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    Spanien vier Monate ohne Regierung  753  0 Kommentare König startet letzten Versuch

    MADRID (dpa-AFX) - Noch wurden in Spanien keine Neuwahlen angesetzt, aber die Politiker scheinen den Wahlkampf schon aufgenommen zu haben. Verhandlungen über mögliche Koalitionen oder Regierungsbündnisse werden nicht mehr geführt. Stattdessen reisen der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy und der sozialistische Oppositionsführer Pedro Sánchez durch das Land und halten Reden auf Parteitreffen. Spanien ist seit den Wahlen vom 20. Dezember 2015 ohne eine gewählte Regierung und politisch gelähmt.

    König Felipe VI. unternimmt nun einen letzten Anlauf zu einer Regierungsbildung. Der Monarch lud die Führer der Parteien für diesen Montag und Dienstag zu Konsultationen in den Zarzuela-Palast, um herauszufinden, ob noch eine Chance zur Wahl einer Regierung im Parlament besteht. Die Aussichten werden als praktisch gleich null eingestuft. Das Königshaus kündigte bereits an, wenn kein Politiker eine ausreichende Mehrheit vorweisen könne, werde Felipe das Parlament auflösen und Neuwahlen für den 26. Juni ansetzen.

    Die letzte Frist zur Wahl eines Regierungschefs läuft zwar erst am 2. Mai ab. Aber eine Abstimmung würde einen gewissen Vorlauf brauchen, weil dazu der König vorher einen Kandidaten vorschlagen und das Parlament zu einer Debatte einberufen werden müsste. Bisher hatte Felipe zwei Kandidaten vorgeschlagen, aber beide Male Pech gehabt: Amtsinhaber Rajoy lehnte die vorgeschlagene Kandidatur ab, denn er wusste, dass er im Parlament Schiffbruch erleiden würde. Sozialist Sánchez erlitt ein Debakel, weil die Linkspartei Podemos (Wir können) ihm die Unterstützung versagte.

    Die Legislaturperiode scheint nun nach nicht einmal fünf Monaten zu Ende zu gehen, bevor das Parlament seine Arbeit richtig aufnehmen konnte. "Neuwahlen sind das größte Fiasko des modernen Parlamentarismus in Spanien", kommentierte die Zeitung "El Mundo". Die spanischen Politiker, die in der Bevölkerung ohnehin alles andere als populär sind, dürften sich noch unbeliebter gemacht haben.

    Nach Umfragen wird sich bei einer Neuwahl im Vergleich zur Wahl im Dezember 2015 relativ wenig ändern, die Wahlbeteiligung dürfte aber deutlich geringer ausfallen. "Nie war die Versuchung so groß, einer Wahl fernzubleiben", meint der Politologe Pere Vilanova in einer Kolumne der Zeitung "El Periódico". "Mal sehen, ob in diesem Sommer die Leute am Wahltag lieber in die Ferien fahren."

    Die Wahlen im Dezember hatten dem bisher vorherrschenden Zweiparteiensystem ein Ende gesetzt und dazu geführt, dass vier stärkere Parteien im Parlament vertreten sind. Dies sind neben der konservativen Volkspartei (PP) und den Sozialisten (PSOE) die Linkspartei Podemos und die liberalen Ciudadanos (Bürger). Mit dieser neuen Konstellation kamen Spaniens Politiker nicht zurecht.

    Die PP ist die stärkste Kraft, aber niemand will Rajoy zu einer Mehrheit verhelfen, weil unter dessen Vorsitz die PP von einem Korruptionsskandal nach dem anderen erschüttert wurde. Die Sozialisten vereinbarten ein Bündnis mit den Liberalen, blieben damit aber weit von einer Mehrheit entfernt.

    Ciudadanos-Parteichef Albert Rivera schlug vor, einen Unabhängigen zum Regierungschef zu wählen. Auch der Verfassungsrechtler Francesc de Carreras hält dies für einen Ausweg und erinnerte an die Erfahrung in Italien mit dem Premier Mario Monti (2011-1013): "Warum keinen Monti?", fragte er in "El País". "So eine Lösung wäre nicht ideal, aber besser als Neuwahlen." In diesem Punkt sind Rajoy und Sánchez sich jedoch ausnahmsweise einig: Von der Wahl eines Unabhängigen zum Regierungschef wollen sie beide nichts wissen./hk/DP/he





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