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    Wie Corona das Kaufverhalten verändert

    Ladenschließungen, Ausgangssperren, Hamsterkäufe, Social Distancing und limitierte Kunden-Zutritte: In Zeiten der Coronakrise kaufen immer mehr Deutsche online.

     

    Die Verschiebung vom stationären in den virtuellen Handel beschleunigt sich. Sie nimmt eine Entwicklung voraus, die in dieser Größenordnung erst in fünf, sechs oder sieben Jahren erwartet wurde. Was davon „nach Corona“ bleibt, lassen Konsumenten-Studien zumindest ahnen.

     

    Der Datendienst Statista ermittelte 46 Prozent mehr Online-Käufe als vor Krisenbeginn. Laut der GfK-Studie „Covid-19 Consumer Pulse“ Ende April 2020 haben 70 Prozent der Befragten bereits online eingekauft. Das Marktforschungsinstitut Kantar fand heraus, dass im April 20 Prozent weniger Kunden im stationären Handel einkauften. Über 30 Prozent wollen auch zukünftig mehr online shoppen. Auf bis zu 80 Prozent könnte die Zahl der Verbraucher steigen, die mehr als die Hälfte aller Einkaufe übers Internet erledigen.

    Der Handel geht ins Netz. Aber welche Produkte landen im virtuellen Warenkorb?

     

    Gefragt sind vor allem Bekleidung und Bücher, vermehrt aber auch Lebensmittel und fertig zubereitete Speisen „to go“.

     

    Ganze ein Prozent des Umsatzes an Lebensmitteln liefen vor der Krise übers Internet. Ende April 2020 hat sich der Anteil laut Datendienst Statista auf bereits zehn Prozent erhöht. Elf Prozent aller Konsumenten nutzen die Lieferservices ihrer Lieblings-Restaurants. 12 Prozent bestellen inzwischen ihre Hygieneartikel wie etwa Desinfektionsmittel im Internet. Bei Büchern sind es 13 Prozent. Und sogar 14 Prozent kaufen Bekleidung und Gesundheitsprodukte wie etwa Medikamente online.

     

    Man darf nicht mehr zum Lieblings-Italiener, also wird zu Hause gegessen. Dieser Trend könnte sich fortsetzen, zumal die meisten Konsumenten mit deutlich sinkenden Einkommen durch Arbeitslosigkeit oder Firmen-Insolvenzen rechnen. Lebensmittelhändler können darauf reagieren, indem sie ihre Vorräte an Produkten wie Nudeln, Reis, Alkohol, kalten Getränken oder Kaffee bevorraten. Denn – auch das haben die Studien verraten –: Die Menschen sind trotz sinkender Einkommen bereit, mehr für Lebensmittel zu zahlen. Und der Trend geht klar zu lokalen, verfügbaren Produkten.

     

    Insgesamt aber plant jeder Dritte Deutsche, in Zukunft weniger Geld auszugeben. Das trifft nicht nur stationäre Händler, sondern auch Dienstleister. Verzichten wollen die Menschen vor allem auf Urlaubsreisen, Autos oder Luxusartikel Uhren und Schmuck.

    Hamstern war ein Sonderfall, kein Trend

     

    Ein Wort noch zum Phänomen der Hamsterkäufe. Am Anfang der Corona-Krise mangelte es bekanntlich wochenlang an Produkten wie Toilettenpapier, Nudeln, Reinigungs- oder Desinfektionsmitteln. Händler könnten daraus ableiten, sich mit einem Großangebot dieser Produkte steigende Umsätze zu sichern – online wie offline. Sicher aber liegen sie damit falsch.

     

    Es gab nämlich keinen nachhaltig gestiegenen Bedarf an diesen Produkten. Die Engpässe entstanden nicht durch Einzelne, die sich ganze Einkaufswagen-Ladungen dieser Waren holten. Knapp wurden sie allein dadurch, dass sich verunsicherte Kunden einige Tage lang zwei oder drei Exemplare statt der üblichen einzelnen Packung einsteckten.

     

    Nach kurzer Zeit waren die Liefer-Engpässe behoben. Die Verbraucher hatten sich zudem auf den „Krisen-Modus“ eingestellt und ihr Kaufverhalten normalisiert. Produkte, die sie in der Hamster-Phase gehortet haben, müssen sie nun für längere Zeit nicht mehr einkaufen. Der Umsatz geht gegen null. Und inzwischen liegen die vom Handel nachbestellten Toiletten-Rollen wie bleischwer als Ladenhüter in den Supermarkt-Regalen.

