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     173  0 Kommentare Carmignacs Schwellenländerchef kommentiert: „Der Anstieg der Fallzahlen ist ziemlich beunruhigend“

    In den Schwellenländern breitet sich das Corona-Virus verstärkt aus. Was das mit den Ländern macht, wie sie mit der Krise umgehen, und wie sich Anleger verhalten sollten, erklärt Xavier Hovasse, Aktienchef für Schwellenländer bei Carmignac Gestion, in einem Frage-Antwort-Spiel.Wie wird die Erholung in den Schwellenländern im Vergleich zu den Industrieländern aussehen?
    Xavier Hovasse: Schwellenländeranlagen wurden von dem durch die Corona-Krise bedingten Ausverkauf stark in Mitleidenschaft gezogen und verzeichneten hohe Kapitalverluste, mehr als in allen anderen Krisen der letzten 15 Jahre. Allerdings gab es zwischen den Schwellenländern große Unterschiede im Umgang mit der Krise, und die Form und der Verlauf der Erholung werden je nach der internen Dynamik und den Fundamentaldaten jedes Landes und jeder Region unterschiedlich sein.
    China und die asiatischen Länder insgesamt profitierten von der "First in – First out"-Dynamik: Als die Ersten von der Krise betroffenen Regionen scheinen sie diese auch als Erste wieder überstanden zu haben. Zudem scheinen sie die Krise angesichts der niedrigeren offiziellen Sterblichkeitsraten relativ gut überstanden zu haben: bereits vor dem Beginn der Gesundheitskrise wiesen sie bessere makroökonomische Fundamentaldaten auf aufgrund von Leistungsbilanzüberschüssen und damit geringerer Anfälligkeit gegenüber äußeren Einflüssen. Von den Ländern Lateinamerikas und des Nahen Ostens hingegen lässt sich dies jedoch leider nicht feststellen. Denn diese leiden angesichts des erneuten Anstiegs der Infektionszahlen und der noch nicht absehbaren schwerwiegenden wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen der gegenwärtigen Lockdown-Maßnahmen auf ihre ohnehin eher anfällige, auf Welthandel und Außenfinanzierung angewiesene Wirtschaft immer noch unter der Gesundheitskrise.


    Insgesamt glauben wir, dass die aktuelle Krise die bereits davor vorhandenen Tendenzen zu Deflationsdruck, einem langsamen globalem Wachstum und Dispersion der Wirtschaftsleistung zwischen den Ländern verstärkt. Die politische Rebellion gegen die Globalisierung wird wahrscheinlich anhalten. Doch nach unserer Auffassung werden Schwellenländer mit soliden Fundamentaldaten wie beispielsweise China, das von zahlreichen Vorteilen profitiert, insgesamt sogar widerstandsfähiger aus der Krise hervorgehen. Für den Rest der Schwellenländer dürfte der Weg zur Erholung steiniger sein, und der aktuelle Anstieg der Fallzahlen ist ziemlich beunruhigend. Wir beobachten die Situation daher genau.
    Wie beurteilen Sie die von den Schwellenländern ergriffenen Maßnahmen, um sich gegen die durch die Pandemie verursachte wirtschaftliche Rezession zur Wehr zu setzen?
    Hovasse: Eine bedeutende Anzahl von Schwellenländern ist auf US-Dollar-Liquidität und die Außenfinanzierung durch die US-Notenbank angewiesen. Ein Liquiditätsengpass beim US-Dollar hätte einer Reihe von Schwellenländern große Schwierigkeiten bereitet, doch konnte die Fed die Wahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios durch ihre Anfang März bekannt gegebenen US-Dollar-Swap-Vereinbarungen mit den Zentralbanken wichtiger Schwellenländer senken. Dies verschaffte den Regierungen und Zentralbanken der Schwellenländer den notwendigen Handlungsspielraum, um ihren Finanzierungsbedarf kurzfristig zu decken.
    Die weiteren Liquiditätsspritzen in Rekordhöhe und die "endlose" gemäßigte Haltung der Fed helfen den Zentralbanken und Regierungen der Schwellenländer, ihrerseits eine lockere Wirtschafts- und Geldpolitik zu führen, ohne Währungsabwertungen und einen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit befürchten zu müssen. Sehen wir uns andererseits die wirtschafts- und fiskalpolitische Reaktion mehrerer Politiker aus Schwellenländern auf die Krise im Detail an, gibt es trotz der zahlreichen Zinssenkungen und Liquiditätsspritzen große Unterschiede, und wir erleben eine eher verhaltene Reaktion im Vergleich zu den Industrieländern. Im Moment scheinen sie sich mehr auf die Bekämpfung der Pandemie zu konzentrieren, und es macht den Eindruck, als würden sie aufgrund ihrer Sorge über die möglichen Folgen für ihre Zahlungs- und Devisenbilanzen keine großen Anreizmaßnahmen schaffen wollen.
