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    Polen  1007  0 Kommentare Polexit - eine Kosten-Nutzen-Analyse tut Not

    Auch die Bundesagentur GTAI drückt sich um eine klare Aussage

    Die EU-Mitgliedschaft ist kein Erholungsurlaub in einem Scharaffenland. Sie kann temporär und länderbezogen Nachteile bringen. Für den Mainstream ist die letzte Sichtweise jedoch tabu. So warnt dieser die Polen vor der „Verarmung“ im Falle eines Polexit, wagt aber keine Analyse. Auch die renommierte Bundeszentrale GTAI befürchtet gravierende Folgen, übt sich in einem wenig ausgewogenen Bericht in Konjunktiven. Der Polexit, wie früher der Brexit, darf keine positiven Seiten haben. https://www.gtai.de/gtai-de/trade/wirtschaftsumfeld/bericht-wirtschaft ...

    M. Lynn „The Telegraph” – die EU wird gegen Polen verlieren

    Der britische Wirtschaftsjournalist M. Lynn meint dagegen, Polen sei wirtschaftlich zu stark um https://www.telegraph.co.uk/business/2021/10/09/eu-will-lose-war-polan ....  etwas zu befürchten. Die EU wird gegen Polen verlieren. Auch der GTAI widerspricht nicht, dass Polen die widerrechtlich einbehaltenen Gelder aus dem Corona-Aufbaufonds nicht angewiesen sind, da es die Finanzierung – so wie Ungarn- aus Eigenmitteln und mit Kapitalmarktgeldern stemmen kann. https://www.youtube.com/watch?v=WKfTmMX3mUE&t=8s. Pro-Polen-Optimisten sind im Internet schwer zu finden. 

    Ist unser östliche Nachbar wirklich ein derart potenter Leistungsträger-Staat, der es mit der EU aufzunehmen wagt Polen bleibt schon dann siegreich, wenn es den Angriff der EU abwehrt! 

    Hierzu einige Überlegungen: Die polnische Wirtschaft wuchs seit 1990 immer stärker als die deutsche. Der Vorsprung beträgt 2% bis 3% jährlich. Prognosen für die Nach-Coronas-Zeit sehen keine Änderung. Um das Wirtschaftswunder zu stemmen arbeiten im Land zwei Millionen Ukraine, die Arbeitslosenquote liegt bei 3% (Graphik). Das kaufkraftbereinigte BIP überstieg 2019 mit 1,3 Bill. USD die Niederlande und zieht gleich mit Australien. Polen ist nicht Griechenland. 


     
    Die Kosten-Nutzen-Analyse eines Polexit in 4 Punkten

    1.    Netto-Transferleistungen (Subventionen) an Polen: Der Höhe nach nicht gerade super relevant!        

    EU führt 1  :  0

    Für viele Mainstream-Nutzer erschöpft sich die Analyse bereits in der Feststellung, Polen sei „unsolidarisch“, verwechsle die EU mit dem „Geldautomat“ und wir Europäer müssen sie „durchfüttern“. So weit, so gut. Dass das wirtschaftlich erfolgreiche Polen später andere „durchfüttern“ muss, wissen die wenigsten. Bayern wurde im Rahmen des bundesdeutschen Länderfinanzausgleiches lange Zeit durchgefüttert, jetzt füttert es die anderen.

    Auch kommt den Standardnutzern nicht in den Kopf, dass für die 13,2 Mrd. €, die Warschau 2020 von der EU als Futtergeld erhielt sich der Muster-Kowalski täglich gerade eine Dose Bier (Rechnung unten) leisten kann. 

    Auf diese wird der stolze Kowalski notfalls verzichten, weil, er den Wodka bevorzugt https://de.statista.com/statistik/daten/studie/38139/umfrage/nettozahler-und-nettoempfaengerlaender-in-der-eu/     

    13,21 Mrd. €     Nettogelder aus Brüssel
    38,5 Mill. Einwohner in Polen
    ergibt 0,94€ pro Einwohner/Tag


    GTAI zu den Zahlen:

    Warum die Berliner Experten für 2004- 020 eine Fördersumme von 190 Mrd. € nennen, kann nur vermutet werden. Mehr ist besser und es wird ohnehin niemand merken. Haben Sie die Brutto-Zahl vielleicht bewusst eingesetzt? Auf Anfrage erklären sie unschuldig: Um einem Missverständnis vorzubeugen: Im Artikel werden die Brutto-Überweisungen genannt. Die Nettozahlungen sind selbstverständlich niedriger, …

    2.    Energiewende der EU – nur Mitglieder müssen dem Brüsseler „Green New Deals“ bedingungslos folgen 

    Polen gleicht aus 1 : 1

    Als Nicht-Mitglied stünde Warschau nicht unter dem „grünen“ EU-Energiediktat. Es könnte die Umstellung von Kohle/Braunkohle - die über 70% als Primärenergieträger fungieren, - im eigenen Tempo und Ausmaß bestimmen. Es geht hier um mehr Geld als bei den Subventionen.

