ante nur wenige wirklich gravierende
Schwachpunkte der Verwaltungsreform ausmachen. Unverkennbar waren zunächst die mitunter
beträchtlichen Umstellungsschwierigkeiten einiger Behörden, auf die mit dem Inkrafttreten
der Verwaltungsreform in kürzester Zeit - die Implementierungsfrist betrug ein Jahr - eine
Reihe bis dato völlig unbekannter Verantwortlichkeiten übertragen wurden, deren Ausübung
wiederum Fähigkeiten und Kenntnisse erforderte, die in vielen Behörden noch nicht oder nur
rudimentär vorhanden waren. Dies führte insbesondere bei fremdbezogenen Leistungen teilweise
zu Qualitätsproblemen infolge unsachgemäßer Leistungsbeschreibungen und inadäquater
Leistungskontrollen; sie scheinen noch immer nicht restlos überwunden (The Treasury 1996,
109ff.).
Außerdem erwiesen sich die Mittelzuweisungen der Regierung an einige staatliche Stellen
mitunter als entweder zu gering, um die von der Politik bestellten `Outputs` erstellen zu können
lassen, oder die Nachfrage danach wurde systematisch unterschätzt. Daß es sich dabei vor
allem in Teilbereichen des staatlichen Gesundheitswesens um ein bis heute offenbar unlösbares
Problem handelt, zeigt die anhaltende Diskussion um die Existenz von Wartezeiten bis zu einem
Jahr für bestimmte fachärztliche Behandlungen sowie für medizinisch als nicht dringlich
eingestufte Operationen im öffentlichen Gesundheitswesen. Die Dauerkontroverse über die angemessene
Alimentierung des staatlichen Gesundheitswesens ist zudem ein gutes Beispiel
dafür, daß die theoretisch sicherlich überzeugende explizite Trennung von politischen
Endzielen (`Outcomes`) und Mitteleinsatz (`Outputs`) die zwei Grundprobleme jeden
(wirtschafts)politischen Handelns und seiner Finanzierung nicht abschließend zu lösen vermag
(Boston 1993, 23ff.): die für einen objektiven Soll-Ist-Vergleich unverzichtbare Spezifizierung
und Operationalisierung der angestrebten `Outcomes` sowie die Identifikation eindeutiger oder
zumindest empirisch hinreichend gehaltvoller Ursache-Wirkungs-Zusam-menhänge zwischen
konkreten `Outputs` und `Outcomes`. In der Tat ist es grundsätzlich unmöglich, politische
20
Oberziele wie `soziale Gerechtigkeit` oder `Abschreckungsfähigkeit` präzise und in allgemein
akzeptierter Form zu definieren. Entsprechend vage blieben bislang auch die meisten
`Outcome`-Vorgaben aller seither amtierenden Regierungen. Noch schwieriger ist die
Ermittlung der Beziehungen zwischen `Outputs` und `Outcomes`. Dies gilt insbesondere für
Politikfelder, in denen, wie im Bildungswesen, mit langen Wirkungsverzögerungen gerechnet
werden muß oder wenn - wie bei der Landesverteidigung - die Effektivität der `Outputs`, hier
also die Eignung und Leistungsfähigkeit des erworbenen Kriegsgeräts und die Qualität der
soldatischen Kampfausbildung, nach Möglichkeit unbewiesen bleiben sollte. Nichtsdestotrotz
dürfte die Verwaltungsreform in Neuseeland tendenziell dazu beitragen, diese grundsätzlichen
Schwierigkeiten um einer effektiveren Politik willen etwas zu mildern. So begünstigt die klare
Trennung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, also die eindeutige Aufteilung
spezifischer Kompetenzen auf nur bestimmte Behörden und staatliche Stellen, zumindest den
Abbau von Ineffizienzen infolge von Koordinierungsmängeln.
Ein Teil der bislang erreichten Effizienzgewinne ist mittel- bis langfristig allerdings durch
drei ungünstige Entwicklungen im Personalwesen bedroht. Zum einen hat sich trotz, je nach
individueller Aufgabenstellung und Qualifikation, mitunter deutlicher Gehaltserhöhungen für
die CE die Schere zu den Bezügen von Führungskräften in der Privatwirtschaft seit 1988
weiter geöffnet. Zum anderen hat der SSC von seinem Recht zur Entlassung unfähiger CE
bislang trotz anhaltender Zielverfehlungen einiger Behörden noch nicht Gebrauch gemacht.
Schließlich erklärte das oberste Arbeitsgericht kürzlich befristete Arbeitsverträge grundsätzlich
nur für die Übernahme zeitlich ebenfalls befristeter Tätigkeiten für rechtens. Die genauen
Auswirkungen dieser Entwicklungen sind derzeit noch nicht absehbar. Offen sind nicht nur die
Rückwirkungen auf die Attraktivität einer Tätigkeit als CE für hochqualifizierte externe
Bewerber, insbesondere wenn es sich um die Führung einer kleinen und wenig einflußreichen
Behörde handelt. Unklar ist darüber hinaus noch, inwieweit der Gerichtsentscheid die Leistungsanreize
für die CE mindern wird. Kritisch anzumerken ist schließlich, daß sich die
Effizenz der Erbringung der marktnahen, unter Modus C erstellten `Outputs`, also insbesondere
von Leistungen des staatlichen Bildungs- und Gesundheitswesens durch deren Privatisierung,
zumindest in der Gestalt eines Contracting-out, noch dauerhaft steigern ließe.
3. Die Reform der öffentlichen Finanzwirtschaft
a) Steuerreform
Mit der bereits in der ersten Amtsperiode eingeleiteten Steuerreform wollte Labour drei
Ziele verwirklichen. Zum einen sollte an die Stelle des komplexen und durch zahllose
Ausnahmeregelungen durchlöcherten Steuersystems ein rationales und möglichst allokationsneutrales
Steuersystem mit wenigen, dafür aufkommensstarken und einfach und kostengünstig
zu erhebenden Steuerarten treten. Zum zweiten sollte das Steueraufkommen durch
21
Verbreiterung der Steuerbasis bei gleichzeitiger Verminderung der Durchschnittsbelastung erhöht
werden. Zum dritten wollte die Regierung - in Verbindung mit einer komplementären
Sozialleistungsreform - durch die Senkung der Grenzsteuer- und -abgabenbelastung die Flucht
in die Schattenwirtschaft sowie die Anreize zum Bezug von Transfer- anstatt von
Arbeitseinkommen eindämmen.
Als wesentliches Ergebnis der Reform der direkten Besteuerung anzuführen ist zunächst die
sukzessive Verminderung der Tarifstufen von fünf auf nur noch zwei - 24 Prozent für
Jahreseinkommen privater Haushalte unter 30.875 NZ-$, 33 Prozent für Einkommen darüber -
bei der Lohn- und Einkommenssteuer, was einer Halbierung des Spitzensteuersatzes in vier
Jahren entsprach, sowie die Senkung des Körperschaftsteuertarifs auf 28 Prozent. Einkommen-
beziehungsweise körperschaftsteuerpflichtig sind ausnahmslos sämtliche Erwerbs-, Zinsund
Dividendeneinkünfte, Tantiemen und Altersrenten, nicht aber Alimente, Kriegsopferrenten,
Lotteriegewinne und realisierte Kursgewinne bei Aktien und Wertpapieren.
Realisierte Wertsteigerungen bei Immobilienvermögen sind dagegen voll zu deklarieren.
Eingeführt wurde schließlich eine sogenannte `Fringe benefit tax` von pauschal 49 Prozent, die
auf sämtliche Formen der Naturalentlohnung erhoben wird und vom Arbeitgeber abzuführen
ist. In sehr begrenztem Umfang und nur für Selbständige abzugsfähig sind Werbungskosten.
Abzugsfähig sind darüber hinaus für jeden Steuerpflichtigen bis zu bestimmten Höchstgren-zen
Spenden an gemeinnützige Organisationen - nicht aber an politische Parteien oder diesen
nahestehenden Stiftungen oder an Freizeitvereine - und die Kosten für die häusliche Pflege von
Angehörigen.
Im Bereich indirekte Besteuerung wurden nahezu alle Bagatellsteuern und speziellen
Verbrauchssteuern - ausgenommen die auf Benzin (Dieseltreibstoff bleibt jedoch davon befreit!),
auf Tabakwaren und Alkoholika - beseitigt. Zudem wurde die zuvor erhobene
`Wholesale sales tax` (WSS), deren Sätze aus vorgeblich sozialpolitischen und offen protektionistischen
Gründen stark - von null bis zu fünfzig Prozent - nach Güterarten differenziert
waren, durch die `Goods and Services Tax` (GST) von pauschal erst zehn und inzwischen 12,5
Prozent ersetzt. Die GST erfaßt etwa 87 aller gewerblichen Umsätze (WSS: nur 23 Prozent),
darunter die meisten Leistungen der öffentlichen Verwaltung und alle Umsätze der SOE. Nicht
GST-pflichtig sind nur die Umsätze von Wohlfahrtsverbänden, Finanztransaktionen und
Mieten für Immobilien.
b) Massiver Subventionsabbau
1983 erreichte die mittlere effektive Subventionsrate in der verarbeitenden Industrie 39
Prozent und in der Landwirtschaft 49 Prozent der Wertschöpfung (für einige Agrarerzeugnisse
wie Lammfleisch wurden einhundert Prozent übertroffen). Bis Ende 1989 war es Labour jedoch
durch eine drastische Kürzung der direkten wie der indirekten Beihilfen gelungen, diese
22
Werte auf neunzehn, beziehungsweise in der Landwirtschaft auf minus ein Prozent zu reduzieren.
Infolge des weiter fortgeschrittenen Zollabbaus liegen sie derzeit - wegen des noch verbliebenen
Zollschutzes - bei acht respektive minus zwei Prozent (Bollard/Lattimore/
Silverstone 1996, 13). Faktisch erhalten neuseeländische Unternehmen und vor allem die
Landwirtschaft damit keine nennenswerten öffentlichen Beihilfen mehr. Besonders
beachtenswert am Subventionsabbau in der Agrarwirtschaft, der im wesentlichen binnen nur
eines Kalenderjahres(!) vollzogen wurde, sind im übrigen der geringe Rückgang der Zahl der
Farmbesitzer (minus zehn Prozent zwischen 1984 und 1997) sowie die ausdrückliche
Unterstützung dieser Politik - allerdings gekoppelt an die Forderung nach ebenso durchgreifenden
Reformen auf dem Arbeitsmarkt und allen übrigen noch vor Wettbewerb geschützten
Sektoren und Märkten - durch den neuseeländischen Bauernverband.
c) (Teil-)Reform des Sozialsystems
Das neuseeländische Sozialsystem unterscheidet sich in einigen wesentlichen Punkten von
dem der Bundesrepublik. So werden mit Ausnahme der gesetzlichen Unfallversicherung alle
Sozialleistungen einschließlich der Alters(grund)rente, der Arbeitslosenunterstützung sowie der
Leistungen im staatlichen Gesundheitswesen voll aus dem allgemeinen Staatshaushalt und nicht
über Pflichtbeiträge der abhängig Beschäftigten finanziert. Derzeit entfallen nahezu siebzig
Prozent der Staatsausgaben auf Sozialleistungen. Entsprechend ist aber auch das Verhältnis
von Lohn- und Lohnnebenkosten in keinem OECD-Land ähnlich günstig wie in Neuseeland.
