Fintechs brauchen einen verbindlichen Rahmen

Bessere Regulierung schafft Planungssicherheit und Wachstum

Kryptowährungen und besonders die dahinterstehende Blockchain-Technologie werden unser Leben verändern, auch außerhalb des Finanzwesens. Beobachter gehen davon aus, dass Blockchains außerordentlich viele Transaktionen, Buchungsvorgänge, Abrechnungen, Audits, Controllings und Bilanzierungen automatisieren werden – und nebenbei die Leute oder Institutionen überflüssig machen, über deren Tisch und durch deren Hände heute diese Daten laufen. Diese „Mittelmänner“ werden obsolet, so das Credo der Tech-Experten.

 

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Freilich sind diese umfangreichen Anwendungen aktuell noch nicht in Sicht. Wesentliche und mit Abstand prominenteste Funktion von Blockchains sind bislang die Kryptowährungen. Das Bestechende am Blockchain-Mechanismus: Die Blockchains werden durch dezentrale Organisation gesteuert und sind so gegen Manipulationen und Machtmissbrauch gefeit. Die Daten sind unveränderbar, die Blöcke sind einzeln verschlüsselt und es gibt von allen Informationen mehrere Kopien – auch dies ein wichtiger Schutz vor Betrug. Zudem werden alle Transaktionen gespeichert und sind öffentlich einsehbar.

 

Eigentlich gute Voraussetzungen für einen Durchmarsch der Technologie, wären da nicht zwei Nachteile: die enormen Kursschwankungen der Kryptowährungen. Und unzuverlässige, manchmal sogar zwielichtige Dienstleister, in deren Wallets die teuren Cryptos offenbar nicht so gut aufgehoben sind – was ausdrücklich nicht an der generellen Sicherheit von Blockchains liegt, sondern an den schlecht gemanagten Services. Experten fordern daher auch eine straffere Aufsicht und Justierung. Zu ihnen gehören mit Frank S. Jorga und Franz Thomas Fürst, beide Gründer und Geschäftsführer des Identifikationsspezialisten WebID Solutions GmbH, zwei ausgesprochene Branchenkenner. „Regulierung gibt Investoren Sicherheit und schafft Vertrauen bei Kunden“, bringen es beide auf den Punkt.

 

„Wenn klare Regeln existieren, schafft dies Rechts- und Planungssicherheit. Das wiederum ist die Voraussetzung dafür, dass sich eine Branche überhaupt erst etabliert“, ergänzt Jorga. Kryptowährungen seien da nur ein Beispiel. An ihnen ließe sich laut Jorga aber sehr gut demonstrieren, wo die aktuellen Defizite beim Wirken der Fintechs liegen: „Derzeit erleben wir einen Wildwuchs bei der Emission von unternehmenseigenen Kryptowährungen. Die meisten Kryptowährungen sind zwar vom Volumen her limitiert. Doch dies gilt natürlich nicht für die schiere Anzahl unterschiedlicher Cryptos. Die Regeln zur Herausgabe dieser sogenannten Token an Investoren – oft zum Zwecke der Finanzierung dieser Fintechs – sind jedoch viel zu locker. Wir befürchten einen großen Missbrauch und enttäuschte Anleger – was dann auf die gesamte Finanzbranche zurückfällt.“

 

Werden aber die Aktivitäten der meist jungen und oftmals unerfahrenen Firmen eingegrenzt, fassen die Marktteilnehmer Vertrauen. Dann wissen alle, woran sie sind. Zudem könne Regulierung Märkte öffnen. Dies zeige etwa das Beispiel Brasilien, wo es bis vor zehn Jahren nur zwei Kreditkartenfirmen und zwei Zahlungsabwickler gab. Nach der Marktöffnung, flankiert durch das Aufstellen von Regeln, hat sich die Anzahl der Akteure vervierfacht. Mehr Wettbewerb macht Märkte effizienter und damit auch kostengünstiger.

 

Daneben haben die beiden WebID-Chefs, zu deren Kunden besonders Finanzdienstleister gehören, einen weiteren Vorteil ausgemacht, wenn man mehr Leitplanken aufstellt: Alle spielen nach denselben Regeln, und es gibt keine Rosinenpickerei mehr. „Banken müssen sich an ein kompliziertes, aufwändiges Regelwerk halten mit einer Unzahl an Vorschriften und Gesetzen. Obligatorische Bankenlizenzen pressen sie in ein starres Korsett. Fintechs dagegen suchen sich meist gezielt Nischen aus, die unreguliert sind, oder gehen dort Kooperationen ein, wo sie lizensierte Partner benötigen. Das alles ist legitim, aber trotzdem ein Nachteil für die Etablierten“, bilanziert Fürst.

 

Es verwundert also nicht, dass ausgerechnet aus der Branche selbst der Ruf nach Regulierung kommt. Schließlich haben sie stets ein Interesse an fairen Marktbedingungen und einem guten Ruf, insbesondere bei Finanzprodukten. Beide WebID-CEOs fordern denn auch einheitliche Standards, damit alle innerhalb des gleichen Rahmens agieren. Dabei muss natürlich die Balance gewahrt werden, mahnt Jorga: „Politik und Verwaltung müssen das richtige Maß finden. Klare Regeln ermöglichen Planungssicherheit, sie dürfen aber Wachstum nicht einengen – und schon gar nicht hiesige Firmen gegenüber den internationalen Wettbewerbern benachteiligen.“ Somit stehen Gesetzgeber vor einer nur vermeintlich paradoxen Situation: Auf neuen, unbestellten Feldern müssen sie ein besseres Regelwerk aufstellen – und woanders Mauern einreißen.