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    Ludwig Erhard lebt... - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 25.07.04 10:40:28 von
    neuester Beitrag 26.07.04 08:51:54 von
    Beiträge: 7
    ID: 884.408
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      schrieb am 25.07.04 10:40:28
      Beitrag Nr. 1 ()
      Ludwig Erhard lebt in Neuseeland


      Günter Ederer porträtiert das unbekannte Reformparadies

      Bonn - Neuseeland war bis 1984 ein typischer sozialistischer Wohlfahrtsstaat. Margarine gab es nur auf Krankenschein – zum Schutz der heimischen Butterindustrie. Am Wochenende bestand ein Arbeitsverbot, sogar Restaurants mussten geschlossen bleiben. Der Spitzensteuersatz lag bei 60 Prozent, die Inflationsrate bei fast 18 Prozent. Der Lebensstandard war seit zehn Jahren in Folge gesunken. Subventionitis und Bürokratie wucherten. Jeder Landwirt bestritt allein 40 Prozent seines Einkommens aus staatlichen Zuwendungen. Eine trostlose Situation, welche die "Agenda 2010"-Pläne der Bundesregierung auf einmal in hellerem Licht erscheinen lässt.

      Und wie sieht Neuseeland heute aus? Der selbständige Filmproduzent und Wirtschaftsjournalist Günter Ederer, unter anderem bekannt als Fernostkorrespondent des ZDF in Tokio, liefert im Wirtschaftsmagazin Criticón http://www.criticon.de eine Reportage aus dem Neuseeland des Jahres 2004. Seine Eindrücke belegen einen fundamentalen Wandel, den ausgerechnet Sozialdemokraten in dem ehemaligen Wohlfahrtsstaat Neuseeland bewirkt haben. Subventionsabbau und Deregulierung der Wirtschaft haben eine radikale Steuerreform ermöglicht. Heute unterliegt jegliches Einkommen, egal aus welchen Quellen es kommt, den gleichen Steuersätzen. Der Steuerbürger addiert seine Einnahmen und trägt sie in ein Formblatt ein, das er auch aus dem Internet beziehen kann. Das kostet ihn höchstens eine Stunde Arbeitszeit pro Jahr. Der Merz’sche "Bierdeckel" lässt grüßen.

      Die sozialdemokratische Führung des Landes brach die allgegenwärtige Gewerkschaftsmacht, die beispielsweise einen Ladenschluss schon um 18 Uhr durchgesetzt hatte. Die Regierung entzog den staatlichen Unternehmen, Bahnen und Verkehrsbetrieben die üppigen Subventionen. Mit Erfolg: Heute senken städtische Busgesellschaften die Kosten, die Leistung von Flughäfen, Hafenbetrieben und der Forstwirtschaft expandiert. Offiziell gibt es zur Zeit nur noch 4 Prozent Arbeitslose in Neuseeland. In Deutschland haben wir aktuell – nach der alten Berechnung – über 5 Millionen Arbeitslose.

      Sozial ist, was Arbeit schafft. Dieser Satz ist einfach und banal, aber trotzdem richtig. Neuseelands Sozialdemokraten haben ihn beherzigt. Und sie schwören auf Ludwig Erhard. Ederer zitiert Roger Parr, einen der geistigen Väter des neuseeländischen Reformmodells: "Wir haben uns genau die Lehren von Ludwig Erhard angeschaut und sie umgesetzt. Wir haben also von Deutschland gelernt. Je mehr ein Land Erhard beherzigt, um so erfolgreicher wird es sein, egal ob es so klein ist wie Singapur oder so groß ist wie die USA. In Deutschland scheint Ihr Ludwig Erhard vergessen zu haben."

      Die Bevölkerung reagiert positiv auf diese Entwicklungen und freut sich über einen enormen Zugewinn an Freiheit. Der Milchbauer John Hathaway ruht nicht auf einem sanften Subventionsbett. Trotzdem kein Dauerlamento wie bei deutschen Bauern, die vom Staat Geld für jede Witterungsveränderung verlangen. Der neuseeländische Landwirt sagt stolz: "Ich bin lieber auf mich selbst gestellt. Da weißt Du, was Du hast, machst Deine eigenen Entscheidungen und bist Dein eigener Herr." Deutschland kann sich solche Sozialdemokraten und solche freiheitsfanatischen, selbständigen Bauern so darf man Ederer zusammenfassen, nur wünschen. Gewarnt seien allerdings die Finanzbeamten: Nach der Reform wurden in Neuseeland 4.000 der 8.000 Finanzbeamten freigesetzt.

      www.criticon.de - Das Magazin für Markt, Mittelstand und Freiheit
      Avatar
      schrieb am 25.07.04 12:36:35
      Beitrag Nr. 2 ()
      Man sollte aber erwähnen, dass die Regierung Neuseelands nachdem Sie die Reformen eingeleitet hatte einen gewaltigen "Denkzettel" bei der nächsten Wahl erhielt, weil die Bürger nicht mit den rigorosen Änderungen einverstanden waren. Allerdings führte die dann an die Macht gekommene Opposition den Reformprozess unerbittlich fort, was natürlich zu ihrer Abwahl bei der nächsten Wahl führte. Regierung und Opposition hatten sich vor Beginn des Reformprozesses nämlich geeinigt, das Reformprogramm ohne Rücksicht auf Umfrageergebnisse durchzuführen.
      Neuseelands Politiker haben also weiter als nur eine Legislaturperiode in die Zukunft geblickt.
      Dies scheint in Deutschland nicht möglich zu sein; zu sehr kleben die meisten Machthaber an ihren Stühlen.
      Schade, dass bei vielen Politikern Eigennutz vor Gemeinwohl geht.

      Mit resignierten Grüßen
      Dirac
      Avatar
      schrieb am 25.07.04 14:56:37
      Beitrag Nr. 3 ()
      Wer an einer differenzierten Analyse der Resultate neoliberaler Wirtschaftspolitik in Neuseeland seit 1984 interessiert ist, findet einen Einstieg in dem Aufsatz von Paul Dalziel, »New Zealand`s Economic Reforms: an assessment«, Review of Political Economy, XIV, 1 (2002).

      Unter folgendem Link ist eine PDF-Fassung zu bekommen:

      http://unpan1.un.org/intradoc/groups/public/documents/APCITY…

      In der Zusammenfassung schreibt der Autor:

      »Evans et al. (1996, p. 1895) concluded their review of New Zealand`s reforms with the comment that New Zealand once again appears to be emerging as a laboratory from which results will animate economic debate and policy throughout the world. The present paper reports from the laboratory that the New Zealand experiment did not succeed, despite achieving greater microeconomic efficiency in some industries and obtaining its intermediate objectives of price stability and fiscal balance. Examining the ultimate objectives of the reforms, this paper has shown that:

      (1) New Zealand sacrificed a large volume of real per capita GDP after 1987;
      (2) its average unemployment rate increased substantially after 1988;
      (3) labour productivity growth declined after 1992; and
      (4) the per capita real income of low-income households in 1996 was more than 3% lower in absolute terms than it had been in 1984.

      Stoic defenders of the reforms can always argue that New Zealand`s economic performance might have been even worse if it had not embarked on the comprehensive programme of reforms in 1984, or if it had implemented reform at a slower pace in line with other OECD countries. Such counterfactuals can never be disproved, of course, but it should be emphasised that the reforms were launched with very different objectives in mind. The Economic Summit Conference convened in September 1984 to endorse the necessity for reform began its unanimously approved communiqué with the following observation (ESC, 1984, p. 302):

      "Participants were aware of two seemingly contradictory facts. New Zealand has abundant resources to realise the reasonable economic and social objectives of all its people. Despite that, these aspirations have not always been fulfilled. There is an unacceptable level of poverty. There are people in our community who have major difficulties with housing, health care, and meeting essential family needs. This failure to match resources and performance has not been a short term problem but rather a feature of the New Zealand economy for the last thirty years."

      The hope in 1984 was that economic reform would reverse this trend of the previous 30 years. Seventeen years later, with higher unemployment and lower real incomes at the bottom end of New Zealand`s income distribution, it is clear that the comprehensive reforms of the late 1980s and early 1990s did not achieve that core objective.«
      Avatar
      schrieb am 25.07.04 16:48:14
      Beitrag Nr. 4 ()
      Siehe auch:
      "Reformen in Neuseeland, Parallelen zu Deutschland ? Fragen an die Poltikexperten"

      Thread: Reformen in Neuseeland, Parallelen zu Deutschland ? Fragen an die Poltikexperten
      Avatar
      schrieb am 25.07.04 20:02:40
      Beitrag Nr. 5 ()
      Geht doch rüber, wenn es Euch hier nicht paßt! :laugh::laugh:

      Wow! Neuseeland, klein, fein schnuggelisch! Wer wollte nicht schon mal ins Land der Aras. Und hier auch dort war der große Fjorderbauer tätig.

      Und dort sind alle Menschen reich und glücklich, bis auf läppische 4 Prozent Menschen! Lächerlich.

      Keener weiß was genaues! Nur irgendwelche Zeitungsgeschichten. Mächt nix! Es paßt ins Weltbild! Und wenn man a bisserl dreht und quetscht, dann paßt auch Deutschland hinein.

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      Avatar
      schrieb am 26.07.04 08:26:35
      Beitrag Nr. 6 ()
      Servus Bettner

      "Und hier auch dort war der große Fjorderbauer tätig."

      Kannst du mir den Sinn dieses Satzes erklären?:confused:



      "Und dort sind alle Menschen reich und glücklich, bis auf läppische 4 Prozent Menschen! Lächerlich."


      Ich halte es durchaus für erstrebenswert die Arbeitslosenquote auf 4% zu senken.(Und darüber hinaus den Staatsbankrott abzuwenden und die Wachstumsschwäche zu beseitigen) Was ist daran lächerlich?:mad:

      "Keener weiß was genaues! Nur irgendwelche Zeitungsgeschichten."

      Was ist das für ein dämliches Gelaber??:cry:
      Das Modell Neuseeland ist Realität.:eek:


      "Es paßt ins Weltbild!"

      In dein marxistische Weltbild anscheinend nicht:(




      "Und wenn man a bisserl dreht und quetscht, dann paßt auch Deutschland hinein."

      Warum soll eine Politik der Vernunft in Deutschland andere Ergebnisse als in Neuseeland bringen? Wenn ich diesen Käse immer höre : "kleines Land", "dünn besiedeltes Land" als hätte das Wirtschaftsystem etwas mit der Bevölkerungsdichte/Zahl zu tun:(
      Avatar
      schrieb am 26.07.04 08:51:54
      Beitrag Nr. 7 ()
      @ Bettner ,du hast ja bemängelt, das niemand "etwas genaues wisse". Hier ist eine ausführliche Abhandlung des Themas. Ist das "genau" genug?


