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    Wird er es wieder tun?

    Die Börsenentwicklung hängt dieses Jahr entscheidend davon ab, ob der US-Notenbankchef einen alten Fehler wiederholen wird. Zuerst aber beginnt das Jahr gut, denn ihr könnt hier ein Fläschchen Schampus gewinnen.

    Manchmal ist es sinnvoll zu warten. Ich zum Beispiel schreibe meine Börsenausblicke immer erst nach Silvester, wenn das exakte Vorjahresergebnis feststeht. Diesmal bin ich darüber besonders froh, denn am 5. Januar wurde etwas bekannt, das für die Börsen von großer Bedeutung werden könnte. Die US-Notenbank veröffentlichte das Protokoll ihrer Dezember-Sitzung, in dem dieser entscheidende Satz steht:

    “Einige Teilnehmer wiesen auch darauf hin, dass es sinnvoll sein könnte, relativ bald nach Beginn der Anhebung des Leitzinses mit der Verringerung der Bilanzsumme der Federal Reserve zu beginnen.“

    Versteckt ist dieser Satz in einer regelrechten Buchstabenwüste des Protokolls, das auf 14 Seiten mit 9.834 Wörtern eng beschriebenen ist. Was mir Anlass zu folgendem Suchrätsel gibt: Wer von euch den zitierten Satz im vollständigen englischen Originalwortlaut hier zuerst postet, bekommt ein Fläschchen Schampus zugeschickt, versprochen. Also: Auf die Suche, fertig, los!

    Wer im Einzelnen bei dem Dezember-Treffen zu den genannten „einigen Teilnehmern“ gehörte, steht natürlich nicht im Protokoll. Somit wissen wir nicht, ob auch Notenbankchef Jerome Powell dabei war. Mit großer Wahrscheinlichkeit gehörte aber James Bullard dazu, der Präsident der Landeszentralbank von St. Louis. Denn Bullard legte tags darauf mit dem Statement nach, die Notenbank könnte bereits kurz nach der ersten Zinserhöhung mit der Bilanzverkleinerung beginnen. Und er setzte noch einen oben drauf: Möglicherweise werde die Notenbank zu ihrer Bilanzgröße vor der Pandemie zurückkehren oder dieses Volumen sogar unterbieten. Das war ganz starker Tobak.

    Viele von euch werden sich jetzt fragen, warum eigentlich? Was schert mich die Bilanzsumme der Notenbank? Und warum sollte ausgerechnet sie wichtig sein für die Börsenentwicklung 2022? Solche Fragen sind verständlich, denn die Zusammenhänge sind äußerst komplex und für die wenigsten nachvollziehbar, selbst für viele Notenbanker nicht. Deshalb stehe ich auch ziemlich alleine da mit meiner Einschätzung, dass sich die aufgeblähten Notenbankbilanzen genauso wenig verkleinern lassen, wie sich ausgedrückte Zahnpasta nicht mehr in die Tube zurückquetschen lässt. Letzteres wird kein vernünftiger Mensch versuchen, ersteres wollen Notenbanker aber jetzt offenbar zum zweiten Mal probieren.

    Mit seinem ersten Versuch in den Jahren 2018 und 2019 ist Jerome Powell kläglich gescheitert. Damals musste er die Schrumpfkur nicht nur beenden, sondern sie ins Gegenteil verkehren, also die Bilanz wieder aufblähen, und zwar schon bevor die Coronakrise kam. Sollte er es jetzt aufs Neue probieren – was noch nicht feststeht -, dürfte er damit wieder scheitern. Offen ist nur, wie lange es bis zur Umkehr dauern und wie weit die Schrumpfkur bis dahin gegangen sein wird. Beim letzten Mal hielt Powell jedenfalls mehr als ein Jahr lang durch. 