Zu beachten ist auch, daß vor den Reformen nahezu alle Sozialleistungen - insbesondere die
staatliche Altersrente - ohne den Nachweis individueller Bedürftigkeit von jedermann und meist
auch unbefristet in Anspruch genommen werden konnten. Angesichts der zügigen Ausweitung
des wohlfahrtsstaatlichen Leistungsangebots in der Nachkriegszeit kann der rasche Anstieg der
Sozialleistungsquote von 15,1 Prozent 1961 auf 21,5 Prozent 1984 und 25,6 Prozent 1994
kaum verwundern (Stephens 1996, S. 456). Freilich ließ sich dieses Wachstum angesichts der
sich immer weiter öffnenden Schere zwischen Staatsausgaben und Steuereinnahmen und der
geringen politischen Attraktivität von Leistungskürzungen zunehmend nur über Kredite bei der
Notenbank oder auf dem Kapitalmarkt finanzieren, was neben dem wachsenden Inflationsdruck
zwangsläufig auch die öffentliche Verschuldung auf immer neue Höchstwerte trieb.
Obwohl die Labour-Regierung selbst ihren (wirtschafts)politischen Handlungsspielraum
durch den kontinuierlichen Anstieg der Sozialausgaben gefährdet sah, beschränkte sie sich aus
Rücksicht auf ihre traditionelle Wählerklientel und aufgrund der parteiintern aufbrechenden
Spaltungstendenzen auf einige wenige und nur punktuelle Korrekturen: die vorsichtige
Einführung von Zuzahlungspflichten im Gesundheitswesen und von Kursgebühren im
Hochschulbereich, die Einführung von Bedürftigkeitsprüfungen für einzelne Sozialleistungen
sowie die Verschärfung der Kriterien, die zu deren Inanspruchnahme berechtigten. Die erklärte
23
Absicht der National-Regierung war es dagegen, grundsätzlich mit der traditionell egalitären
Zielsetzung neuseeländi
Technische Universität Ilmenau
Institut für Volkswirtschaftslehre
_________________________________________________________
Diskussionspapier Nr. 12
Modell Neuseeland?
Reformen und Reformergebnisse im Überblick
Andreas Knorr
September 1997
Institut für Volkswirtschaftslehre
Helmholtzplatz
Oeconomicum
D-98 684 Ilmenau
Telefon 03677/69-4030/-4032
Fax 03677/69-4203 ISSN 0949-3859
1
Inhalt
I. Einführung und Problemstellung
II. Neuseeland im Überblick
1. Geographie und Bevölkerung
2. Politik
3. Volkswirtschaft
a) Grunddaten
b) Ursachen der Wirtschaftskrise
c) Die heutige Wirtschaftslage
III. Der öffentliche Sektor
1. Die Reorganisation der öffentlichen Erwerbswirtschaft
a) Die `Corporatisation` öffentlicher Unternehmen
b) Diskussion
c) Das (unvollendete) Privatisierungsprogramm
2. Die Reorganisation der öffentlichen Verwaltung
a) Der State Sector Act 1988
b) Der Public Finance Act 1989
c) Diskussion
3. Die Reform der öffentlichen Finanzwirtschaft
a) Steuerreform
b) Massiver Subventionsabbau
c) (Teil-)Reform des Sozialsystems
d) Der Fiscal Responsibility Act 1994
- Gesetzlicher Zwang zum `Responsible fiscal management`
- Gesetzliche Informationspflichten
- Reform des Rechnungswesens der Regierung
e) Diskussion
IV. Arbeitsmarkt
1. Privatwirtschaft
2. Öffentlicher Dienst
3. Der Employment Contracts Act 1991
4. Diskussion
V. Ursachen und politökonomische Aspekte des Reformprozesses
VI. Schlußbetrachtung
2
I. Einführung und Problemstellung
Die nahezu universalen Wirtschaftsreformen, denen sich Neuseeland ab 1984 unterzog,
gelten zu Recht als weltweit beispiellos. Erstaunen rufen nicht nur die Radikalität des ordnungspolitischen
Paradigmawechsels und die Geschwindigkeit hervor, mit der dort der
Übergang von der wohl am stärksten regulierten und protegierten zu der am stärksten marktwirtschaftlich
ausgerichteten Volkswirtschaft (nicht nur) in der OECD vollzogen wurde.
Gerade den ausländischen Beobachter überrascht darüber hinaus, daß der Reformprozeß maßgeblich
von einer Labour-Regierung konzipiert und durchgesetzt wurde, also von Politikern
eben jener Partei, die in der Vergangenheit marktwirtschaftliche Prinzipien abgelehnt und die
deshalb Mitte der dreißiger Jahren in Neuseeland einen der ersten umfassenden, sprich hochgradig
interventionistischen Wohlfahrtsstaaten der Moderne begründet hatte.
Angesichts der großen Erfolge, die Neuseeland mit seinem Reformprogramm bei der
Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Inflation bei einer zugleich deutlichen und anhaltenden
Belebung des Wirtschaftswachstums erzielen konnte, gilt das Land inzwischen weithin
als Modell für andere erstarrte westliche Volkswirtschaften wie namentlich Deutschland. Dies
belegen nicht zuletzt die Informationsreisen des deutschen Wirtschaftsministers Rexrodt im
Februar und von Bundeskanzler Kohl im Mai 1997. Allerdings sind die neuseeländischen
Reformen aufgrund der zum Teil bis heute sehr unterschiedlichen institutionellen
Rahmenbedingungen und einer deswegen ebenfalls teilweise abweichenden Problemlage nur
partiell für die aktuelle Standortdiskussion in der Bundesrepublik von Relevanz. Dies trifft vor
allem für die Reform des öffentlichen Sektors, der öffentlichen Finanzwirtschaft und für die
Deregulierung des Arbeitsmarktes zu. Nur sie werden daher im folgenden ausführlich gewürdigt.
Bewußt verzichtet wurde demgegenüber zum einen auf die Erörterung der für
Deutschland irrelevanten, für den Erfolg des neuseeländischen Reformexperiments allerdings
unerläßlichen Liberalisierung grenzüberschreitender wirtschaftlicher Transaktionen. Gleiches
gilt mit derselben Begründung zum anderen für die Reform der Geld- und Währungsordnung.
Als deren Kernelemente sind die Entlassung der Notenbank in die Unabhängigkeit in allen
Belangen der geldpolitischen Steuerung zu nennen, jedoch verknüpft mit der Vorgabe eines
jährlichen Inflationsziels (zunächst null bis zwei, derzeit null bis drei Prozent), bei dessen
wiederholtem oder gar dauerhaftem Verfehlen die Regierung den Notenbankchef entlassen
könnte. Analysiert werden schließlich noch die Determinanten des Reformprozesses.
II. Neuseeland im Überblick
1. Geographie und Bevölkerung
Mit einer Fläche von 268.670 km2 ist Neuseeland kaum größer als die alten Bundesländer.
Es liegt jedoch weiter als jedes andere Mitgliedsland der OECD von seinen wichtigsten
3
Handelspartnern entfernt. Die Einwohnerzahl entspricht mit derzeit 3,6 Millionen in etwa
derjenigen Berlins. 73,8 Prozent der Neuseeländer sind europäischer, meist britischer
Abstammung. Auf die beiden größten Minoritäten, die Maori-Ureinwohner und die
Neuseeländer polynesischer Herkunft, deren mittlerer Lebensstandard und deren
Lebenserwartung deutlich unter und deren Arbeitslosenrate markant über dem Wert für die
weißen Neuseeländer liegt, entfallen 12,9 respektive 3,5 Prozent. Die am schnellsten wachsende
Bevölkerungsgruppe ist auch in Neuseeland die der über Fünfundsechzigjährigen, deren
Anteil sich offiziellen Schätzungen zufolge von jetzt zwölf auf neunzehn Prozent bis 2031 erhöht
haben wird. Das Verhältnis von Rentnern zu Erwerbstätigen hätte sich damit von 1:6 auf
1:2,9 verschlechtert.
2. Politik
Neuseeland ist eine parlamentarische Demokratie. Staatsoberhaupt ist formal die englische
Königin. Sie wird vor Ort durch den Governor-General repräsentiert, dessen Kompetenzen
weitgehend denjenigen des deutschen Bundespräsidenten entsprechen. Politisch wie verwaltungstechnisch
ist Neuseeland eine der am stärksten zentralisierten Nationen der Erde. Das
Parlament besteht aus nur einer Kammer, dem House of Representatives. Föderale Elemente
wie - zum Teil mitentscheidungsberechtigte - Regionalparlamente oder auch ein Finanzausgleichssystem
deutscher Prägung sind in Neuseeland völlig unbekannt. Vielmehr gliedert sich
das Land in zwei Regierungs- und Verwaltungsebenen: in die mit allen wesentlichen, auch den
wirtschaftspolitischen, Kompetenzen ausgestattete `Central Government`, bestehend aus dem
Parlament und der Staatsregierung samt Verwaltungsunterbau, sowie in die `Local
Government`, deren wenige Zuständigkeiten inklusive sämtlicher Finanzierungsmodalitäten
ausschließlich und einseitig vom Parlament gesetzlich festgelegt werden. Mit Ausnahme des
Rechts zur Festsetzung der Benutzungsentgelte für die von ihr erbrachten kommunalen
Dienstleistungen (Müllabfuhr etc.) verfügt die `Local Government`-Ebene also über keinerlei
für die neuseeländische Wirtschaftspolitik bedeutsamen Kompetenzen.
Dem neuseeländischen Parlament gehören seit den letzten Wahlen vom 12. Oktober 1996
120 Mandatsträger an. Die Legislaturperiode dauert drei Jahre. Die Abgeordneten wurden
1996 erstmals nach dem Verhältniswahlrecht bestimmt, das der deutschen Variante weitestgehend
entspricht. Es trat an die Stelle des zuvor praktizierten relativen Mehrheitswahlrechts,
dessen Abschaffung von der Bevölkerung in zwei Referenden 1992 und Ende 1993 erzwungen
wurde. Die amtierende Regierung ist eine Koalition der gemäßig konservativen National Party
und der rechtskonservativen New Zealand First Party. Sie errang 61 Mandate und verfügt
damit über eine Mehrheit von nur einem Sitz. Im Parlament vertreten sind des weiteren Labour
(37 Mandate), die weiter linksgerichtete Alliance (dreizehn Sitze), die radikal marktwirtschaftliche
Association of Consumers and Taxpayers, kurz ACT (acht Mandate), sowie die
4
konservative United-Partei (ein Abgeordneter). ACT, die weitere Reformen insbesondere im
bislang weitgehend ausgesparten Gesundheitswesen sowie in der Sozialpolitik fordert, wurde
von Roger Douglas gegründet. Er konzipierte als Finanzminister der Labour-Regierung zwischen
1984 und seiner Entlassung aus dem Amt 1988 viele der wichtigsten
Wirtschaftsreformen, so die Steuerreform, den radikalen Subventionsabbau und die Reform des
öffentlichen Sektors und setzte diese politisch durch. Alliance und New Zealand First stellen
demgegenüber Neugründungen zweier ehemaliger prominenter Mitglieder von Labour
beziehungsweise von National dar, die beide den marktwirtschaftlichen Reformkurs ihrer damaligen
Parteien ablehnten: des Sozialisten Anderton respektive des einstigen Minister for
Maori Affairs der National-Regierung, Peters.