      Technische Universität Ilmenau
      Institut für Volkswirtschaftslehre
      _________________________________________________________
      Diskussionspapier Nr. 12
      Modell Neuseeland?
      Reformen und Reformergebnisse im Überblick
      Andreas Knorr
      September 1997
      Institut für Volkswirtschaftslehre
      Helmholtzplatz
      Oeconomicum
      D-98 684 Ilmenau
      Telefon 03677/69-4030/-4032
      Fax 03677/69-4203 ISSN 0949-3859
      1
      Inhalt
      I. Einführung und Problemstellung
      II. Neuseeland im Überblick
      1. Geographie und Bevölkerung
      2. Politik
      3. Volkswirtschaft
      a) Grunddaten
      b) Ursachen der Wirtschaftskrise
      c) Die heutige Wirtschaftslage
      III. Der öffentliche Sektor
      1. Die Reorganisation der öffentlichen Erwerbswirtschaft
      a) Die `Corporatisation` öffentlicher Unternehmen
      b) Diskussion
      c) Das (unvollendete) Privatisierungsprogramm
      2. Die Reorganisation der öffentlichen Verwaltung
      a) Der State Sector Act 1988
      b) Der Public Finance Act 1989
      c) Diskussion
      3. Die Reform der öffentlichen Finanzwirtschaft
      a) Steuerreform
      b) Massiver Subventionsabbau
      c) (Teil-)Reform des Sozialsystems
      d) Der Fiscal Responsibility Act 1994
      - Gesetzlicher Zwang zum `Responsible fiscal management`
      - Gesetzliche Informationspflichten
      - Reform des Rechnungswesens der Regierung
      e) Diskussion
      IV. Arbeitsmarkt
      1. Privatwirtschaft
      2. Öffentlicher Dienst
      3. Der Employment Contracts Act 1991
      4. Diskussion
      V. Ursachen und politökonomische Aspekte des Reformprozesses
      VI. Schlußbetrachtung
      2
      I. Einführung und Problemstellung
      Die nahezu universalen Wirtschaftsreformen, denen sich Neuseeland ab 1984 unterzog,
      gelten zu Recht als weltweit beispiellos. Erstaunen rufen nicht nur die Radikalität des ordnungspolitischen
      Paradigmawechsels und die Geschwindigkeit hervor, mit der dort der
      Übergang von der wohl am stärksten regulierten und protegierten zu der am stärksten marktwirtschaftlich
      ausgerichteten Volkswirtschaft (nicht nur) in der OECD vollzogen wurde.
      Gerade den ausländischen Beobachter überrascht darüber hinaus, daß der Reformprozeß maßgeblich
      von einer Labour-Regierung konzipiert und durchgesetzt wurde, also von Politikern
      eben jener Partei, die in der Vergangenheit marktwirtschaftliche Prinzipien abgelehnt und die
      deshalb Mitte der dreißiger Jahren in Neuseeland einen der ersten umfassenden, sprich hochgradig
      interventionistischen Wohlfahrtsstaaten der Moderne begründet hatte.
      Angesichts der großen Erfolge, die Neuseeland mit seinem Reformprogramm bei der
      Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Inflation bei einer zugleich deutlichen und anhaltenden
      Belebung des Wirtschaftswachstums erzielen konnte, gilt das Land inzwischen weithin
      als Modell für andere erstarrte westliche Volkswirtschaften wie namentlich Deutschland. Dies
      belegen nicht zuletzt die Informationsreisen des deutschen Wirtschaftsministers Rexrodt im
      Februar und von Bundeskanzler Kohl im Mai 1997. Allerdings sind die neuseeländischen
      Reformen aufgrund der zum Teil bis heute sehr unterschiedlichen institutionellen
      Rahmenbedingungen und einer deswegen ebenfalls teilweise abweichenden Problemlage nur
      partiell für die aktuelle Standortdiskussion in der Bundesrepublik von Relevanz. Dies trifft vor
      allem für die Reform des öffentlichen Sektors, der öffentlichen Finanzwirtschaft und für die
      Deregulierung des Arbeitsmarktes zu. Nur sie werden daher im folgenden ausführlich gewürdigt.
      Bewußt verzichtet wurde demgegenüber zum einen auf die Erörterung der für
      Deutschland irrelevanten, für den Erfolg des neuseeländischen Reformexperiments allerdings
      unerläßlichen Liberalisierung grenzüberschreitender wirtschaftlicher Transaktionen. Gleiches
      gilt mit derselben Begründung zum anderen für die Reform der Geld- und Währungsordnung.
      Als deren Kernelemente sind die Entlassung der Notenbank in die Unabhängigkeit in allen
      Belangen der geldpolitischen Steuerung zu nennen, jedoch verknüpft mit der Vorgabe eines
      jährlichen Inflationsziels (zunächst null bis zwei, derzeit null bis drei Prozent), bei dessen
      wiederholtem oder gar dauerhaftem Verfehlen die Regierung den Notenbankchef entlassen
      könnte. Analysiert werden schließlich noch die Determinanten des Reformprozesses.
      II. Neuseeland im Überblick
      1. Geographie und Bevölkerung
      Mit einer Fläche von 268.670 km2 ist Neuseeland kaum größer als die alten Bundesländer.
      Es liegt jedoch weiter als jedes andere Mitgliedsland der OECD von seinen wichtigsten
      3
      Handelspartnern entfernt. Die Einwohnerzahl entspricht mit derzeit 3,6 Millionen in etwa
      derjenigen Berlins. 73,8 Prozent der Neuseeländer sind europäischer, meist britischer
      Abstammung. Auf die beiden größten Minoritäten, die Maori-Ureinwohner und die
      Neuseeländer polynesischer Herkunft, deren mittlerer Lebensstandard und deren
      Lebenserwartung deutlich unter und deren Arbeitslosenrate markant über dem Wert für die
      weißen Neuseeländer liegt, entfallen 12,9 respektive 3,5 Prozent. Die am schnellsten wachsende
      Bevölkerungsgruppe ist auch in Neuseeland die der über Fünfundsechzigjährigen, deren
      Anteil sich offiziellen Schätzungen zufolge von jetzt zwölf auf neunzehn Prozent bis 2031 erhöht
      haben wird. Das Verhältnis von Rentnern zu Erwerbstätigen hätte sich damit von 1:6 auf
      1:2,9 verschlechtert.
      2. Politik
      Neuseeland ist eine parlamentarische Demokratie. Staatsoberhaupt ist formal die englische
      Königin. Sie wird vor Ort durch den Governor-General repräsentiert, dessen Kompetenzen
      weitgehend denjenigen des deutschen Bundespräsidenten entsprechen. Politisch wie verwaltungstechnisch
      ist Neuseeland eine der am stärksten zentralisierten Nationen der Erde. Das
      Parlament besteht aus nur einer Kammer, dem House of Representatives. Föderale Elemente
      wie - zum Teil mitentscheidungsberechtigte - Regionalparlamente oder auch ein Finanzausgleichssystem
      deutscher Prägung sind in Neuseeland völlig unbekannt. Vielmehr gliedert sich
      das Land in zwei Regierungs- und Verwaltungsebenen: in die mit allen wesentlichen, auch den
      wirtschaftspolitischen, Kompetenzen ausgestattete `Central Government`, bestehend aus dem
      Parlament und der Staatsregierung samt Verwaltungsunterbau, sowie in die `Local
      Government`, deren wenige Zuständigkeiten inklusive sämtlicher Finanzierungsmodalitäten
      ausschließlich und einseitig vom Parlament gesetzlich festgelegt werden. Mit Ausnahme des
      Rechts zur Festsetzung der Benutzungsentgelte für die von ihr erbrachten kommunalen
      Dienstleistungen (Müllabfuhr etc.) verfügt die `Local Government`-Ebene also über keinerlei
      für die neuseeländische Wirtschaftspolitik bedeutsamen Kompetenzen.
      Dem neuseeländischen Parlament gehören seit den letzten Wahlen vom 12. Oktober 1996
      120 Mandatsträger an. Die Legislaturperiode dauert drei Jahre. Die Abgeordneten wurden
      1996 erstmals nach dem Verhältniswahlrecht bestimmt, das der deutschen Variante weitestgehend
      entspricht. Es trat an die Stelle des zuvor praktizierten relativen Mehrheitswahlrechts,
      dessen Abschaffung von der Bevölkerung in zwei Referenden 1992 und Ende 1993 erzwungen
      wurde. Die amtierende Regierung ist eine Koalition der gemäßig konservativen National Party
      und der rechtskonservativen New Zealand First Party. Sie errang 61 Mandate und verfügt
      damit über eine Mehrheit von nur einem Sitz. Im Parlament vertreten sind des weiteren Labour
      (37 Mandate), die weiter linksgerichtete Alliance (dreizehn Sitze), die radikal marktwirtschaftliche
      Association of Consumers and Taxpayers, kurz ACT (acht Mandate), sowie die
      4
      konservative United-Partei (ein Abgeordneter). ACT, die weitere Reformen insbesondere im
      bislang weitgehend ausgesparten Gesundheitswesen sowie in der Sozialpolitik fordert, wurde
      von Roger Douglas gegründet. Er konzipierte als Finanzminister der Labour-Regierung zwischen
      1984 und seiner Entlassung aus dem Amt 1988 viele der wichtigsten
      Wirtschaftsreformen, so die Steuerreform, den radikalen Subventionsabbau und die Reform des
      öffentlichen Sektors und setzte diese politisch durch. Alliance und New Zealand First stellen
      demgegenüber Neugründungen zweier ehemaliger prominenter Mitglieder von Labour
      beziehungsweise von National dar, die beide den marktwirtschaftlichen Reformkurs ihrer damaligen
      Parteien ablehnten: des Sozialisten Anderton respektive des einstigen Minister for
      Maori Affairs der National-Regierung, Peters.
      Vor der Wahlrechtsänderung regierten sowohl Labour als auch National in der Zeit nach
      dem Zweiten Weltkrieg jeweils viermals, und zwar meist mit einer klaren absoluten Mehrheit.
      Da Labour jedoch nur bis 1949, von 1957 bis 1960 sowie von 1972 bis 1975 und von 1984 bis
      1990 den Regierungschef stellte, ist der in den übrigen Jahren alleine regierenden National-
      Partei - schon aufgrund ihrer gravierenden wirtschaftspolitischen Fehlentschei-dungen von
      1975 bis 1984 - die politische Hauptverantwortung für den wirtschaftlichen Nie-dergang des
      Landes bis 1984 anzulasten.
      Hinzuweisen ist schließlich auf zwei weitere politisch-administrative Besonderheiten
      Neuseelands: Im Unterschied zur Bundesrepublik genügt in Neuseeland zur Verabschiedung
      von Gesetzesentwürfen eine einfache Stimmenmehrheit im Parlament. Dies gilt von wenigen
      Ausnahmen wie Teilen des Wahlrechts abgesehen auch für geplante Änderungen des in einer
      Vielzahl von Rechtsquellen verstreuten neuseeländischen Verfassungsrechts. Des weiteren
