Psst - hier liegen 100 Dollar auf dem Boden!

Liebe Leser,

Wenn die Aktienmärkte gut laufen und sogar ein Haufen zufällig ausgewählter Aktien im Zeitstrom an Wert gewinnen, dann können Cocktail-Partys zu einem fachlich aufschlussreichen Event werden. Überall stehen Leute herum und erzählen von ihren neusten Aktienkäufen. Sicher - es ist gut während einer Hausse Aktien zu haben. Man verdient gut Geld mit steigenden Kursen. “Telekom muss man haben. Die haben letzte Woche super Zahlen gebracht”, flattert mir aus der Ecke des Raumes ins linke Ohr. Oder: “Börse Online empfiehlt Infineon. Die werden steigen!” Ich habe mir abgewöhnt über Aktien zu diskutieren oder kritische Anmerkungen zu machen, wenn der Gesamtmarkt steigt. Die Chance, dass Aktionäre mit ihren Aktien Gewinne machen, ist verdammt hoch - egal wie bescheuert die Gründe für die Kaufentscheidung auch gewesen sein mögen. Es freut mich jedoch, wenn es mir gelingt, einige der börsenbegeisterten Partygäste etwas nachdenklich zu machen. Das geht besonders bei Akademikern recht einfach. Innerhalb der Vorlesungen werden solche gewagten Wirklichkeitsbilder wie effiziente Märkte angesprochen. Alles Infos sind in den Kursen drin, sagen zwei Anhänger der Theorie der effizienten Märkte. Eines Tages laufen sie die Straße entlang. Am Straßenrand liegt ein 100 Dollar-Schein. Die beiden schauen sich an, zucken mit den Schultern und gehen weiter. Wenn es ein richtiger Dollar-Schein gewesen wäre, hätte ihn schon längst jemand aufgehoben. Paradox: Sobald jeder an effiziente Märkte glaubt, sind sie ineffizient.

Eines ist außerdem auffällig. Es gibt ein Gesetz, das universelle Bedeutung zu haben scheint: Wenn du eine Männerrunde haben willst, dann beginne über die Börse zu sprechen. Kaum eine Frau interessiert sich für Aktien. Warum eigentlich? Mir scheint die Selbstüberschätzung bei Frauen weit weniger ausgeprägt zu sein. Während 90 Prozent aller Männer grundsätzlich davon überzeugt sind zu den wenigen 10 Prozent zu zählen, die an der Börse so richtig Geld verdienen können, scheinen Frauen dieser paradoxen Wahrnehmungsstörung deutlich seltener zu erliegen. Warum also bei diesem hohen Verlustrisiko Aktien kaufen? Sehen Sie - da geht es mir doch gut. Ich kann alles kreative, wirre, unverständliche oder auch sinnvolle, das mir zum Thema Aktien einfällt, im Börsenbrief oder in unserem Börsenforum verwerten. Auf Partys kann ich zu diesem Thema dann genüsslich schweigen.

Viel Erfolg wünscht
Simon Betschinger
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