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     3591  0 Kommentare Die negative Überraschung des Jahres 2004

    Der extreme Ölpreisanstieg von über 60% innerhalb der letzten drei Monate ist eindeutig die negative Überraschung des Börsenjahres 2004.

    Mehrheitlich gingen die Analysten zu Beginn des Jahres eher von einer Abschwächung aus. Diese Markterwartung hat sich bekanntermaßen nicht bewahrheitet. Wie geht es weiter?


    Befinden wir uns noch im Bärenmarkt oder ist ein neuer Bullenmarkt bereits gestartet? Meine Antworten werden Sie überraschen! Die Prognose bis zum Jahresende 2004 können Sie sich >>hier kostenlos anfordern<< .


    Wie entsteht ein Überraschungsfaktor?

    Ein Großteil des an den Börsen „verfügbaren“ Wissens, ist in den Prognosen aller Analysten enthalten und damit bereits eingepreist („the market is a discounter of all widely known information“). Lediglich Überraschungen zur allgemeinen Erwartungshaltung bewegen die Kurse. Schlagzeilen, die die Wirtschaftspresse und die Fernsehsender beherrschen, entsprechen fast immer dem Marktkonsens. Doch dieser ist längst in den Märkten und Kursen eingepreist. Der „Vater“ von „Max und Moritz“ und berühmte deutsche Autor Wilhelm Busch beschrieb dies sehr treffend mit seinen eigenen Worten: „Stets findet Überraschung statt. Da, wo man's nicht erwartet hat.“ Ein Kernpunkt meiner Anlagestrategie ist es, immer nach positiven und negativen Überraschungen zu suchen, die die Mehrheit der Marktteilnehmer - noch - ignoriert.


    Ignorieren die Aktienmärkte den hohen Ölpreis?

    Nein. Natürlich nicht! Die Korrektur an den Aktienmärkten verlief bisher im Verhältnis zum rasanten Anstieg des Ölpreises äußerst moderat. Viele Kommentare der letzten Wochen haben sich mit diesem Thema beschäftigt. Immer wieder war davon zu lesen, dass die Aktienmärkte den hohen Ölpreis ignorieren würden. Unsinn! Der Ölpreis ist DIE negative Überraschung des Jahres 2004! Der Ölpreis besitzt vor allem deshalb ein hohes Überraschungspotential, da ihn niemand auf der Rechnung hatte.
    Finanzmärkte reagieren stets sehr schnell und konsequent auf sich verändernde Rahmendaten, oftmals innerhalb weniger Minuten. Ignoriert wird nichts, alle sich verändernden Rahmendaten werden eingepreist. Finanzmärkte interessieren sich nur sehr wenig für die Vergangenheit, es wird stets die Zukunft gehandelt!


    Kein einheitlicher Marktkonsens

    Die Stimmung unter den Ölhändlern ist gemischt. Es fällt aktuell sehr schwer, eine einheitliche Markterwartung herauszufinden. Während einige Analysten von weiter steigenden Ölpreisen ausgehen, gehen andere von - im weiteren Verlauf - deutlich einbrechenden Ölnotierungen aus. Der Anstieg wird zu oft als spekulative Blase bezeichnet, von Sorglosigkeit unter den Ölspekulanten kann noch keine Rede sein. Das negative Überraschungspotential erscheint daher noch nicht ausgereizt. Wir befinden uns bereits in einem Preisbereich, den zu Beginn des Jahres niemand für möglich hielt. Die Investmentbank Morgan Stanley beispielsweise hat ihre Prognose erst kürzlich erhöht. Sie rechnet für 2005 mit einem Preis von 34,50 USD (vorher 25 USD) und für 2006 mit 32,60 USD (25 USD). Zum Vergleich: Das aktuelle Preisniveau liegt bei 51 USD.
    Trends werden in ihrem Ausmaß und zeitlicher Dauer oft unterschätzt: Ein schönes Beispiel lieferte im letzten Jahr der Anstieg des Euro im Verhältnis zum US-Dollar. Die optimistischtesten Prognosen lagen bei 1,15 USD. Der Euro erreichte sein Jahreshoch jedoch bei über 1,25 USD.


