Neurologische Erkrankungen und Versorgungslücken
Nicht-Behandlung kommt am teuersten - Seite 3
Andere Fallstudien analysieren die Situation von Patienten mit Restless Legs Syndrom (RLS), einer weit verbreiteten neurologischen Erkrankung. Etwa 2,7 Prozent der europäischen Bevölkerung leiden unter mittleren bis schweren Formen dieser Erkrankung, bei der schmerzhaften Empfindungen zu unkontrollierten Beinbewegungen führen und unter anderem für chronischen Schlafmangel verantwortlich sind. "RLS gehört zu den fünf wichtigsten Erkrankungen, was die ökonomische Krankheitslast betrifft", so Prof. Oertel. Der Bericht beschreibt eine 67 Jahre alte RLS-Patientin, die ihre Diagnose erst Jahre nach Krankheitsausbruch erhalten hat. In der Folge wurden die Medikamente zu hoch dosiert, wodurch sich wiederum die Symptome verschlechterten.
"Wenn wir die Kosten von RLS und die Folgen der inadäquaten Behandlung von RLS berücksichtigen, hätte das substanzielle ökonomische Folgen, die weit über das hinausgehen, was wir derzeit in der Literatur an epidemiologischen Daten kennen", so Vinciane Quoidbach, eine Forscherin beim EBC, die selbst stark in die VoT-Studie involviert war. Joke Jaarsma (Amsterdam), selbst RLS-Patientin und Präsidentin der EFNA ergänzt: "Wir müssen verstärkt über RLS aufklären, damit Behandler besser über die Diagnose und Therapie Bescheid wissen. Außerdem sollten die Suche nach den Ursachen von RLS und die Erforschung neuer Therapiestrategien intensiviert werden."
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Ein weiteres Beispiel aus VoT illustriert die Problematik der Versorgungslücken: Eine Migränepatientin schleicht sich jahrelang nachts in die Garage, um ihre Schmerzen herauszuschreien und ihre Kinder damit nicht zu belasten. "Das macht deutlich, was es bedeutet, wenn spezialisierte Einrichtungen definierte Behandlungspfade für bestimmte Krankheiten und Patientengruppen oder die soziale Unterstützung für Patienten und Angehörige fehlen", so Prof. Oertel. Doch gerade Spezialambulanzen können dem Rotstift zum Opfer fallen, wenn es finanziell eng wird. "Im Zuge der anhaltenden Wirtschaft- und Finanzkrise ist in manchen Staaten der Zugang zu neurologischer Versorgung wegen Kürzungen oder Selbstbehalten generell schlechter geworden. Oft dauert es viel zu lange, bis Diagnosen korrekt gestellt und maßgeschneiderte Therapien eingeleitet werden - wenn sie überhaupt passieren", fasste Prof. Oertel zusammen. Doch hier wird am falschen Platz gespart.