      genossen die neuseeländischen `Civil servants` traditionell niemals einen auch nur annähernd so
      umfassenden rechtlichen Kündigungsschutz wie die deutschen Beamten sowie faktisch auch die
      im deutschen öffentlichen Dienst beschäftigten Angestellten und Arbeiter, selbst wenn in
      Neuseeland vor 1984 betriebsbedingte Kündigungen weder in der öffentlichen Verwaltung
      noch in öffentlichen Unternehmen ausgesprochen worden waren. Anders als die deutschen
      Beamten verfügen die `Civil servants` jedoch seit jeher über das Streikrecht.
      3. Volkswirtschaft
      a) Grunddaten
      Neuseeland erwirtschaftete 1995 ein BIP von 86,3 Mrd. NZ-$ (1 NZ-$ » 1,05 DM), was
      etwa 59 Prozent des deutschen BIP/Kopf entspricht. Neun Prozent der Wirtschaftsleistung
      entfallen auf den primären Sektor (1983: acht Prozent), dreißig Prozent (1983: 31 Prozent) auf
      den sekundären und 62 Prozent (1983: sechzig Prozent) auf den tertiären Sektor (OECD,
      1985, 85f.; 1996, 182). Allerdings erhöhte sich der Anteil der im tertiären Sektor Beschäftigten
      zwischen 1983 und 1995 von 56,6 auf 66,6 Prozent, während im sekundären Sektor ein
      5
      deutlicher Rückgang von 32,2 auf nur mehr 22,6 Prozent zu verzeichnen war. Mit 10,8 (1983:
      11,2 Prozent) nahezu konstant blieb dagegen der Anteil der im internationalen Vergleich
      außerordentlich wettbewerbsfähigen und de facto nicht mehr staatlich subventionierten
      neuseeländischen Landwirtschaft.
      Mit einer Exportquote von 24,2 Prozent (1984: 24 Prozent) und einer Importquote von
      24,6 Prozent (1984: 26,9 Prozent) ist Neuseeland relativ stark in die internationale
      Arbeitsteilung integriert. Allerdings gelang es dem Land nur allmählich, sich durch eine
      Diversifikation der Absatz- und Beschaffungsmärkte sowie der Exportgüterpalette aus der bis
      lange nach dem Zweiten Weltkrieg extremen und extrem einseitigen (außen)wirtschaftlichen
      Abhängigkeit vom einstigen `Mutterland` Großbritannien zu lösen. Noch während des
      Koreakriegs erzielte Neuseeland neunzig Prozent seiner Ausfuhrerlöse durch den Export von
      nur drei landwirtschaftlichen Erzeugnissen - Wolle, Lammfleisch und Molkereiwaren - auf den
      britischen Markt, von wo es im Gegenzug über sechzig Prozent aller Einfuhren, meist industrielle
      Fertigwaren, bezog. 1973, dem Jahr des EWG-Beitritts des Vereinigten Königreichs,
      entfielen nur noch je zwanzig Prozent der Ein- und Ausfuhren auf diesen bilateralen Handel.
      Inzwischen ist Großbritannien mit 6,2 Prozent der Exporte und 6,2 Prozent der Importe jedoch
      nur mehr der viertgrößte Handelspartner Neuseelands nach Australien (20,7 Prozent und 20,9
      Prozent), Japan (16,3 Prozent und 14,9 Prozent) sowie den USA (10,4 Prozent und 20,1
      Prozent). Außerdem gelang es Neuseeland, seine Abhängigkeit von den drei wichtigsten
      Devisenbringern auf dreißig Prozent zu vermindern, wenngleich noch immer sechzig Prozent
      der Exporterlöse mit Agrarerzeugnissen verdient werden. Stark gestiegen ist jedoch der Anteil
      des Tourismus, der holzverarbeitenden Industrie (Zellstoff und Papier), der elektrotechnischen
      Industrie, der Chemie, des Maschinenbaus und der Softwarebranche (Statistics New Zealand
      1995, 171ff; 202ff).
      b) Ursachen der Wirtschaftskrise
      Gemessen am Pro-Kopf-Einkommen war Neuseeland 1950 die drittreichste Nation der
      Erde. 1984, dem Jahr des Beginns des Reformprozesses, war das Land auf den 23. Rang zurückgefallen.
      Ursache für diesen relativen Abstieg war das im Vergleich zu den übrigen
      OECD-Mitgliedern unterdurchschnittliche Produktivitätswachstum, das sich in einem mittleren
      realen Wirtschaftswachstum von lediglich 1,1 Prozent pro Jahr in eben dieser Periode niederschlug
      (Crocombe/Enright/Porter/u.a., 1991, 18f.). Die markante Verschlechterung der
      Wirtschaftslage belegen auch folgende Indikatoren:
      - Die offiziell ausgewiesene Arbeitslosenquote war von 0,8 Prozent, dem historischen
      Höchststand bis Mitte der siebziger Jahre, auf 4,9 Prozent geklettert; die Ein-Prozent-
      Schwelle war erst 1978 überschritten worden. Ein beträchtlicher Teil der Unterbeschäftigung
      wurde allerdings durch den gezielten Einsatz des öffentlichen Sektors als
      6
      Instrument der Beschäftigungspolitik - 1984 waren 22 Prozent aller Neuseeländer im
      öffentlichen Dienst inklusive der öffentlichen Unternehmen beschäftigt -, durch diverse
      staatliche Arbeitsmarkt- und Umschulungsprogramme, durch ein engmaschiges Netz von
      Importhemmnissen in Gestalt des in der OECD umfassendsten Importlizenz-systems,
      sehr hoher Einfuhrzölle sowie umfassender Devisen- und Kapitalverkehrsbeschränkungen
      - die etwa 75 Prozent der Inlandsproduktion direkt oder indirekt mehr
      oder minder vollständig vor ausländischer Konkurrenz abschirmten (OECD, 1979, 38) -
      sowie durch großzügige staatliche Beihilfen an die Landwirtschaft und andere
      Schlüsselindustrien (Kohle, Energie, Stahl, Petrochemie) kaschiert. Das Ausmaß der so
      verdeckten Unterbeschäftigung läßt sich am Anstieg der Arbeitslosenquote auf 11,1
      Prozent 1992 sowie daran ablesen, daß die im Zuge der Reformen umstrukturierten und
      in den Wettbewerb entlassenen sowie teils privatisierten staatlichen Unternehmen ihre
      Belegschaften im Mittel um fünfzig Prozent verkleinern mußten, um wettbewerbsfähig zu
      bleiben.
      - Ähnlich stark verfälschte die offizielle Inflationsrate von 3,5 Prozent den tatsächlichen
      Kaufkraftverlust. Ihr niedriger Wert erklärt sich ausschließlich mit dem am 22. Juni 1982
      als Reaktion auf eine Preissteigerungsrate von 15,8 Prozent von der damaligen National-
      Regierung verhängten generellen Lohn- und Preisstopp, der erst nach dem Wahlsieg
      Labours Ende 1984 wieder aufgehoben wurde.
      - Trotz der weitgehenden Abschottung Neuseelands gegenüber dem Ausland erreichte das
      Leistungsbilanzdefizit mit 5,5 Prozent des BSP den höchsten Wert aller OECD-Staaten.
      Da sich zudem auch die Auslandsverschuldung der öffentlichen Hand zwischen Anfang
      der siebziger Jahre und 1984 um den Faktor 1,5 auf 23,5 Prozent, der Nettoschuldenstand
      sogar von 6,8 auf 31,6 Prozent des BSP und die jährliche Nettokreditaufnahme
      von 1,6 auf 8,8 Prozent des BSP erhöht hatten, stufte die Rating-Agentur Standard &
      Poor`s Neuseelands Bonität zwischen 1983 und 1991 von AAA um drei Stufen auf nur
      mehr AA- herab. Ähnlich verhielt sich Moody´s (Evans/Grimes/Wilkinson/Teece, 1996,
      1895ff.).
      - Das Einwanderungsland Neuseeland verzeichnete infolge der Abwanderung zehntausender,
      meist hochqualifizierter Inländer vor allem nach Australien, in die USA, nach
      Großbritannien und Kanada erstmals in seiner Geschichte einen länger andauernden,
      stark negativen Migrationssaldo (Bedford, 1996, 22) - mit einem entsprechendem
      volkswirtschaftlich problematischem Verlust an Humankapital.
      Hauptverantwortlich für die tiefgreifende Strukturkrise, in der sich Neuseeland 1984 befand,
      waren die unzähligen lenkenden staatlichen Eingriffe in Marktprozesse und insbesondere in die
      Preisbildung auf den Güter- und Faktormärkten sowie zur Regulierung des Marktzutritts. Von
      ihnen blieb schließlich direkt oder indirekt kein Sektor der Volkswirtschaft ausgenommen, und
      7
      sie verzerrten aufgrund der unterschiedlichen Interventionsdichte die
      Allokationsentscheidungen beträchtlich - mit allen hinlänglich bekannten wohlfahrtsmindernden
      Effekten. Wie sich freilich an der Entwicklung der Staatsfinanzen und der Inflationsrate
      insbesondere nach den exogenen Schocks des EWG-Beitritts Großbritanniens 1973 sowie der
      beiden Ölkrisen 1973 und 1979 erkennen läßt, mußten die Interventionen auf der Mikroebene
      makroökonomisch jedoch zunehmend durch eine expansive Geld- und Fiskalpolitik flankiert
      werden. In letzter Konsequenz bedeutete das nicht nur, daß die bestehenden marktwidrigen
      Eingriffe gleichsam zementiert wurden. Vielmehr machte das wenig stabilitätsorientierte
      Verhalten der Regierung ständig neue, noch weitergehende marktwidrige Interventionen mit
      dem schon angesprochenem allgemeinem Lohn- und Preisstopp als negativem Höhepunkt
      erforderlich.
      Weiter beschleunigte sich der wirtschaftliche Abstieg Neuseelands schließlich durch den
      trotz erster Anzeichen der künftigen Strukturkrise unvermindert vorangetriebenen Ausbau des
      im internationalen Vergleich ohnehin generösen wohlfahrtsstaatlichen Leistungsangebots. Ein
      bezeichnendes Beispiel ist die auf ein Wahlversprechen zurückgehende Wiedereinführung einer
      steuerfinanzierten und damit nicht beitragspflichtigen und jedem Bürger ungeachtet seiner
      individuellen (Nicht-)Bedürftigkeit zustehenden Altersrente durch die 1975 wiedergewählte
      National-Regierung, verbunden mit der Absenkung der Altersgrenze von 65 auf sechzig Jahre
      und einer deutlichen Rentenerhöhung. Allgemein ist zu konstatieren, daß das sehr großzügige
      Sozialleistungssystem zusammen mit der - wie noch zu zeigen sein wird - die Lohnstruktur
      stark nivellierenden Regulierung des Arbeitsmarktes die Anreize zur Ersparnisbildung, zur
      Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und zur Humankapitalbildung durch berufliche Aus- und
      Fortbildung immer mehr erlahmen ließ. So hatten 1988 immerhin 24 Prozent aller
      Arbeitnehmer keine weiterführende Schule besucht, und 45 Prozent konnten gar keinen
      Schulabschluß vorweisen (Massey 1995, 29). Wohlgemerkt wurde die ordnungspolitisch völlig
      verfehlte Wirtschaftspolitik Neuseelands (nicht nur) nach 1945 aber parteiübergreifend und
      von der Bevölkerung als unabdingbar erachtet, um das traditionelle Oberziel der Wirtschaftsund
      Sozialpolitik des Landes - die Schaffung einer auch materiell möglichst egalitären
