Mit Börsenweisheiten ist es wie mit Klischees - Seite 2
Beide Börsenweisheiten scheinen also zu stimmen, auch wenn sie sich in gewissen Punkten zu widersprechen scheinen. Allerdings hängt das auch von der jeweiligen Anwendung und Betrachtungsweise ab. Grundsätzlich haben die meisten Börsenweisheiten ihre Berechtigung. Denn so wie Klischees entstehen, haben auch Börsenweisheiten oft einen plausiblen Hintergrund. Ob sie zutreffend sind, hängt dann noch von der jeweiligen Interpretation ab.
Sell in May and go away…
Das gilt insbesondere auch für den bekannten Spruch „Sell in May and go away…“. So könnte man für das laufende Jahr argumentieren, dass bei exakter Befolgung des Spruchs Gewinne entgangen wären, weil die US-Indizes (u. a. Dow Jones, S&P 500 und Nasdaq 100) ihr Allzeithoch erst im Juli erreicht haben (siehe grüner Pfeil im folgenden Chart des S&P 500). Allerdings waren großartige Zugewinne von Mai bis Juli nicht mehr möglich. Der S&P 500 stieg zum Beispiel nur noch um 2,5 % – im Maximum.
Man trifft allerdings beim Verkauf selten exakt das Hoch. Insofern wäre ein Ausstieg bereits im Mai mit Blick auf den anschließenden Kursverlauf nicht schlecht gewesen. Man hätte sich wahrscheinlich sogar noch einige graue Haare erspart. Und aktuell notieren die US-Indizes unter dem Hoch von Anfang Mai (roter Pfeil).
… but remember to come back in September
Im Detail kommt es also auf die Interpretation an, ob die Börsenweisheit wirklich in jedem Fall weise ist. Das gilt auch für den zweiten Teil des Spruchs: „… but remember to come back in September.“
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Wer im laufenden Jahr am Mai-Hoch aus- und am ersten Tag im September wieder eingestiegen ist, konnte leicht günstigere Kurse für sich verbuchen. Doch der Spruch lautet „Sell IN may…“ und „… come back IN september“. Also verkaufe irgendwann im Mai und kaufe irgendwann im September. Der S&P 500 stand am 31. Mai deutlich tiefer (2.750 Punkte) als am 1. Mai (2.954 Punkte) und er stand am 19. September (3.021 Punkte) deutlich höher als am 1. Handelstag im September (2.891 Punkte). Wer am 31. Mai verkauft und am 19. September zurückgekauft hat, musste deutlich draufzahlen.