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    Interview  589  0 Kommentare „Die höhere Inflation ist politisch gewollt“

    Gespräch mit dem Vermögensverwalter und Fondsmanager Dr. Holger Schmitz über die Sicht der Schweizer auf die EU, die sich verschärfende Inflation und die anstehenden Bundestagswahlen

    Smart Investor: Dr. Schmitz, Sie sind deutscher Staatsbürger, operieren aber als Vermögensverwalter aus dem schweizerischen Tessin. Wie sehen denn die Eidgenossen das, was in der EU und insbesondere in Deutschland abläuft?

    Schmitz: Zum einen ist man hier etwas verwundert, wie Deutschland in Sachen Corona agiert, da zuletzt wieder massive Restriktionen beschlossen wurden. Die Schweiz ist hier deutlich liberaler. Und wenn wir mal von Corona absehen, dann beunruhigt die Schweizer die Staatsverschuldung in der EU bzw. die dortige Inflation – und beides hängt aus meiner Sicht zusammen. Vor wenigen Wochen hat zum ersten Mal die Gesamtverschuldung im Euroraum die Marke von 100% in Relation zum BIP überschritten. In der Schweiz liegt diese Relation unter 30%. Da sagt man sich in der Schweiz natürlich: Wa­rum macht Deutschland bzw. der Euro­raum so stark Schulden? Damit hängt natürlich die Inflationsrate zusammen, die aktuell bei 3,8% in Deutschland liegt, aber in der Schweiz laut Statista bei nur 0,7% im Juli – damit hat das Land wirklich Preisstabilität. All das muss Auswirkungen auf den Wechselkurs haben, d.h., der Schweizer Franken wird dadurch immer stärker. Oder richtiger formuliert: Der Euro wird immer schwächer. Und das ist für die Schweiz ein Grund zur Sorge, weil damit auch die Exportfähigkeit leidet usw.

    Smart Investor: Von Politikern hierzulande hört man oft, dass Deutschland vom Euro profitieren würde und dass die Einheitswährung ähnlich stabil ­wäre wie die frühere D-Mark. Was sagen Sie als langjähriger Eurokritiker dazu?

    Schmitz: Beide Aussagen halte ich für falsch – und gefährlich. Erstens: Klar, eine schwache Währung begünstigt die Exporte ­zunächst – langfristig gilt aber das Gegenteil. Man muss doch nur mal historisch denken! Denn als es die D-Mark noch gab, war Deutschland Exportweltmeister, trotz, oder ich sage bewusst: wegen der harten D-Mark. Zweitens: Wenn eine schwache Währung das Land profitieren ließe, dann wären doch in der Vergangenheit, als es den Euro noch nicht gab, die Schwachwährungsländer wie Griechenland, Portugal, Spanien oder Italien auf der Export-, Wohlstands- und Wirtschaftswachstumsskala ganz weit oben gewesen. Das waren sie aber nicht. Warum haben sich diese Länder mit den schwachen Währungen denn so ­gefreut, dass sie den Euro bekamen? Weil sie ­genau wussten, dass sie eine schwache gegen ­eine härtere Währung austauschen. Nur Deutsch­land hatte einen großen Widerstand in der Bevölkerung, weil die Bürger geahnt – oder gewusst – haben, dass sie eine starke deutsche Mark gegen einen schwächeren Euro eintauschen werden. Und genauso ist es auch gekommen. Die Einheitswährung ist bei Weitem nicht so stabil wie die frühere D-Mark. Dazu müssen Sie sich nur den Wechselkurs zu harten ­Währungen wie dem Schweizer Franken oder zum Gold ansehen, seit es den Euro gibt. In beiden Fällen sehen Sie, wie massiv die Kaufkraft des Euro zurückgegangen ist.

    Smart Investor: Es zeichnet sich ja schon seit Monaten ab und manifestiert sich nun auch in den Zahlen: Die Inflation kommt! Überrascht Sie das?