      Gesellschaft - verwirklichen zu können.
      c) Die heutige Wirtschaftslage
      Gemessen an den zuvor herangezogenen Indikatoren hat sich die wirtschaftliche Lage
      Neuseelands, allerdings erst nach einer schweren achtjährigen Strukturkrise, in der sich vor
      allem die Arbeitsmarktlage weiter verschlechterte und die Staatsverschuldung nochmals beträchtlich
      anstieg, inzwischen fundamental gebessert:1
      1 Vgl. zum folgenden Reserve Bank of New Zealand (1997, 3f), OECD (1996, 176f.), Minister of Finance
      (1996, 6), Statistics New Zealand (1995, 27).
      8
      - Das reale Wirtschaftswachstum betrug 1994 5,4 Prozent, 1995 5,3 Prozent und 1996 3,0
      Prozent und erreichte damit die mit Abstand höchsten Werte seit Reformbeginn. Neuseeland
      übertraf damit deutlich den OECD-Durchschnitt.
      - Die Arbeitslosenrate - nunmehr nicht mehr durch verdeckte Unterbeschäftigung verfälscht
      - liegt derzeit bei noch immer rückläufiger Tendenz nach einem temporären Anstieg
      auf 11,1 Prozent bis Ende 1992 bei 6,0 Prozent.
      - Noch markanter war der Rückgang der Inflationsrate, die sich nach Erreichen des
      Höchststands von 18,2 Prozent 1987 nach der Aufhebung des Lohn- und Preisstopps
      und der Kapitalverkehrskontrollen bis 1992 auf nur mehr 0,8 Prozent vermindert hatte.
      1996 belief sich der Kaufkraftverlust gemessen am Indikator Konsumentenpreisindex auf
      2,2 Prozent und gemessen an der für die Geldpolitik der neuseeländischen Notenbank
      relevanten Zielgröße Basisinflationsrate auf 2,1 Prozent.
      - Das Leistungsbilanzdefizit ging auf 3,0 Prozent des BSP zurück. Bemerkenswert ist die
      zugleich erreichte Rückführung der Auslandsverschuldung der öffentlichen Hand auf
      15,1 Prozent des BSP (1987: 39,5 Prozent); sie soll der Regierung zufolge bis Ende
      1997 sogar vollständig getilgt sein. Der Abbau der Auslandsverschuldung, aber auch des
      staatlichen Defizits insgesamt, wurde im übrigen überwiegend aus Privatisierungserlösen
      finanziert. Zudem verzeichnete Neuseeland nicht zuletzt aufgrund des drastischen
      Subventionsabbaus und der Verbreiterung der Steuerbasis durch eine radikale
      Steuertarif- und -strukturreform mit Ausnahme von 1991 seit 1988 einen -ständig
      steigenden - Haushaltsüberschuß. Entsprechend verbesserte sich auch das Rating des
      Landes wieder deutlich (bei Standard & Poor`s auf die zweitbeste Kategorie AA+, bei
      Moody`s auf AA1).
      - Seit 1991 weist Neuseeland schließlich wieder einen positiven und - abgesehen von den
      Jahren 1992 und 1993 - prozentual zunehmenden Wanderungssaldo auf.
      III. Öffentlicher Sektor
      Im Ergebnis bedeuten die in Neuseeland vollzogenen Reformen eine grundsätzliche
      Neubewertung der Rolle des Staates in einer marktwirtschaftlichen Ordnung. Etwas konkreter
      manifestierte sich der ordnungspolitische Paradigmawechsel in der expliziten Abkehr vom
      früheren Leitbild eines allumfassenden Wohlfahrtsstaates. Ungewöhnlich im Vergleich zu der
      eher theoriefernen und oft auf Ad-hoc-Basis betriebenen Wirtschaftspolitik anderer Nationen
      ist dabei die außergewöhnlich starke Beachtung, die zentrale Aussagen der Neuen
      Institutionenökonomik, namentlich der Principal-Agent-Theorie und der Transaktionskostenökonomik,
      des Public Choice, der Theorie der bestreitbaren Märkte und der positiven
      Theorie der Regulierung bei den politisch Verantwortlichen bei der Formulierung des Reformprogramms
      und der praktischen Ausgestaltung der Reformmaßnahmen fanden. Folgende
      9
      Ideen zogen sich gleichsam wie ein roter Faden durch das gesamte Reformprogramm und
      wurden - außer im Gesundheitswesen - mit erstaunlicher Konsequenz verwirklicht (Easton
      1994, 78ff.):
      - Staatliche Eingriffe in Marktprozesse und die erwerbswirtschaftliche Betätigung des
      Staates, insbesondere unter Monopolbedingungen, sollten künftig als äußerst restriktiv
      zu handhabende und begründungspflichtige Ausnahmen gelten.
      - Die Anreize für effizienzminderndes opportunistisches Verhalten, Rent-seeking und
      `Regulatory capture` bei der Erbringung öffentlicher Leistungen sollten durch die strikte
      Trennung der politischen wie der administrativen Kompetenzen und Verantwortlichkeiten
      für jeden einzelnen Schritt des Entscheidungsfindungs- und Leistungserstellungsprozesses
      minimiert werden. Streng voneinander getrennt werden sollten vor
      allem die Zuständigkeiten für die Bereiche Politikberatung, Festlegung und Finan-zierung
      des Leistungsangebots, Leistungsbeschaffung/-erstellung, Wahrnehmung von
      Eigentümerinteressen sowie Ausübung hoheitlich-regulierender Aufgaben.
      - Verwirklicht werden sollte auch das Prinzip der Wettbewerbsneutralität. Zum einen sollten
      öffentlichen Unternehmen demnach fortan weder Vorteile (Befreiung von der
      Steuerpflicht, Nichtkonkursfähigkeit) noch Nachteile (politische Einflußnahme, unentgoltene
      Übernahme politisch erwünschter nicht kostendeckender Leistungen) aus ihrem
      besonderen Status erwachsen. Zum zweiten sollte das Arbeits- und Tarifrecht des öffentlichen
      Dienstes den Regularien in der Privatwirtschaft angeglichen werden. Zum
      dritten sollte schließlich ein möglichst allokationsneutrales Steuer- und Transfersystem
      geschaffen werden.
      - Minister, Behördenleiter und das Management öffentlicher Unternehmen sollten weit
      stärker als zuvor die persönliche Verantwortung für die Effektivität und Effizienz ihres
      Handelns tragen müssen. Erreichen wollte man dies einerseits (ex ante) durch die
      Vorgabe vertraglich eindeutig spezifizierter Outputkategorien und eine bessere
      Transparenz hinsichtlich der ergriffenen Maßnahmen sowie durch eine deutliche
      Ausweitung der Berichtspflichten gegenüber dem Parlament, dem Rechnungshof und der
      Öffentlichkeit. Andererseits sollten (ex post) leistungsfähigere, sprich vor allem vor
      politischer Einflußnahme besser abgeschirmte Aufsichts- und Kontrollmechanismen
      implementiert und die Verantwortlichen bei Über- und Untererfüllung ihrer Zielvorgaben
      erstmals auch unmittelbar selbst wirtschaftlich belohnt oder bestraft werden.
      - Um eine bessere Zielgenauigkeit bei der Vergabe von Haushaltsmitteln und damit eine
      effizientere Nutzung des verfügbaren Budgets zu bewirken, aber auch um die
      Bedürfnisse ihrer Empfänger beziehungsweise Nachfrager besser zu befriedigen und zugleich
      bestehende Fehlanreize zu eliminieren, sollte auch das Angebot sämtlicher öffentlicher
      Leistungen - angefangen von den Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung
      und den Verwaltungsabläufen über monetäre wie reale Transfers hin zu den von einigen
      10
      Staatsunternehmen erbrachten gemeinwirtschaftlichen Leistungen - in drei Schritten
      überprüft und optimiert werden: Erstens durch die Einführung eines leistungsfähigen
      Rechnungswesens, mit dem die tatsächlichen Produktionskosten und damit näherungsweise
      auch die Opportunitätskosten jeder öffentlichen Leistung ermittelt und
      offengelegt werden sollten. Zweitens durch die sukzessive Einführung von Zuzahlungen
      oder gar kostendeckenden Nutzungsgebühren anstatt der damals üblichen steuerfinanzierten
      und somit scheinbar kostenlosen Bereitstellung. Drittens sollte schließlich
      der damals pauschale Anspruch auf Sozialleistungen eingeschränkt und diese nur noch
      beim Nachweis objektiver Bedürftigkeit gewährt werden.
      1. Die Reorganisation der öffentlichen Erwerbswirtschaft
      a) Die `Corporatisation` öffentlicher Unternehmen
      Vor 1984 waren die Fachministerien das zentrale Vehikel der Wirtschaftspolitik gewesen.
      Sie nahmen in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich nicht nur alle hoheitlich-regulierenden
      Aufgaben wahr, sondern betätigten sich darüber hinaus oft auch selbst erwerbswirtschaftlich
      (Coddington 1993, 75ff.) - und dies, ausgenommen den Banken- und Versicherungssektor, die
      Stahlerzeugung und die Forstwirtschaft, stets geschützt vor inter- wie intramodaler privatwirtschaftlicher
      Konkurrenz (so im Post- und Telekommunikationwesen, im Luft- und Schienenverkehr
      sowie in der Energiewirtschaft). Die aus diesen institutionellen Rahmenbedingungen
      für die gesamte Volkswirtschaft zwangsläufig resultierenden statischen wie dynamischen
      Effizienzverluste sind hinlänglich bekannt und bedürfen keiner näheren Erläuterung (siehe dazu
      Kruse 1985). Sie wurden auch von der Labour-Regierung klar erkannt, die sich daher mit
      Wirkung zum 1. April 1987 zur Ausgliederung der wirtschaftlich bedeutendsten `State-trading
      activities` aus den Fachministerien und deren Übertragung auf zunächst neun neugegründete
      `State-Owned Enterprises` (SOE) entschied (sogenannte `Corporatisation` oder
      Korporatisierung). Im Fall des früheren Post Office war dies verbunden mit einer Entflechtung
      nach den drei Sparten Post- und Frachtdienste, Postbank und Telekommunikation. Einige Jahre
      später wurde auch der Strommonopolist Electricity Corporation vertikal und auf der
      Erzeugungsstufe zusätzlich horizontal entflochten. Hinzu kam die Korporatisierung von fünf
      bereits bestehenden Staatsunternehmen wie der Air New Zealand und der New Zealand
      Railways Corporation. Im Zeitablauf stieg die Zahl der SOE kurzzeitig auf mehr als dreißig;
      derzeit sind es fünfzehn, darunter die NZ Post Ltd, die Stromerzeuger Electricity Corporation
      Ltd und Contact Energy Ltd sowie der Stromnetzbetreiber TransPower Ltd. Später wurde das
      Korporatisierungsmodell, das rechtlich im State-Owned Enterprises Act 1986 verankert ist,
      auch auf die öffentlichen Unternehmen der `Local Government`-Ebene übertragen.
      Privatpersonen ist der Erwerb stimmberechtigter Gesellschafteranteile an den SOE verwehrt.
      Alleineigentümer und Kontrolleur sämtlicher SOE ist somit die Regierung, vertreten
