Experten
Fehlspekulationen von JPMorgan wohl kein Einzelfall bei Banken
FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Fehlspekulationen der US-Großbank JPMorgan wecken neue Sorgen um die Stabilität der Finanzbranche. Experten befürchten, bei anderen Instituten könnten ähnliche Gefahren lauern. Dass es sich um einen Einzelfall und -täter handelt, gilt als unwahrscheinlich. In der Vergangenheit hatten etwa die französische Societe Generale (SocGen) und die Schweizer UBS Zocker-Skandale auf das Fehlverhalten einzelner Händler geschoben. Beobachter sehen in dem Fall von JPMorgan nun klare Versäumnisse im Risikomanagement der Bank.
Wirtschaftsprofessor Thomas Hartmann-Wendels von der Universität Köln machte das Management der Bank für den Milliardenverlust verantwortlich. 'Offensichtlich sind im Risikomanagement der Bank Fehler gemacht worden. Ich glaube nicht, dass ein einzelner Händler versucht hat, bewusst Regeln der Bank zu verletzen und Risiken einzugehen', sagte er der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX am Freitag.
Auch der US-Börsenexperte Dennis Gartman, Inhaber des renommierten Börsenbriefs 'The Gartman Letter', äußerte sich in einem Interview beim amerikanischen Fernsehsender CNBC in diese Richtung: 'Das ist ganz klar nicht die Tat eines einzelnen Schurken wie bei der SocGen.' Der Investor erwartet weitere dunkle Wolken über der Geldindustrie. 'Auf schlechte Nachrichten folgen gewöhnlich noch mehr schlechte Nachrichten', sagte Gartman und warf damit die Frage nach weiteren Löchern auch bei anderen Banken auf.
Für Wissenschaftler Hartmann-Wendels hat der Fall vor allem politische Folgen: 'Das ist natürlich Wasser auf die Mühlen der sogenannten Volcker-Rule.' Nach dieser müssen US-Kreditinstitute den Eigenhandel und das Geld der Kunden scharf trennen. Viele US-Großbanken sehen sich durch die Anforderungen des Gesetzes gegängelt, auch JPMorgan-Chef Jamie Dimon kritisierte die strikte Trennung immer wieder. Nun musste er kleinlaut zugeben, die Fehlspekulation in London lasse die Bank 'ziemlich dumm dastehen'.
Für Hartmann-Wendels steht fest, dass der Fall weitere Konsequenzen nach sich ziehen muss. Grundsätzlich sei es richtig, riskante Geschäfte bei Banken zu begrenzen. 'Am besten wären deutlich höhere Eigenkapitalanforderungen, weil dann automatisch bei einer gewissen Höhe Schluss ist mit der Spekulation', sagte der Bankenexperte. 'Die regulatorisch vorgegebenen Anforderungen an die Unterlegung mit Eigenmitteln sind viel zu gering im Vergleich zum Verlustpotenzial solcher Geschäfte.'
Ähnlich äußerten sich die Aktien-Analysten von Goldman Sachs in einem ersten Kommentar zu den Auswirkungen auf das Geschäft von JPMorgan. Der angefallene finanzielle Verlust im zweiten Quartal scheine handhabbar, schrieben die Analysten. Aber selbst wenn sich das Ereignis als ein spezifisches Problem von JPMorgan herausstellen sollte, werfe die Fehlspekulation doch Fragen um die regulatorischen Anforderungen an die US-Banken im Rahmen der Volcker-Rule auf./men/enl/wiz