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     1051  0 Kommentare Sentiment- Sentimentalitäten

    Momente, in denen man auf die Knie fallen möchte

    Es ist ein verrücktes Geschäft, kritische Börsenkolumnen im Internet zu schreiben. Gerade in Euphoriezeiten. Und wenn man dann noch grundsätzlich wird, ist es ganz besonders speziell. Man verstehe die Dinge eben einfach nicht, wird einem dann stets vorgeworfen. Und das mildeste Urteil lautet, man wäre beim Schreiben wohl betrunken gewesen.

    In seinem wöchentlichen Update schreibt der „Smart Investor“ in der letzten Woche Bemerkenswertes zur Anlegerstimmung und den ganzen Problemen, die es bei deren Erfassung gibt: „Das Sentiment, zumindest soweit wir das feststellen können, ist durch kaum vorhandenen Optimismus gekennzeichnet. Das heißt, auf Grund eines solchen Sentiments wie aktuell sollte keine Baisse erwartet werden, andererseits: erst in der gestrigen "Euro am Sonntag", ein Blatt, welches zum Studium der Massenstimmung nicht ganz ungeeignet ist, betonte Ralf Rockenmaier (der für den Bereich Aktien zuständige Redakteur) in seiner Kolumne "Pessimismus stimmt positiv" genau dieses unser Argument, nämlich dass aufgrund des aktuellen Pessimismus derzeit kein größerer Einbruch zu erwarten sei. Frage: Wenn jemand, der doch für eine Zeitung mit hoher Auflage schreibt, behauptet, es herrscht Pessimismus, spricht er damit für die Minderheit oder muss man vielmehr vom Gegenteil ausgehen? Sie sehen, das Ganze ist eine Frage der Perspektive und unser altes Credo, wonach Sentimentanalyse eine sehr subjektive Angelegenheit ist, dürfte sich aktuell mehr denn je bewahrheiten.“

    So etwas sind Momente, in denen ich auf die Knie fallen möchte! Endlich hat einmal jemand etwas begriffen und schreibt nicht nur den ewig dummen Melm, den auch die anderen an jedem neuen Tag wieder schreiben!

    Ich gehe allerdings, wie Sie wissen, noch einen Schritt weiter, und sage: Die Messung der Anlegerstimmung ist nicht nur empirisch eine sehr subjektive Sache, sondern schon von der Logik her eine zwanghaft subjektive. Denn objektiv lässt sich nichts über die Anlegerstimmung aussagen. Man bleibt hier stets im rein subjektiven Urteil gefangen.

    Und so könnte man sich jetzt nur noch überlegen, ob es nicht optimistisch zu werten ist, wenn ein kritisches Magazin wie der „Smart Investor“ die optimistische Deutung des Pessimismus durch ein optimistisches Magazin pessimistisch wertet. Und ob diese optimistische Wertung nicht selbst wieder pessimistisch ausgelegt werden muss ...


    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
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