      11
      durch die beiden formal voneinander unabhängigen `Shareholding Ministers`: den
      Finanzminister, dem die Wahrung der Eigentümerinteressen des Staates obliegt, und den
      Minister for State-Owned Enterprises (seit 1996: Minister for State Services). Letzterer hat
      dafür zu sorgen, daß die SOE-Führungen ihre in Section 4 des State-Owned Enterprises Act
      1986 festgelegte allgemeine Zielvorgabe "to operate as a successful business" erreichen.
      Konkret bedeutet diese Klausel, daß jedes SOE so effizient und rentabel wie ein vergleichbares
      Privatunternehmen zu wirtschaften hat, sich jeder positiven wie negativen Diskriminierung
      einzelner Gruppen von Beschäftigten aufgrund ihrer Rasse oder ihres Geschlechts enthalten
      muß sowie den Beschäftigten hinreichende Möglichkeiten zur beruflichen Aus- und
      Fortbildung zu offerieren hat. Außerdem verpflichtet das Gesetz die SOE, "to exhibit a sense
      of social responsibility by having regard to the interests of the community [in which they operate
      ] and by endeavouring to accomodate or encourage these when able to do so". Freilich begründet
      die zuletzt genannte Vorgabe keine Gemeinverpflichtung im Sinne der deutschen
      Gemeinwirtschaftslehre, sondern ist lediglich als Aufforderung zum Sponsoring kultureller,
      sportlicher oder karitativer Veranstaltungen zu verstehen. Laut Section 7 des State-Owned
      Enterprises Act 1986 hat die Regierung allerdings das Recht, ein SOE zur Erbringung defizitärer
      Infrastrukturleistungen zu verpflichten. Für die Mehrkosten der Übernahme solcher `Non
      commercial activities`, die im übrigen vertraglich genau zu spezifizieren sind, ist das betroffene
      SOE dann aber ganz oder teilweise aus allgemeinen Haushaltsmitteln zu kompensieren.
      Um die Leistung der SOE zudem auch mittels der üblichen Bilanzkennziffern beurteilen zu
      können und sie mit einer Privatunternehmen in etwa vergleichbaren Bilanzstruktur zu versehen,
      werden zwischen der Regierung und den SOE-Managements noch sogenannte `Sale and
      purchase agreements` abgeschlossen. Der darin vereinbarte Kaufpreis, der in etwa dem abdiskontierten
      Ertragswert des SOE entsprechen soll, ist in der Regel in einer Mischung von
      Unternehmensanteilen, der Übernahme von Pensionszusagen und teilweise in bar an die
      Regierung zu entrichten. Das neben den Geschäftsberichten und einigen weiteren
      Informationspflichten wichtigste Kontrollinstrument der Regierung den SOE gegenüber ist
      jedoch das `Statement of Corporate Intent` (SCI). Dessen Inhalt wird von den `Shareholding
      Ministers` jährlich und nach Möglichkeit einvernehmlich mit dem obersten Aufsichtsorgan der
      SOE, deren Boards - die im übrigen von Anfang an bis heute konsequent ausnahmslos weder
      mit aktiven oder ehemaligen Politikern noch mit Beamten besetzt wurden -, vereinbart. Es
      enthält zum einen alle Schwerpunkte der mittelfristigen Unternehmens- wie Finanzplanung,
      also insbesondere Entscheidungen über Diversifikations- oder größere sonstige
      Investitionsvorhaben. Zum anderen werden darin auch die Rentabilitäts-, Kosten- und
      Produktivitätskriterien fixiert, anhand derer die Leistung des SOE und seines Managements ex
      post überprüft werden soll. Schließlich wird in den SCI noch die im Falle eines Gewinns an die
      Regierung auszuschüttende Dividende vereinbart, wobei die `Shareholding Ministers`
      grundsätzlich das Recht haben, den Board in dieser Frage zu überstimmen. Jede weitere direkte
      12
      Einflußnahme der `Shareholding Ministers` auf Unternehmensentscheidungen - so auf die
      Preisgestaltung und die Personalpolitik - per Weisung und ohne entsprechende Vereinbarung
      im SCI ist untersagt.
      Dafür unterliegen die SOE grundsätzlich und vollumfänglich der direkten wie der indirekten
      Besteuerung sowie der Wettbewerbsaufsicht des Kartellamts nach dem allgemeinen
      Wettbewerbsrecht; ordnungspolitische Ausnahmebereiche analog den §§ 99ff. GWB sind in
      Neuseeland völlig unbekannt. Außerdem haben sie im Gegensatz zur Vergangenheit nun weder
      die Möglichkeit, eine Bürgschaft der Regierung für Kredite in Anspruch zu nehmen oder zu
      subventionierten Konditionen ein Darlehen bei einem öffentlichen Kreditinstitut eingeräumt zu
      bekommen. Auch arbeitsrechtlich wurden die SOE von Beginn an mit privaten Unternehmen
      voll gleichgestellt, das heißt, sie unterliegen fortan nicht mehr dem - bis 1991 abweichendem -
      öffentlichem Dienst- und Tarifrecht. Die unbestritten wichtigste Einzelmaßnahme zur
      Umsetzung des Prinzips der Wettbewerbsneutralität besteht jedoch in der Beseitigung - im Fall
      NZ Post Ltd der Einschränkung - jeglicher rechtlicher Marktzutrittsbarrieren. So hob die
      neuseeländische Regierung unter anderem 1986 die Ausschließlichkeitsrechte der Air New
      Zealand im Inlandsluftverkehr und bereits 1989(!) sämtliche Monopolrechte der Telecom
      Corporation, also das Endgeräte-, das Sprachdienst- und das Netzmonopol, ohne
      Übergangsfrist auf. Eine Durchleitungspflicht zu nicht diskriminierenden Bedingungen gilt seit
      1988 in der Strom- und Gaswirtschaft; seitdem ist dort auch der Marktzutritt auf der
      Erzeugerstufe und im Handel freigegeben. In Verbindung mit der Entflechtung einiger als
      besonders marktbeherrschend erachteter SOE büßte damit auch das Problem wettbewerbsverzerrender
      interner Subventionen viel von seiner früheren Brisanz ein.
      b) Diskussion
      Die `Corporatisation` steigerte die Effizienz der öffentlichen Unternehmen im Vergleich zu
      ihrer früheren Organisationsstruktur beträchtlich (Duncan 1996, 402 ff.; Knorr 1993, 220 ff.;
      OECD 1996, 167ff.). So erreichten sogar die zuvor chronischen Verlustbringer `Gelbe Post`,
      Staatsbahn und `Forest Service` dauerhaft die Gewinnzone, und zwar trotz des Abbaus respektive
      der deutlichen Einschränkung ihrer einstigen Monopolrechte und obwohl sie die vor allem
      durch den spürbaren Personalabbau erzielten Produktivitätszuwächse durch deutliche
      Preissenkungen an ihre Kunden weitergaben. Zugleich verbesserte sich die Angebotsqualität
      merklich. Nichtsdestotrotz weist das Korporatisierungsmodell gravierende Schwächen auf, die
      eine rasche Privatisierung der restlichen SOE angeraten erscheinen läßt.
      So häufen sich offenbar wieder die Versuche der Regierung, Unternehmensentscheidungen
      einzelner SOE - namentlich als `mißbräuchlich` erachtete Tariferhöhungen in der Elektrizitätswirtschaft
      - aus wahltaktischem Kalkül und ungeachtet der originären Zuständigkeit des
      Kartellamts in der Anwendung des Wettbewerbsrechts unmittelbar zu beeinflussen (Kelsey
      13
      1993, 34ff.). Des weiteren ist die dem SOE-Modell zugrundeliegende These, die
      Überwachungs-, Selektions- und Sanktionsfunktion der Kapitalmärkte könne durch ministerielle
      Kontrolle und umfassende Rechenschaftspflichten ersetzt werden, als ökonomisch unhaltbar
      zurückzuweisen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Unmöglichkeit disziplinierender
      Übernahmedrohungen sowie des de facto, wenn auch nicht de jure, fehlenden
      Konkursrisikos der SOE. Überdies waren und sind zur langfristigen Sicherung der
      Wettbewerbsfähigkeit der SOE mitunter umfangreiche Investitionen auch in unverbundene
      Märkte vonnöten, die ob des damit verbundenen Risikos mit dem Eigeninteresse des Staates an
      sicheren, hohen und stetigen Dividendeneinkünften konfligieren können. Im Sonderfall der NZ
      Post kollidiert dieses Eigeninteresse noch dazu mit der ordnungspolitisch gebotenen
      Beseitigung der noch verbliebenen und, wie dessen Geschäftsberichte offenbaren, auch sehr
      lukrativen Monopolrechte dieses SOE. Deren Fortbestand ist im übrigen auch als klarer
      Verstoß gegen das SOE-Modell anzusehen, da die Monopolgewinne dazu dienen sollen, das
      Unternehmen für die Mehrkosten der ihm bis heute auferlegten gemeinwirtschaftlichen
      Aufgaben zu entschädigen. Laut State-Owned Enterprises Act 1986 müßten diese, wie
      erwähnt, jedoch aus dem allgemeinen Staatshaushalt finanziert werden. Schließlich ließe sich
      auch die Erhöhung des Eigenkapitals der SOE nur durch Einsparungen bei anderen
      Budgetposten oder durch eine Erhöhung der staatlichen Kreditaufnahme realisieren. Vor dem
      Hintergrund des Prinzips Wettbewerbsneutralität sollte man auch nicht übersehen, daß die
      Regierung einigen der neuen SOE - so der Bahn - einen Großteil ihrer Altschulden erließ.
      c) Das (unvollendete) Privatisierungsprogramm
      Wegen der angeführten Mängel des Korporatisierungsmodells, aber auch angesichts der
      ausufernden Staatsverschuldung, entschloß sich die Labour-Regierung im Dezember 1987 entgegen
      einem anderslautendem Wahlversprechen zur Privatisierung mehrerer SOE. Die Erlöse
      aus dem offiziell bis heute andauernden, faktisch aber seit 1994 ruhenden Privatisierungsprogramm
      werden auf 3,6 Prozent des kumulierten neuseländischen BSP der Jahre
      1987 bis 1994 geschätzt (Massey 1995, 141). Sie liegen damit deutlich über dem Vergleichswert
      für Großbritannien (ein Prozent) und wurden in der Tat ganz überwiegend zur
      Schuldentilgung verwendet. In ordnungspolitisch begrüßenswerter Manier und in klarem
      Gegensatz zu Großbritannien entschieden sich sowohl die Labour- als auch die National-
      Regierung aber bislang bewußt gegen den Verkauf solcher SOE, die über ein rechtliches
      Monopol verfügen oder die in ihrer aktuellen Struktur, also ohne vorherige Entflechtung, als
      zu marktbeherrschend gelten. Umso unverständlicher ist, daß sich noch immer viele SOE in
      Staatsbesitz befinden, die wie die NZ Post, die beiden konkurrierenden Stromerzeuger oder
      auch die Coal Corporation, durchaus in ordnungspolitisch unbedenklicher Form zu privatisieren
