Börsen-Zeitung
Zu viel Kreativität / Kommentar zur Unternehmensberichterstattung von Dietegen Müller
Frankfurt (ots) - Neue Abkürzungen in der
Unternehmensberichterstattung lassen aufhorchen. Auch wenn am Ende
des Regenbogens ein Topf steht, der mit Goldmünzen gefüllt ist -
nicht alles ist Gold, was glänzt. Das genannte Symbolbild ist - was
für ein Zufall - der Einstieg auf die Investorenseite des
US-Glücksspiel- und Lotterieanbieters Scientific Games. Seit einigen
Jahren berichtet das an der Nasdaq gelistete Unternehmen, das über 3
Mrd. Dollar im Jahr umsetzt, aber Verluste schreibt, ein Aebitda.
Aebitda? Auch deutschen Investoren dürfte das Wort inzwischen
geläufig sein. Der Online-Mahlzeitenlieferant Hellofresh berichtet
Fortschritte im operativen Geschäft ebenfalls in Form des Aebitda.
Dies steht für Adjusted Ebitda - bereinigtes Ebidta - oder
Attributable Ebitda.
Scientific Games versteht Aebitda als Ergebnis vor Zinsen,
Steuern, Abschreibungen und Goodwill-Amortisationen, aber bereinigt
um sogenannte außerordentliche oder periodenfremde Faktoren wie
Restrukturierungskosten, Kosten für Rechtsberatung,
Goodwill-Impairments, Änderungen in der Fair-Value-Bewertung,
Zinsaufwendungen, Steuerrückstellungen, aktienbasierte
Vergütungsprogramme und Verluste oder Gewinne aus
Finanzierungstransaktionen.
Unternehmensberichterstattung lassen aufhorchen. Auch wenn am Ende
des Regenbogens ein Topf steht, der mit Goldmünzen gefüllt ist -
nicht alles ist Gold, was glänzt. Das genannte Symbolbild ist - was
für ein Zufall - der Einstieg auf die Investorenseite des
US-Glücksspiel- und Lotterieanbieters Scientific Games. Seit einigen
Jahren berichtet das an der Nasdaq gelistete Unternehmen, das über 3
Mrd. Dollar im Jahr umsetzt, aber Verluste schreibt, ein Aebitda.
Aebitda? Auch deutschen Investoren dürfte das Wort inzwischen
geläufig sein. Der Online-Mahlzeitenlieferant Hellofresh berichtet
Fortschritte im operativen Geschäft ebenfalls in Form des Aebitda.
Dies steht für Adjusted Ebitda - bereinigtes Ebidta - oder
Attributable Ebitda.
Scientific Games versteht Aebitda als Ergebnis vor Zinsen,
Steuern, Abschreibungen und Goodwill-Amortisationen, aber bereinigt
um sogenannte außerordentliche oder periodenfremde Faktoren wie
Restrukturierungskosten, Kosten für Rechtsberatung,
Goodwill-Impairments, Änderungen in der Fair-Value-Bewertung,
Zinsaufwendungen, Steuerrückstellungen, aktienbasierte
Vergütungsprogramme und Verluste oder Gewinne aus
Finanzierungstransaktionen.
Wie Scientific Games hat auch der Kochboxenlieferant Hellofresh
ein relativ weitgehendes Verständnis des Aebitda - Kosten für
Aktienprogramme, für die Kapitalaufnahme oder Rechtsberatung werden
hier explizit ausgeklammert. Hellofresh benutzt diese nicht generell
akzeptierte Rechnungslegungskennziffer in der Kommunikation mit
Anlegern - so sollen auf Ebene des Aebitda im Verlauf von 2019
schwarze Zahlen geschrieben werden. Kein Einzelfall: Ein bereinigtes
Ebitda legen in Deutschland beispielsweise auch der IT-Anbieter
Allgeier oder die Beteiligungsgesellschaft Ringmetall vor.
Die Absicht in der Verwendung des Aebitda in der Kommunikation ist
klar. Das operative Ergebnis soll besser aussehen. Für die
Kursentwicklung muss das nicht schlecht sein - aber dass nun auch
hierzulande neue Formen von "Bereinigungen" auftauchen, sollte
Anlegern zu denken geben. Anders als die Unternehmen, die sie
verwenden, argumentieren, bringen Bereinigungen meist nicht mehr
Transparenz, sondern weniger: Sie eröffnen Interpretationsspielraum
und erscheinen mitunter willkürlich. Restrukturierungen oder
Kapitalmaßnahmen sind doch Teil des normalen Geschäfts, oder etwa
nicht?
Kreative Finanzkennzahlen sind ein Warnsignal. Per se sind sie
zwar keine Aussage über die Qualität des zugrunde liegenden
Geschäftsmodells. Die kann durchaus in Ordnung sein. Die Verwendung
bereinigter Kennziffern ist aber auch ein Zeichen: Seht her, wir
können so berichten und finden auch noch Investoren dafür.
Dazu hat auch die lange sehr üppige Liquiditätsversorgung der
Finanzmärkte durch die Notenbanken beigetragen. Doch die Zeiten
ändern sich. Die Liquidität wird gedrosselt, und die Wachstums- und
damit die Gewinnperspektiven waren, allgemein gesprochen, auch schon
einmal besser. In diesem Umfeld werden langsam überreizte Bewertungen
oder Konditionen sichtbar.
Das Drehen an operativen Ergebnissen kommt dabei nicht nur im
Eigenkapitalsegment vor, sondern besonders ausgeprägt etwa im
Fremdkapitalmarkt, wie dem rasant gewachsenen Leveraged-Loan-Bereich.