Vor der Wahlrechtsänderung regierten sowohl Labour als auch National in der Zeit nach
dem Zweiten Weltkrieg jeweils viermals, und zwar meist mit einer klaren absoluten Mehrheit.
Da Labour jedoch nur bis 1949, von 1957 bis 1960 sowie von 1972 bis 1975 und von 1984 bis
1990 den Regierungschef stellte, ist der in den übrigen Jahren alleine regierenden National-
Partei - schon aufgrund ihrer gravierenden wirtschaftspolitischen Fehlentschei-dungen von
1975 bis 1984 - die politische Hauptverantwortung für den wirtschaftlichen Nie-dergang des
Landes bis 1984 anzulasten.
Hinzuweisen ist schließlich auf zwei weitere politisch-administrative Besonderheiten
Neuseelands: Im Unterschied zur Bundesrepublik genügt in Neuseeland zur Verabschiedung
von Gesetzesentwürfen eine einfache Stimmenmehrheit im Parlament. Dies gilt von wenigen
Ausnahmen wie Teilen des Wahlrechts abgesehen auch für geplante Änderungen des in einer
Vielzahl von Rechtsquellen verstreuten neuseeländischen Verfassungsrechts. Des weiteren
genossen die neuseeländischen `Civil servants` traditionell niemals einen auch nur annähernd so
umfassenden rechtlichen Kündigungsschutz wie die deutschen Beamten sowie faktisch auch die
im deutschen öffentlichen Dienst beschäftigten Angestellten und Arbeiter, selbst wenn in
Neuseeland vor 1984 betriebsbedingte Kündigungen weder in der öffentlichen Verwaltung
noch in öffentlichen Unternehmen ausgesprochen worden waren. Anders als die deutschen
Beamten verfügen die `Civil servants` jedoch seit jeher über das Streikrecht.
3. Volkswirtschaft
a) Grunddaten
Neuseeland erwirtschaftete 1995 ein BIP von 86,3 Mrd. NZ-$ (1 NZ-$ » 1,05 DM), was
etwa 59 Prozent des deutschen BIP/Kopf entspricht. Neun Prozent der Wirtschaftsleistung
entfallen auf den primären Sektor (1983: acht Prozent), dreißig Prozent (1983: 31 Prozent) auf
den sekundären und 62 Prozent (1983: sechzig Prozent) auf den tertiären Sektor (OECD,
1985, 85f.; 1996, 182). Allerdings erhöhte sich der Anteil der im tertiären Sektor Beschäftigten
zwischen 1983 und 1995 von 56,6 auf 66,6 Prozent, während im sekundären Sektor ein
5
deutlicher Rückgang von 32,2 auf nur mehr 22,6 Prozent zu verzeichnen war. Mit 10,8 (1983:
11,2 Prozent) nahezu konstant blieb dagegen der Anteil der im internationalen Vergleich
außerordentlich wettbewerbsfähigen und de facto nicht mehr staatlich subventionierten
neuseeländischen Landwirtschaft.
Mit einer Exportquote von 24,2 Prozent (1984: 24 Prozent) und einer Importquote von
24,6 Prozent (1984: 26,9 Prozent) ist Neuseeland relativ stark in die internationale
Arbeitsteilung integriert. Allerdings gelang es dem Land nur allmählich, sich durch eine
Diversifikation der Absatz- und Beschaffungsmärkte sowie der Exportgüterpalette aus der bis
lange nach dem Zweiten Weltkrieg extremen und extrem einseitigen (außen)wirtschaftlichen
Abhängigkeit vom einstigen `Mutterland` Großbritannien zu lösen. Noch während des
Koreakriegs erzielte Neuseeland neunzig Prozent seiner Ausfuhrerlöse durch den Export von
nur drei landwirtschaftlichen Erzeugnissen - Wolle, Lammfleisch und Molkereiwaren - auf den
britischen Markt, von wo es im Gegenzug über sechzig Prozent aller Einfuhren, meist industrielle
Fertigwaren, bezog. 1973, dem Jahr des EWG-Beitritts des Vereinigten Königreichs,
entfielen nur noch je zwanzig Prozent der Ein- und Ausfuhren auf diesen bilateralen Handel.
Inzwischen ist Großbritannien mit 6,2 Prozent der Exporte und 6,2 Prozent der Importe jedoch
nur mehr der viertgrößte Handelspartner Neuseelands nach Australien (20,7 Prozent und 20,9
Prozent), Japan (16,3 Prozent und 14,9 Prozent) sowie den USA (10,4 Prozent und 20,1
Prozent). Außerdem gelang es Neuseeland, seine Abhängigkeit von den drei wichtigsten
Devisenbringern auf dreißig Prozent zu vermindern, wenngleich noch immer sechzig Prozent
der Exporterlöse mit Agrarerzeugnissen verdient werden. Stark gestiegen ist jedoch der Anteil
des Tourismus, der holzverarbeitenden Industrie (Zellstoff und Papier), der elektrotechnischen
Industrie, der Chemie, des Maschinenbaus und der Softwarebranche (Statistics New Zealand
1995, 171ff; 202ff).
b) Ursachen der Wirtschaftskrise
Gemessen am Pro-Kopf-Einkommen war Neuseeland 1950 die drittreichste Nation der
Erde. 1984, dem Jahr des Beginns des Reformprozesses, war das Land auf den 23. Rang zurückgefallen.
Ursache für diesen relativen Abstieg war das im Vergleich zu den übrigen
OECD-Mitgliedern unterdurchschnittliche Produktivitätswachstum, das sich in einem mittleren
realen Wirtschaftswachstum von lediglich 1,1 Prozent pro Jahr in eben dieser Periode niederschlug
(Crocombe/Enright/Porter/u.a., 1991, 18f.). Die markante Verschlechterung der
Wirtschaftslage belegen auch folgende Indikatoren:
- Die offiziell ausgewiesene Arbeitslosenquote war von 0,8 Prozent, dem historischen
Höchststand bis Mitte der siebziger Jahre, auf 4,9 Prozent geklettert; die Ein-Prozent-
Schwelle war erst 1978 überschritten worden. Ein beträchtlicher Teil der Unterbeschäftigung
wurde allerdings durch den gezielten Einsatz des öffentlichen Sektors als
6
Instrument der Beschäftigungspolitik - 1984 waren 22 Prozent aller Neuseeländer im
öffentlichen Dienst inklusive der öffentlichen Unternehmen beschäftigt -, durch diverse
staatliche Arbeitsmarkt- und Umschulungsprogramme, durch ein engmaschiges Netz von
Importhemmnissen in Gestalt des in der OECD umfassendsten Importlizenz-systems,
sehr hoher Einfuhrzölle sowie umfassender Devisen- und Kapitalverkehrsbeschränkungen
- die etwa 75 Prozent der Inlandsproduktion direkt oder indirekt mehr
oder minder vollständig vor ausländischer Konkurrenz abschirmten (OECD, 1979, 38) -
sowie durch großzügige staatliche Beihilfen an die Landwirtschaft und andere
Schlüsselindustrien (Kohle, Energie, Stahl, Petrochemie) kaschiert. Das Ausmaß der so
verdeckten Unterbeschäftigung läßt sich am Anstieg der Arbeitslosenquote auf 11,1
Prozent 1992 sowie daran ablesen, daß die im Zuge der Reformen umstrukturierten und
in den Wettbewerb entlassenen sowie teils privatisierten staatlichen Unternehmen ihre
Belegschaften im Mittel um fünfzig Prozent verkleinern mußten, um wettbewerbsfähig zu
bleiben.
- Ähnlich stark verfälschte die offizielle Inflationsrate von 3,5 Prozent den tatsächlichen
Kaufkraftverlust. Ihr niedriger Wert erklärt sich ausschließlich mit dem am 22. Juni 1982
als Reaktion auf eine Preissteigerungsrate von 15,8 Prozent von der damaligen National-
Regierung verhängten generellen Lohn- und Preisstopp, der erst nach dem Wahlsieg
Labours Ende 1984 wieder aufgehoben wurde.
- Trotz der weitgehenden Abschottung Neuseelands gegenüber dem Ausland erreichte das
Leistungsbilanzdefizit mit 5,5 Prozent des BSP den höchsten Wert aller OECD-Staaten.
Da sich zudem auch die Auslandsverschuldung der öffentlichen Hand zwischen Anfang
der siebziger Jahre und 1984 um den Faktor 1,5 auf 23,5 Prozent, der Nettoschuldenstand
sogar von 6,8 auf 31,6 Prozent des BSP und die jährliche Nettokreditaufnahme
von 1,6 auf 8,8 Prozent des BSP erhöht hatten, stufte die Rating-Agentur Standard &
Poor`s Neuseelands Bonität zwischen 1983 und 1991 von AAA um drei Stufen auf nur
mehr AA- herab. Ähnlich verhielt sich Moody´s (Evans/Grimes/Wilkinson/Teece, 1996,
1895ff.).
- Das Einwanderungsland Neuseeland verzeichnete infolge der Abwanderung zehntausender,
meist hochqualifizierter Inländer vor allem nach Australien, in die USA, nach
Großbritannien und Kanada erstmals in seiner Geschichte einen länger andauernden,
stark negativen Migrationssaldo (Bedford, 1996, 22) - mit einem entsprechendem
volkswirtschaftlich problematischem Verlust an Humankapital.
Hauptverantwortlich für die tiefgreifende Strukturkrise, in der sich Neuseeland 1984 befand,
waren die unzähligen lenkenden staatlichen Eingriffe in Marktprozesse und insbesondere in die
Preisbildung auf den Güter- und Faktormärkten sowie zur Regulierung des Marktzutritts. Von
ihnen blieb schließlich direkt oder indirekt kein Sektor der Volkswirtschaft ausgenommen, und
7
sie verzerrten aufgrund der unterschiedlichen Interventionsdichte die
Allokationsentscheidungen beträchtlich - mit allen hinlänglich bekannten wohlfahrtsmindernden
Effekten. Wie sich freilich an der Entwicklung der Staatsfinanzen und der Inflationsrate
insbesondere nach den exogenen Schocks des EWG-Beitritts Großbritanniens 1973 sowie der
beiden Ölkrisen 1973 und 1979 erkennen läßt, mußten die Interventionen auf der Mikroebene
makroökonomisch jedoch zunehmend durch eine expansive Geld- und Fiskalpolitik flankiert
werden. In letzter Konsequenz bedeutete das nicht nur, daß die bestehenden marktwidrigen
Eingriffe gleichsam zementiert wurden. Vielmehr machte das wenig stabilitätsorientierte
Verhalten der Regierung ständig neue, noch weitergehende marktwidrige Interventionen mit
dem schon angesprochenem allgemeinem Lohn- und Preisstopp als negativem Höhepunkt
erforderlich.