      wären.
      14
      2. Die Reorganisation der öffentlichen Verwaltung
      Das Ziel, die Effizenz der Leistungserstellung in der gesamten öffentlichen Verwaltung
      nachhaltig zu erhöhen, versuchte die Labour-Regierung durch eine umwälzende Reform der
      Verwaltungsorganisation, des öffentlichen Dienstrechts und des Haushaltsrechts zu erreichen.
      Die gesetzlichen Grundlagen bildeten die einander ergänzenden State Sector Act 1988 und
      Public Finance Act 1989.
      a) Der State Sector Act 1988
      Die Reorganisation der öffentlichen Verwaltung folgte grundsätzlich denselben Prinzipien
      wie die Reform der öffentlichen Erwerbswirtschaft. Die in der Folge zu beobachtende absolute
      Erhöhung der Zahl staatlicher Behörden - bei allerdings zugleich insgesamt leicht sinkendem
      Personalbestand - ist somit lediglich die logische Konsequenz des angestrebten `Unbundling`
      der Kompetenzen der einzelnen Teileinheiten der öffentlichen Verwaltung, das effizienzmindernde
      Zielkonflikte sowie die Wahrscheinlichkeit und Virulenz von Prinzipal-Agent-
      Konflikten und von `Regulatory capture` minimieren sollte. Daß diese Entflechtung die
      Koordination des Verwaltungshandelns tendenziell erschweren und im Ausmaß der dadurch
      eingebüßten Synergieeffekte auch verteuern würde, wurde von der Labour-Regierung erkannt,
      die daraus resultierenden Effizienzverluste im Vergleich zu den als Ergebnis der Reform erwarteten
      dynamischen Effizienzgewinnen jedoch als Quantité négligeable bewertet.
      Mit dem State Sector Act 1988 wurde des weiteren das öffentliche Dienstrecht weitgehend
      - gewisse Ausnahmen gelten nur noch für Polizei und Streitkräfte, allerdings nicht für die dort
      beschäftigten Zivilangestellten - an das in der Privatwirtschaft herrschende Arbeits- und
      Tarifrecht angepaßt, bis zum Inkrafttreten des Employment Contracts Act 1991 allerdings zunächst
      nur für die Angehörigen der obersten Hierarchieebene, nämlich die nunmehr als `Chief
      executives` (CE) statt als `Permanent heads` bezeichneten Behördenleiter. Die wichtigsten
      Neuerungen bezogen sich dabei auf die Beschäftigungsdauer und auf die Modalitäten der
      Ernennung, der Entlohnung sowie der Leistungsbeurteilung samt etwaiger Konsequenzen.
      Konkret wurden so die drei traditionellen Prinzipien faktische Unkündbarkeit bei garantiertem
      regelmäßigem beruflichem Aufstieg nach Dienstalter sowie gleiche Bezahlung bei gleicher
      Seniorität, Dienststufe und für als gleichwertig klassifizierte Tätigkeiten abgeschafft. An ihre
      Stelle traten zum einen zeitlich auf fünf Jahre befristete, aber verlängerbare Arbeitsverträge mit
      individuell zu vereinbarender Entlohnung. Zum anderen wurden den CE in den Arbeitsverträgen
      erstmals konkrete Leistungsziele vorgegeben (zum Beispiel die Steigerung der
      Produktivität um x Prozent, eine Erhöhung des Selbstfinanzierungsanteils durch Nutzergebühren
      oder die allgemein übliche Vorgabe, den Substanzwert des Behördenvermögens zu
      erhalten). Deren dauerhafte Übererfüllung kann seitdem positive beziehungsweise deren
      15
      Verfehlen negative Sanktionen bis hin zur vorzeitigen Entlassung nach sich ziehen. Schließlich
      wurde die zuvor übliche Diskriminierung externer Bewerber beseitigt - jene mußten
      grundsätzlich `clearly more merit` beweisen als behördeninterne Mitbewerber, was sich in der
      Vergangenheit nicht zuletzt aufgrund der umfassenden Widerspruchsrechte unterlegener `Civil
      servants` als nahezu unüberwindliche Marktzutrittsschranke erwiesen hatte -, und alle
      Vakanzen werden seither öffentlich, oft weltweit, ausgeschrieben.
      Um eine politische Einflußnahme auf Personalentscheidungen auf der obersten
      Führungsebene der öffentlichen Verwaltung zu unterbinden, obliegt die jährliche Evaluierung
      der CE nicht dem zuständigen Fachminister, sondern der von der Regierung weisungsunabhängigen
      State Services Commission (SSC). Durch ihr Vorrecht, der Regierung eine
      Kandidatenliste vorlegen zu dürfen, ist diese Behörde überdies maßgeblich an der Besetzung
      von Vakanzen beteiligt. Zwar ist die Regierung nicht an die Vorschläge der SSC gebunden; die
      Ernennung eines nicht gelisteten Kandidaten müßte sie allerdings öffentlich bekanntgeben.
      Grundlegend reformiert wurde schließlich auch die Kompetenzverteilung zwischen den
      Behördenleitern und den jeweiligen Fachministern als deren oberste Dienstherren. Schließlich
      erscheint die Vorgabe konkreter Leistungsziele, für deren (Nicht-)Erfüllung die CE persönlich
      haften müssen, nur sinnvoll, wenn diese zugleich in der Lage sind, frei von direkter politischer
      Einflußnahme und somit alleinverantwortlich über den Einsatz der zur Leistungserstellung
      erforderlichen Inputs und deren Mix zu entscheiden; die Frage, wie besagte Inputs zu finanzieren
      sind, ist im noch zu diskutierenden Public Sector Act 1989 geregelt. Auch diesen
      Entscheidungsspielraum garantiert das Gesetz den CE weitgehend. Zum einen haben nunmehr
      die CE die alleinige Kompetenz zum Abschluß von Arbeits- und Tarifverträgen mit ihren
      Untergebenen; zuvor wurde diese Funktion auf der Arbeitgeberseite für den gesamten öffentlichen
      Sektor zentral von der SSC übernommen. Zum anderen entscheidet nur der CE und
      nicht wie zuvor das Parlament über die Aufteilung des seiner Behörde für die Erstellung der
      von ihr zu erbringenden Leistungen - die sogenannten `Outputs` - zugewiesenen Budgets auf
      Sachmittel und Personalausgaben. Und nur der CE entscheidet, ob eine bestimmte (Vor-)Leistung
      behördenintern oder durch Contracting-out extern erstellt werden soll. Damit wurde
      zugleich auch das frühere Verbot, nicht aufgebrauchte Budgetmittel aus einem Haushaltstitel in
      einen sachlich anderen Haushaltstitel zu transferieren, beträchtlich gelockert.2
      2 Das reformierte neuseeländische Haushaltsrecht kennt nur noch vier, jeweils sehr weit abgegrenzte
      Haushaltstitel: Mittelzuweisungen für Zahlungsverpflichtungen der Regierung insgesamt (dazu zählen
      alle Sozialleistungen), Mittelzuweisungen an einzelne Leistungserbringer für die von diesen zu erstellenden
      `Outputs`, Mittelzuweisungen zur Erhöhung des Sachkapitalstocks einzelner staatlicher Stellen
      sowie Mittelzuweisungen für sonstige (= unerwartete) Ausgaben. Mittelumschichtungen innerhalb einer
      der vier Titelgruppen sind jederzeit zulässig, während Umschichtungen zwischen zwei oder mehr dieser
      Kategorien der Zustimmung des Kabinetts bedürfen.
      16
      b) Der Public Finance Act 1989
      Mit diesem Gesetz wurden die Grundprinzipien der Vergabe der im Staatshaushalt verfügbaren
      Finanzmittel auf die einzelnen Teileinheiten der öffentlichen Verwaltung fundamental
      reformiert, um die Transparenz und die Effizienz der Mittelvergabe sowie der Mittelverwendung
      nachhaltig verbessern zu können. Grundlegend umgestaltet wurden flankierend dazu
      auch das staatliche Rechnungswesen, die Berichtspflichten der Verwaltung gegenüber
      Regierung, Parlament und Öffentlichkeit sowie das Cash-Management der öffentlichen Hand.
      Generell wurde auch hier bewußt eine weitgehende Angleichung an die im Privatsektor
      üblichen Praktiken und Methoden angestrebt.
      Als erste einschneidende Neuerung ist die Abkehr von der Inputorientierung bei der
      Vergabe von Budgetmitteln an die einzelnen staatlichen Stellen anzuführen. Statt dessen vereinbaren
      die zuständigen Fachminister im Kabinett nunmehr für jeden Politikbereich zunächst
      sogenannte `Outcomes`, das heißt, die von der Regierung angestrebten politischen Endziele respektive
      allgemein die gewünschten "impacts on, or consequences for, the community of ... the
      activities of Government" (Section 3 des Public Sector Act 1989). Im nächsten Schritt wird
      dann entschieden, mittels welcher konkreten `Outputs` das avisierte `Outcome`-Ziel erreicht
      werden soll. Erst dann wird der konkrete Leistungserbringer designiert. Beachtenswert ist in
      diesem Zusammenhang, daß jeder Ressortchef auch andere als die ihm unmittelbar
      unterstehenden Verwaltungseinheiten und im Regelfall sogar einen konkurrierenden privaten
      Anbieter mit der Erbringung besagter `Outputs` beauftragen kann. Damit herrscht erstmals ein
      gewisser Wettbewerb sowohl der staatlichen Stellen untereinander als auch zwischen den
      Gestaltungsalternativen behördliche (staatliche) oder private Leistungserstellung.
      Im letzten Schritt wird schließlich durch Kabinetts- und Parlamentsbeschluß noch der genaue
      Mittelbetrag festgelegt, der dem designierten `Output`-Erbringer zugewiesen wird. Je nach
      den spezifischen ökonomischen und juristischen Charakteristika des fraglichen `Output` findet
      dabei entweder das Verfahren B (`Mode B`) oder das Verfahren C (`Mode C`) Anwendung.3
      Mittelzuweisungen nach `Mode B` decken sämtliche Produktionskosten der fraglichen `Outputs`
      inklusive des Abschreibungsbedarfs ab; Eigeneinnahmen des Leistungserbringers wie
      Verwaltungs- und Nutzergebühren werden jedoch angerechnet. Zu den Behörden, deren
      `Outputs` nach Verfahren B abgegolten werden, zählen die gesamte Ministerialbürokratie, also
      die Fachministerien sowie die übrigen `Policy agencies` wie das Kartellamt oder die Zentralbank
      und alle staatlichen Einrichtungen, die reine öffentliche Güter erstellen, deren Beschaffung oder
      Erbringung dem Gesetzgeber als nicht wettbewerblich organisierbar gilt (Polizei, Militär,
      Justiz).
      3 Unmittelbar nach dem Inkrafttreten des Public Finance Act 1989 wurde daneben kurzzeitig noch das
      ausdrücklich als Übergangslösung gedachte und inzwischen nicht mehr praktizierte Verfahren A (`Mode
      A`) angewendet. Eine nähere Erläuterung erübrigt sich daher.
      17
