WAZ
Stahlfusion gelingt nur mit den Arbeitern - Leitartikel von Stefan Schulte zum Konflikt um den Stahl bei Thyssen-Krupp
Essen (ots) - Tradition kann viel wert sein - vor allem jenen
Menschen, die sie schätzen und pflegen. Aber Tradition ist kein Wert
an sich und deshalb in keiner Konzernbilanz zu finden. Umgekehrt ist
auch nicht jede Zahl rational und nicht jeder, der mit Zahlen
handelt, eine Geisel der Logik. So wurde zuletzt jedes noch so
schwache Signal aus dem Thyssen-Krupp-Hauptquartier, die Abspaltung
des Stahlgeschäfts rücke näher, an der Börse bejubelt. Gestern nun
jubelten die Finanzmärkte über eine unerwartet gute Bilanz des
Dax-Konzerns. Dass es der Stahl war, der sie aufhübschte, weil er
kräftige Gewinne abwarf, verkam zur Randnotiz. Er muss trotzdem raus
aus der Bilanz - findet Konzernchef Hiesinger und mit ihm die Börse.
Den Ärger der Stahlkocher darüber, dass Hiesinger sie loswerden
will, fachen ihre aktuell guten Ergebnisse nur weiter an. Sie fühlen
sich verraten und verkauft, dies umso mehr, da sie stolz sind auf
ihre Arbeit, auf ihr Produkt. Dazu haben sie auch allen Grund. Für
ein auf dem Börsenparkett ungeliebtes Relikt der Schwerindustrie ist
der Stahl aus Duisburg, Bochum und Andernach ziemlich gefragt - und
aktuell auch wieder rentabel. Doch um Momentaufnahmen geht es
Hiesinger nicht. Er will den Konzern mit weitem Blick in die Zukunft
neu aufstellen und sieht sein Kerngeschäft in durchaus stählernen
Hightech-Produkten wie Aufzügen, Autoteilen und U-Booten, aber nicht
mehr in der Stahlproduktion selbst. Das nachzuvollziehen, muss
Stahlkochern nahezu unmöglich sein.
Menschen, die sie schätzen und pflegen. Aber Tradition ist kein Wert
an sich und deshalb in keiner Konzernbilanz zu finden. Umgekehrt ist
auch nicht jede Zahl rational und nicht jeder, der mit Zahlen
handelt, eine Geisel der Logik. So wurde zuletzt jedes noch so
schwache Signal aus dem Thyssen-Krupp-Hauptquartier, die Abspaltung
des Stahlgeschäfts rücke näher, an der Börse bejubelt. Gestern nun
jubelten die Finanzmärkte über eine unerwartet gute Bilanz des
Dax-Konzerns. Dass es der Stahl war, der sie aufhübschte, weil er
kräftige Gewinne abwarf, verkam zur Randnotiz. Er muss trotzdem raus
aus der Bilanz - findet Konzernchef Hiesinger und mit ihm die Börse.
Den Ärger der Stahlkocher darüber, dass Hiesinger sie loswerden
will, fachen ihre aktuell guten Ergebnisse nur weiter an. Sie fühlen
sich verraten und verkauft, dies umso mehr, da sie stolz sind auf
ihre Arbeit, auf ihr Produkt. Dazu haben sie auch allen Grund. Für
ein auf dem Börsenparkett ungeliebtes Relikt der Schwerindustrie ist
der Stahl aus Duisburg, Bochum und Andernach ziemlich gefragt - und
aktuell auch wieder rentabel. Doch um Momentaufnahmen geht es
Hiesinger nicht. Er will den Konzern mit weitem Blick in die Zukunft
neu aufstellen und sieht sein Kerngeschäft in durchaus stählernen
Hightech-Produkten wie Aufzügen, Autoteilen und U-Booten, aber nicht
mehr in der Stahlproduktion selbst. Das nachzuvollziehen, muss
Stahlkochern nahezu unmöglich sein.
Doch die weltweite Überproduktion, die steigende Qualität des
Billigstahls aus Asien und Risiken durch europäische Klimaauflagen
machen die Zukunft der Hochöfen schwer kalkulierbar. Das ist ein
Problem für börsennotierte Unternehmen, die noch mehr nach ihren
Prognosen als ihren aktuellen Zahlen bewertet werden. Den Vorwurf, er
denke nur an die Kapitalseite und nicht mehr an die Beschäftigten,
wird Hiesinger so bald nicht mehr los. Doch auch wenn er der oberste
Angestellte des Konzerns ist, bleibt er ein Angestellter und damit
den Besitzern des Unternehmens verpflichtet. Und das sind die
Geldgeber, die Aktionäre. Man muss das nicht gut finden, aber
akzeptieren.
