Ultima-Ratio-Prinzip
Veränderte Wahrnehmung in der Euro-Krise
„Die Erfahrungen seit 2010 zeigen, dass eine Strategie, den Krisenländern immer größere Rettungsschirme bereitzustellen, nicht aufgehen kann, weil sie die Anreize zur Umsetzung der zwingend
notwendigen Reformen schwächt und nicht stärkt.“ So steht es in einem Positionspapier der drei liberalen Wirtschaftsminister
Martin Zeil (Bayern), Jörg Bode (Niedersachsen) und Florian Rentsch (Hessen). Sie kritisieren den Umfang der auf 310 Milliarden Euro bezifferten Haftung Deutschlands und sprechen auch die
Target-Problematik an. Schließlich kritisieren sie die Politik der Europäischen Zentralbank. Solche starken Worte waren noch vor einigen Monaten nicht aus meiner FDP zu hören. Ich spüre, wie sich
in unseren Reihen die Wahrnehmung für die Probleme der Eurozone verändert und mit ihr die Äußerungen zur Krise. Sicher sind wir – Mitgliederbefragung hin oder her – noch nicht am Ende des
Denkprozesses angelangt. Doch zeigt mir das Positionspapier, dass die uns Liberalen gegebenen Antennen mittlerweile die richtigen Signale auffangen. Am deutlichsten zeigt sich das in dem Verlangen
der Wirtschaftsminister das ultima ratio-Prinzip zu stärken. Hilfen an Staaten der Eurozone dürfen – wenn überhaupt – nur gegeben werden, nachdem sie ihre eigenen Refinanzierungsmöglichkeiten
ausgeschöpft haben. Von Anfang an weise ich darauf hin, dass Staaten ihre Aktiva liquidieren müssen, etwa in dem sie Grundstücke auf ihren Inseln oder ihr Gold verkaufen. Die Wirtschaftsminister
weisen zusätzlich auf die Möglichkeit von Zwangsanleihen hin und somit auf die Möglichkeiten des nationalen Steuerrechts. Solche Lösungen dürfen wir nicht durch europäische Steuerharmonisierung
oder Troika-Vorschriften behindern. Es gilt, den Systemwettbewerb in der Eurozone neu zu beleben und dadurch die wirtschaftliche Eigenverantwortlichkeit ihrer Mitgliedsstaaten wiederherzustellen.
Ansonsten schlittern wir in die Transferunion, die wir ablehnen.
Die Wirtschaftsminister der Länder schlagen auf, doch unser Bundesvorsitzende Philipp Rösler holt in einem schönen Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine den Punktgewinn: „Jetzt muss sich auch
Griechenland entscheiden, ob Staat und Gesellschaft wirklich bereit für die notwendigen Haushalts- und Strukturreformen sind. Zentral sind ein einfacheres Steuersystems und sichtbare Fortschritte
bei der Privatisierung. Ich würde mich freuen, wenn Griechenland hierfür die nötige Kraft und Entschlossenheit aufbringt. Sollte sich aber nach dem Bericht der Troika aus EZB, EU-Kommission und IWF
im September zeigen, dass dies nicht der Fall ist, kann es keine weiteren Finanzhilfen geben. Der Euro darf nicht an Griechenland scheitern.“ (F.A.Z. vom 16. August 2012, Seite 10) Beständig weist
er seit seinem Sommerinterview darauf hin, dass wir Bedingungen für die griechischen Hilfen ausgehandelt haben. Im Jahr 2010 haben die Staats- und Regierungschefs die Nichtbeistandsklausel
kollektiv gebrochen. Es wäre ein fataler und folgenschwerer Fehler, wenn wir nach dem Bruch der Nichtbeistandsklausel nun die mit Griechenland ausgehandelten Verträge nicht achten. Stabilitätsunion
bedeutet nicht verstetigter Rechtsbruch. Philipp Rösler fordert daher richtig eine europäische Wertegemeinschaft, die ich nur als ein Europa des Rechts interpretieren kann. Was sollte das auch für
eine europäische Wertegemeinschaft sein, die sich durch die Nichtachtung des Rechts auszeichnet?