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    Mittelbayerische Zeitung  720  0 Kommentare Das schlanke Gewissen / In Deutschland wird viel über gesunde Ernährung geredet. Die Kaufentscheidung der Verbraucher ist meist eine andere. Von Benjamin Weigl

    Regensburg (ots) - schen Anspruch und Wirklichkeit groß.
    Einerseits reden wir ständig über Lebensmittel - die Deutschen machen
    sich heute vermutlich so viele Gedanken wie nie zuvor darüber, was
    sie essen. Etwa jeder zehnte Deutsche lebt als Vegetarier, eine
    Million sogar vegan. Auch der Anteil derer, die auf ihren
    Fleischkonsum achten, nimmt Statistiken zufolge zu. Andererseits muss
    man festhalten, dass nur rund fünf Prozent der Lebensmittel, die in
    Deutschland verkauft werden, biologisch produziert sind. Bei Fleisch
    und Wurstwaren ist der Anteil verschwindend gering. Supermärkte
    überbieten sich weiterhin mit Billig-Angeboten für Hähnchenbrust und
    Schweinehack. Daraus Vorwürfe zu stricken und Schuldige zu benennen,
    ist nicht so einfach, wie Tierschützer und Ernährungsdogmatiker
    vorgeben. Der Anteil an ökologisch erzeugten Lebensmitteln kann nicht
    wachsen, wenn die Verbraucher nicht bereit sind, mehr dafür zu
    zahlen. Gleichzeitig muss zugestanden werden, dass es sich viele
    schlichtweg nicht leisten könnten, für Bio-Fleisch einen drei- bis
    fünffach höheren Preis zu zahlen. Menschen, die jeden Euro zweimal
    umdrehen müssen, kann man nicht vorwerfen, die günstigen Angebote im
    Supermarkt zu nutzen. Letztendlich ist die Frage, wie gut und
    umweltfreundlich wir uns ernähren, also nicht zuletzt eine Frage des
    Wohlstands der breiten Masse. Bekanntlich geht auch in Deutschland
    die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auf, anstatt sich zu
    schließen. In Zeiten, in denen so viele Menschen dauerhaft in Lohn
    und Brot stehen wie lange nicht, wohlgemerkt. Während die Wirtschaft
    um sie herum bestens läuft, kämpfen viele Bio-Milchbauern um ihre
    Existenz. Die Nachfrage nach Bio-Milch steht in keinem Verhältnis zum
    derzeit großen Angebot. Wer möchte, dass Bio-Landwirtschaft politisch
    unterstützt und subventioniert wird, sollte vor dem Supermarktregal
    seine persönliche Kaufentscheidung ebenfalls zugunsten dieser
    teureren Produkte treffen. Eine ähnliche Gemengelage sehen wir beim
    zuletzt vieldiskutierten Thema Lebensmittelverschwendung. Zum
    Jahreswechsel hat Tschechien, nach Frankreich und Italien, ein Gesetz
    beschlossen, das großen Supermärkten untersagt, Lebensmittel
    wegzuwerfen. Stattdessen müssen alle noch zum Verzehr geeigneten
    Produkte an soziale Einrichtungen gespendet werden. Ein guter Ansatz.
    In Deutschland wäre das jedoch nicht viel mehr als ein Tropfen auf
    dem heißen Stein: Hier liegt der Anteil des vom Handel verursachten
    Lebensmittelabfalls bei gerade einmal fünf Prozent. Danach folgen
    Industrie und Großverbraucher, etwa Gastronomie und Kantinen, mit
    jeweils rund 17 Prozent. 61 Prozent werfen wir selbst weg - die
    Verbraucher. Jeder einzelne steht also in der Pflicht. Verbraucher
    haben einen größeren Einfluss auf die Entwicklung der
    Wirtschaftsstrukturen, als gemeinhin angenommen. Das bedeutet
    natürlich nicht, dass es keine übergreifenden Lösungen braucht. Wie
    beim Klimawandel, bei Migration und anderen weltumspannenden Themen
    muss auch hier global diskutiert werden. Eine Gruppe von fast 40
    internationalen Forschern, darunter Wissenschaftler des Potsdamer
    Instituts für Klimafolgenforschung, hat in dieser Woche einen
    umweltfreundlichen Welt-Ernährungsplan vorgelegt. Die
    EAT-Lancet-Kommission ist überzeugt, dass ein Umbau des weltweiten
    Landwirtschaftssystems bis 2050 zu gesünderer Ernährung führen, dabei
    Hunger und Umweltzerstörung stoppen könnte. Die Vorgaben sind klar:
    Wir müssten den Fleisch- und Zuckerkonsum um rund die Hälfte
    verringern, den von Gemüse und Obst erhöhen. Im Schnitt dürfte jeder
    Mensch nur noch 43 Gramm Fleisch täglich essen. Die Frage ist: Sind
    wir dazu bereit?

    OTS: Mittelbayerische Zeitung
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