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    ROUNDUP  633  0 Kommentare Brüssel empfiehlt Visumfreiheit für Türken - Berlin begrüßt Vorschlag

    BRÜSSEL/BERLIN (dpa-AFX) - Die Bundesregierung hat die Vorschläge der EU-Kommission zum Umbau des Asylsystems in Europa und zur Aufhebung der Visumpflicht für türkische Bürger begrüßt. Die Türkei habe große Fortschritte bei der Umsetzung der Auflagen für die Visabefreiung gemacht, es müssten aber alle Bedingungen erfüllt werden, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch. Skeptisch reagierten Politiker von CSU, der Linken und der AfD.

    Derzeit seien noch 5 von 72 Auflagen an die Türkei offen, sagte der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans. Das Land habe "eindrucksvolle Fortschritte" gemacht und werde die Auflagen erfüllen, falls es das Reformtempo halte. Zieldatum für die visafreie Einreise ist Ende Juni, zuvor müssten aber die EU-Staaten und das Europaparlament zustimmen.

    Die Türkei wertete die Empfehlung der EU-Kommission als Erfolg. Die Türken hätten eine visafreie Einreise in den Schengenraum längst verdient, sagte Außenminister Mevlüt Cavusoglu. "Es gab eine Ungerechtigkeit und diese Ungerechtigkeit wird behoben." Ziel der Türkei sei jedoch die Vollmitgliedschaft in der EU.

    Die noch von Ankara zu erfüllenden Auflagen betreffen laut Timmermans den Kampf gegen Korruption, die Zusammenarbeit mit der EU-Polizeibehörde Europol, die Justizzusammenarbeit, den Datenschutz und Gesetze zum Anti-Terror-Kampf. Die von der EU verlangten biometrischen Pässe wird die Türkei laut EU-Kommission allerdings nicht mehr rechtzeitig einführen können.

    Als Zwischenlösung soll die Türkei ab Juni biometrische Pässe mit kurzer Gültigkeit ausgeben, die ein Foto und Fingerabdrücke enthalten. Nur Bürger mit solchen Pässen dürften ohne Visum nach Europa reisen. Ab Oktober soll die Türkei dann Pässe ausgeben, die den EU-Standards in vollem Umfang entsprechen. Bei der visafreien Einreise geht es um Kurzaufenthalte von bis zu 90 Tagen im eigentlich grenzkontrollfreien Schengen-Raum.

    Als Antwort auf die Flüchtlingskrise will die EU-Kommission das europäische Asylsystem umbauen. Länder, in denen viele Menschen Schutz suchen, sollen stärker entlastet werden. Staaten, die sich einer Umverteilung entziehen, sollen Ausgleichszahlungen von 250 000 Euro pro Flüchtling leisten.

    Dies wurde von Polen, Tschechien, Ungarn und der Slowakei umgehend scharf kritisiert. "Ich frage mich, ob es ein ernst gemeinter Vorschlag ist, denn es hört sich nach einem Aprilscherz an", sagte Polens Außenminister Witold Waszczykowski. Sein ungarischer Kollege Peter Szijjarto sprach von "Erpressung". Der tschechische Außenminister Lubomir Zaoralek kritisierte: "Etwas vorzulegen, was uns trennt, hilft niemandem."

    Die Grundregel des sogenannten Dublin-Systems, wonach in erster Linie jener Staat für Asylanträge zuständig ist, in dem Migranten den Boden der EU betreten, soll laut EU-Kommission erhalten bleiben. Allerdings sollen Asylsuchende künftig gerechter in Europa verteilt werden. Der Anteil eines jeden Landes würde sich dabei nach Größe und Wirtschaftskraft richten. Auch Flüchtlinge, die ein Mitgliedstaat aus Drittländern wie der Türkei übernimmt, würden mitgezählt.

    Wenn der Richtwert eines Landes innerhalb von zwölf Monaten um mehr als die Hälfte überschritten wird, würden neue Asylbewerber künftig an andere europäische Staaten weitergeleitet. Staaten können sich aus diesem System ausklinken, müssten dann aber Ländern, die daran teilnehmen, 250 000 Euro pro Flüchtling zahlen.

    Innerhalb des Schengen-Raums will Brüssel wegen Mängeln beim Schutz der EU-Außengrenze in Griechenland um bis zu sechs Monate verlängerte Kontrollen ermöglichen. 5 der 26 Schengen-Staaten (Deutschland, Österreich, Schweden, Norwegen und Dänemark) kontrollieren derzeit ihre Grenzen unter Verweis auf die Flüchtlingskrise.

    Die CSU protestierte gegen die geplante Reisefreiheit für türkische Bürger in der EU. "Die Visa-Liberalisierung kann nicht verhandelt werden wie auf einem Basar", sagte CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt, der Mediengruppe "Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung" (Donnerstag). Generalsekretär Andreas Scheuer warnte wegen des wieder aufgeflammten Konflikts mit der kurdischen Minderheit im Osten der Türkei davor, den Bürgern des Landes die Einreise ohne Visum zu erlauben: "Wir sind dagegen, dass der innertürkische Konflikt nach Deutschland importiert wird."

    Scharfe Kritik kam von der Alternative für Deutschland. "Jetzt zeigt sich, was uns Merkels unsauberer Kuhhandel mit der türkischen Führung kostet", monierte der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen. "Neben Milliarden von Steuergeldern, die an den Bosporus fließen, werden nun in umgekehrter Richtung unzählige Türken und Kurden, dank Wegfall der Visumspflicht, unkontrolliert nach Deutschland einreisen."

    Ähnlich äußerte sich die Linke. "Die Visafreiheit und die Beschleunigung der EU-Beitrittsverhandlungen sind der Preis für Merkels unwürdige Kungelei mit dem Despoten Erdogan", kritisierte die Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht.

    Grünen-Chefin Simone Peter kritisierte die von der EU-Kommission angekündigte "Mini-Reform" des Dublin-Systems als "vertane Chance, die europäische Flüchtlingspolitik auf ein humanes und solidarisches Fundament zu stellen". Die Grünen-Europapolitikerin Ska Keller sprach ebenfalls von einem Rückschritt. "Die EU-Kommission verschärft die Mängel und Fehler des Dublin-Systems, statt sie zu beheben."/asa/hrz/DP/zb





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