    Hintergrund: Die EU will bis 2030 den CO2-Ausstoß um 55% reduzieren (Polen „Muss“ um 85%!). Wer heute zu stark die Luft verpestet, der zahlt die von Brüssel festgelegte und regulär steigende Co2-Abgabe (z.Zt. 55 € pro Co2 pro Tonne) an den eigenen Staatshaushalt. Polnische Unternehmen kostet das allein in 2021-2023 über 10 Mrd. € (47 Mrd. Zloty). Zwar bleibt das „Geld im Lande“, die Abgabe wirkt dennoch inflationär und konkurrenzhemmend. 
    Hinzu kommen Milliarden-Investitionen für die eigentliche Wende. Die von der EU geforderte Co2-Neutralität kostet 136 Mrd. € an Investitionskosten, die Gesamtkosten der Energiewende für 2021 -2040 sogar gigantische 1,6 Bill. Zloty (350 Mrd. €) – inklusive Bau kleiner AKWs. 

    Die EU-Fördermittel für diese Aufgabe reichen wie gewöhnlich und sind – absprachegemäß - abhängig von jeweiligen Klimazielerreichung, die von Brüssel „überprüft“ wird. Bei solchen Absprachen haben die Polen schlechte Erfahrungen, wie das letzte Gerangel um den Corona-Aufbaufonds belegt. https://www.wnp.pl/energetyka/koszty-transformacji-energetycznej-polsk ...

    GTAI antwortet zur Frage nach möglicher Kostenersparnis in diesem Bereich ausweichend: 

    Die Europäische Union hat mehrere Fördermechanismen geschaffen, um Mitgliedsstaaten beim Kohleausstieg zu unterstützen. Das kann auch ohne Expertenhilfe jedermann nachlesen. 

    3.    Freier Waren- und Dienstleistungsverkehr – Zölle sind ein zweischneidiges Schwert, Gegenzölle und Importsubstitution immer wirksame Abwehrmaßnahmen

    Weiter unentschieden 1,5 : 1,5     

    GTAI stellt zentral heraus: 

    „Rund 75 Prozent aller polnischen Exporte gehen an europäische Partner“. Wenn die Exporte … aufgrund (der) Handelshemmnisse zurückgehen, bedeutet das …sinkende Umsätze. Gleichzeitig beziehen polnische Firmen … Komponenten von (EU) Lieferanten. Ohne diese Importe könnte es … schwerer fallen, konkurrenzfähige Produkte herzustellen. 

    Gilt dieses Grundschulwissen denn nicht auch für die deutschen und die EU-Firmen, zumal wenn Polen Gegenzölle erheben würde? Bei Handelshemmnissen kann es immer Gewinner und Verliere geben. Denn obwohl die Exporte und Importe hier in der Regel gleichzeitig fallen ist der neue Außenhandelssaldo entscheidend, wer den „Handelskrieg“ gewinnt oder verliert. 

    Beispiel: Großbritannien steht nach dem Brexit heute als der „Gewinner“ im Handelsbereich dar (andere Wirtschaftsaspekte wären zu überprüfen). 2020 hat sich der EU-Exportüberschuss von 125 Mrd. € auf 110 € reduziert bei einem von 514 Mrd. € auf 445 Mrd. € gesunkenen Handelsvolumen. Zahlen beim GTAI zu finden. Warum könnten die Polen wie die Briten nicht die Gewinner sein? Wenn polnische Exporte in die EU weniger fallen als die Importe zurückgehen wird der etwa ausgeglichene Außenhandelssaldo positiv(er)? Eine erfolgreiche Importsubstitution könnte es möglich machen. 

    Besonders Deutschland sollte auf seine eigenen Verlustgefahren achten. Die Visegrad-Staaten (Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei) sind für uns mit 286 Mrd. € Handelsvolumen ein wichtigerer Partner als die USA oder China sind (Graphik) .  

    4.    Personen- und Kapitalverkehr – polnische Arbeitskräfte europaweit willkommen; Auslandskonzerne könnten mehr „Standmiete“ für die Marktpräsenz in Polen zahlen

    Es bleibt bei 2: 2 Endstand 

    Freier Personenverkehr:

    Offene Grenzen zum Westen hat Polen schon seit 1990, also noch lange vor seinem EU-Beitritt in 2004 und direkt nach dem Fall des Kommunismus. Die Lage würde sich nach einem Polexit nicht gravierend ändern, wie auch der Brexit zeigt. Geschlossene Grenzen und Visa-Pflicht sind reine Utopie. Grenzkontrollen sind eine Kann-Vorschrift. Notfalls werden Bilateral Abkommen geschlossen. Polnische Arbeitskräfte sind im Westen geschätzt. Alles bekannte Fakten. 