    Risiken und Chancen für stationäre Händler

     

    Zu den kurz- oder mittelfristigen Krisen-Verlierern dürften auf jeden Fall die „Big Four“ des deutschen Handels zählen: Die Supermarkt- und Discounter-Ketten von Edeka, Rewe, Aldi und Lidl mit ihrem bisherigen Marktanteil von rund 85 Prozent. Sie konnten die Flut an Online-Nachfragen kaum bedienen und entwöhnen ihre Kunden durch tage- oder wochenlange Lieferzeiten. Hier punkten die klassischen Online-Handelsriesen wie Amazon und Ebay. Sie besitzen die ausgefeilte Logistik für schnellen Paket-Versand und zuverlässiges Payment.

     

    Schwer tun sich die meisten kleinen, stationären Einzelhändler. Zum Aufbau und Betrieb eines Onlineshops fehlt ihnen das technische Know-how, die Kapazität oder das Geld. Dabei ist ein eigener Shop nicht immer notwendig: Schon die sozialen Netzwerke bieten einen Zugang zum Kunden. Fitness-Studios warten mit Online-Kursen auf. Friseure verkaufen Haarpflege-Produkte via Facebook oder Instagram. Über den Hashtag #SupportYourLocal weisen Händler vor Ort auf ihre Aktionen hin.

     

    Unterstützung für kleine Einzelhändler bietet auch Ebay an. Ein halbes Jahr lang können Einzelhändler den normalerweise rund 300 Euro pro Monat teuren Premium-Shop gratis nutzen. Zudem zahlen sie drei Monate lang keine Provisionen.

    Kunden über lokale Online-Marktplätze gewinnen

     

    Eine weitere Möglichkeit für stationäre Geschäfte, online zu verkaufen, bieten städtische oder regionale Plattformen wie etwa Helfen.berlin oder Mein Heilbronn. Mit Einzelheld steht sogar eine überregionale Plattform zum Verkaufen zur Verfügung. Auf diesen Marktplätzen registrieren sich die Händler und erhalten ein eigenes Profil. Lokale Rundfunksender wie Radio Arabella in München rufen nicht nur dazu auf, den örtlichen Handel zu unterstützen: Auf ihren Internet-Seiten bieten sie den Unternehmen Aktionen wie Empfehlungen, Werbemöglichkeiten oder Gutschein-Verkäufe an.

     

    Anbieter wie das marktführende Handwerker-Portal MyHammer gehen mit digitalen Services schon lange voran: Auf dieser Plattform können Kunden einen Auftrag einstellen und die Handwerker ihre Angebote dazu abgeben. Die Handwerksbetriebe bewerben sich jedoch auch aktiv mit einem eigenen Profil und ihrem Leistungs-Portfolio. Dadurch wird die Plattform zum Auftrags-Vermittler wie zum digitalen Branchenbuch. Außerdem bietet ein Online-Ratgeber und Weblog Verbrauchern Tipps rund um Haus, Garten und Technik als Mehrwert.

    Was ist beim eigenem Online-Shop zu beachten?

     

    Eröffnet ein stationärer Händler einen eigenen Onlineshop, muss er Produkt-Beratungs-Texte als Content anbieten. Weiterhin benötigt er einen zuverlässigen Lieferservice sowie mehrere Zahlungsmethoden. Nicht jeder Kunde nutzt oder bevorzugt dasselbe Payment-System. Die sogenannte Customer Journey oder Benutzerführung ist ein weiterer Punkt: Der Kunde sollte einfach und mit wenigen Klicks zum Kaufabschluss kommen.

     

    Wichtig ist außerdem, dass die online angebotenen Produkte auch tatsächlich verfügbar sind. Es muss so sein, als stünden die Produkte sicht- und greifbar am POS im Regal. Auch ein Beschwerde- und Rückgabe-Management sollte implementiert werden. Begeisterte Kunden kaufen wieder – online wie stationär. Wer aber einmal enttäuscht wurde, kommt nie wieder. In den sozialen Netzwerken oder selbst auf Google Maps tauschen sich die Kunden aus und geben Bewertungen ab. Hier gut abzuschneiden ist wichtiger denn je.