    Auf eines lege ich mich allerdings schon jetzt fest: Das von Herrn Bullard avisierte Ziel der Bilanzgröße vor der Pandemie wird niemals wieder erreicht werden. Denn dann wäre das Finanzsystem nach meiner Erwartung dem Kollaps nahe. Und dies wiederum wäre vermutlich nicht im Sinne Bullards

    Aber zurück zur Frage, warum die Bilanzsumme der Notenbank für die Börsenentwicklung wichtig ist. Ganz einfach: Ihre Aufblähung spiegelt die Billionen an Dollar wider, die die Notenbank aus dem Nichts geschaffen und über die Märkte ergossen hat. Nur ihretwegen kam es ja zur Billionen-Börsenrally, die wir seit dem Corona-Crash erleben. Würde man der Börse das Geld nun wieder wegnehmen nach dem Motto „ätsch, das war‘s“, wäre sie vermutlich sehr verschnupft. 

    Was passieren könnte, zeigt ein Blick aufs Jahr 2018, das äußerst holprig verlief: Gleich zum Jahresbeginn, als die Notenbank ihren Schrumpfkurversuch gestartet hatte, gab es einen Mini-Crash, von dem sich die Märkte bis in den Spätsommer allerdings wieder erholten. Im Oktober begann dann ein zweiter Kursrutsch, der sich im Dezember beschleunigte, als Powell unverdrossen verkündete, er wolle die Kur auch im folgenden Jahr fortsetzen und weiterhin monatlich 50 Mrd Dollar vernichten. Damals schrieb ich in einem Kommentar am 20.12.2018: „Vermutlich wird die Zeit kommen, in der auch Powell (…) das Experiment stoppen wird – möglicherweise schon im nächsten Jahr“.

    So kam es dann auch. Bereits kurz nach dem Jahreswechsel deutete Powell einen Sinneswandel an. Danach dauerte es zwar noch Monate, bis er die Schrumpfkur tatsächlich beendete und sie wieder ins Gegenteil verkehrte. Aber der sich abzeichnende Sinneswandel reichte aus, um die Märkte zu beruhigen. 

    Für dieses Jahr heißt das: Sollten die US-Notenbanker mit der Schrumpfkur Ernst machen, dürfte es wie 2018 ein holpriges Börsenjahr werden. Wenn sie dagegen nicht Ernst machen, sollte nach dem zweistelligen Plus im Vorjahr noch mal ein einstelliges Plus im Jahr 2022 drin sein. Andere Notenbankaktionen wie das bloße Einstellen der Anleihekäufe oder moderate Leitzinsanhebungen sind für die Börse weniger bedeutend, zumindest was die große Richtung betrifft. Das Gleiche gilt für Corona und die diversen politischen Konflikte. Sie könnten allenfalls für kürzere Störfeuer sorgen.

    Warten wir also ab, ob es Powell wieder tut und vertreiben uns derweil die Zeit mit Britneys altem Ohrwurm:


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    Raimund Brichta
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    Raimund Brichta moderiert im Nachrichtensender n-tv seit Anfang der 90er-Jahre die TELE-BÖRSE, die älteste und populärste TV-Börsensendung Deutschlands. Außerdem ist der Diplom-Volkswirt als freier Wirtschafts- und Finanzjournalist tätig. Er hat sich nicht nur als Moderator und Börsenreporter, sondern auch als Gastredner und Autor einen Namen gemacht. Sein Fachbuch "Die Wahrheit über Geld"* (www.diewahrheituebergeld.de) ist im Börsenbuchverlag erschienen. Er ist redaktioneller Leiter der Anlegerseite wahre-werte-depot.de sowie Autor, Moderator und Co-Produzent einer erfolgreichen Video-Edition für Privatanleger. Brichta ist Träger des State-Street-Preises für Finanzjournalisten des Jahres 2008.
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    Verfasst von Raimund Brichta
    Wird er es wieder tun? Die Börsenentwicklung hängt dieses Jahr entscheidend davon ab, ob der US-Notenbankchef einen alten Fehler wiederholen wird. Zuerst aber beginnt das Jahr gut, denn ihr könnt hier ein Fläschchen Schampus gewinnen. Manchmal ist es sinnvoll zu warten. …