Weiter beschleunigte sich der wirtschaftliche Abstieg Neuseelands schließlich durch den
trotz erster Anzeichen der künftigen Strukturkrise unvermindert vorangetriebenen Ausbau des
im internationalen Vergleich ohnehin generösen wohlfahrtsstaatlichen Leistungsangebots. Ein
bezeichnendes Beispiel ist die auf ein Wahlversprechen zurückgehende Wiedereinführung einer
steuerfinanzierten und damit nicht beitragspflichtigen und jedem Bürger ungeachtet seiner
individuellen (Nicht-)Bedürftigkeit zustehenden Altersrente durch die 1975 wiedergewählte
National-Regierung, verbunden mit der Absenkung der Altersgrenze von 65 auf sechzig Jahre
und einer deutlichen Rentenerhöhung. Allgemein ist zu konstatieren, daß das sehr großzügige
Sozialleistungssystem zusammen mit der - wie noch zu zeigen sein wird - die Lohnstruktur
stark nivellierenden Regulierung des Arbeitsmarktes die Anreize zur Ersparnisbildung, zur
Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und zur Humankapitalbildung durch berufliche Aus- und
Fortbildung immer mehr erlahmen ließ. So hatten 1988 immerhin 24 Prozent aller
Arbeitnehmer keine weiterführende Schule besucht, und 45 Prozent konnten gar keinen
Schulabschluß vorweisen (Massey 1995, 29). Wohlgemerkt wurde die ordnungspolitisch völlig
verfehlte Wirtschaftspolitik Neuseelands (nicht nur) nach 1945 aber parteiübergreifend und
von der Bevölkerung als unabdingbar erachtet, um das traditionelle Oberziel der Wirtschaftsund
Sozialpolitik des Landes - die Schaffung einer auch materiell möglichst egalitären
Gesellschaft - verwirklichen zu können.
c) Die heutige Wirtschaftslage
Gemessen an den zuvor herangezogenen Indikatoren hat sich die wirtschaftliche Lage
Neuseelands, allerdings erst nach einer schweren achtjährigen Strukturkrise, in der sich vor
allem die Arbeitsmarktlage weiter verschlechterte und die Staatsverschuldung nochmals beträchtlich
anstieg, inzwischen fundamental gebessert:1
1 Vgl. zum folgenden Reserve Bank of New Zealand (1997, 3f), OECD (1996, 176f.), Minister of Finance
(1996, 6), Statistics New Zealand (1995, 27).
8
- Das reale Wirtschaftswachstum betrug 1994 5,4 Prozent, 1995 5,3 Prozent und 1996 3,0
Prozent und erreichte damit die mit Abstand höchsten Werte seit Reformbeginn. Neuseeland
übertraf damit deutlich den OECD-Durchschnitt.
- Die Arbeitslosenrate - nunmehr nicht mehr durch verdeckte Unterbeschäftigung verfälscht
- liegt derzeit bei noch immer rückläufiger Tendenz nach einem temporären Anstieg
auf 11,1 Prozent bis Ende 1992 bei 6,0 Prozent.
- Noch markanter war der Rückgang der Inflationsrate, die sich nach Erreichen des
Höchststands von 18,2 Prozent 1987 nach der Aufhebung des Lohn- und Preisstopps
und der Kapitalverkehrskontrollen bis 1992 auf nur mehr 0,8 Prozent vermindert hatte.
1996 belief sich der Kaufkraftverlust gemessen am Indikator Konsumentenpreisindex auf
2,2 Prozent und gemessen an der für die Geldpolitik der neuseeländischen Notenbank
relevanten Zielgröße Basisinflationsrate auf 2,1 Prozent.
- Das Leistungsbilanzdefizit ging auf 3,0 Prozent des BSP zurück. Bemerkenswert ist die
zugleich erreichte Rückführung der Auslandsverschuldung der öffentlichen Hand auf
15,1 Prozent des BSP (1987: 39,5 Prozent); sie soll der Regierung zufolge bis Ende
1997 sogar vollständig getilgt sein. Der Abbau der Auslandsverschuldung, aber auch des
staatlichen Defizits insgesamt, wurde im übrigen überwiegend aus Privatisierungserlösen
finanziert. Zudem verzeichnete Neuseeland nicht zuletzt aufgrund des drastischen
Subventionsabbaus und der Verbreiterung der Steuerbasis durch eine radikale
Steuertarif- und -strukturreform mit Ausnahme von 1991 seit 1988 einen -ständig
steigenden - Haushaltsüberschuß. Entsprechend verbesserte sich auch das Rating des
Landes wieder deutlich (bei Standard & Poor`s auf die zweitbeste Kategorie AA+, bei
Moody`s auf AA1).
- Seit 1991 weist Neuseeland schließlich wieder einen positiven und - abgesehen von den
Jahren 1992 und 1993 - prozentual zunehmenden Wanderungssaldo auf.
III. Öffentlicher Sektor
Im Ergebnis bedeuten die in Neuseeland vollzogenen Reformen eine grundsätzliche
Neubewertung der Rolle des Staates in einer marktwirtschaftlichen Ordnung. Etwas konkreter
manifestierte sich der ordnungspolitische Paradigmawechsel in der expliziten Abkehr vom
früheren Leitbild eines allumfassenden Wohlfahrtsstaates. Ungewöhnlich im Vergleich zu der
eher theoriefernen und oft auf Ad-hoc-Basis betriebenen Wirtschaftspolitik anderer Nationen
ist dabei die außergewöhnlich starke Beachtung, die zentrale Aussagen der Neuen
Institutionenökonomik, namentlich der Principal-Agent-Theorie und der Transaktionskostenökonomik,
des Public Choice, der Theorie der bestreitbaren Märkte und der positiven
Theorie der Regulierung bei den politisch Verantwortlichen bei der Formulierung des Reformprogramms
und der praktischen Ausgestaltung der Reformmaßnahmen fanden. Folgende
9
Ideen zogen sich gleichsam wie ein roter Faden durch das gesamte Reformprogramm und
wurden - außer im Gesundheitswesen - mit erstaunlicher Konsequenz verwirklicht (Easton
1994, 78ff.):
- Staatliche Eingriffe in Marktprozesse und die erwerbswirtschaftliche Betätigung des
Staates, insbesondere unter Monopolbedingungen, sollten künftig als äußerst restriktiv
zu handhabende und begründungspflichtige Ausnahmen gelten.
- Die Anreize für effizienzminderndes opportunistisches Verhalten, Rent-seeking und
`Regulatory capture` bei der Erbringung öffentlicher Leistungen sollten durch die strikte
Trennung der politischen wie der administrativen Kompetenzen und Verantwortlichkeiten
für jeden einzelnen Schritt des Entscheidungsfindungs- und Leistungserstellungsprozesses
minimiert werden. Streng voneinander getrennt werden sollten vor
allem die Zuständigkeiten für die Bereiche Politikberatung, Festlegung und Finan-zierung
des Leistungsangebots, Leistungsbeschaffung/-erstellung, Wahrnehmung von
Eigentümerinteressen sowie Ausübung hoheitlich-regulierender Aufgaben.
- Verwirklicht werden sollte auch das Prinzip der Wettbewerbsneutralität. Zum einen sollten
öffentlichen Unternehmen demnach fortan weder Vorteile (Befreiung von der
Steuerpflicht, Nichtkonkursfähigkeit) noch Nachteile (politische Einflußnahme, unentgoltene
Übernahme politisch erwünschter nicht kostendeckender Leistungen) aus ihrem
besonderen Status erwachsen. Zum zweiten sollte das Arbeits- und Tarifrecht des öffentlichen
Dienstes den Regularien in der Privatwirtschaft angeglichen werden. Zum
dritten sollte schließlich ein möglichst allokationsneutrales Steuer- und Transfersystem
geschaffen werden.
- Minister, Behördenleiter und das Management öffentlicher Unternehmen sollten weit
stärker als zuvor die persönliche Verantwortung für die Effektivität und Effizienz ihres
Handelns tragen müssen. Erreichen wollte man dies einerseits (ex ante) durch die
Vorgabe vertraglich eindeutig spezifizierter Outputkategorien und eine bessere
Transparenz hinsichtlich der ergriffenen Maßnahmen sowie durch eine deutliche
Ausweitung der Berichtspflichten gegenüber dem Parlament, dem Rechnungshof und der
Öffentlichkeit. Andererseits sollten (ex post) leistungsfähigere, sprich vor allem vor
politischer Einflußnahme besser abgeschirmte Aufsichts- und Kontrollmechanismen
implementiert und die Verantwortlichen bei Über- und Untererfüllung ihrer Zielvorgaben
erstmals auch unmittelbar selbst wirtschaftlich belohnt oder bestraft werden.
- Um eine bessere Zielgenauigkeit bei der Vergabe von Haushaltsmitteln und damit eine
effizientere Nutzung des verfügbaren Budgets zu bewirken, aber auch um die
Bedürfnisse ihrer Empfänger beziehungsweise Nachfrager besser zu befriedigen und zugleich
bestehende Fehlanreize zu eliminieren, sollte auch das Angebot sämtlicher öffentlicher
Leistungen - angefangen von den Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung
und den Verwaltungsabläufen über monetäre wie reale Transfers hin zu den von einigen
10
Staatsunternehmen erbrachten gemeinwirtschaftlichen Leistungen - in drei Schritten
überprüft und optimiert werden: Erstens durch die Einführung eines leistungsfähigen
Rechnungswesens, mit dem die tatsächlichen Produktionskosten und damit näherungsweise
auch die Opportunitätskosten jeder öffentlichen Leistung ermittelt und
offengelegt werden sollten. Zweitens durch die sukzessive Einführung von Zuzahlungen
oder gar kostendeckenden Nutzungsgebühren anstatt der damals üblichen steuerfinanzierten
und somit scheinbar kostenlosen Bereitstellung. Drittens sollte schließlich
der damals pauschale Anspruch auf Sozialleistungen eingeschränkt und diese nur noch
beim Nachweis objektiver Bedürftigkeit gewährt werden.
1. Die Reorganisation der öffentlichen Erwerbswirtschaft
a) Die `Corporatisation` öffentlicher Unternehmen
Vor 1984 waren die Fachministerien das zentrale Vehikel der Wirtschaftspolitik gewesen.