      Die Mittelzuweisungen für `Outputs`, für die Verfahren C gilt - ein Beispiel wäre der Bereich
      Politikberatung -, bemessen sich dagegen nach deren Marktpreis. Die Umsätze und die
      Gewinne der Behörde aus der Erbringung dieser `Outputs` unterliegen zudem voll der indirekten
      wie der direkten Besteuerung; des weiteren hat die leistungserbringende Behörde der
      Regierung marktübliche Fremdkapitalzinsen auf das ihr zur Leistungserstellung überlassene
      Sachkapital zu bezahlen. Schließlich haben die staatlichen Stellen, die `Mode C`-`Outputs` erstellen,
      eine detaillierte Bilanz wie ein Privatunternehmen aufzustellen. Der einzige wesentliche
      Unterschied zwischen ihnen und einem SOE besteht somit, abgesehen von der in aller Regel
      wesentlich engeren Produktpalette der Behörde, nur darin, daß ein SOE - vorbehaltlich eines
      ausdrücklichen Verbots der `Shareholding Ministers` - jederzeit in neue Geschäftsfelder
      diversifizieren könnte.
      Ein eventuell erwirtschafteter Jahresüberschuß darf im übrigen bei einem `Mode B`-`Output`
      - außer mit der Zustimmung des verantwortlichen Ministers - nicht bei der fraglichen Behörde
      selbst verbleiben, sondern steht in voller Höhe der Regierung zu. Bei `Mode C`-`Outputs` würde
      dagegen der Minister nach Lage des Einzelfalls über den abzuführenden Gewinnanteil und den
      Zeitpunkt der Überweisung entscheiden. Allen staatlichen Stellen ist es jedoch nunmehr
      erlaubt, die Erlöse aus der Veräußerung nicht mehr benötigter Sachwerte vollständig
      einzubehalten. Da die Erwirtschaftung eines bestimmten Mindestgewinns (beziehungsweise
      eines maximalen Fehlbetrags) in der Praxis grundsätzlich von allen CE gefordert und entsprechend
      sanktioniert wird, haben die Behördenleiter somit keine Anreize zur Bildung stiller
      Reserven und zu unnötigen Investitionen. Inwieweit diese Regelung jedoch (Fehl-)Anreize zur
      Gewinnsteigerung durch Absenkung der `Output`-Qualität und/oder der `Output`-Quantität
      bewirkt, hängt davon ab, ob im Einzelfall eine genaue Ex ante-Spezifikation der zu erbringenden
      Leistung und/oder eine exakte Ex post-Kontrolle möglich ist.
      Als zweite wichtige Neuerung verlangte der neuseeländische Gesetzgeber von der überwiegenden
      Mehrzahl aller staatlichen Stellen, einen Teil ihres Budgets - der genaue Prozentsatz
      wird in Abhängigkeit von der Marktfähigkeit der in diese Regelung einbezogenen `Outputs`
      festgelegt - durch Eigeneinnahmen selbst zu finanzieren. So haben beispielsweise die Studenten
      der staatlichen Universitäten inzwischen einen Eigenanteil von 25 Prozent an den
      Kursgebühren zu tragen; nur die restlichen 75 Prozent werden also aus dem Bildungsetat bereitgestellt.
      Da jede Hochschule autonom über die Höhe der Kursgebühren und natürlich über
      ihr Kursangebot bestimmen kann, herrscht in Neuseeland inzwischen ein lebhafter Wettbewerb
      der Universitäten untereinander um Studenten und Lehrkräfte. Bemerkenswerte
      Wettbewerbselemente kennzeichnen auch die übrigen Teilbereiche des staatlichen
      Schulwesens. Zwar ist der Besuch dieser Bildungsstätten schon wegen der Schulpflicht
      grundsätzlich kostenlos, ein Schulwechsel ist aber jederzeit möglich. Der Etat jeder einzelnen
      Schule hängt nunmehr alleine von der Zahl der bei ihr immatrikulierten Schülerinnen und
      18
      Schüler ab, da der neuseeländische Staat jeder Lehranstalt für jeden bei ihr eingeschriebenen
      `Pupil` einen pauschalen jährlichen Fixbetrag zuweist.
      Die dritte wesentliche Neuerung, die der Public Sector Act 1989 nach sich zog, war die
      Einführung eines periodenbezogenen Rechnungswesens nach dem Vorbild der in der
      Privatwirtschaft üblichen Kostenrechnungssysteme. Es ersetzte die zuvor im öffentlichen
      Sektor praktizierte einfache Einnahmen-Ausgaben-Rechnung vollständig. Alle staatlichen
      Stellen sind seitdem gesetzlich zur Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung
      sowie zur Bilanzierung verpflichtet. Konkret bedeutet diese Reform unter anderem, das nunmehr
      alle tatsächlichen oder auch nur vermuteten zukünftigen finanziellen Verpflichtungen
      bereits zu dem Zeitpunkt zu verbuchen sind - und gegebenenfalls entsprechende
      Rückstellungen zu bilden sind -, an dem sie eingegangen oder erkannt wurden und nicht erst
      dann, wenn sie zu Auszahlungen führen.
      Die vierte und letzte bedeutsame Neuerung bezog sich auf die Umgestaltung des Cash-
      Managements der öffentlichen Hand. Den Behörden ist es seit der Aufhebung des
      Notenbankmonopols über deren Einlagen und die Abwicklung des gesamten staatlichen
      Zahlungsverkehrs erlaubt, ihre Konten bei privaten Kreditinstituten zu führen und dort außerdem
      überschüssige Mittel renditebringend anzulegen. Daneben unterhält das
      Finanzministerium, das Treasury, selbst ein zentrales Staatskonto bei der Notenbank. Auf dieses
      Sammelkonto wird - soweit vorhanden - am Ende eines jeden Arbeitstages der Gesamtüberschuß
      aller Staatskonten transferiert und bis zum nächsten Morgen auf den nationalen
      oder internationalen Geldmärkten angelegt.
      c) Diskussion
      Die Ziele der Verwaltungsreform wurden weitgehend erreicht. So gelang es in der Tat in
      den meisten Bereichen der öffentlichen Verwaltung, Anreize für effizientes Wirtschaften zu
      schaffen und das Angebot an öffentlichen Dienstleistungen den Bedürfnissen der Nachfrager
      besser anzupassen. Erkennen läßt sich dies zum einen an der inzwischen wesentlich schnelleren
      und flexibleren Abwicklung von Vorgängen und den seitdem erfolgten Anpassungen der Produktpalette
      der öffentlichen Verwaltung. Auch konnte das Auftreten bekannter Phänomene
      (Dezemberfieber!) und das regelmäßige Überschreiten der ursprünglichen Budgetansätze - und
      damit die Notwendigkeit, Nachtragshaushalte erstellen und finanzieren und im Parlament
      verabschieden zu müssen - deutlich reduziert werden.
      Zurückzuführen sein dürften diese positiven Ergebnisse im wesentlichen auf die spürbare
      Flexibilisierung des Haushaltsrechts mit der Konsequenz einer produktivitätssteigernden größeren
      Entscheidungsautonomie der CE über die Verwendung der ihnen für ihre Behörde zugewiesenen
      Budgetmittel, die klare Abgrenzung der Verantwortlichkeiten sowie die stärker leistungsbezogene
      Entlohnung und grundsätzlich befristete Anstellung der CE. Zudem erlaubte
      19
      die Angleichung des öffentlichen Dienstrechts an das in der Privatwirtschaft übliche Arbeitsrecht
      spätestens nach dem Inkrafttreten des Employment Contracts Act 1991 ebenfalls die
      Nutzung beträchtlicher noch brachliegender Produktivitätsreserven. Nicht unterschätzt werden
      sollte schließlich auch die Bedeutung der Einführung eines stark privatwirtschaftlich ausgerichteten
      Rechnungswesens in der gesamten öffentlichen Verwaltung. Erst damit verfügten alle am
      politischen Entscheidungsprozeß Beteiligten - also Politiker und die Verantwortlichen in der
      öffentlichen Verwaltung -, aber auch, wenngleich in geringerem Umfang und nur indirekt über
      Nutzergebühren, die Steuerzahler und Wähler als die letztlich Betroffenen über die unerläßlichen
      Informationen über die (Opportunitäts-)Kosten der Erstellung einzelner öffentlicher Leistungen.
      Dieses Wissen ermöglichte in vielen Fällen erstmals einen Vergleich mit den Kosten
      der Contracting-out-Alternative sowie, zumindest bei den `Mode C`-`Outputs`, auch die genauere
      Ermittlung der für diese Leistungen tatsächlich bestehenden Nachfrage.
      Abgesehen von den bereits angesprochenen Mängeln lassen sich im Vergleich zum ökonomisch
      weit unbefriedigenderem Status quo ante nur wenige wirklich gravierende
      Schwachpunkte der Verwaltungsreform ausmachen. Unverkennbar waren zunächst die mitunter
      beträchtlichen Umstellungsschwierigkeiten einiger Behörden, auf die mit dem Inkrafttreten
      der Verwaltungsreform in kürzester Zeit - die Implementierungsfrist betrug ein Jahr - eine
      Reihe bis dato völlig unbekannter Verantwortlichkeiten übertragen wurden, deren Ausübung
      wiederum Fähigkeiten und Kenntnisse erforderte, die in vielen Behörden noch nicht oder nur
      rudimentär vorhanden waren. Dies führte insbesondere bei fremdbezogenen Leistungen teilweise
      zu Qualitätsproblemen infolge unsachgemäßer Leistungsbeschreibungen und inadäquater
      Leistungskontrollen; sie scheinen noch immer nicht restlos überwunden (The Treasury 1996,
      109ff.).
      Außerdem erwiesen sich die Mittelzuweisungen der Regierung an einige staatliche Stellen
      mitunter als entweder zu gering, um die von der Politik bestellten `Outputs` erstellen zu können
      lassen, oder die Nachfrage danach wurde systematisch unterschätzt. Daß es sich dabei vor
      allem in Teilbereichen des staatlichen Gesundheitswesens um ein bis heute offenbar unlösbares
      Problem handelt, zeigt die anhaltende Diskussion um die Existenz von Wartezeiten bis zu einem
      Jahr für bestimmte fachärztliche Behandlungen sowie für medizinisch als nicht dringlich
      eingestufte Operationen im öffentlichen Gesundheitswesen. Die Dauerkontroverse über die angemessene
      Alimentierung des staatlichen Gesundheitswesens ist zudem ein gutes Beispiel
      dafür, daß die theoretisch sicherlich überzeugende explizite Trennung von politischen
      Endzielen (`Outcomes`) und Mitteleinsatz (`Outputs`) die zwei Grundprobleme jeden
      (wirtschafts)politischen Handelns und seiner Finanzierung nicht abschließend zu lösen vermag
      (Boston 1993, 23ff.): die für einen objektiven Soll-Ist-Vergleich unverzichtbare Spezifizierung
      und Operationalisierung der angestrebten `Outcomes` sowie die Identifikation eindeutiger oder
      zumindest empirisch hinreichend gehaltvoller Ursache-Wirkungs-Zusam-menhänge zwischen
