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     1129  1 Kommentar Die Altmedien sind genauso hilflos wie die Altparteien

    Mein Ärger und mein Verdruss sind nahezu grenzenlos. Wir stehen an einem Scheideweg unserer Geschichte, doch weder die Altparteien noch die Altmedien sind auch nur ansatzweise in der Lage, den Menschen die Fakten aufzubereiten.

     

    Die einen sehen unsere Welt untergehen, wenn wir jetzt nicht schleunigst etwas unternehmen, die anderen hingegen sehen das alles als nicht so gravierend an.

     

    Doch es findet in der Öffentlichkeit kein Dialog über die Faktenlage und den Stand der Wissenschaft statt. Niemand vermittelt, niemand erklärt. Die Medien versagen komplett und sind nur am Getratsche interessiert. Ein Abwägen der Fakten schaffen sie nicht.

     

    Wenn es hoch kommt, liest man, dass A dem B vorwirft, falsche Fakten zu benutzen. Doch damit ist die inhaltliche Auseinandersetzung dann zu Ende.

     

    Ich habe mich daher entschlossen, der Redaktion der Zeitung, die mich beinahe mein gesamtes Leben lang begleitet hat, einen wütenden Brief zu schreiben. Er sieht so aus:

     

    Sehr geehrte Damen und Herren, bei mir in der Familie wurde seit Generationen Ihre Zeitung gelesen und die CDU oder die SPD gewählt. Doch mit beidem ist jetzt Schluss. Und ich denke, die Gründe sind ziemlich identisch.

     

    Da bringt ein junger YouTuber das System ins Beben und erreicht mit seinem Video über die CDU, bei dem es mir hier hauptsächlich um die Thesen zum Klimawandel geht, nahezu jeden fünften Wähler in der Bundesrepublik dazu, dieses Video anzuklicken.

     

    Das ist also durchaus so etwas wie ein nationales Ereignis.

     

    Ich bin begeistert von diesem Video, jedoch ebenso schnell auch wieder verunsichert, als dann Gegenvideos auftauchen, die zeigen wollen, dass das doch alles gar nicht so schlimm sei.

     

    Was trifft denn nun zu? Stimmt das mit der Einigkeit der Wissenschaft? Oder stehen dahinter hauptsächlich kommerzielle Interessen? Und was ist mit der Vergangenheit? Gab es in der länger zurückliegenden Geschichte nicht schon einmal eine viel höhere CO2-Konzentration? Und wie ist das zu bewerten?

     

    Von da an warte ich auf meine Zeitung. Ich warte auf Sie, dass Sie sich dieses Themas annehmen und es für mich einordnen. Was ist an der Kritik des jungen Rezo dran, was hingegen ist nicht haltbar?

     

    Ich warte auf Sie, denn ich vertraue Ihnen. Ich vertraue Ihrer Einschätzung. Bei den YouTubern hingegen weiß ich das nicht.

     

    Sie schreiben ja auch über diesen Fall. Schreiben, dass die CDU hilflos sei. Doch was ist mit Ihnen? Wo bitte bleiben die Fakten? Sie schreiben, was der eine über den anderen oder die andere denkt, und was aus diesen Meinungen für unser Land erwachsen könnte.

     

    Doch wo bleiben die harten Fakten? Wo ist bitte der Faktencheck?

     

    Ich denke: Das kann doch nicht wahr sein, das kurz vor einer so wichtigen Wahl so etwas passiert, und meine Zeitung, eine der bedeutendsten Zeitungen des Landes, lässt die Leser im Regen stehen. Nur das immergleiche Gefasel, was das wohl in Hinsicht auf die Politik bedeuten könnte.

     

    Doch ich will keinen Klatsch und Tratsch mehr! Hören Sie auf, sich über andere Menschen zu ereifern! Wechseln Sie in das Reich der Fakten! Und wenn Sie nicht wissen, was das ist, schauen Sie im Duden nach!

     

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie wirken für mich in diesem Fall nicht nur komplett hilflos, es gibt Sie anscheinend sogar gar nicht mehr. Jedenfalls nicht in dem Bereich, der von Relevanz ist. Und ich denke, das gilt für alle Medien. Die Altmedien sind genauso hilflos wie die Altparteien.

     

    Was soll ich mit Ihnen beiden noch anfangen? Denn dieser Fall steht ja nur pars pro toto. Ich habe es aufgegeben, von Ihnen faktenorientierte Einordnungen der Dinge erhalten zu können.

     

    Und was den Bankrott so fatal macht: Ich bin jetzt 62 Jahre alt, und ich muss mich ins Internet aufmachen, um mir dort die Fakten, Bewertungen und Einordnungen zu besorgen, die mir die alte Ordnung nicht liefern kann oder nicht liefern will.

     

    Was meinen Sie, was mit all den anderen ist, die weit jünger sind als ich? Für die sind Sie doch nichts anderes als Nachtgespenster. Am besten fangen Sie daher noch schnell an, ein Gute-Nacht-Lied anzustimmen. Bevor es selbst dafür zu spät ist.

     

    Herzlichst Ihr Bernd Niquet

     

     

     


    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Die Altmedien sind genauso hilflos wie die Altparteien Wo bitte bleiben die Fakten?

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