Sie nahmen in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich nicht nur alle hoheitlich-regulierenden
Aufgaben wahr, sondern betätigten sich darüber hinaus oft auch selbst erwerbswirtschaftlich
(Coddington 1993, 75ff.) - und dies, ausgenommen den Banken- und Versicherungssektor, die
Stahlerzeugung und die Forstwirtschaft, stets geschützt vor inter- wie intramodaler privatwirtschaftlicher
Konkurrenz (so im Post- und Telekommunikationwesen, im Luft- und Schienenverkehr
sowie in der Energiewirtschaft). Die aus diesen institutionellen Rahmenbedingungen
für die gesamte Volkswirtschaft zwangsläufig resultierenden statischen wie dynamischen
Effizienzverluste sind hinlänglich bekannt und bedürfen keiner näheren Erläuterung (siehe dazu
Kruse 1985). Sie wurden auch von der Labour-Regierung klar erkannt, die sich daher mit
Wirkung zum 1. April 1987 zur Ausgliederung der wirtschaftlich bedeutendsten `State-trading
activities` aus den Fachministerien und deren Übertragung auf zunächst neun neugegründete
`State-Owned Enterprises` (SOE) entschied (sogenannte `Corporatisation` oder
Korporatisierung). Im Fall des früheren Post Office war dies verbunden mit einer Entflechtung
nach den drei Sparten Post- und Frachtdienste, Postbank und Telekommunikation. Einige Jahre
später wurde auch der Strommonopolist Electricity Corporation vertikal und auf der
Erzeugungsstufe zusätzlich horizontal entflochten. Hinzu kam die Korporatisierung von fünf
bereits bestehenden Staatsunternehmen wie der Air New Zealand und der New Zealand
Railways Corporation. Im Zeitablauf stieg die Zahl der SOE kurzzeitig auf mehr als dreißig;
derzeit sind es fünfzehn, darunter die NZ Post Ltd, die Stromerzeuger Electricity Corporation
Ltd und Contact Energy Ltd sowie der Stromnetzbetreiber TransPower Ltd. Später wurde das
Korporatisierungsmodell, das rechtlich im State-Owned Enterprises Act 1986 verankert ist,
auch auf die öffentlichen Unternehmen der `Local Government`-Ebene übertragen.
Privatpersonen ist der Erwerb stimmberechtigter Gesellschafteranteile an den SOE verwehrt.
Alleineigentümer und Kontrolleur sämtlicher SOE ist somit die Regierung, vertreten
11
durch die beiden formal voneinander unabhängigen `Shareholding Ministers`: den
Finanzminister, dem die Wahrung der Eigentümerinteressen des Staates obliegt, und den
Minister for State-Owned Enterprises (seit 1996: Minister for State Services). Letzterer hat
dafür zu sorgen, daß die SOE-Führungen ihre in Section 4 des State-Owned Enterprises Act
1986 festgelegte allgemeine Zielvorgabe "to operate as a successful business" erreichen.
Konkret bedeutet diese Klausel, daß jedes SOE so effizient und rentabel wie ein vergleichbares
Privatunternehmen zu wirtschaften hat, sich jeder positiven wie negativen Diskriminierung
einzelner Gruppen von Beschäftigten aufgrund ihrer Rasse oder ihres Geschlechts enthalten
muß sowie den Beschäftigten hinreichende Möglichkeiten zur beruflichen Aus- und
Fortbildung zu offerieren hat. Außerdem verpflichtet das Gesetz die SOE, "to exhibit a sense
of social responsibility by having regard to the interests of the community [in which they operate
] and by endeavouring to accomodate or encourage these when able to do so". Freilich begründet
die zuletzt genannte Vorgabe keine Gemeinverpflichtung im Sinne der deutschen
Gemeinwirtschaftslehre, sondern ist lediglich als Aufforderung zum Sponsoring kultureller,
sportlicher oder karitativer Veranstaltungen zu verstehen. Laut Section 7 des State-Owned
Enterprises Act 1986 hat die Regierung allerdings das Recht, ein SOE zur Erbringung defizitärer
Infrastrukturleistungen zu verpflichten. Für die Mehrkosten der Übernahme solcher `Non
commercial activities`, die im übrigen vertraglich genau zu spezifizieren sind, ist das betroffene
SOE dann aber ganz oder teilweise aus allgemeinen Haushaltsmitteln zu kompensieren.
Um die Leistung der SOE zudem auch mittels der üblichen Bilanzkennziffern beurteilen zu
können und sie mit einer Privatunternehmen in etwa vergleichbaren Bilanzstruktur zu versehen,
werden zwischen der Regierung und den SOE-Managements noch sogenannte `Sale and
purchase agreements` abgeschlossen. Der darin vereinbarte Kaufpreis, der in etwa dem abdiskontierten
Ertragswert des SOE entsprechen soll, ist in der Regel in einer Mischung von
Unternehmensanteilen, der Übernahme von Pensionszusagen und teilweise in bar an die
Regierung zu entrichten. Das neben den Geschäftsberichten und einigen weiteren
Informationspflichten wichtigste Kontrollinstrument der Regierung den SOE gegenüber ist
jedoch das `Statement of Corporate Intent` (SCI). Dessen Inhalt wird von den `Shareholding
Ministers` jährlich und nach Möglichkeit einvernehmlich mit dem obersten Aufsichtsorgan der
SOE, deren Boards - die im übrigen von Anfang an bis heute konsequent ausnahmslos weder
mit aktiven oder ehemaligen Politikern noch mit Beamten besetzt wurden -, vereinbart. Es
enthält zum einen alle Schwerpunkte der mittelfristigen Unternehmens- wie Finanzplanung,
also insbesondere Entscheidungen über Diversifikations- oder größere sonstige
Investitionsvorhaben. Zum anderen werden darin auch die Rentabilitäts-, Kosten- und
Produktivitätskriterien fixiert, anhand derer die Leistung des SOE und seines Managements ex
post überprüft werden soll. Schließlich wird in den SCI noch die im Falle eines Gewinns an die
Regierung auszuschüttende Dividende vereinbart, wobei die `Shareholding Ministers`
grundsätzlich das Recht haben, den Board in dieser Frage zu überstimmen. Jede weitere direkte
12
Einflußnahme der `Shareholding Ministers` auf Unternehmensentscheidungen - so auf die
Preisgestaltung und die Personalpolitik - per Weisung und ohne entsprechende Vereinbarung
im SCI ist untersagt.
Dafür unterliegen die SOE grundsätzlich und vollumfänglich der direkten wie der indirekten
Besteuerung sowie der Wettbewerbsaufsicht des Kartellamts nach dem allgemeinen
Wettbewerbsrecht; ordnungspolitische Ausnahmebereiche analog den §§ 99ff. GWB sind in
Neuseeland völlig unbekannt. Außerdem haben sie im Gegensatz zur Vergangenheit nun weder
die Möglichkeit, eine Bürgschaft der Regierung für Kredite in Anspruch zu nehmen oder zu
subventionierten Konditionen ein Darlehen bei einem öffentlichen Kreditinstitut eingeräumt zu
bekommen. Auch arbeitsrechtlich wurden die SOE von Beginn an mit privaten Unternehmen
voll gleichgestellt, das heißt, sie unterliegen fortan nicht mehr dem - bis 1991 abweichendem -
öffentlichem Dienst- und Tarifrecht. Die unbestritten wichtigste Einzelmaßnahme zur
Umsetzung des Prinzips der Wettbewerbsneutralität besteht jedoch in der Beseitigung - im Fall
NZ Post Ltd der Einschränkung - jeglicher rechtlicher Marktzutrittsbarrieren. So hob die
neuseeländische Regierung unter anderem 1986 die Ausschließlichkeitsrechte der Air New
Zealand im Inlandsluftverkehr und bereits 1989(!) sämtliche Monopolrechte der Telecom
Corporation, also das Endgeräte-, das Sprachdienst- und das Netzmonopol, ohne
Übergangsfrist auf. Eine Durchleitungspflicht zu nicht diskriminierenden Bedingungen gilt seit
1988 in der Strom- und Gaswirtschaft; seitdem ist dort auch der Marktzutritt auf der
Erzeugerstufe und im Handel freigegeben. In Verbindung mit der Entflechtung einiger als
besonders marktbeherrschend erachteter SOE büßte damit auch das Problem wettbewerbsverzerrender
interner Subventionen viel von seiner früheren Brisanz ein.
b) Diskussion
Die `Corporatisation` steigerte die Effizienz der öffentlichen Unternehmen im Vergleich zu
ihrer früheren Organisationsstruktur beträchtlich (Duncan 1996, 402 ff.; Knorr 1993, 220 ff.;
OECD 1996, 167ff.). So erreichten sogar die zuvor chronischen Verlustbringer `Gelbe Post`,
Staatsbahn und `Forest Service` dauerhaft die Gewinnzone, und zwar trotz des Abbaus respektive
der deutlichen Einschränkung ihrer einstigen Monopolrechte und obwohl sie die vor allem
durch den spürbaren Personalabbau erzielten Produktivitätszuwächse durch deutliche
Preissenkungen an ihre Kunden weitergaben. Zugleich verbesserte sich die Angebotsqualität
merklich. Nichtsdestotrotz weist das Korporatisierungsmodell gravierende Schwächen auf, die
eine rasche Privatisierung der restlichen SOE angeraten erscheinen läßt.
So häufen sich offenbar wieder die Versuche der Regierung, Unternehmensentscheidungen
einzelner SOE - namentlich als `mißbräuchlich` erachtete Tariferhöhungen in der Elektrizitätswirtschaft
- aus wahltaktischem Kalkül und ungeachtet der originären Zuständigkeit des
Kartellamts in der Anwendung des Wettbewerbsrechts unmittelbar zu beeinflussen (Kelsey
13
1993, 34ff.). Des weiteren ist die dem SOE-Modell zugrundeliegende These, die
Überwachungs-, Selektions- und Sanktionsfunktion der Kapitalmärkte könne durch ministerielle
Kontrolle und umfassende Rechenschaftspflichten ersetzt werden, als ökonomisch unhaltbar
zurückzuweisen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Unmöglichkeit disziplinierender
Übernahmedrohungen sowie des de facto, wenn auch nicht de jure, fehlenden
Konkursrisikos der SOE. Überdies waren und sind zur langfristigen Sicherung der
Wettbewerbsfähigkeit der SOE mitunter umfangreiche Investitionen auch in unverbundene
Märkte vonnöten, die ob des damit verbundenen Risikos mit dem Eigeninteresse des Staates an
sicheren, hohen und stetigen Dividendeneinkünften konfligieren können. Im Sonderfall der NZ
Post kollidiert dieses Eigeninteresse noch dazu mit der ordnungspolitisch gebotenen
Beseitigung der noch verbliebenen und, wie dessen Geschäftsberichte offenbaren, auch sehr
lukrativen Monopolrechte dieses SOE. Deren Fortbestand ist im übrigen auch als klarer
Verstoß gegen das SOE-Modell anzusehen, da die Monopolgewinne dazu dienen sollen, das
Unternehmen für die Mehrkosten der ihm bis heute auferlegten gemeinwirtschaftlichen
Aufgaben zu entschädigen. Laut State-Owned Enterprises Act 1986 müßten diese, wie
erwähnt, jedoch aus dem allgemeinen Staatshaushalt finanziert werden. Schließlich ließe sich
auch die Erhöhung des Eigenkapitals der SOE nur durch Einsparungen bei anderen
Budgetposten oder durch eine Erhöhung der staatlichen Kreditaufnahme realisieren. Vor dem
Hintergrund des Prinzips Wettbewerbsneutralität sollte man auch nicht übersehen, daß die
Regierung einigen der neuen SOE - so der Bahn - einen Großteil ihrer Altschulden erließ.
c) Das (unvollendete) Privatisierungsprogramm
Wegen der angeführten Mängel des Korporatisierungsmodells, aber auch angesichts der
ausufernden Staatsverschuldung, entschloß sich die Labour-Regierung im Dezember 1987 entgegen
einem anderslautendem Wahlversprechen zur Privatisierung mehrerer SOE. Die Erlöse
aus dem offiziell bis heute andauernden, faktisch aber seit 1994 ruhenden Privatisierungsprogramm
werden auf 3,6 Prozent des kumulierten neuseländischen BSP der Jahre
1987 bis 1994 geschätzt (Massey 1995, 141). Sie liegen damit deutlich über dem Vergleichswert
für Großbritannien (ein Prozent) und wurden in der Tat ganz überwiegend zur
Schuldentilgung verwendet. In ordnungspolitisch begrüßenswerter Manier und in klarem
Gegensatz zu Großbritannien entschieden sich sowohl die Labour- als auch die National-
Regierung aber bislang bewußt gegen den Verkauf solcher SOE, die über ein rechtliches
Monopol verfügen oder die in ihrer aktuellen Struktur, also ohne vorherige Entflechtung, als
zu marktbeherrschend gelten. Umso unverständlicher ist, daß sich noch immer viele SOE in
Staatsbesitz befinden, die wie die NZ Post, die beiden konkurrierenden Stromerzeuger oder
auch die Coal Corporation, durchaus in ordnungspolitisch unbedenklicher Form zu privatisieren
wären.
