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    Börsen-Zeitung  632  0 Kommentare Brandbeschleuniger/Kommentar von Kai Johannsen über gebündelte europäische Staatsanleihen

    Frankfurt (ots) - Die Eurozonen-Peripherie beschäftigt wieder die
    Finanzmärkte, genauer gesagt Italien und nun auch noch Spanien. In
    Italien ist es die Sorge vor einem harten Konfrontationskurs der
    neuen eurokritischen Regierung mit der EU und in Spanien die Furcht
    vor einer Regierungskrise. Das sorgt für steigende Renditen bei den
    Staatsanleihen beider Länder. Anleger stellen sich zunehmend die
    Frage, ob Italien und vielleicht Spanien das Potenzial haben, die
    Schuldenkrise wieder aufflammen zu lassen - womöglich noch heftiger
    als beim vorigen Mal. Da setzt so mancher viele Hoffnungen in ein
    neues Produkt, das die EU nun aus der Taufe heben will: European
    Safe Bonds - bei der EU unter dem Namen Sovereign Bond-backed
    Securities (SBBS). Im Prinzip sollen die SBBS, mit denen die Politik
    die Stabilität der Eurozone erhöhen, also die Risiken für die
    Finanzstabilität verringern möchte, folgendermaßen funktionieren. Es
    werden nach einem Kapitalschlüssel (zum Beispiel dem der EZB)
    Staatsanleihen der Eurozonenländer in einen Topf (Pool) geworfen. Die
    Finanzierung dieses Ankaufs soll über die Emission von solchen SBBS
    erfolgen. Dabei bedient man sich einer Tranchierung. Geschaffen
    werden mehrere Tranchen, eine oder zwei Junior-Tranchen von insgesamt
    30% und eine Senior-Tranche von 70%. Kommt es im Rahmen einer Krise
    zu Verlusten (Ausfällen), haften erstmal die Inhaber der
    Junior-Tranchen dieser Anleihen. Als Käufer stellen sich die
    Verantwortlichen Hedgefonds vor, die ja gern ins Risiko gehen. Sie
    erhalten dann auch eine höhere Verzinsung. Sind die 30%
    "aufgefressen", haben diese Anleger bei Ausfällen also "geblutet",
    dann kommen bei weiteren Verlusten die nächsten Anleger in der
    Haftungsreihe dran, also die Inhaber der Senior-Tranche (Banken,
    Versicherer) - so sieht vereinfacht ausgedrückt die Theorie aus. Ob
    dieses Konzept allerdings am Markt auf positive Resonanz stoßen wird,
    sollte mit einem großen Fragezeichen versehen werden. Die
    Verantwortlichen betonen immer wieder, dass es sich hierbei nicht um
    gemeinsame Staatsanleihen handelt. Das ist richtig. Von den SBBS zu
    gemeinsamen Staatsanleihen ist es dann aber nur noch ein winzig
    kleiner Schritt, und im Grunde genommen ist mit den ESB/SBBS das
    Grundprinzip der gemeinsamen Schuldenfinanzierung schon realisiert.
    ESB weisen eine sehr hohe Ähnlichkeit zu einem CDO (Collateralized
    Debt Obligation) bzw. CBO (Collateralized Bond Obligation) auf:
    Kredite bzw. Bonds kommen in einen Topf, anschließend werden Tranchen
    gebildet, und diese werden an private Investoren verkauft mit
    unterschiedlichen Graden an Verlustabsorption. Genauso sieht es hier
    aus. Diese Produkte, die in der Finanzkrise heftige Spuren
    hinterlassen haben, wurden über Zweckgesellschaften verkauft. Das
    soll bei ESB ebenfalls wieder so gemacht werden. Gerade
    Zweckgesellschaften stoßen bei Investoren nicht auf große Gegenliebe.
    Alles, was erklärt werden muss, und das müssen Zweckgesellschaften
    und ihre Vorgehensweise auch, sorgt immer für hochgezogene
    Augenbrauen. Und dass gerade strukturierte Produkte, mit denen die
    Finanzwelt in den vergangenen Jahren nicht die besten Erfahrungen
    gemacht hat, nun das Heilmittel für eine mögliche Staatsschuldenkrise
    sein sollen, mag so mancher auch nicht recht glauben. Kritiker werden
    sehr deutlich, was die Ausgestaltung des Produktes betrifft. "Das
    Produkt ist nicht vom Markt her gedacht. Niemand wartet darauf. Die
    Umsetzung erfordert aber die Initiative der Kapitalmarktteilnehmer,
    so dass der Vorschlag am Ende ins Leere laufen kann", sagt Hendrik
    Haag, Partner für Kapitalmarktrecht bei der Rechtsanwaltskanzlei
    Hengeler Mueller, dieser Zeitung. Man fragt sich natürlich auch, wie
    so ein Produkt reagieren würde, wenn es tatsächlich zu einer Krise
    kommt. Vor allem muss man sich der Kapitalmarktwirkungen bewusst
    sein, wenn von möglichen Ansteckungseffekten die Rede ist, und die
    tauchen an den Märkten sehr schnell auf. Wenn ein Land auszufallen
    droht, haften die Inhaber der Junior-Tranche. Wenn das nächste Land
    kommt, vielleicht wieder diese, dann aber irgendwann die Inhaber der
    Senior-Tranche. Doch man sollte berücksichtigen, dass man sich von
    solchen Anleihen auch vorher trennen kann. Und vermutlich werden die
    Inhaber der jeweiligen Anleihen nicht so lange warten, bis der
    Haftungsfall eintritt. Die Papiere könnten nacheinander gnadenlos
    verramscht werden. Ob sich so ein SBBS-Gebilde noch retten lässt,
    wenn sein Markt abrutscht? SBBS wären dann nicht die Feuerwehr,
    sondern der Brandbeschleuniger. Keine gute Idee. (Börsen-Zeitung,
    26.5.2018)

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