Börsen-Zeitung
Keine Schonzeit / Kommentar zum Zerfall der britischen Regierung von Andreas Hippin
Frankfurt (ots) - Egal wer heute von den britischen Konservativen
zum neuen Parteichef und damit zum Premierminister gemacht wird: Eine
Schonzeit wird es für ihn nicht geben. Schon gar nicht wenn, wie
weithin erwartet, Boris Johnson die Nachfolge von Theresa May
antreten wird. Seine Gegner haben nicht vor, ihm die Chance zu geben,
es wenigstens besser zu machen als die Amtsinhaberin. Johnson muss
fürchten, im Unterhaus keine Mehrheit mehr zu haben, wenn
Oppositionsführer Jeremy Corbyn die offenkundige Zerstrittenheit der
Tories dazu nutzen sollte, die Vertrauensfrage zu stellen.
Schatzkanzler Philip Hammond und Justizminister David Gauke, die
Johnson gern einen Strich durch die Rechnung machen würden, traten
mit ihren Rücktrittsankündigungen die Flucht nach vorn an. Vom
Prinzip der kollektiven Verantwortung hatten sie sich schon früher
verabschiedet: Vergangene Woche verschafften sie der Opposition per
Enthaltung einen Abstimmungssieg gegen die Regierung. Ihnen geht es
darum, einen ungeordneten Brexit um jeden Preis zu verhindern. Alan
Duncan, der im Außenministerium für Europa und Amerika zuständige
Staatssekretär, trat einfach so zurück. Sie alle dürften Johnson die
Gefolgschaft versagen, auch der ehemalige Generalstaatsanwalt Dominic
Grieve oder der frühere Schatzkanzler Kenneth Clarke. Bei der
hauchdünnen Mehrheit von Tories und nordirischen Unionisten würde das
Corbyn schon reichen.
Eine Aussöhnung der verfeindeten Lager ist nicht zu erwarten -
weder innerhalb der Regierungspartei noch jenseits von Westminster.
Denn seit dem EU-Referendum haben nicht viele ihre Meinung dazu
geändert, wie das künftige Verhältnis zu der Staatengemeinschaft
jenseits des Ärmelkanals aussehen sollte.
Und nach wie vor glaubt jede Seite, dass sie am Ende als Sieger
aus der Auseinandersetzung hervorgehen wird. Vielleicht stellt
Johnson ja selbst die Vertrauensfrage. Brexit-Befürworter hätten
nichts gegen Neuwahlen, würden doch eine ganze Reihe der
Abgeordneten, die ihnen so viele Steine wie möglich in den Weg legen,
nicht wieder ins Parlament einziehen. Sie träumen von einer
komfortablen Mehrheit für Johnson, weil sich Labour und
Liberaldemokraten in den urbanen Zentren gegenseitig schwächen
würden. Das erinnert an die Wahl 2017, von der sich Mays Unterstützer
einen Erdrutschsieg erhofft hatten. Am Ende käme wohl wieder eine
Pattsituation heraus. Großbritannien bliebe handlungsunfähig.
(Börsen-Zeitung, 23.07.2019)
OTS: Börsen-Zeitung
newsroom: http://www.presseportal.de/nr/30377
newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_30377.rss2
Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de
zum neuen Parteichef und damit zum Premierminister gemacht wird: Eine
Schonzeit wird es für ihn nicht geben. Schon gar nicht wenn, wie
weithin erwartet, Boris Johnson die Nachfolge von Theresa May
antreten wird. Seine Gegner haben nicht vor, ihm die Chance zu geben,
es wenigstens besser zu machen als die Amtsinhaberin. Johnson muss
fürchten, im Unterhaus keine Mehrheit mehr zu haben, wenn
Oppositionsführer Jeremy Corbyn die offenkundige Zerstrittenheit der
Tories dazu nutzen sollte, die Vertrauensfrage zu stellen.
Schatzkanzler Philip Hammond und Justizminister David Gauke, die
Johnson gern einen Strich durch die Rechnung machen würden, traten
mit ihren Rücktrittsankündigungen die Flucht nach vorn an. Vom
Prinzip der kollektiven Verantwortung hatten sie sich schon früher
verabschiedet: Vergangene Woche verschafften sie der Opposition per
Enthaltung einen Abstimmungssieg gegen die Regierung. Ihnen geht es
darum, einen ungeordneten Brexit um jeden Preis zu verhindern. Alan
Duncan, der im Außenministerium für Europa und Amerika zuständige
Staatssekretär, trat einfach so zurück. Sie alle dürften Johnson die
Gefolgschaft versagen, auch der ehemalige Generalstaatsanwalt Dominic
Grieve oder der frühere Schatzkanzler Kenneth Clarke. Bei der
hauchdünnen Mehrheit von Tories und nordirischen Unionisten würde das
Corbyn schon reichen.
Eine Aussöhnung der verfeindeten Lager ist nicht zu erwarten -
weder innerhalb der Regierungspartei noch jenseits von Westminster.
Denn seit dem EU-Referendum haben nicht viele ihre Meinung dazu
geändert, wie das künftige Verhältnis zu der Staatengemeinschaft
jenseits des Ärmelkanals aussehen sollte.
Und nach wie vor glaubt jede Seite, dass sie am Ende als Sieger
aus der Auseinandersetzung hervorgehen wird. Vielleicht stellt
Johnson ja selbst die Vertrauensfrage. Brexit-Befürworter hätten
nichts gegen Neuwahlen, würden doch eine ganze Reihe der
Abgeordneten, die ihnen so viele Steine wie möglich in den Weg legen,
nicht wieder ins Parlament einziehen. Sie träumen von einer
komfortablen Mehrheit für Johnson, weil sich Labour und
Liberaldemokraten in den urbanen Zentren gegenseitig schwächen
würden. Das erinnert an die Wahl 2017, von der sich Mays Unterstützer
einen Erdrutschsieg erhofft hatten. Am Ende käme wohl wieder eine
Pattsituation heraus. Großbritannien bliebe handlungsunfähig.
(Börsen-Zeitung, 23.07.2019)
OTS: Börsen-Zeitung
newsroom: http://www.presseportal.de/nr/30377
newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_30377.rss2
Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de