      konkreten `Outputs` und `Outcomes`. In der Tat ist es grundsätzlich unmöglich, politische
      20
      Oberziele wie `soziale Gerechtigkeit` oder `Abschreckungsfähigkeit` präzise und in allgemein
      akzeptierter Form zu definieren. Entsprechend vage blieben bislang auch die meisten
      `Outcome`-Vorgaben aller seither amtierenden Regierungen. Noch schwieriger ist die
      Ermittlung der Beziehungen zwischen `Outputs` und `Outcomes`. Dies gilt insbesondere für
      Politikfelder, in denen, wie im Bildungswesen, mit langen Wirkungsverzögerungen gerechnet
      werden muß oder wenn - wie bei der Landesverteidigung - die Effektivität der `Outputs`, hier
      also die Eignung und Leistungsfähigkeit des erworbenen Kriegsgeräts und die Qualität der
      soldatischen Kampfausbildung, nach Möglichkeit unbewiesen bleiben sollte. Nichtsdestotrotz
      dürfte die Verwaltungsreform in Neuseeland tendenziell dazu beitragen, diese grundsätzlichen
      Schwierigkeiten um einer effektiveren Politik willen etwas zu mildern. So begünstigt die klare
      Trennung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, also die eindeutige Aufteilung
      spezifischer Kompetenzen auf nur bestimmte Behörden und staatliche Stellen, zumindest den
      Abbau von Ineffizienzen infolge von Koordinierungsmängeln.
      Ein Teil der bislang erreichten Effizienzgewinne ist mittel- bis langfristig allerdings durch
      drei ungünstige Entwicklungen im Personalwesen bedroht. Zum einen hat sich trotz, je nach
      individueller Aufgabenstellung und Qualifikation, mitunter deutlicher Gehaltserhöhungen für
      die CE die Schere zu den Bezügen von Führungskräften in der Privatwirtschaft seit 1988
      weiter geöffnet. Zum anderen hat der SSC von seinem Recht zur Entlassung unfähiger CE
      bislang trotz anhaltender Zielverfehlungen einiger Behörden noch nicht Gebrauch gemacht.
      Schließlich erklärte das oberste Arbeitsgericht kürzlich befristete Arbeitsverträge grundsätzlich
      nur für die Übernahme zeitlich ebenfalls befristeter Tätigkeiten für rechtens. Die genauen
      Auswirkungen dieser Entwicklungen sind derzeit noch nicht absehbar. Offen sind nicht nur die
      Rückwirkungen auf die Attraktivität einer Tätigkeit als CE für hochqualifizierte externe
      Bewerber, insbesondere wenn es sich um die Führung einer kleinen und wenig einflußreichen
      Behörde handelt. Unklar ist darüber hinaus noch, inwieweit der Gerichtsentscheid die Leistungsanreize
      für die CE mindern wird. Kritisch anzumerken ist schließlich, daß sich die
      Effizenz der Erbringung der marktnahen, unter Modus C erstellten `Outputs`, also insbesondere
      von Leistungen des staatlichen Bildungs- und Gesundheitswesens durch deren Privatisierung,
      zumindest in der Gestalt eines Contracting-out, noch dauerhaft steigern ließe.
      3. Die Reform der öffentlichen Finanzwirtschaft
      a) Steuerreform
      Mit der bereits in der ersten Amtsperiode eingeleiteten Steuerreform wollte Labour drei
      Ziele verwirklichen. Zum einen sollte an die Stelle des komplexen und durch zahllose
      Ausnahmeregelungen durchlöcherten Steuersystems ein rationales und möglichst allokationsneutrales
      Steuersystem mit wenigen, dafür aufkommensstarken und einfach und kostengünstig
      zu erhebenden Steuerarten treten. Zum zweiten sollte das Steueraufkommen durch
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      Verbreiterung der Steuerbasis bei gleichzeitiger Verminderung der Durchschnittsbelastung erhöht
      werden. Zum dritten wollte die Regierung - in Verbindung mit einer komplementären
      Sozialleistungsreform - durch die Senkung der Grenzsteuer- und -abgabenbelastung die Flucht
      in die Schattenwirtschaft sowie die Anreize zum Bezug von Transfer- anstatt von
      Arbeitseinkommen eindämmen.
      Als wesentliches Ergebnis der Reform der direkten Besteuerung anzuführen ist zunächst die
      sukzessive Verminderung der Tarifstufen von fünf auf nur noch zwei - 24 Prozent für
      Jahreseinkommen privater Haushalte unter 30.875 NZ-$, 33 Prozent für Einkommen darüber -
      bei der Lohn- und Einkommenssteuer, was einer Halbierung des Spitzensteuersatzes in vier
      Jahren entsprach, sowie die Senkung des Körperschaftsteuertarifs auf 28 Prozent. Einkommen-
      beziehungsweise körperschaftsteuerpflichtig sind ausnahmslos sämtliche Erwerbs-, Zinsund
      Dividendeneinkünfte, Tantiemen und Altersrenten, nicht aber Alimente, Kriegsopferrenten,
      Lotteriegewinne und realisierte Kursgewinne bei Aktien und Wertpapieren.
      Realisierte Wertsteigerungen bei Immobilienvermögen sind dagegen voll zu deklarieren.
      Eingeführt wurde schließlich eine sogenannte `Fringe benefit tax` von pauschal 49 Prozent, die
      auf sämtliche Formen der Naturalentlohnung erhoben wird und vom Arbeitgeber abzuführen
      ist. In sehr begrenztem Umfang und nur für Selbständige abzugsfähig sind Werbungskosten.
      Abzugsfähig sind darüber hinaus für jeden Steuerpflichtigen bis zu bestimmten Höchstgren-zen
      Spenden an gemeinnützige Organisationen - nicht aber an politische Parteien oder diesen
      nahestehenden Stiftungen oder an Freizeitvereine - und die Kosten für die häusliche Pflege von
      Angehörigen.
      Im Bereich indirekte Besteuerung wurden nahezu alle Bagatellsteuern und speziellen
      Verbrauchssteuern - ausgenommen die auf Benzin (Dieseltreibstoff bleibt jedoch davon befreit!),
      auf Tabakwaren und Alkoholika - beseitigt. Zudem wurde die zuvor erhobene
      `Wholesale sales tax` (WSS), deren Sätze aus vorgeblich sozialpolitischen und offen protektionistischen
      Gründen stark - von null bis zu fünfzig Prozent - nach Güterarten differenziert
      waren, durch die `Goods and Services Tax` (GST) von pauschal erst zehn und inzwischen 12,5
      Prozent ersetzt. Die GST erfaßt etwa 87 aller gewerblichen Umsätze (WSS: nur 23 Prozent),
      darunter die meisten Leistungen der öffentlichen Verwaltung und alle Umsätze der SOE. Nicht
      GST-pflichtig sind nur die Umsätze von Wohlfahrtsverbänden, Finanztransaktionen und
      Mieten für Immobilien.
      b) Massiver Subventionsabbau
      1983 erreichte die mittlere effektive Subventionsrate in der verarbeitenden Industrie 39
      Prozent und in der Landwirtschaft 49 Prozent der Wertschöpfung (für einige Agrarerzeugnisse
      wie Lammfleisch wurden einhundert Prozent übertroffen). Bis Ende 1989 war es Labour jedoch
      durch eine drastische Kürzung der direkten wie der indirekten Beihilfen gelungen, diese
      22
      Werte auf neunzehn, beziehungsweise in der Landwirtschaft auf minus ein Prozent zu reduzieren.
      Infolge des weiter fortgeschrittenen Zollabbaus liegen sie derzeit - wegen des noch verbliebenen
      Zollschutzes - bei acht respektive minus zwei Prozent (Bollard/Lattimore/
      Silverstone 1996, 13). Faktisch erhalten neuseeländische Unternehmen und vor allem die
      Landwirtschaft damit keine nennenswerten öffentlichen Beihilfen mehr. Besonders
      beachtenswert am Subventionsabbau in der Agrarwirtschaft, der im wesentlichen binnen nur
      eines Kalenderjahres(!) vollzogen wurde, sind im übrigen der geringe Rückgang der Zahl der
      Farmbesitzer (minus zehn Prozent zwischen 1984 und 1997) sowie die ausdrückliche
      Unterstützung dieser Politik - allerdings gekoppelt an die Forderung nach ebenso durchgreifenden
      Reformen auf dem Arbeitsmarkt und allen übrigen noch vor Wettbewerb geschützten
      Sektoren und Märkten - durch den neuseeländischen Bauernverband.
      c) (Teil-)Reform des Sozialsystems
      Das neuseeländische Sozialsystem unterscheidet sich in einigen wesentlichen Punkten von
      dem der Bundesrepublik. So werden mit Ausnahme der gesetzlichen Unfallversicherung alle
      Sozialleistungen einschließlich der Alters(grund)rente, der Arbeitslosenunterstützung sowie der
      Leistungen im staatlichen Gesundheitswesen voll aus dem allgemeinen Staatshaushalt und nicht
      über Pflichtbeiträge der abhängig Beschäftigten finanziert. Derzeit entfallen nahezu siebzig
      Prozent der Staatsausgaben auf Sozialleistungen. Entsprechend ist aber auch das Verhältnis
      von Lohn- und Lohnnebenkosten in keinem OECD-Land ähnlich günstig wie in Neuseeland.
      Zu beachten ist auch, daß vor den Reformen nahezu alle Sozialleistungen - insbesondere die
      staatliche Altersrente - ohne den Nachweis individueller Bedürftigkeit von jedermann und meist
      auch unbefristet in Anspruch genommen werden konnten. Angesichts der zügigen Ausweitung
      des wohlfahrtsstaatlichen Leistungsangebots in der Nachkriegszeit kann der rasche Anstieg der
      Sozialleistungsquote von 15,1 Prozent 1961 auf 21,5 Prozent 1984 und 25,6 Prozent 1994
      kaum verwundern (Stephens 1996, S. 456). Freilich ließ sich dieses Wachstum angesichts der
      sich immer weiter öffnenden Schere zwischen Staatsausgaben und Steuereinnahmen und der
      geringen politischen Attraktivität von Leistungskürzungen zunehmend nur über Kredite bei der
      Notenbank oder auf dem Kapitalmarkt finanzieren, was neben dem wachsenden Inflationsdruck
      zwangsläufig auch die öffentliche Verschuldung auf immer neue Höchstwerte trieb.
      Obwohl die Labour-Regierung selbst ihren (wirtschafts)politischen Handlungsspielraum
      durch den kontinuierlichen Anstieg der Sozialausgaben gefährdet sah, beschränkte sie sich aus
      Rücksicht auf ihre traditionelle Wählerklientel und aufgrund der parteiintern aufbrechenden
      Spaltungstendenzen auf einige wenige und nur punktuelle Korrekturen: die vorsichtige
      Einführung von Zuzahlungspflichten im Gesundheitswesen und von Kursgebühren im
      Hochschulbereich, die Einführung von Bedürftigkeitsprüfungen für einzelne Sozialleistungen
      sowie die Verschärfung der Kriterien, die zu deren Inanspruchnahme berechtigten. Die erklärte
      23
      Absicht der National-Regierung war es dagegen, grundsätzlich mit der traditionell egalitären
      Zielsetzung neuseeländi


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