14
2. Die Reorganisation der öffentlichen Verwaltung
Das Ziel, die Effizenz der Leistungserstellung in der gesamten öffentlichen Verwaltung
nachhaltig zu erhöhen, versuchte die Labour-Regierung durch eine umwälzende Reform der
Verwaltungsorganisation, des öffentlichen Dienstrechts und des Haushaltsrechts zu erreichen.
Die gesetzlichen Grundlagen bildeten die einander ergänzenden State Sector Act 1988 und
Public Finance Act 1989.
a) Der State Sector Act 1988
Die Reorganisation der öffentlichen Verwaltung folgte grundsätzlich denselben Prinzipien
wie die Reform der öffentlichen Erwerbswirtschaft. Die in der Folge zu beobachtende absolute
Erhöhung der Zahl staatlicher Behörden - bei allerdings zugleich insgesamt leicht sinkendem
Personalbestand - ist somit lediglich die logische Konsequenz des angestrebten `Unbundling`
der Kompetenzen der einzelnen Teileinheiten der öffentlichen Verwaltung, das effizienzmindernde
Zielkonflikte sowie die Wahrscheinlichkeit und Virulenz von Prinzipal-Agent-
Konflikten und von `Regulatory capture` minimieren sollte. Daß diese Entflechtung die
Koordination des Verwaltungshandelns tendenziell erschweren und im Ausmaß der dadurch
eingebüßten Synergieeffekte auch verteuern würde, wurde von der Labour-Regierung erkannt,
die daraus resultierenden Effizienzverluste im Vergleich zu den als Ergebnis der Reform erwarteten
dynamischen Effizienzgewinnen jedoch als Quantité négligeable bewertet.
Mit dem State Sector Act 1988 wurde des weiteren das öffentliche Dienstrecht weitgehend
- gewisse Ausnahmen gelten nur noch für Polizei und Streitkräfte, allerdings nicht für die dort
beschäftigten Zivilangestellten - an das in der Privatwirtschaft herrschende Arbeits- und
Tarifrecht angepaßt, bis zum Inkrafttreten des Employment Contracts Act 1991 allerdings zunächst
nur für die Angehörigen der obersten Hierarchieebene, nämlich die nunmehr als `Chief
executives` (CE) statt als `Permanent heads` bezeichneten Behördenleiter. Die wichtigsten
Neuerungen bezogen sich dabei auf die Beschäftigungsdauer und auf die Modalitäten der
Ernennung, der Entlohnung sowie der Leistungsbeurteilung samt etwaiger Konsequenzen.
Konkret wurden so die drei traditionellen Prinzipien faktische Unkündbarkeit bei garantiertem
regelmäßigem beruflichem Aufstieg nach Dienstalter sowie gleiche Bezahlung bei gleicher
Seniorität, Dienststufe und für als gleichwertig klassifizierte Tätigkeiten abgeschafft. An ihre
Stelle traten zum einen zeitlich auf fünf Jahre befristete, aber verlängerbare Arbeitsverträge mit
individuell zu vereinbarender Entlohnung. Zum anderen wurden den CE in den Arbeitsverträgen
erstmals konkrete Leistungsziele vorgegeben (zum Beispiel die Steigerung der
Produktivität um x Prozent, eine Erhöhung des Selbstfinanzierungsanteils durch Nutzergebühren
oder die allgemein übliche Vorgabe, den Substanzwert des Behördenvermögens zu
erhalten). Deren dauerhafte Übererfüllung kann seitdem positive beziehungsweise deren
15
Verfehlen negative Sanktionen bis hin zur vorzeitigen Entlassung nach sich ziehen. Schließlich
wurde die zuvor übliche Diskriminierung externer Bewerber beseitigt - jene mußten
grundsätzlich `clearly more merit` beweisen als behördeninterne Mitbewerber, was sich in der
Vergangenheit nicht zuletzt aufgrund der umfassenden Widerspruchsrechte unterlegener `Civil
servants` als nahezu unüberwindliche Marktzutrittsschranke erwiesen hatte -, und alle
Vakanzen werden seither öffentlich, oft weltweit, ausgeschrieben.
Um eine politische Einflußnahme auf Personalentscheidungen auf der obersten
Führungsebene der öffentlichen Verwaltung zu unterbinden, obliegt die jährliche Evaluierung
der CE nicht dem zuständigen Fachminister, sondern der von der Regierung weisungsunabhängigen
State Services Commission (SSC). Durch ihr Vorrecht, der Regierung eine
Kandidatenliste vorlegen zu dürfen, ist diese Behörde überdies maßgeblich an der Besetzung
von Vakanzen beteiligt. Zwar ist die Regierung nicht an die Vorschläge der SSC gebunden; die
Ernennung eines nicht gelisteten Kandidaten müßte sie allerdings öffentlich bekanntgeben.
Grundlegend reformiert wurde schließlich auch die Kompetenzverteilung zwischen den
Behördenleitern und den jeweiligen Fachministern als deren oberste Dienstherren. Schließlich
erscheint die Vorgabe konkreter Leistungsziele, für deren (Nicht-)Erfüllung die CE persönlich
haften müssen, nur sinnvoll, wenn diese zugleich in der Lage sind, frei von direkter politischer
Einflußnahme und somit alleinverantwortlich über den Einsatz der zur Leistungserstellung
erforderlichen Inputs und deren Mix zu entscheiden; die Frage, wie besagte Inputs zu finanzieren
sind, ist im noch zu diskutierenden Public Sector Act 1989 geregelt. Auch diesen
Entscheidungsspielraum garantiert das Gesetz den CE weitgehend. Zum einen haben nunmehr
die CE die alleinige Kompetenz zum Abschluß von Arbeits- und Tarifverträgen mit ihren
Untergebenen; zuvor wurde diese Funktion auf der Arbeitgeberseite für den gesamten öffentlichen
Sektor zentral von der SSC übernommen. Zum anderen entscheidet nur der CE und
nicht wie zuvor das Parlament über die Aufteilung des seiner Behörde für die Erstellung der
von ihr zu erbringenden Leistungen - die sogenannten `Outputs` - zugewiesenen Budgets auf
Sachmittel und Personalausgaben. Und nur der CE entscheidet, ob eine bestimmte (Vor-)Leistung
behördenintern oder durch Contracting-out extern erstellt werden soll. Damit wurde
zugleich auch das frühere Verbot, nicht aufgebrauchte Budgetmittel aus einem Haushaltstitel in
einen sachlich anderen Haushaltstitel zu transferieren, beträchtlich gelockert.2
2 Das reformierte neuseeländische Haushaltsrecht kennt nur noch vier, jeweils sehr weit abgegrenzte
Haushaltstitel: Mittelzuweisungen für Zahlungsverpflichtungen der Regierung insgesamt (dazu zählen
alle Sozialleistungen), Mittelzuweisungen an einzelne Leistungserbringer für die von diesen zu erstellenden
`Outputs`, Mittelzuweisungen zur Erhöhung des Sachkapitalstocks einzelner staatlicher Stellen
sowie Mittelzuweisungen für sonstige (= unerwartete) Ausgaben. Mittelumschichtungen innerhalb einer
der vier Titelgruppen sind jederzeit zulässig, während Umschichtungen zwischen zwei oder mehr dieser
Kategorien der Zustimmung des Kabinetts bedürfen.
16
b) Der Public Finance Act 1989
Mit diesem Gesetz wurden die Grundprinzipien der Vergabe der im Staatshaushalt verfügbaren
Finanzmittel auf die einzelnen Teileinheiten der öffentlichen Verwaltung fundamental
reformiert, um die Transparenz und die Effizienz der Mittelvergabe sowie der Mittelverwendung
nachhaltig verbessern zu können. Grundlegend umgestaltet wurden flankierend dazu
auch das staatliche Rechnungswesen, die Berichtspflichten der Verwaltung gegenüber
Regierung, Parlament und Öffentlichkeit sowie das Cash-Management der öffentlichen Hand.
Generell wurde auch hier bewußt eine weitgehende Angleichung an die im Privatsektor
üblichen Praktiken und Methoden angestrebt.
Als erste einschneidende Neuerung ist die Abkehr von der Inputorientierung bei der
Vergabe von Budgetmitteln an die einzelnen staatlichen Stellen anzuführen. Statt dessen vereinbaren
die zuständigen Fachminister im Kabinett nunmehr für jeden Politikbereich zunächst
sogenannte `Outcomes`, das heißt, die von der Regierung angestrebten politischen Endziele respektive
allgemein die gewünschten "impacts on, or consequences for, the community of ... the
activities of Government" (Section 3 des Public Sector Act 1989). Im nächsten Schritt wird
dann entschieden, mittels welcher konkreten `Outputs` das avisierte `Outcome`-Ziel erreicht
werden soll. Erst dann wird der konkrete Leistungserbringer designiert. Beachtenswert ist in
diesem Zusammenhang, daß jeder Ressortchef auch andere als die ihm unmittelbar
unterstehenden Verwaltungseinheiten und im Regelfall sogar einen konkurrierenden privaten
Anbieter mit der Erbringung besagter `Outputs` beauftragen kann. Damit herrscht erstmals ein
gewisser Wettbewerb sowohl der staatlichen Stellen untereinander als auch zwischen den
Gestaltungsalternativen behördliche (staatliche) oder private Leistungserstellung.
Im letzten Schritt wird schließlich durch Kabinetts- und Parlamentsbeschluß noch der genaue
Mittelbetrag festgelegt, der dem designierten `Output`-Erbringer zugewiesen wird. Je nach
den spezifischen ökonomischen und juristischen Charakteristika des fraglichen `Output` findet
dabei entweder das Verfahren B (`Mode B`) oder das Verfahren C (`Mode C`) Anwendung.3
Mittelzuweisungen nach `Mode B` decken sämtliche Produktionskosten der fraglichen `Outputs`
inklusive des Abschreibungsbedarfs ab; Eigeneinnahmen des Leistungserbringers wie
Verwaltungs- und Nutzergebühren werden jedoch angerechnet. Zu den Behörden, deren
`Outputs` nach Verfahren B abgegolten werden, zählen die gesamte Ministerialbürokratie, also
die Fachministerien sowie die übrigen `Policy agencies` wie das Kartellamt oder die Zentralbank
und alle staatlichen Einrichtungen, die reine öffentliche Güter erstellen, deren Beschaffung oder
Erbringung dem Gesetzgeber als nicht wettbewerblich organisierbar gilt (Polizei, Militär,
Justiz).
