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     1202  0 Kommentare Nach Brüssel & Co. Italien pleitegefährdet: Anleihenmärkte sehen das anders!

    Die andauernde Negativpresse über Italiens Staatsverschuldung (130% des BIP), Brüssels Forderung der Haushaltsanierung und die Befürchtungen der Analysten wegen drohender Pleite des Landes sind dem Leser hinreichend bekannt. Neben harten ökonomischen Fakten ist hierin leider auch viel Unfug aufgrund der fehlenden „politischen Korrektheit“ Roms zu finden. Welche Schlüsse sind „trotz Dauerkrise“ aus dem seit Juni laufenden Kursanstieg der langlaufenden italienischen Staatsanleihen zu ziehen? Ist diese Hausse nur Trendgetrieben? Waren umgekehrt die Attacken gegen Rom medial übertrieben? 

    Befund: italienische Staatsanleihen im Jahresvergleich um 20% zugelegt

    Die in der unteren Graphik genannten Anleihen WKN 107314 und WKN 851356 haben während Jahresfrist 19,9% bzw. 21,9% zulegen können, während die vergleichbare Bundesanleihe WKN 113504 nur auf magere 3% kam. Zurzeit hat die Republik Italien am Kapitalmarkt Staatsanleihen mit Fälligkeiten vom 30.08.2019 bis 01.03.2067, die bis 9% Kupon reichen. Insgesamt beträgt das ausstehende Volumen (ohne Bankenkredite) 1,805 Bio. Euro. In den kommenden fünf Jahren werden davon 957 Mrd. Euro fällig. https://www.finanzen.net/anleihen/italien-anleihen. 

    Erklärungen für den Kursanstieg die nicht überzeugen

    Kursanstiege (Renditesenkungen) sind nach der klassischen Kapitalmarktheorie ein Indiz, dass es der Wirtschaft (wieder) besser geht und das Anlegerrisiko gesunken ist. Vielleicht haben die schlauen Ratingagenturen das bei Italien schon im Februar/März geahnt und das Rating des „populistischen“ Landes unverändert bei BBB (Moody) gelassen. https://www.wallstreet-online.de/nachricht/11412248-s-p-co-italienisch .... Unter dem Strich warnten dennoch die meisten Pressekommentare vor Abstufung. Mit Rating kann bekanntlich Politik gemacht werden, wenn Großanleger (Fonds, Asset Manager) „bonitätsbedingt“ bestimmte Papiere nicht mehr kaufen dürfen und damit die Refinanzierungskosten des Emittenten verteuern.

    Auch bei aktuellen Kommentaren kommt nach Salvinis Weggang keine Freude auf, denn die häufigsten Erklärungen können nicht überzeugen. 

    Argument 1: Die neue „europafreundliche“ Regierung (offiziell noch nicht im Amt) wird es richten. Das ist nicht überzeugend, da der Kursanstieg schon drei Monate andauert. Auch irritierende Artikel sind voll im Umlauf: einmal werden „italienische Anleihe gesucht“, ein anderes Mal droht ihnen „Ausverkauf“. https://www.capital.de/geld-versicherungen/was-steckt-hinter-dem-ausve ... und https://www.wiwo.de/finanzen /boerse/staatsanleihen-anleger-greifen-bei-italien-anleihen-zu/24576296.html

    Argument 2: Die neue Eigentümerstruktur hat den Kursverfall gerettet. Auch das ist nicht überzeugend. Banken und Zentralbanken haben geholfen. Leider hält erfahrungsgemäß eine solche „Kursstütze“ nicht Monate an. Zudem kommt es immer auf den Vergleichszeitpunkt an. Ab 1997 haben z.B. ausländische Großinvestoren ihren Anteil von 24% auf 36% erhöht. Ob diese Gruppe am aktuellen Kursanstieg verdienen, bleibt fraglich. Grob geschätzt stehen die Kurse heute da, wo schon vor 10 Jahren. Es sind keine Allzeithochs. 

    Vielleicht haben Italiener doch Recht: Sparen und Entschulden in der Krise fehl am Platze?

    Die Erklärung für die Kursavancen könnte sehr viel einfacher ausfallen. 

    Mögen die bequemen Italiener die Mittel mit denen vergangene Staatsschulden gemacht wurden, auch verkonsumiert haben. Gegen heutiges Schuldenmachen für Infrastrukturprojekte ist dagegen nichts einzuwenden. Rezession und marode Infrastruktur haben wir auch, warum sollen unsere Anleihen so viel billiger (Renditen höher) als die deutschen sein? - werden sich die Südländer fragen. Anleger und Analysten könnten diese Denkweise übernehmen und einen „Nachholbedarf“ bei Roms Schuldpapieren konstatiert haben. So kam es zur Kurshausse.

    Und die (Staats-)Schulden? 

    Hier wird dem Spezialisten schnell auffallen, dass Deutschland nur „rechenkünstlerisch“ besser als der Buhmann Italien dasteht. Würden die sog. impliziten Schulden dazugerechnet (fehlende Rückstellungen für Beamtenpensionen und viele andere) ist es aus mit Berlins Status des Vorbild-Schuldners https://www.wallstreet-online.de/nachricht/11290772-deutschland-staats ...

    Auch hierzulande wird zuletzt das Wort Neuverschuldung und Abschied von der „Schwarzen Null“ wieder laut ausgesprochen. https://www.journalistenwatch.com/2017/02/12/die-heiligen-kuehe-der-de ....

    Nicht alle ökonomischen Weisheiten die aus Berlin kommen, müssen sinnvoll sein. 

    Dr. Viktor Heese:    Finanzanalyst und Fachbuchautor, www.finanzer.eu




    Dr. Viktor Heese
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    Dr. Viktor Heese ist promovierter Volkswirt und war bis 2010 dreißig Jahre bei verschiedenen Großbanken im Wertpapierresearch tätig. Heese spezialisierte sich auf Versicherungs- und Bankaktien sowie Kapitalmarktanalyse. 2010-2013 leitete er das Deutsch-Russische-Zentrum- für Wirtschaftsforschung und deutsches MBA in Moskau. Seit 2014 ist er als Fachbuchautor und Publizist freiberuflich tätig und bietet Fachseminare zu Börsen- und Bankthemen an. Er ist Herausgeber des Anleihen-Börsenbriefes „Der Zinsdetektiv“
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    Verfasst von Dr. Viktor Heese
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