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    HINTERGRUND  459  0 Kommentare Ein Spanier als EZB-Vize - wird jetzt Weidmann neuer Präsident?

    FRANKFURT (dpa-AFX) - Ist das die Vorentscheidung, wer als nächstes die Europäische Zentralbank (EZB) führen wird? Zu Wochenbeginn sprachen sich die Finanzminister des Euroraums für den Spanier Luis de Guindos als neuen EZB-Vizechef aus. Er soll Ende Mai auf den Portugiesen Vitor Constancio folgen. Die Personalie galt schon im Vorfeld als wichtig für die Frage, wer den Italiener Mario Draghi an der Spitze der EZB beerben wird. Sein Amt wird zwar erst im Herbst 2019 frei. Das Personalkarussell dreht sich aber schon jetzt. Fragen und Antworten dazu:

    Warum ist die Nationalität des künftigen EZB-Vizechefs wichtig?

    Auf europäischer Ebene spielt die Frage der Staatszugehörigkeit traditionell eine große Rolle, erst recht, wenn es um die Besetzung ranghoher Posten geht. Ein Beispiel dafür ist der erste EZB-Präsident Wim Duisenberg. Der Niederländer sprang letztlich als Kompromisskandidat mit verkürzter Amtszeit ein, als es zwischen Deutschland und Frankreich zu Streitigkeiten kam. Hinzu kommt, dass Ansichten über die "richtige" Geldpolitik im Norden und Süden Europas unterschiedlich sind. Während der Norden grundsätzlich viel Wert legt auf eine stabilitätsorientierte Geldpolitik mit eher höheren Leitzinsen, sind viele Südländer einer lockereren Geldpolitik zugeneigt.

    Ist Weidmann jetzt als EZB-Präsident gesetzt?

    Nein, so einfach ist es nicht. Grundsätzlich gilt, dass die Chancen Weidmanns für den EZB-Spitzenposten recht hoch sind. Das folgt schon daraus, dass die bisherigen EZB-Präsidenten aus den Niederlanden, Frankreich und Italien kamen, also aus zwei Südländern und einem der Nordhälfte zuzurechnenden Land. Deutschland als größte Volkswirtschaft des Euroraums wäre demnach vielleicht schlicht "an der Reihe". Schließlich war ein Deutscher schon einmal als EZB-Chef im Gespräch. Allerdings trat der damalige Bundesbankchef Axel Weber im Streit um die geldpolitische Ausrichtung der EZB vorzeitig zurück. Damit war der Weg für den jetzigen EZB-Chef Draghi frei.

    Was spielt alles eine Rolle für die Neubesetzung der EZB-Spitze?

    Wichtig sind nicht nur die beiden Positionen an der EZB-Spitze. Entscheidend ist auch die Besetzung weiterer ranghohe Ämter. So werden im wichtigen EZB-Direktorium, dem auch der EZB-Chef und sein Vertreter angehören, im kommenden Jahr zwei wichtige Posten frei. Im Frühjahr wird die Stelle des Belgiers und EZB-Chefvolkswirts Peter Praet vakant, Ende des Jahres scheidet der Franzose Benoit Coeure aus dem Führungsgremium aus. Hinzu kommt, dass Ende 2018 die Amtszeit der Chefin der EZB-Bankenaufsicht, der Französin Daniele Nouy, endet. Daneben finden im Jahr 2019 Europawahlen statt, als deren Folge wichtige politische Führungspositionen zu besetzen sind. Auch hier werden nationale Erwägungen eine große Rolle spielen.

    Was halten südeuropäische Länder von einem deutschen EZB-Chef?

    Eher weniger. Beispielhaft dafür mag die Äußerung des früheren Ministerpräsidenten Italiens, Enrico Letta, stehen, der die Möglichkeit, dass Weidmann auf EZB-Chef Draghi folgen könnte, im Sommer 2017 als "Desaster" bezeichnet hatte. Zurückhaltender formuliert EZB-Experte Michael Schubert von der Commerzbank: Weidmann gelte in vielen hochverschuldeten Euroländern nicht gerade als "Wunschkandidat". Ausschlaggebend dafür ist die kritische Haltung, die Weidmann seit langem mit Blick auf die extrem lockere Geldpolitik der EZB vertritt. Im EZB-Rat, der über die Geldpolitik entscheidet, gilt der Deutsche als einer der größten "Falken", die im Gegensatz zu den "Tauben" einer strafferen Geldpolitik zugeneigt sind. Weidmann kritisiert vor allem die billionenschweren Wertpapierkäufe der EZB.

    Welche Namen werden neben Weidmann gehandelt?

    Nachdem ein Spanier neuer Vizechef werden soll, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der nächste EZB-Präsident zumindest aus Nordeuropa kommt. Neben Weidmann wird oft der Chef der niederländischen Zentralbank, Klaas Knot, als Kandidat gehandelt. Der Niederländer vertrete ähnliche Ansichten wie Weidmann, trete aber pragmatischer auf und wäre deswegen von den Südländern wohl eher zu akzeptieren, meint EZB-Experte Schubert. Als denkbar gilt auch, dass Irland seinen Notenbankchef Philip Lane neu in Stellung bringt, nachdem dieser das Rennen um den EZB-Vizeposten gegen de Guindos verloren hat. Der französische Notenbankchef Villeroy de Galhau gilt als denkbarer, aber unwahrscheinlicher Kandidat, weil Frankreich lange Zeit die Posten des EZB-Präsidenten und des -Vizechefs innehatte./bgf/jsl/fba

    --- Von Bernhard Funck, dpa-AFX ---





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