3 Unmittelbar nach dem Inkrafttreten des Public Finance Act 1989 wurde daneben kurzzeitig noch das
ausdrücklich als Übergangslösung gedachte und inzwischen nicht mehr praktizierte Verfahren A (`Mode
A`) angewendet. Eine nähere Erläuterung erübrigt sich daher.
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Die Mittelzuweisungen für `Outputs`, für die Verfahren C gilt - ein Beispiel wäre der Bereich
Politikberatung -, bemessen sich dagegen nach deren Marktpreis. Die Umsätze und die
Gewinne der Behörde aus der Erbringung dieser `Outputs` unterliegen zudem voll der indirekten
wie der direkten Besteuerung; des weiteren hat die leistungserbringende Behörde der
Regierung marktübliche Fremdkapitalzinsen auf das ihr zur Leistungserstellung überlassene
Sachkapital zu bezahlen. Schließlich haben die staatlichen Stellen, die `Mode C`-`Outputs` erstellen,
eine detaillierte Bilanz wie ein Privatunternehmen aufzustellen. Der einzige wesentliche
Unterschied zwischen ihnen und einem SOE besteht somit, abgesehen von der in aller Regel
wesentlich engeren Produktpalette der Behörde, nur darin, daß ein SOE - vorbehaltlich eines
ausdrücklichen Verbots der `Shareholding Ministers` - jederzeit in neue Geschäftsfelder
diversifizieren könnte.
Ein eventuell erwirtschafteter Jahresüberschuß darf im übrigen bei einem `Mode B`-`Output`
- außer mit der Zustimmung des verantwortlichen Ministers - nicht bei der fraglichen Behörde
selbst verbleiben, sondern steht in voller Höhe der Regierung zu. Bei `Mode C`-`Outputs` würde
dagegen der Minister nach Lage des Einzelfalls über den abzuführenden Gewinnanteil und den
Zeitpunkt der Überweisung entscheiden. Allen staatlichen Stellen ist es jedoch nunmehr
erlaubt, die Erlöse aus der Veräußerung nicht mehr benötigter Sachwerte vollständig
einzubehalten. Da die Erwirtschaftung eines bestimmten Mindestgewinns (beziehungsweise
eines maximalen Fehlbetrags) in der Praxis grundsätzlich von allen CE gefordert und entsprechend
sanktioniert wird, haben die Behördenleiter somit keine Anreize zur Bildung stiller
Reserven und zu unnötigen Investitionen. Inwieweit diese Regelung jedoch (Fehl-)Anreize zur
Gewinnsteigerung durch Absenkung der `Output`-Qualität und/oder der `Output`-Quantität
bewirkt, hängt davon ab, ob im Einzelfall eine genaue Ex ante-Spezifikation der zu erbringenden
Leistung und/oder eine exakte Ex post-Kontrolle möglich ist.
Als zweite wichtige Neuerung verlangte der neuseeländische Gesetzgeber von der überwiegenden
Mehrzahl aller staatlichen Stellen, einen Teil ihres Budgets - der genaue Prozentsatz
wird in Abhängigkeit von der Marktfähigkeit der in diese Regelung einbezogenen `Outputs`
festgelegt - durch Eigeneinnahmen selbst zu finanzieren. So haben beispielsweise die Studenten
der staatlichen Universitäten inzwischen einen Eigenanteil von 25 Prozent an den
Kursgebühren zu tragen; nur die restlichen 75 Prozent werden also aus dem Bildungsetat bereitgestellt.
Da jede Hochschule autonom über die Höhe der Kursgebühren und natürlich über
ihr Kursangebot bestimmen kann, herrscht in Neuseeland inzwischen ein lebhafter Wettbewerb
der Universitäten untereinander um Studenten und Lehrkräfte. Bemerkenswerte
Wettbewerbselemente kennzeichnen auch die übrigen Teilbereiche des staatlichen
Schulwesens. Zwar ist der Besuch dieser Bildungsstätten schon wegen der Schulpflicht
grundsätzlich kostenlos, ein Schulwechsel ist aber jederzeit möglich. Der Etat jeder einzelnen
Schule hängt nunmehr alleine von der Zahl der bei ihr immatrikulierten Schülerinnen und
18
Schüler ab, da der neuseeländische Staat jeder Lehranstalt für jeden bei ihr eingeschriebenen
`Pupil` einen pauschalen jährlichen Fixbetrag zuweist.
Die dritte wesentliche Neuerung, die der Public Sector Act 1989 nach sich zog, war die
Einführung eines periodenbezogenen Rechnungswesens nach dem Vorbild der in der
Privatwirtschaft üblichen Kostenrechnungssysteme. Es ersetzte die zuvor im öffentlichen
Sektor praktizierte einfache Einnahmen-Ausgaben-Rechnung vollständig. Alle staatlichen
Stellen sind seitdem gesetzlich zur Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung
sowie zur Bilanzierung verpflichtet. Konkret bedeutet diese Reform unter anderem, das nunmehr
alle tatsächlichen oder auch nur vermuteten zukünftigen finanziellen Verpflichtungen
bereits zu dem Zeitpunkt zu verbuchen sind - und gegebenenfalls entsprechende
Rückstellungen zu bilden sind -, an dem sie eingegangen oder erkannt wurden und nicht erst
dann, wenn sie zu Auszahlungen führen.
Die vierte und letzte bedeutsame Neuerung bezog sich auf die Umgestaltung des Cash-
Managements der öffentlichen Hand. Den Behörden ist es seit der Aufhebung des
Notenbankmonopols über deren Einlagen und die Abwicklung des gesamten staatlichen
Zahlungsverkehrs erlaubt, ihre Konten bei privaten Kreditinstituten zu führen und dort außerdem
überschüssige Mittel renditebringend anzulegen. Daneben unterhält das
Finanzministerium, das Treasury, selbst ein zentrales Staatskonto bei der Notenbank. Auf dieses
Sammelkonto wird - soweit vorhanden - am Ende eines jeden Arbeitstages der Gesamtüberschuß
aller Staatskonten transferiert und bis zum nächsten Morgen auf den nationalen
oder internationalen Geldmärkten angelegt.
c) Diskussion
Die Ziele der Verwaltungsreform wurden weitgehend erreicht. So gelang es in der Tat in
den meisten Bereichen der öffentlichen Verwaltung, Anreize für effizientes Wirtschaften zu
schaffen und das Angebot an öffentlichen Dienstleistungen den Bedürfnissen der Nachfrager
besser anzupassen. Erkennen läßt sich dies zum einen an der inzwischen wesentlich schnelleren
und flexibleren Abwicklung von Vorgängen und den seitdem erfolgten Anpassungen der Produktpalette
der öffentlichen Verwaltung. Auch konnte das Auftreten bekannter Phänomene
(Dezemberfieber!) und das regelmäßige Überschreiten der ursprünglichen Budgetansätze - und
damit die Notwendigkeit, Nachtragshaushalte erstellen und finanzieren und im Parlament
verabschieden zu müssen - deutlich reduziert werden.
Zurückzuführen sein dürften diese positiven Ergebnisse im wesentlichen auf die spürbare
Flexibilisierung des Haushaltsrechts mit der Konsequenz einer produktivitätssteigernden größeren
Entscheidungsautonomie der CE über die Verwendung der ihnen für ihre Behörde zugewiesenen
Budgetmittel, die klare Abgrenzung der Verantwortlichkeiten sowie die stärker leistungsbezogene
Entlohnung und grundsätzlich befristete Anstellung der CE. Zudem erlaubte
19
die Angleichung des öffentlichen Dienstrechts an das in der Privatwirtschaft übliche Arbeitsrecht
spätestens nach dem Inkrafttreten des Employment Contracts Act 1991 ebenfalls die
Nutzung beträchtlicher noch brachliegender Produktivitätsreserven. Nicht unterschätzt werden
sollte schließlich auch die Bedeutung der Einführung eines stark privatwirtschaftlich ausgerichteten
Rechnungswesens in der gesamten öffentlichen Verwaltung. Erst damit verfügten alle am
politischen Entscheidungsprozeß Beteiligten - also Politiker und die Verantwortlichen in der
öffentlichen Verwaltung -, aber auch, wenngleich in geringerem Umfang und nur indirekt über
Nutzergebühren, die Steuerzahler und Wähler als die letztlich Betroffenen über die unerläßlichen
Informationen über die (Opportunitäts-)Kosten der Erstellung einzelner öffentlicher Leistungen.
Dieses Wissen ermöglichte in vielen Fällen erstmals einen Vergleich mit den Kosten
der Contracting-out-Alternative sowie, zumindest bei den `Mode C`-`Outputs`, auch die genauere
Ermittlung der für diese Leistungen tatsächlich bestehenden Nachfrage.
Abgesehen von den bereits angesprochenen Mängeln lassen sich im Vergleich zum ökonomisch
weit unbefriedigenderem Status quo ante nur wenige wirklich gravierende
Schwachpunkte der Verwaltungsreform ausmachen. Unverkennbar waren zunächst die mitunter
beträchtlichen Umstellungsschwierigkeiten einiger Behörden, auf die mit dem Inkrafttreten
der Verwaltungsreform in kürzester Zeit - die Implementierungsfrist betrug ein Jahr - eine
Reihe bis dato völlig unbekannter Verantwortlichkeiten übertragen wurden, deren Ausübung
wiederum Fähigkeiten und Kenntnisse erforderte, die in vielen Behörden noch nicht oder nur
rudimentär vorhanden waren. Dies führte insbesondere bei fremdbezogenen Leistungen teilweise
zu Qualitätsproblemen infolge unsachgemäßer Leistungsbeschreibungen und inadäquater
Leistungskontrollen; sie scheinen noch immer nicht restlos überwunden (The Treasury 1996,
109ff.).
