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     309  0 Kommentare Vectron AG – Drastische Gewinnwarnung

    Wenn ein Unternehmen die Veröffentlichung seiner Zahlen bis auf den letzten Drücker aufschiebt, ist das entweder ein besonders gutes oder ein besonders schlechtes Zeichen. Bei Vectron trifft letzteres zu: Zwar hat die Vectron AG in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres mit 22,1 Mio. DM 63% mehr umgesetzt als im Vorjahr. Das ist für sich betrachtet eindrucksvoll, belegt beim näheren Hinsehen jedoch eine Geschäftsentwicklung. die deutlich schlechter als erwartet ausfällt.

    Die Gesellschaft erwartet für das Gesamtjahr 2000 einen Umsatz von 39,5 Mio. DM, was einem Zuwachs von 100% entspräche. Der Beitrag der zahlreichen Akquisitionen liegt bei lediglich 25% des Jahresumsatzes. Die Umsatzprognose für 2000 bedeute zum fünften Mal in Folge eine Umsatzverdopplung. Auch für das Jahr 2001 erwartet die Gesellschaft mindestens einen Faktor zwei bei der Umsatzentwicklung. Immer noch ganz nett.

    In einem Interview mit w:o sagte Vertriebsvorstand Stümmler Anfang April: „In 2000 rechnen wir mit ungefähr 50 Mio., in 2001 mit knapp 100 Mio. und 2002 werden 140 bis 150 Mio. DM angepeilt.“ Das war noch im August bekräftigt und zwischenzeitlich nicht revidiert worden.

    Von diesen Prognosen kann man sich getrost verabschieden. Gründe dafür liefert das Unternehmen reihenweise: Da sind zum einen die Akquisitionen, deren buchungstechnische Eingliederung einerseits langsamer läuft, andererseits auch weniger bringen als erwartet 137774. Da ist zum anderen die ursprünglich bereits für April geplante Auslieferung der auf der CeBIT vorgestellten neuen Produkte Vectron POS Mobile, Vectron POS Micro und Vectron POS PC verzögert. Mit der Auslieferung dieser besonders Margen starken Produkte hätte erst Mitte November begonnen werden können.

    Was besonders irritiert: Vectron macht im großen und ganzen zeitliche Verzögerungen für die Planverfehlung des Jahres 2000 verantwortlich. Wenn dem so wäre und diese –wie dargestellt- mit dem Beginn des nächsten Jahres vom Tisch sind, gäbe es keinen Grund, die Vorgaben für 2001 so stark herunter zu nehmen, wie jetzt geschehen.

    Auch noch aus einem anderen Grund fällt der Glaube an die neuerliche Umsatzverdopplung schwer. Die Entwicklung des Umsatzes des dritten Quartals von 7,1 Mio. DM weist eine Steigerungsrate von lediglich knapp 34% aus. Eingeschlossen ist erstmalig mit einem unbekannten Anteil die Neuakquisition Hartek S.A., Schweiz.
    Einen Schritt weiter zurück: In den ersten sechs Monaten hatte der Umsatz mit 15 Mio. DM den Vergleichswert aus 1999 um mehr als 80% übertroffen. Noch ein Schritt zurück: In den ersten 3 Quartalen des Jahres 1999 erreichte die Gesellschaft mit einem Umsatz von 13,6 Mio. DM noch eine Umsatzsteigerung von mehr als 90% gegenüber den ersten neun Monaten 1998. Die uniform abnehmende Tendenz der Zuwachsraten legt den Schluss nahe, dass mit Steigerungsraten à la 100% pro Jahr erst einmal Schluss ist.

    Ja, und das EBIT. Wie waren noch die Vorgaben? Vertriebsvorstand Stümmler im w:o-Interview Anfang April: „Das EBIT kam 1999 auf stolze 3,4 Mio. DM. Das Jahr 2000 soll eine 105%-ige Steigerung auf 7 Mio. DM bringen. 2001 erwarten wir 18 Mio., im Jahr darauf 30 Mio. DM.“

    Nun erwartet die Vectron Systems AG im laufenden Jahr noch ein EBIT von 1,1 Mio. DM. Für den neun Monats Zeitraum wurden stolze 260.000 DM erwirtschaftet. Für 2001 werden nun 7,0 Mio. DM erwartet. Grund für die schlechtere EBIT-Entwicklung seien die hohen Investitionen gewesen. Diese kamen offenbar so überraschend, dass man es im April noch nicht absehen konnte?

    Nach der schnöden, schlecht gelaufenen Vergangenheit, lädt der Vectron-Vorstand zum Träumen ein: Die Zukunft heißt VectroNET AG. Bereits im Frühjahr 2001 sollen über den in Deutschland rund 120 Fachhändler umfassenden Vectron-Vertrieb die ersten Kunden gewonnen werden. Ziel der Gesellschaft ist es, ein Gastronomie-Netzwerk auf Internetbasis mit in Deutschland 10.000 Partnerbetrieben aufzubauen 133373.

    Noch etwas: Die beiden Gründer der Vectron Systems AG, Jens Reckendorf und Thomas Stümmler, haben sich verpflichtet, die bis zum Jahresende laufende freiwillige Haltefrist bis 30. Juni zu verlängern. Verkaufen macht jetzt auch wenig Sinn: Die Aktie verliert nach der heutigen Mitteilung mehr als 30% auf 8,50 €.

    Die Vectron AG hat mit der heutigen Ad-Hoc-Mitteilung ein neues Kapitel in ihrer eigenen IR-Arbeit aufgeschlagen. Anscheinend ist eine bestimmte Form von Öffentlichkeitsarbeit am Neuen Markt ansteckend. Mehr ist dazu eigentlich nicht zu sagen.



    Klaus Singer
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    Verfasst von Klaus Singer
    Vectron AG – Drastische Gewinnwarnung Wenn ein Unternehmen die Veröffentlichung seiner Zahlen bis auf den letzten Drücker aufschiebt, ist das entweder ein besonders gutes oder ein besonders schlechtes Zeichen. Bei Vectron trifft letzteres zu: Zwar hat die Vectron AG in den ersten …