Sollte man gerade jetzt Aktien kaufen? - Seite 2
Ignoriere die Kursbewegungen!
Da wir also wissen, was wir nicht wissen, sind wir schon mal einen Schritt weiter. Das Auf und ab der Kurse zu ignorieren, ist ein gut gemeinter Rat. Und ein guter, geradezu genial, aber leider
kaum umsetzbar. Jedenfalls von Otto Normalanleger.
Es liegt in unserer Natur, die Börsenkurse anzustarren, sie zum Gradmesser unseres Börsenerfolgs zu machen. Wir betrachten eine Aktie immer anhand unseres Einstiegskurses und schätzen sie weniger aufgrund ihrer fundamentalen Entwicklung ein. Die Kurse scheinen immer recht zu haben und wenn sie fallen, wissen die anderen mehr als wir und wir fühlen uns als die Dummen, weil wir noch diese Aktien haben, deren Kurs fällt. Und auch wenn wir noch so oft gesagt bekommen, dass die anderen auch nicht mehr wissen, sondern aus tausend unterschiedlichen Gründen gerade jetzt diese Aktie verkaufen, so verdrängen wir dieses Wissen wieder und denken, alle anderen wären schlauer als wir.
Doch wer erfolgreich sein will mit seinen Investments an der Börse, der muss sich frei machen von den Kursschwankungen. Er muss sich auf die Unternehmen konzentrieren, auf ihre Geschäftsentwicklung. Und er muss die Börsenkurse nicht als Gradmesser für die Richtigkeit seiner Investments verkennen, sondern als das Instrument, das ihm große Chancen bietet. Nämlich immer dann, wenn die emotionale Börsenmeinung den Kurs aberwitzig von seinem eigentlichen Wert entfernt. Wer diese Chancen ergreift, hat den größten Erfolg, denn die großen Chancen bieten sich nicht dem, der genauso handelt wie alle anderen, sondern sie finden sich dort, wo alle anderen schon längst nicht mehr hinsehen.
Das Finanzgenie John Templeton
Ich möchte dieses erfolgreiche antizyklische Agieren an einem Beispiel verdeutlichen, an einem der größten Investoren, den die Welt je gesehen hat: Sir John Templeton. Er gründete 1954 den
Templeton Growth Fonds, der mit seinen spektakulären Gewinnen 50 Jahre lang das Maß der Dinge an der Wall Street war. Dabei beherzigte er stets die Prinzipien des Value Investings und blieb seinem
Credo treu, günstig zu kaufen und teuer zu verkaufen.
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Templetons Aufstieg zum „wohl größten globalen Stock-Picker des Jahrhunderts“, wie ihn das US-Anlegermagazin Money 1999 titulierte, begann in der Baisse des Jahres 1939 auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise zu Beginn des Zweiten Weltkriegs. Damals, als alle Anleger ihre Aktien zu jedem Preis auf den Markt warfen, lieh er sich 10.000 Dollar und kaufte querbeet Unternehmen, deren Aktienkurse unter 1 Dollar gesunken waren. Als er nach einigen Jahren diese Aktien verkaufte, war er ein reicher Mann, da beinahe alle diese Aktien erheblich im Kurs gestiegen waren. Er lebte also seine Maxime vor, in Zeiten des größten Pessimismus einzusteigen, diese unterbewerteten Aktien über einen längeren Zeitraum zu halten und dann teuer wieder zu verkaufen. Er war überzeugt, dass man andere Aktien als alle anderen kaufen müsse, weil man ansonsten eben auch keine andere, bessere, Rendite aufweisen könne.