    In den kommenden Wochen und Monaten erwarten wir von den politischen Entscheidungsträgern in den Schwellenländern jedoch sowohl in fiskalpolitischer als auch in geldpolitischer Hinsicht weitere Impulse, da die langfristigen Auswirkungen dieser Krise auf die Wirtschaft noch nicht absehbar sind und die Infektionsfälle in jüngster Zeit zugenommen haben.
    Welche Schwellenländer waren der Corona-Virus-Kurve voraus?
    Hovasse: Wie bereits erwähnt, sticht China deutlich heraus und geht als Gewinner aus der Krise hervor. Deshalb haben wir in unserem Multi-Asset-Fonds mit Schwellenländerfokus unser Exposure in chinesischen Aktien schrittweise auf ca. 45 Prozent des Aktienexposures des Fonds erhöht (Stand: Ende Mai 2020). Unsere optimistische Einstellung gegenüber China hängt nicht nur mit dessen gutem Umgang mit der Krise zusammen, sondern ist das Ergebnis einer Kombination unserer makroökonomischen Überlegungen mit attraktiven Bottom-up-Gelegenheiten, die wir heute an den chinesischen Märkten sehen.
    Top-down betrachtet ist es dem Land gelungen, seine Wirtschaft relativ schnell wieder auf Kurs zu bringen – im Gegensatz zu den Industrieländern, die unserer Ansicht nach mehr Zeit brauchen, um wieder voll in Schwung zu kommen. Darüber hinaus ist der Dienstleistungssektor viel stärker von der Corona- Krise betroffen, und in China ist der Anteil der Dienstleistungen im Vergleich zu anderen Ländern viel geringer (die Industrie macht mehr als 40 Prozent des chinesischen BIP aus, gegenüber lediglich 15 Prozent in den USA, 20 Prozent in Deutschland und rund 10 Prozent in Frankreich). Dementsprechend kommt die Wachstumslücke zwischen China und der übrigen Welt China zugute und wird sich weiter zu seinen Gunsten vergrößern. Daneben hat China mit einem gezielteren Ansatz bisher groß angelegte staatliche Unterstützungsmaßnahmen vermieden. Anstatt wahllos Kredite in die Wirtschaft zu pumpen, bewirkte China ein Herunterfahren der Wirtschaftsaktivität und vergab Kredite an die Schlüsselsektoren der Wirtschaft (Technologie, Künstliche Intelligenz, Gesundheit, Elektrofahrzeuge).
    Die Sektoren der chinesischen New Economy, die als die großen Gewinner aus der Krise hervorgegangen sind, werden daher in den kommenden Jahren von einem anhaltenden Wachstum profitieren. Und schließlich erscheint die Bewertung chinesischer Aktien heutzutage im Vergleich zu globalen Indizes, insbesondere gegenüber zu historisch hohen Kennzahlen gehandelten US-Aktien, relativ attraktiv. Genau in diesem Bereich halten wir in unseren Schwellenländerfonds Positionen: Wir investieren in Unternehmen mit annehmbaren Bewertungen, die gut positioniert sind, um sowohl von der politischen Unterstützung als auch vom langfristigen Trend der chinesischen New Economy zu profitieren (eCommerce, Gesundheit, Technologie, Rechenzentren).
    Insgesamt bevorzugen wir bei den Allokationen in unseren Schwellenländerfonds Länder mit soliden makroökonomischen Fundamentaldaten und sich verbessernden Leistungsbilanzen. Gleichzeitig meiden wir rohstoffexportierende Länder mit Außenfinanzierungsbedarf. In dieser Hinsicht heben sich die asiatischen Länder ab. Deshalb halten wir beträchtliche Positionen in asiatischen Ländern, wobei wir von China, Südkorea und Indien am meisten überzeugt sind.
    In den vergangenen Monaten haben die Daten gezeigt, dass Finanzprodukte für verantwortungsbewusste Investitionen zunehmend an Zugkraft gewinnen. Ist dies auch im Schwellenländer-Universum der Fall?
    Hovasse: Im Allgemeinen haben die Regierungen der Schwellenländer und ihre Börsen erst spät Industrieländerstandards in Bezug auf Aspekte wie Transparenz, Stimmrechte und Vertretung der Aktionärsrechte gefordert. Angesichts der ursprünglich niedrigen Standards und der steigenden Nachfrage nach verantwortungsbewussten Produkten spielt das Angebot an entsprechenden Produkten daher schon jetzt bei Anlagen in den Schwellenländern eine große Rolle und wird in noch stärkerem Maße an Bedeutung gewinnen.