    Anstieg auch historisch extrem

    Ein Blick auf die nüchternen Zahlen verdeutlicht das historische Ausmaß des Anstiegs: Das europäische Nordseeöl der Marke Brent notierte zu Anfang des Jahres bei 30,29 US-Dollar, fiel anschließend um 7,6% auf exakt 28 USD am 06. Februar. Der Anstieg bis zum Ende des 2. Quartals am 30. Juni verlief noch sehr moderat: +15,4% auf 32,32 USD seit dem Februartief, +6,7% seit Jahresanfang. Der eigentliche Preisanstieg von fast 70% fand nahezu ausschließlich im 3. Quartal selbst statt: Brentöl erreichte sein bisheriges Jahreshoch am 12. Oktober mit 52,22 USD. Ein Anstieg zum 30. Juni von 61,6% und verglichen mit dem Jahresanfang von 72,4%. Der deutsche Aktienindex DAX und der marktbreite US-Leitindex S&P 500 verloren seit Jahresanfang weniger als 1% und würden ohne den extremen Ölpreisanstieg vermutlich deutlich höher notieren.




    Wirtschaftliche Auswirkungen noch begrenzt

    Der hohe Ölpreis belastet vor allem den Transport- und Touristiksektor und treibt viele Fluggesellschaften in existenzbedrohende Krisen. Die Kerosinaufschläge und die damit verbundenen Flugpreise steigen merklich an. Das Wachstum der Weltwirtschaft hat sich jedoch bisher nur leicht abgeschwächt. Die Erhöhung der Energiepreise in 2004 belastet in der Summe eher die globalen Wachstumsaussichten, als dass die Märkte die Gefahr eines deutlichen Inflationsanstieges sehen. Die Umlaufrendite deutscher Anleihen hat mit aktuell 3,60% fast wieder ihr bisheriges Jahrestief erreicht. In den 70er und 80er Jahren war dies grundsätzlich anders: Damals zogen die Renditen wegen der erhöhten Inflationssorgen parallel zu den Ölpreisen deutlich an.


    Relative Bewertung der Aktienmärkte extrem günstig

    Die wichtigste Entwicklung des Jahres ist durch die anhaltenden Diskussionen um den Ölpreis in den Hintergrund getreten: Die relative Bewertung ist in den marktbreiten Aktienindizes so günstig wie seit einigen Jahrzehnten nicht mehr. Fast alle Analysten haben ihre Prognosen in der Annahme eines deutlichen Zinsanstieges verfasst, der die Aktienmärkte belasten sollte. Die Gewinnsteigerungen der Unternehmen lagen mehrheitlich über den Erwartungen. Die seit Jahresanfang sogar gefallenen Anleiherenditen und historisch deutlich unter ihren Durchschnittswerten liegende Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) im DAX und im Euro-Stoxx-50 von ca. 11 bzw. 13 sorgen für eine signifikante, relative Unterbewertung. Die Differenz zwischen "günstigen Aktien und teuren Anleihen" hat sich im Jahresverlauf ausgeweitet. Da wir weiterhin von einem unveränderten Zinsniveau ausgehen und die große Sorge vieler Marktteilnehmer vor kräftig steigenden Zinsen nicht teilen, bleibt unser Ausblick für die weltweiten Aktienmärkte auch dank dieses Zusammenhanges positiv.


    Fazit

    Der hohe Ölpreis belastet die Aktienmärkte erheblich, auch wenn dies auf den ersten Blick nicht so erscheinen mag. Die äußerst geringe Schwankungsbreite der Aktienmärkte zeichnet ein verzerrtes Bild. Die „gefühlte Volatilität“ ist wesentlich höher als die tatsächliche und die Anleger sind dementsprechend nervös. Die technische und fundamentale Situation spricht in der Summe weiterhin für einen Ausbruch nach oben. Die Gefahr eines weiteren Ölpreisanstieges muss aufmerksam beobachtet werden, denn diesen Überraschungsfaktor hatte niemand auf der Rechnung.

    Fragen zum Beitrag beantworte ich gerne per eMail an feedback@gruener-vm.de
    Thomas Grüner
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    Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman der Vermögensverwaltung „Grüner Fisher Investments“ mit Sitz in Rodenbach bei Kaiserslautern. Grüner Fisher Investments arbeitet eng mit „Fisher Investments“, einem der größten amerikanischen Vermögensverwalter zusammen. Weitere Informationen unter: www.gruener-fisher.de. Bitte beachten Sie den dort hinterlegten Disclaimer sowie die Nutzungsbedingungen.

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    Verfasst von Thomas Grüner
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