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    WAZ  562  0 Kommentare Stahlfusion gelingt nur mit den Arbeitern - Leitartikel von Stefan Schulte zum Konflikt um den Stahl bei Thyssen-Krupp

    Essen (ots) - Tradition kann viel wert sein - vor allem jenen
    Menschen, die sie schätzen und pflegen. Aber Tradition ist kein Wert
    an sich und deshalb in keiner Konzernbilanz zu finden. Umgekehrt ist
    auch nicht jede Zahl rational und nicht jeder, der mit Zahlen
    handelt, eine Geisel der Logik. So wurde zuletzt jedes noch so
    schwache Signal aus dem Thyssen-Krupp-Hauptquartier, die Abspaltung
    des Stahlgeschäfts rücke näher, an der Börse bejubelt. Gestern nun
    jubelten die Finanzmärkte über eine unerwartet gute Bilanz des
    Dax-Konzerns. Dass es der Stahl war, der sie aufhübschte, weil er
    kräftige Gewinne abwarf, verkam zur Randnotiz. Er muss trotzdem raus
    aus der Bilanz - findet Konzernchef Hiesinger und mit ihm die Börse.

    Den Ärger der Stahlkocher darüber, dass Hiesinger sie loswerden
    will, fachen ihre aktuell guten Ergebnisse nur weiter an. Sie fühlen
    sich verraten und verkauft, dies umso mehr, da sie stolz sind auf
    ihre Arbeit, auf ihr Produkt. Dazu haben sie auch allen Grund. Für
    ein auf dem Börsenparkett ungeliebtes Relikt der Schwerindustrie ist
    der Stahl aus Duisburg, Bochum und Andernach ziemlich gefragt - und
    aktuell auch wieder rentabel. Doch um Momentaufnahmen geht es
    Hiesinger nicht. Er will den Konzern mit weitem Blick in die Zukunft
    neu aufstellen und sieht sein Kerngeschäft in durchaus stählernen
    Hightech-Produkten wie Aufzügen, Autoteilen und U-Booten, aber nicht
    mehr in der Stahlproduktion selbst. Das nachzuvollziehen, muss
    Stahlkochern nahezu unmöglich sein.

    Doch die weltweite Überproduktion, die steigende Qualität des
    Billigstahls aus Asien und Risiken durch europäische Klimaauflagen
    machen die Zukunft der Hochöfen schwer kalkulierbar. Das ist ein
    Problem für börsennotierte Unternehmen, die noch mehr nach ihren
    Prognosen als ihren aktuellen Zahlen bewertet werden. Den Vorwurf, er
    denke nur an die Kapitalseite und nicht mehr an die Beschäftigten,
    wird Hiesinger so bald nicht mehr los. Doch auch wenn er der oberste
    Angestellte des Konzerns ist, bleibt er ein Angestellter und damit
    den Besitzern des Unternehmens verpflichtet. Und das sind die
    Geldgeber, die Aktionäre. Man muss das nicht gut finden, aber
    akzeptieren.

    Es ist freilich nicht einerlei, ob ein Mischkonzern eine
    ungeliebte Sparte loswerden oder ob der aus Stahl gebaute
    Traditionskonzern Thyssen-Krupp seine Keimzelle ausgliedern will. Das
    hat keineswegs nur mit Sentimentalitäten zu tun, sondern mit echten
    Risiken fürs Geschäft durch die Protestmacht der Stahlkocher. Es gibt
    kaum eine widerstandsfähigere Belegschaft als die der
    Thyssen-Krupp-Stahlwerke. Die Fusion mit Tata gegen sie
    durchzupeitschen, wäre nicht klug. Hiesinger hat immer wieder betont,
    den Konsens mit den Arbeitnehmern zu suchen. Was deren Vertreter zu
    ambitionierten Forderungen veranlasst wie die
    Zehn-Jahres-Jobgarantie. In den kommenden Wochen wird es nun Zeit,
    nicht mehr mit Verlautbarungen zu hantieren, sondern am
    Verhandlungstisch zu einem Kompromiss zu finden.

    Dazu hat in früheren Jahren der größte Einzelaktionär häufig
    entscheidend beigetragen: die Krupp-Stiftung. Dass sie sich aus
    diesem Kernkonflikt diesmal heraushält, ist nicht nur für die
    Stahlkocher enttäuschend. Der Hügel ist dem Erhalt und dem
    Zusammenhalt des Unternehmens verpflichtet. Ob das mit oder ohne den
    Stahl als Kerngeschäft besser gelingen wird, lässt sich aus
    Eigentümersicht durchaus unterschiedlich bewerten. Aber eine klare
    Meinung dazu sollte die Stiftung schon haben. Und diese dann auch
    äußern.

    OTS: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
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