    Anleger sollten jedoch klar zwischen den verschiedenen Arten von verantwortungsbewussten Investmentansätzen unterscheiden: dem Best-in-Class- und dem Best-in-Universe-Ansatz. Angesichts der insgesamt höheren ESG-Standards in Europa könnte ein Best-in-Class-Ansatz eine gute Möglichkeit für die Auswahl von Investments darstellen. Für die Schwellenländer gilt dies jedoch nicht: Angesichts der schlechten Governance-Standards in diesen Ländern glauben wir, dass hier ein Best-in-Class-Ansatz möglicherweise nicht ausreicht. Tatsächlich lässt der weit verbreitete Best-in-Class-Ansatz, in dessen Rahmen sich die Portfoliomanager bei der Titelauswahl an einer Benchmark mit fester Sektorallokation orientieren, die sich aus Unternehmen mit der höchsten Nachhaltigkeitsbewertung zusammensetzt, keinen Platz für die starken Überzeugungen eines aktiven Verwaltungsstils. Dies ist in den Schwellenländern von entscheidender Bedeutung, um in bestimmte Länder und Sektoren zu investieren und andere dagegen vollständig zu meiden. Genau dafür haben wir uns bei unserer Multi-Asset- Schwellenländerstrategie entschieden: Die Aktienanlagephilosophie des Carmignac Portfolio Emerging Patrimoine stützt sich auf einen "Best-in-Universe"-Ansatz, der auf Sektoren und Unternehmen mit unterdurchschnittlicher Durchdringung abzielt, bei denen wir eine verantwortungsbewusste Wachstumsdynamik erkennen. Dabei meiden wir naturgemäß Energie- und Rohstoffunternehmen, die in Bezug auf Governance, Sicherheit und Umweltrichtlinien sehr schlechte Standards aufweisen.
    Bei Growth-Aktien erleben wir weiterhin eine überdurchschnittliche Wertentwicklung. Denken Sie, dass sich diese Tendenz negativ auf die Schwellenländer auswirken wird?
    Hovasse: In den vergangenen 20 Jahren haben sich die Schwellenländer von einem Universum für Rohstoff- und Infrastrukturanlagen zu einem eher innovations- und technologieorientierten Universum entwickelt. Vor zehn Jahren waren Technologieaktien lediglich mit einem Anteil von 14 Prozent im MSCI Emerging Market Index vertreten; Energie und Grundstoffe machten dagegen 20 Prozent des Index aus. Heute machen Technologie, Kommunikationsdienste und Konsumgüter knapp die Hälfte des MSCI Emerging Market Index aus, wohingegen der Anteil von Rohstoffen (Energie und Grundstoffe) weniger als 15 Prozent beträgt.
    Es ist schwierig vorherzusagen, wie sich der Index in den nächsten zehn Jahren entwickelt, doch die bisherige dichotomische Betrachtungsweise der Schwellenländer ist vielleicht nicht mehr angemessen. Eines ist aus unserer Sicht jedoch sicher: Seine aktuelle Zusammensetzung ist wesentlich stärker auf das Thema "Wachstum" ausgerichtet – ein Thema, in das wir im Schwellenländeruniversum bevorzugt investieren wollen: aufstrebende Mittelschicht, gesteigerter Konsum, Innovation und disruptive Technologien.
    Eine weitere Frage, die sich Anleger vielleicht stellen sollten, lautet: Mit welchen Positionen fühle ich mich vor dem Hintergrund tiefgreifender, langfristiger Unsicherheit am sichersten? Unserer Meinung nach muss die Antwort lauten: "Aktien, deren Gewinnwachstumstreiber möglichst wenig von makroökonomischen Prognosen abhängig sind." In diesem Zusammenhang haben Growth-Aktien noch immer ausgezeichnete Zukunftsaussichten. Es ist jedoch wichtig, äußerst selektiv vorzugehen und den Schwerpunkt auf Anlagen in Sektoren mit unterdurchschnittlicher Durchdringung zu legen, um gezielt in Wertpapiere rund um das Thema verantwortungsbewusstes Wachstum zu investieren.
    Betrachtet man beispielsweise die Durchdringungsrate des e-Commerce in einigen Schwellenländern, so lässt sich feststellen, dass das potenzielle Wachstum in vielen Bereichen viel höher ist als in den Industrieländern. Speziell in Lateinamerika ist dabei der Anteil des Online-Handels an den Einzelhandelsumsätzen mit etwa 5 Prozent sehr gering, während er in den USA oder selbst in China mehr als 25 Prozent beträgt. Trotz der jüngsten Ereignisse sind wir nach wie vor davon überzeugt, dass wahrscheinlich viele der Gewinner von morgen aus den heutigen Schwellenländern hervorgehen werden. Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass bei Anlagen in den Schwellenländern ein aktiver Ansatz zwingend erforderlich ist, um Unternehmen mit soliden Bilanzen und einem beständigen, überdurchschnittlichen Gewinnwachstum zu ermitteln.

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