Es ist freilich nicht einerlei, ob ein Mischkonzern eine
ungeliebte Sparte loswerden oder ob der aus Stahl gebaute
Traditionskonzern Thyssen-Krupp seine Keimzelle ausgliedern will. Das
hat keineswegs nur mit Sentimentalitäten zu tun, sondern mit echten
Risiken fürs Geschäft durch die Protestmacht der Stahlkocher. Es gibt
kaum eine widerstandsfähigere Belegschaft als die der
Thyssen-Krupp-Stahlwerke. Die Fusion mit Tata gegen sie
durchzupeitschen, wäre nicht klug. Hiesinger hat immer wieder betont,
den Konsens mit den Arbeitnehmern zu suchen. Was deren Vertreter zu
ambitionierten Forderungen veranlasst wie die
Zehn-Jahres-Jobgarantie. In den kommenden Wochen wird es nun Zeit,
nicht mehr mit Verlautbarungen zu hantieren, sondern am
Verhandlungstisch zu einem Kompromiss zu finden.
Dazu hat in früheren Jahren der größte Einzelaktionär häufig
entscheidend beigetragen: die Krupp-Stiftung. Dass sie sich aus
diesem Kernkonflikt diesmal heraushält, ist nicht nur für die
Stahlkocher enttäuschend. Der Hügel ist dem Erhalt und dem
Zusammenhalt des Unternehmens verpflichtet. Ob das mit oder ohne den
Stahl als Kerngeschäft besser gelingen wird, lässt sich aus
Eigentümersicht durchaus unterschiedlich bewerten. Aber eine klare
Meinung dazu sollte die Stiftung schon haben. Und diese dann auch
äußern.
OTS: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
newsroom: http://www.presseportal.de/nr/55903
newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 - 804 6519
zentralredaktion@waz.de
Billigstahls aus Asien und Risiken durch europäische Klimaauflagen
machen die Zukunft der Hochöfen schwer kalkulierbar. Das ist ein
Problem für börsennotierte Unternehmen, die noch mehr nach ihren
Prognosen als ihren aktuellen Zahlen bewertet werden. Den Vorwurf, er
denke nur an die Kapitalseite und nicht mehr an die Beschäftigten,
wird Hiesinger so bald nicht mehr los. Doch auch wenn er der oberste
Angestellte des Konzerns ist, bleibt er ein Angestellter und damit
den Besitzern des Unternehmens verpflichtet. Und das sind die
Geldgeber, die Aktionäre. Man muss das nicht gut finden, aber
akzeptieren.
Es ist freilich nicht einerlei, ob ein Mischkonzern eine
ungeliebte Sparte loswerden oder ob der aus Stahl gebaute
Traditionskonzern Thyssen-Krupp seine Keimzelle ausgliedern will. Das
hat keineswegs nur mit Sentimentalitäten zu tun, sondern mit echten
Risiken fürs Geschäft durch die Protestmacht der Stahlkocher. Es gibt
kaum eine widerstandsfähigere Belegschaft als die der
Thyssen-Krupp-Stahlwerke. Die Fusion mit Tata gegen sie
durchzupeitschen, wäre nicht klug. Hiesinger hat immer wieder betont,
den Konsens mit den Arbeitnehmern zu suchen. Was deren Vertreter zu
ambitionierten Forderungen veranlasst wie die
Zehn-Jahres-Jobgarantie. In den kommenden Wochen wird es nun Zeit,
nicht mehr mit Verlautbarungen zu hantieren, sondern am
Verhandlungstisch zu einem Kompromiss zu finden.
Dazu hat in früheren Jahren der größte Einzelaktionär häufig
entscheidend beigetragen: die Krupp-Stiftung. Dass sie sich aus
diesem Kernkonflikt diesmal heraushält, ist nicht nur für die
Stahlkocher enttäuschend. Der Hügel ist dem Erhalt und dem
Zusammenhalt des Unternehmens verpflichtet. Ob das mit oder ohne den
Stahl als Kerngeschäft besser gelingen wird, lässt sich aus
Eigentümersicht durchaus unterschiedlich bewerten. Aber eine klare
Meinung dazu sollte die Stiftung schon haben. Und diese dann auch
äußern.
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