HINTERGRUND
Zinsanstieg stellt Dividendenstrategien auf den Prüfstand
FRANKFURT (dpa-AFX) - In den nächsten Wochen strömen die snack- und dividendenhungrigen Anleger wieder zu den Hauptversammlungen der börsennotierten Unternehmen. Auch diesmal werden wohl viele Investoren frohlocken, zumindest wenn es um die jährlichen Ausschüttungen geht. Schließlich verteilen 2018 allein in Deutschland die 30 im Leitindex Dax notierten Konzerne die Rekordsumme von rund 37 Milliarden Euro an ihre Anteilseigner - eine Verdoppelung gegenüber dem Wert im Jahr 2000. "Die deutschen Unternehmen sind finanziell gut aufgestellt und können somit überdurchschnittlich viel ausschütten", schrieb Analyst Michael Bissinger von der DZ Bank.
Die Jagd nach Dividenden hat spätestens seit Beginn der Finanzkrise 2007 deutlich an Attraktivität gewonnen. Denn seitdem hat die Dividendenrendite, also das Verhältnis von Dividende zum Aktienkurs, fast immer die Rendite der als sicher geltenden zehnjährigen Bundesanleihen geschlagen. Aktuell rentieren diese lediglich mit etwa 0,5 Prozent, während die Aktien der Dax-Konzerne mit einer Dividendenrendite von im Schnitt knapp 3 Prozent locken.
Anleger sollten aber dennoch auf der Hut sein. Die Popularität der Dividendenstrategien habe die Bewertungen der entsprechenden Aktien überproportional ansteigen lassen, warnte Marion Lamberty, Geschäftsführerin der FVP Gesellschaft für Finanz- und Vermögensplanung. Inzwischen seien Dividendenpapiere durch den vermehrten Einstieg der traditionellen Sparer deutlich stärker von Zinsschwankungen abhängig als zuvor, so dass Kursrückschläge drohten.
Die Gefahr ist real: Bereits seit Ende 2015 legt in den USA der Leitzins wieder zu, und die richtungsweisenden zehnjährigen US-Bundesanleihen rentieren derzeit schon bei knapp 3 Prozent. Steigende Zinsen aber schüren die Angst vor massiven Umschichtungen aus dem Aktien- in den Anleihenmarkt. So geschehen Anfang Februar, als die Furcht vor einer anziehenden Inflation und einer deshalb strafferen Geldpolitik der tonangebenden US-Notenbank die Börsen weltweit auf Talfahrt geschickt hatte. Und wo der Kursrutsch die Ausschüttungen aufgezehrt hatte, half den Anlegern auch keine hohe Dividendenrendite.
Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass die europäischen Aktienmärkte von der Wall Street in Mithaftung genommen wurden, obwohl die Europäische Zentralbank frühestens im nächsten Jahr den Leitzins wieder erhöhen dürfte. Aktuell verharrt er noch bei null Prozent. Insofern sollte noch einige Zeit ins Land gehen, bis auch hierzulande die Anleihenrenditen nennenswert anziehen und die Furcht vor steigenden Preisen im Euroraum die Anleger aus dem Aktienmarkt treibt. Bislang zumindest hätten die Zinsen in Europa noch kein attraktives Niveau erreicht, sagte Jan-Patrick Weuthen, Portfoliomanager bei der B&K Vermögen GmbH.
Und selbst wenn die Zinsen im Euroraum in absehbarer Zeit etwas zulegen sollten, wäre das nicht unbedingt eine schlechte Nachricht für Dividendenjäger - im Gegenteil, meinte Hans-Jörg Naumer, leitender Kapitalmarktstratege beim Vermögensverwalter Allianz Global Investors: "Würde die Europäische Zentralbank die Zinszügel straffen, wäre dies durchaus ein positives Zeichen, dass sie an die Nachhaltigkeit des konjunkturellen Aufschwungs glaubt."
Wer nun auf Dividendenjagd gehen möchte, sollte auf die Qualität der Unternehmen achten und die Aktienauswahl ausreichend streuen, meint Aktienstratege Uwe Röhrig vom Vermögensverwalter UBS Asset Management. Ein guter Richtwert für ein Portfolio seien 60 bis 100 Papiere.
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Laut Fondsmanager Markus Zeiß von LBBW Asset Management könnte auch ein Blick auf Hauptversammlungskalender helfen: "Historische Kursmuster zeigen, dass der Zeitraum zwischen der Ankündigung und der Ausschüttung der Dividende beim Aktionärstreffen häufig eine besonders Erfolg versprechende Phase ist." Der Grund: Vor der Versammlung wolle die Unternehmensspitze durch positive Nachrichten eine gute Stimmung unter den Anteilseignern aufbauen./la/bek/fba
--- Von Lutz Alexander, dpa-AFX ---