    Freier Kapitalverkehr:

    Beim Kapitalverkehr, dessen Hauptvarianten Sach- und Portfolioinvestitionen sind, kommt es noch stärker auf die Interessenslage der Partner an. Unbestritten haben die EU-Investitionen in Polen ein erdrückend höheres Gewicht als es umgekehrt ist. Nach 1990 hat Polen nicht nur seine Grenzen, sondern auch die Märkte geöffnet und das EU-Kapital floss ungehindert ins Land, vor allem aus Deutschland und den Niederlanden. 

    Im Zeitraum 2004-2020 haben somit westliche Investoren aufgrund der EU-Freiheit und der Top-Renditen 65% mehr an Gewinnen, Dividenden, Zinsen und anderen Zahlungen aus Polen transferiert, als die EU-Nettozahlungen betrugen. Das wären dann nach heutigem Wechselkurs mehr als 210 Mrd. € https://www.youtube.com/watch?v=zJFLCwOU1Lg.

     Im Falle des Polexit würde Polen die Konditionen mit den Auslandsinvestoren neu verhandeln. Es gäbe wahrscheinlich keinen Nulltarif wie bei der EU-Freiheit. Besonders die „weichen gewinnmindernden Kosten“ (Lizenzzahlungen an die Holding-Mütter) stünden auf der Agenda der polnischen Steuerbehörden. 

    Selbstverständlich wäre umgekehrt ein Abzug des Auslandskapitals schädlich, dieser ist jedoch wegen o.g. Renditen und der Inflexibilität der Investitionsanlagen weniger wahrscheinlich. 

    GTAI zum Kapitalverkehr und den Investitionen: 

    Es fällt schwer… einzuschätzen, welche Konditionen Polen durchsetzen bzw. anbieten könnte. Erfahrungen aus dem Brexit zeigen, wie kompliziert die Verhandlungen vor und nach einem Austritt verlaufen können. 

    Haben wir auch gewusst. Hier stellt sich die Gegenfrage: Haben irgendwelche Westinvestoren schon mit dem Abzug oder Geschäftsaufgabe im Falle eines Polexit gedroht? 

    Das Gegenteil ist der Fall. Die Austrittsfrage ist mindestens seit einem Jahr in der Diskussion. Investoren halten das Land aber immer noch für sehr attraktiv. Vor wenigen Monaten hat das auch der GTAI bemerkt. Heute klingt es schon anders. https://www.gtai.de/gtai-de/trade/wirtschaftsumfeld/meldung-wirtschaft .... „Deutsche und internationale Investoren müssten auf andere EU-Länder in der Region ausweichen“. Warum eigentlich plötzlich die veränderte Wahrnehmung?

    Fazit: 

    Wenn selbst die GTAI (Germany Trade and Invest – Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing mbH), die dem Namen nach mit 400 Mitarbeitern in 80 Ländern Standortmarketing betreibt, „linientreu“ researchiert, ist das ein schlechtes Zeichen. Einer wirtschaftlichen Analyse kann es nicht dienlich sein, wenn der Brexit oder der Polexit allein durch die Brille der Nachteile für die EU-Aussteiger dargestellt werden. Anmerkung: Die entsprechende GTAI-Seite nennt zum Polexit einen Ansprechpartner mit Telefonnummer. Will man dessen Dienste in Anspruch nehmen heißt es aber: Für ein telefonisches Gespräch stehen uns leider keine Kapazitäten zur Verfügung. Marketing ist anders zu verstehen.

    Autor: Dr. Viktor Heese – Analyst und Fachbuchautor, www.prawda24.com + www.finanzer.eu
     




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    Dr. Viktor Heese
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    Dr. Viktor Heese ist promovierter Volkswirt und war bis 2010 dreißig Jahre bei verschiedenen Großbanken im Wertpapierresearch tätig. Heese spezialisierte sich auf Versicherungs- und Bankaktien sowie Kapitalmarktanalyse. 2010-2013 leitete er das Deutsch-Russische-Zentrum- für Wirtschaftsforschung und deutsches MBA in Moskau. Seit 2014 ist er als Fachbuchautor und Publizist freiberuflich tätig und bietet Fachseminare zu Börsen- und Bankthemen an. Er ist Herausgeber des Anleihen-Börsenbriefes „Der Zinsdetektiv“
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    Verfasst von Dr. Viktor Heese
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