Die Ratingagentur Moody's hat nun festgestellt, dass in den USA bei
Leveraged Loans die Kreditklauseln inzwischen viel schwächer sind als
vor der Finanzkrise 2007/08.
Zu den Top Ten der Möglichkeiten, mit denen Investoren ihren
Anlageschutz aufgeben, zählen laut Moody's "aggressive
Ebitda-Add-backs", also der Einsatz schöngerechneter Ebitda.
Add-backs sind Rückrechnungen von Kosten, die etwa nach einer
Übernahme wegfallen sollen. In den Kreditklauseln sind laut Moody's
inzwischen Add-backs von bis zu 20% bis 30% des Ebitda oder mehr
möglich. Add-backs werden über längere Zeiträume - typischerweise
über zwei Jahre - angerechnet.
Eine andere Möglichkeit, Kreditgeber kurzzuhalten, ist der
Transfer von Sicherheiten an Untergesellschaften - Collateral
Stripping. Auch die Aufnahme von weiteren Schulden über einen
"Seitenwagen" (Sidecar) und noch dazu gleichrangig (pari passu) ist
im Markt schon lange gebräuchlich.
Diese Konstruktionen sind nicht so einfach zu analysieren wie die
derzeit an den Märkten hochgespielten Themen Brexit und Italien,
könnten aber mindestens so weitreichende Folgen für die weitere
Kursentwicklung von Vermögenswerten haben
(Börsen-Zeitung, 17.11.2018)
OTS: Börsen-Zeitung
newsroom: http://www.presseportal.de/nr/30377
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Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de
ein relativ weitgehendes Verständnis des Aebitda - Kosten für
Aktienprogramme, für die Kapitalaufnahme oder Rechtsberatung werden
hier explizit ausgeklammert. Hellofresh benutzt diese nicht generell
akzeptierte Rechnungslegungskennziffer in der Kommunikation mit
Anlegern - so sollen auf Ebene des Aebitda im Verlauf von 2019
schwarze Zahlen geschrieben werden. Kein Einzelfall: Ein bereinigtes
Ebitda legen in Deutschland beispielsweise auch der IT-Anbieter
Allgeier oder die Beteiligungsgesellschaft Ringmetall vor.
Die Absicht in der Verwendung des Aebitda in der Kommunikation ist
klar. Das operative Ergebnis soll besser aussehen. Für die
Kursentwicklung muss das nicht schlecht sein - aber dass nun auch
hierzulande neue Formen von "Bereinigungen" auftauchen, sollte
Anlegern zu denken geben. Anders als die Unternehmen, die sie
verwenden, argumentieren, bringen Bereinigungen meist nicht mehr
Transparenz, sondern weniger: Sie eröffnen Interpretationsspielraum
und erscheinen mitunter willkürlich. Restrukturierungen oder
Kapitalmaßnahmen sind doch Teil des normalen Geschäfts, oder etwa
nicht?
Kreative Finanzkennzahlen sind ein Warnsignal. Per se sind sie
zwar keine Aussage über die Qualität des zugrunde liegenden
Geschäftsmodells. Die kann durchaus in Ordnung sein. Die Verwendung
bereinigter Kennziffern ist aber auch ein Zeichen: Seht her, wir
können so berichten und finden auch noch Investoren dafür.
Dazu hat auch die lange sehr üppige Liquiditätsversorgung der
Finanzmärkte durch die Notenbanken beigetragen. Doch die Zeiten
ändern sich. Die Liquidität wird gedrosselt, und die Wachstums- und
damit die Gewinnperspektiven waren, allgemein gesprochen, auch schon
einmal besser. In diesem Umfeld werden langsam überreizte Bewertungen
oder Konditionen sichtbar.
Das Drehen an operativen Ergebnissen kommt dabei nicht nur im
Eigenkapitalsegment vor, sondern besonders ausgeprägt etwa im
Fremdkapitalmarkt, wie dem rasant gewachsenen Leveraged-Loan-Bereich.
Die Ratingagentur Moody's hat nun festgestellt, dass in den USA bei
Leveraged Loans die Kreditklauseln inzwischen viel schwächer sind als
vor der Finanzkrise 2007/08.
Zu den Top Ten der Möglichkeiten, mit denen Investoren ihren
Anlageschutz aufgeben, zählen laut Moody's "aggressive
Ebitda-Add-backs", also der Einsatz schöngerechneter Ebitda.
Add-backs sind Rückrechnungen von Kosten, die etwa nach einer
Übernahme wegfallen sollen. In den Kreditklauseln sind laut Moody's
inzwischen Add-backs von bis zu 20% bis 30% des Ebitda oder mehr
möglich. Add-backs werden über längere Zeiträume - typischerweise
über zwei Jahre - angerechnet.
Eine andere Möglichkeit, Kreditgeber kurzzuhalten, ist der
Transfer von Sicherheiten an Untergesellschaften - Collateral
Stripping. Auch die Aufnahme von weiteren Schulden über einen
"Seitenwagen" (Sidecar) und noch dazu gleichrangig (pari passu) ist
im Markt schon lange gebräuchlich.
Diese Konstruktionen sind nicht so einfach zu analysieren wie die
derzeit an den Märkten hochgespielten Themen Brexit und Italien,
könnten aber mindestens so weitreichende Folgen für die weitere
Kursentwicklung von Vermögenswerten haben
(Börsen-Zeitung, 17.11.2018)
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