Außerdem erwiesen sich die Mittelzuweisungen der Regierung an einige staatliche Stellen
mitunter als entweder zu gering, um die von der Politik bestellten `Outputs` erstellen zu können
lassen, oder die Nachfrage danach wurde systematisch unterschätzt. Daß es sich dabei vor
allem in Teilbereichen des staatlichen Gesundheitswesens um ein bis heute offenbar unlösbares
Problem handelt, zeigt die anhaltende Diskussion um die Existenz von Wartezeiten bis zu einem
Jahr für bestimmte fachärztliche Behandlungen sowie für medizinisch als nicht dringlich
eingestufte Operationen im öffentlichen Gesundheitswesen. Die Dauerkontroverse über die angemessene
Alimentierung des staatlichen Gesundheitswesens ist zudem ein gutes Beispiel
dafür, daß die theoretisch sicherlich überzeugende explizite Trennung von politischen
Endzielen (`Outcomes`) und Mitteleinsatz (`Outputs`) die zwei Grundprobleme jeden
(wirtschafts)politischen Handelns und seiner Finanzierung nicht abschließend zu lösen vermag
(Boston 1993, 23ff.): die für einen objektiven Soll-Ist-Vergleich unverzichtbare Spezifizierung
und Operationalisierung der angestrebten `Outcomes` sowie die Identifikation eindeutiger oder
zumindest empirisch hinreichend gehaltvoller Ursache-Wirkungs-Zusam-menhänge zwischen
konkreten `Outputs` und `Outcomes`. In der Tat ist es grundsätzlich unmöglich, politische
20
Oberziele wie `soziale Gerechtigkeit` oder `Abschreckungsfähigkeit` präzise und in allgemein
akzeptierter Form zu definieren. Entsprechend vage blieben bislang auch die meisten
`Outcome`-Vorgaben aller seither amtierenden Regierungen. Noch schwieriger ist die
Ermittlung der Beziehungen zwischen `Outputs` und `Outcomes`. Dies gilt insbesondere für
Politikfelder, in denen, wie im Bildungswesen, mit langen Wirkungsverzögerungen gerechnet
werden muß oder wenn - wie bei der Landesverteidigung - die Effektivität der `Outputs`, hier
also die Eignung und Leistungsfähigkeit des erworbenen Kriegsgeräts und die Qualität der
soldatischen Kampfausbildung, nach Möglichkeit unbewiesen bleiben sollte. Nichtsdestotrotz
dürfte die Verwaltungsreform in Neuseeland tendenziell dazu beitragen, diese grundsätzlichen
Schwierigkeiten um einer effektiveren Politik willen etwas zu mildern. So begünstigt die klare
Trennung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, also die eindeutige Aufteilung
spezifischer Kompetenzen auf nur bestimmte Behörden und staatliche Stellen, zumindest den
Abbau von Ineffizienzen infolge von Koordinierungsmängeln.
Ein Teil der bislang erreichten Effizienzgewinne ist mittel- bis langfristig allerdings durch
drei ungünstige Entwicklungen im Personalwesen bedroht. Zum einen hat sich trotz, je nach
individueller Aufgabenstellung und Qualifikation, mitunter deutlicher Gehaltserhöhungen für
die CE die Schere zu den Bezügen von Führungskräften in der Privatwirtschaft seit 1988
weiter geöffnet. Zum anderen hat der SSC von seinem Recht zur Entlassung unfähiger CE
bislang trotz anhaltender Zielverfehlungen einiger Behörden noch nicht Gebrauch gemacht.
Schließlich erklärte das oberste Arbeitsgericht kürzlich befristete Arbeitsverträge grundsätzlich
nur für die Übernahme zeitlich ebenfalls befristeter Tätigkeiten für rechtens. Die genauen
Auswirkungen dieser Entwicklungen sind derzeit noch nicht absehbar. Offen sind nicht nur die
Rückwirkungen auf die Attraktivität einer Tätigkeit als CE für hochqualifizierte externe
Bewerber, insbesondere wenn es sich um die Führung einer kleinen und wenig einflußreichen
Behörde handelt. Unklar ist darüber hinaus noch, inwieweit der Gerichtsentscheid die Leistungsanreize
für die CE mindern wird. Kritisch anzumerken ist schließlich, daß sich die
Effizenz der Erbringung der marktnahen, unter Modus C erstellten `Outputs`, also insbesondere
von Leistungen des staatlichen Bildungs- und Gesundheitswesens durch deren Privatisierung,
zumindest in der Gestalt eines Contracting-out, noch dauerhaft steigern ließe.
3. Die Reform der öffentlichen Finanzwirtschaft
a) Steuerreform
Mit der bereits in der ersten Amtsperiode eingeleiteten Steuerreform wollte Labour drei
Ziele verwirklichen. Zum einen sollte an die Stelle des komplexen und durch zahllose
Ausnahmeregelungen durchlöcherten Steuersystems ein rationales und möglichst allokationsneutrales
Steuersystem mit wenigen, dafür aufkommensstarken und einfach und kostengünstig
zu erhebenden Steuerarten treten. Zum zweiten sollte das Steueraufkommen durch
21
Verbreiterung der Steuerbasis bei gleichzeitiger Verminderung der Durchschnittsbelastung erhöht
werden. Zum dritten wollte die Regierung - in Verbindung mit einer komplementären
Sozialleistungsreform - durch die Senkung der Grenzsteuer- und -abgabenbelastung die Flucht
in die Schattenwirtschaft sowie die Anreize zum Bezug von Transfer- anstatt von
Arbeitseinkommen eindämmen.
Als wesentliches Ergebnis der Reform der direkten Besteuerung anzuführen ist zunächst die
sukzessive Verminderung der Tarifstufen von fünf auf nur noch zwei - 24 Prozent für
Jahreseinkommen privater Haushalte unter 30.875 NZ-$, 33 Prozent für Einkommen darüber -
bei der Lohn- und Einkommenssteuer, was einer Halbierung des Spitzensteuersatzes in vier
Jahren entsprach, sowie die Senkung des Körperschaftsteuertarifs auf 28 Prozent. Einkommen-
beziehungsweise körperschaftsteuerpflichtig sind ausnahmslos sämtliche Erwerbs-, Zinsund
Dividendeneinkünfte, Tantiemen und Altersrenten, nicht aber Alimente, Kriegsopferrenten,
Lotteriegewinne und realisierte Kursgewinne bei Aktien und Wertpapieren.
Realisierte Wertsteigerungen bei Immobilienvermögen sind dagegen voll zu deklarieren.
Eingeführt wurde schließlich eine sogenannte `Fringe benefit tax` von pauschal 49 Prozent, die
auf sämtliche Formen der Naturalentlohnung erhoben wird und vom Arbeitgeber abzuführen
ist. In sehr begrenztem Umfang und nur für Selbständige abzugsfähig sind Werbungskosten.
Abzugsfähig sind darüber hinaus für jeden Steuerpflichtigen bis zu bestimmten Höchstgren-zen
Spenden an gemeinnützige Organisationen - nicht aber an politische Parteien oder diesen
nahestehenden Stiftungen oder an Freizeitvereine - und die Kosten für die häusliche Pflege von
Angehörigen.
Im Bereich indirekte Besteuerung wurden nahezu alle Bagatellsteuern und speziellen
Verbrauchssteuern - ausgenommen die auf Benzin (Dieseltreibstoff bleibt jedoch davon befreit!),
auf Tabakwaren und Alkoholika - beseitigt. Zudem wurde die zuvor erhobene
`Wholesale sales tax` (WSS), deren Sätze aus vorgeblich sozialpolitischen und offen protektionistischen
Gründen stark - von null bis zu fünfzig Prozent - nach Güterarten differenziert
waren, durch die `Goods and Services Tax` (GST) von pauschal erst zehn und inzwischen 12,5
Prozent ersetzt. Die GST erfaßt etwa 87 aller gewerblichen Umsätze (WSS: nur 23 Prozent),
darunter die meisten Leistungen der öffentlichen Verwaltung und alle Umsätze der SOE. Nicht
GST-pflichtig sind nur die Umsätze von Wohlfahrtsverbänden, Finanztransaktionen und
Mieten für Immobilien.
b) Massiver Subventionsabbau
1983 erreichte die mittlere effektive Subventionsrate in der verarbeitenden Industrie 39
Prozent und in der Landwirtschaft 49 Prozent der Wertschöpfung (für einige Agrarerzeugnisse
wie Lammfleisch wurden einhundert Prozent übertroffen). Bis Ende 1989 war es Labour jedoch
durch eine drastische Kürzung der direkten wie der indirekten Beihilfen gelungen, diese
22
Werte auf neunzehn, beziehungsweise in der Landwirtschaft auf minus ein Prozent zu reduzieren.
Infolge des weiter fortgeschrittenen Zollabbaus liegen sie derzeit - wegen des noch verbliebenen
Zollschutzes - bei acht respektive minus zwei Prozent (Bollard/Lattimore/
Silverstone 1996, 13). Faktisch erhalten neuseeländische Unternehmen und vor allem die
Landwirtschaft damit keine nennenswerten öffentlichen Beihilfen mehr. Besonders
beachtenswert am Subventionsabbau in der Agrarwirtschaft, der im wesentlichen binnen nur
eines Kalenderjahres(!) vollzogen wurde, sind im übrigen der geringe Rückgang der Zahl der
Farmbesitzer (minus zehn Prozent zwischen 1984 und 1997) sowie die ausdrückliche
Unterstützung dieser Politik - allerdings gekoppelt an die Forderung nach ebenso durchgreifenden
Reformen auf dem Arbeitsmarkt und allen übrigen noch vor Wettbewerb geschützten
Sektoren und Märkten - durch den neuseeländischen Bauernverband.
c) (Teil-)Reform des Sozialsystems
Das neuseeländische Sozialsystem unterscheidet sich in einigen wesentlichen Punkten von
dem der Bundesrepublik. So werden mit Ausnahme der gesetzlichen Unfallversicherung alle
Sozialleistungen einschließlich der Alters(grund)rente, der Arbeitslosenunterstützung sowie der
Leistungen im staatlichen Gesundheitswesen voll aus dem allgemeinen Staatshaushalt und nicht
über Pflichtbeiträge der abhängig Beschäftigten finanziert. Derzeit entfallen nahezu siebzig
Prozent der Staatsausgaben auf Sozialleistungen. Entsprechend ist aber auch das Verhältnis
von Lohn- und Lohnnebenkosten in keinem OECD-Land ähnlich günstig wie in Neuseeland.
Zu beachten ist auch, daß vor den Reformen nahezu alle Sozialleistungen - insbesondere die
staatliche Altersrente - ohne den Nachweis individueller Bedürftigkeit von jedermann und meist
auch unbefristet in Anspruch genommen werden konnten. Angesichts der zügigen Ausweitung
des wohlfahrtsstaatlichen Leistungsangebots in der Nachkriegszeit kann der rasche Anstieg der
Sozialleistungsquote von 15,1 Prozent 1961 auf 21,5 Prozent 1984 und 25,6 Prozent 1994
kaum verwundern (Stephens 1996, S. 456). Freilich ließ sich dieses Wachstum angesichts der
sich immer weiter öffnenden Schere zwischen Staatsausgaben und Steuereinnahmen und der
geringen politischen Attraktivität von Leistungskürzungen zunehmend nur über Kredite bei der
Notenbank oder auf dem Kapitalmarkt finanzieren, was neben dem wachsenden Inflationsdruck
zwangsläufig auch die öffentliche Verschuldung auf immer neue Höchstwerte trieb.
Obwohl die Labour-Regierung selbst ihren (wirtschafts)politischen Handlungsspielraum
durch den kontinuierlichen Anstieg der Sozialausgaben gefährdet sah, beschränkte sie sich aus
Rücksicht auf ihre traditionelle Wählerklientel und aufgrund der parteiintern aufbrechenden
Spaltungstendenzen auf einige wenige und nur punktuelle Korrekturen: die vorsichtige
Einführung von Zuzahlungspflichten im Gesundheitswesen und von Kursgebühren im
Hochschulbereich, die Einführung von Bedürftigkeitsprüfungen für einzelne Sozialleistungen
sowie die Verschärfung der Kriterien, die zu deren Inanspruchnahme berechtigten. Die erklärte
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Absicht der National-Regierung war es dagegen, grundsätzlich mit der traditionell egalitären
Zielsetzung neuseeländi
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