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    Börsen-Zeitung  642  0 Kommentare Zu viel Kreativität / Kommentar zur Unternehmensberichterstattung von Dietegen Müller

    Frankfurt (ots) - Neue Abkürzungen in der
    Unternehmensberichterstattung lassen aufhorchen. Auch wenn am Ende
    des Regenbogens ein Topf steht, der mit Goldmünzen gefüllt ist -
    nicht alles ist Gold, was glänzt. Das genannte Symbolbild ist - was
    für ein Zufall - der Einstieg auf die Investorenseite des
    US-Glücksspiel- und Lotterieanbieters Scientific Games. Seit einigen
    Jahren berichtet das an der Nasdaq gelistete Unternehmen, das über 3
    Mrd. Dollar im Jahr umsetzt, aber Verluste schreibt, ein Aebitda.
    Aebitda? Auch deutschen Investoren dürfte das Wort inzwischen
    geläufig sein. Der Online-Mahlzeitenlieferant Hellofresh berichtet
    Fortschritte im operativen Geschäft ebenfalls in Form des Aebitda.
    Dies steht für Adjusted Ebitda - bereinigtes Ebidta - oder
    Attributable Ebitda.

    Scientific Games versteht Aebitda als Ergebnis vor Zinsen,
    Steuern, Abschreibungen und Goodwill-Amortisationen, aber bereinigt
    um sogenannte außerordentliche oder periodenfremde Faktoren wie
    Restrukturierungskosten, Kosten für Rechtsberatung,
    Goodwill-Impairments, Änderungen in der Fair-Value-Bewertung,
    Zinsaufwendungen, Steuerrückstellungen, aktienbasierte
    Vergütungsprogramme und Verluste oder Gewinne aus
    Finanzierungstransaktionen.

    Wie Scientific Games hat auch der Kochboxenlieferant Hellofresh
    ein relativ weitgehendes Verständnis des Aebitda - Kosten für
    Aktienprogramme, für die Kapitalaufnahme oder Rechtsberatung werden
    hier explizit ausgeklammert. Hellofresh benutzt diese nicht generell
    akzeptierte Rechnungslegungskennziffer in der Kommunikation mit
    Anlegern - so sollen auf Ebene des Aebitda im Verlauf von 2019
    schwarze Zahlen geschrieben werden. Kein Einzelfall: Ein bereinigtes
    Ebitda legen in Deutschland beispielsweise auch der IT-Anbieter
    Allgeier oder die Beteiligungsgesellschaft Ringmetall vor.

    Die Absicht in der Verwendung des Aebitda in der Kommunikation ist
    klar. Das operative Ergebnis soll besser aussehen. Für die
    Kursentwicklung muss das nicht schlecht sein - aber dass nun auch
    hierzulande neue Formen von "Bereinigungen" auftauchen, sollte
    Anlegern zu denken geben. Anders als die Unternehmen, die sie
    verwenden, argumentieren, bringen Bereinigungen meist nicht mehr
    Transparenz, sondern weniger: Sie eröffnen Interpretationsspielraum
    und erscheinen mitunter willkürlich. Restrukturierungen oder
    Kapitalmaßnahmen sind doch Teil des normalen Geschäfts, oder etwa
    nicht?

    Kreative Finanzkennzahlen sind ein Warnsignal. Per se sind sie
    zwar keine Aussage über die Qualität des zugrunde liegenden
    Geschäftsmodells. Die kann durchaus in Ordnung sein. Die Verwendung
    bereinigter Kennziffern ist aber auch ein Zeichen: Seht her, wir
    können so berichten und finden auch noch Investoren dafür.

    Dazu hat auch die lange sehr üppige Liquiditätsversorgung der
    Finanzmärkte durch die Notenbanken beigetragen. Doch die Zeiten
    ändern sich. Die Liquidität wird gedrosselt, und die Wachstums- und
    damit die Gewinnperspektiven waren, allgemein gesprochen, auch schon
    einmal besser. In diesem Umfeld werden langsam überreizte Bewertungen
    oder Konditionen sichtbar.

    Das Drehen an operativen Ergebnissen kommt dabei nicht nur im
    Eigenkapitalsegment vor, sondern besonders ausgeprägt etwa im
    Fremdkapitalmarkt, wie dem rasant gewachsenen Leveraged-Loan-Bereich.
    Die Ratingagentur Moody's hat nun festgestellt, dass in den USA bei
    Leveraged Loans die Kreditklauseln inzwischen viel schwächer sind als
    vor der Finanzkrise 2007/08.

    Zu den Top Ten der Möglichkeiten, mit denen Investoren ihren
    Anlageschutz aufgeben, zählen laut Moody's "aggressive
    Ebitda-Add-backs", also der Einsatz schöngerechneter Ebitda.
    Add-backs sind Rückrechnungen von Kosten, die etwa nach einer
    Übernahme wegfallen sollen. In den Kreditklauseln sind laut Moody's
    inzwischen Add-backs von bis zu 20% bis 30% des Ebitda oder mehr
    möglich. Add-backs werden über längere Zeiträume - typischerweise
    über zwei Jahre - angerechnet.

    Eine andere Möglichkeit, Kreditgeber kurzzuhalten, ist der
    Transfer von Sicherheiten an Untergesellschaften - Collateral
    Stripping. Auch die Aufnahme von weiteren Schulden über einen
    "Seitenwagen" (Sidecar) und noch dazu gleichrangig (pari passu) ist
    im Markt schon lange gebräuchlich.

    Diese Konstruktionen sind nicht so einfach zu analysieren wie die
    derzeit an den Märkten hochgespielten Themen Brexit und Italien,
    könnten aber mindestens so weitreichende Folgen für die weitere
    Kursentwicklung von Vermögenswerten haben

    (Börsen-Zeitung, 17.11.2018)

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