     

    Im Netz können Kunden zu Fans werden – auch wenn ihr Händler keinen Onlineshop bietet. Wie ein Gastronom Kundenbindung betreiben und seine bevorstehende Wiedereröffnung bewerben kann, zeigt das Viralhit-verdächtige Video einer Bar aus dem österreichischen Klagenfurt: Im Augenblick der inszenierten Eröffnung stoßen begeisterte Gäste mit dem ersten gezapften Bier und gemixten Cocktail nach einer gefühlten Ewigkeit an.

    Welche Zahlungsmethoden bevorzugen Online-Shopper?

     

    Laut jüngster EEC-Payment-Studien verhalten sich deutsche Internet-Käufer beim Bezahlen noch recht konservativ. 41 Prozent bevorzugen nach wie vor den Kauf auf Rechnung. Darauf sollten sich Shop-Betreiber einstellen, damit die Kunden den Kaufvorgang mangels dieser Option nicht abbrechen. 35 Prozent nutzen das Bezahl-System Paypal, das damit auf Platz zwei der favorisierten Zahlungsmethoden liegt. Paypal ist allerdings die am häufigsten angebotene Bezahl-Option im E-Commerce. Platz drei der Kunden-Präferenzen belegt die Lastschrift – allerdings mit weit abgeschlagenen acht Prozent. Am unbeliebtesten ist die Option Vorkasse.

    Wie können Kunden ihren Lieblings-Laden unterstützen?

     

    Internet-Shopping hin oder her: Kein Kunde wünscht sich die Fußgängerzone als Geisterstadt. Dem steigenden Online-Kaufverhalten steht das Bedürfnis gegenüber, die City lebendig und das stationäre Handels- und Gastronomie-Angebot vor Ort zu erhalten. Wie können Kunden geschlossene Läden unterstützen und damit womöglich den drohenden Konkurs verhindern helfen?

     

    Über den Hashtag #SupportYourLocal posten Kunden zum Beispiel die Fotos von gelieferten oder abgeholten Speisen ihrer Lieblings-Restaurants. Gutscheine sind eine weitere Möglichkeit: Kunden erwerben diese auf supportyourlocal.online oder Stadtportalen wie Helfen.berlin, Mein Heilbronn oder dem Hamburger Projekt pay now, eat later. Die Kunden lösen die Gutscheine ein, sobald das Geschäft oder Restaurant wieder eröffnet.

     

    Viele Händler betreiben keinen Onlineshop, sind aber in den sozialen Netzwerken aktiv. Hier bauen sie sich nicht nur eine Fangemeinde auf: Sie informieren auch regelmäßig über aktuelle Aktionen, Außer-Haus-Verkäufe oder ihre bevorstehende Wiedereröffnung. Oft verbinden sie diese Aktionen mit Sonderrabatten. Daher der Tipp für Kunden: Immer wieder in den sozialen Netzwerken nachsehen, was der Lieblings-Händler macht.

     

    Ist der Händler nicht online, kann schon ein Griff zum Telefonhörer helfen. Fragen kostet nichts: Darf das Geschäft nicht betreten werden, nimmt es ja möglicherweise telefonische Bestellungen entgegen und lässt sie abholen oder ausliefern. Auf diese Weise halten sich nicht nur Speiselokale über Wasser, sondern zum Beispiel auch Floristen, die gebundene Sträuße verkaufen.

     

    Vielfach haben Kunden schon zu Spendenaktionen für ihr existenzbedrohtes Lieblings-Geschäft aufgerufen – eine weitere Hilfsmöglichkeit. Ein letztes Gebot der Stunde lautet: Verträge weiterlaufen lassen und Mitgliedsbeiträge weiterzahlen. So sollte es beispielsweise selbstverständlich sein, während des Shutdowns sein Fitness-Studio zu unterstützen.




    Martin Brosy
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    Martin Brosy ist Tradingcoach und Mitbegründer der Trading Ausbildung www.trademy.de. Großen Einfluss auf sein ökonomisches Weltbild haben die Publikationen von Karl-Heinz Paqué und Joseph Schumpeter. Als Börsianer inspirieren ihn die Ansätze von Buffett, Burry, Livermore und Lynch.
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    Verfasst von Martin Brosy
    Wie Corona das Kaufverhalten verändert Ladenschließungen, Ausgangssperren, Hamsterkäufe, Social Distancing und limitierte Kunden-Zutritte: In Zeiten der Coronakrise kaufen immer mehr Deutsche online.   Die Verschiebung vom stationären in den virtuellen Handel beschleunigt sich. Sie nimmt …

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