    Schmitz: Nein, überhaupt nicht. Ich habe mich in der Vergangenheit überrascht ­gezeigt, dass es so lange gedauert hat: Denn wer so massiv die Geldmenge ausgedehnt bzw. aufgeblasen hat – das ist ja der ­Ursprung des Wortes Inflation, „Inflare“ –, ohne dass der Güterberg entsprechend ­gewachsen ist, der muss irgendwann damit rechnen, dass die Differenz im Wachstum der ­Geldmenge und der ­Gütermenge sich als ­Inflationsrate niederschlagen wird. In der ­Vergangenheit wurde ein Teil des übermäßigen Geldwachs­tums dadurch aufgefangen, dass die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes permanent gesunken ist. Sobald das aber jetzt nicht mehr der Fall ist, muss die Inflation deutlich sichtbar werden.

    Smart Investor: War im Maastrichter Vertrag nicht die Preisstabilität als das vorrangige Ziel der Europäischen Zentralbank festgelegt worden?

    Schmitz: Genau, und unter Preisstabilität sollte man eigentlich 0% Inflation ver­stehen. Es war schnell absehbar, dass das nicht funktioniert, und daher wurde das Ziel irgendwann modifiziert in Richtung einer Obergrenze von 2% Inflation. ­Viele Jahre später kam Mario Draghi und ­sagte: Nein, wir nehmen die 2% nicht als Obergrenze, sondern als Zielmarke. Und vor wenigen Wochen kam ein weiterer Schritt: die 2% nicht mehr als Zielmarke, sondern als symmetrische Auslegung. Das heißt, wenn die Teuerung zehn Jahre deutlich unter 2% lag, dann darf sie nun auch mal zehn Jahre deutlich über 2% liegen. Insofern ist es doch nicht überraschend, dass wir jetzt 3,8% in Deutschland haben, ­ohne dass die EZB einschreitet. Und da kommen wir noch zu einem anderen Punkt: Die höhere Inflation ist politisch gewollt. Nominal lassen sich die Staatsschulden doch gar nicht mehr reduzieren. Aber real kann man sie zumindest im Zaum halten, ­indem man höhere Inflationsraten zulässt bzw. sogar bewirkt, durch politisches Handeln – wobei politisches Handeln die Notenbanken mit einschließt.

    Smart Investor: „Das frivole Leben auf Kredit fordert früher oder später seinen hohen Preis“, zitieren Sie in Ihrem Quartalsbericht die NZZ vom 8.4.2021. Was genau wird denn der Preis sein, den wir zukünftig zu bezahlen haben?

    Schmitz: Dass wir irgendwann mal die Kre­dite zurückzahlen müssen. Und falls nicht, dann müssen wir sie ständig mit Zinsen bedienen, die ja auch nicht ewig auf null bleiben. Das heißt, wir haben bis jetzt ­eine Konsumorgie zulasten der Substanz ­gehabt. Oder wie es ein Werbefachmann formulieren würde: „Kaufe jetzt, zahle später!“ Nehmen Sie nur den aktuellen Zuschuss des Bundes zur Rentenkasse in Höhe von alles in allem rund 100 Mrd. EUR – das ist mehr als ein Viertel des gesamten Bundeshaushalts. Das ist reiner Konsum, das ist weg, und die zukünftigen ­Generationen dürfen das dann abbezahlen. Schon vor ein paar Jahren hat in Deutschland die ­Anzahl der Wahlberechtigten, die netto Geld vom Staat bekommen, die Anzahl derjenigen, die Geld an den Staat zahlen müssen, v.a. durch Steuern, überschritten. Das ist natürlich ein trauriges Ergebnis, weil sich die ­Politik immer an der Mehrheit orientiert – und die Mehrheit sind die ­Zahlungsempfänger. Das kann nicht ewig gutgehen.

    Smart Investor: In rund vier Wochen stehen Bundestagswahlen an. Wie schätzen Sie deren Ausgang ein?

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