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     7829  0 Kommentare "Es gibt zwangsläufig neue Blasen" - Interview mit Didier Sornette - Seite 2

    Blümel: Finanzmarktblasen sind ja eher selten. Kann man sagen, Sie untersuchen die Randbereiche von Verteilungen, die "Fat Tails"?
    Sornette: Das ist ein wichtiger Punkt. Sie kennen die Idee der "Schwarzen Schwäne" von Nassim Taleb: Zusammenbrühe kommen über Nacht und sind nicht vorhersehbar. Nassim ist mein Freund, wir reden viel, wir sind aber nicht einer Meinung. Die großen Kurssürze werden in der gängigen Theorie falsch beurteilt. Meist läuft ein Crash doch nach dem Muster ab: zehn Prozent runter, dann ein bisschen rauf oder seitwärts, dann wieder kräftig runter, dann wieder aufwärts und dann noch einmal zehn Prozent runter. Nach der Theorie der Normalverteilung sind das drei Vorgänge, die isoliert betrachtet werden, dabei ist es aber doch eigentlich nur ein einziger gigantischer Crash – es sind ineinander übergehende Korrelationen. Zehn Prozent Minus an einem Tag ist nichts Besonderes, kommt einmal in vier Jahren vor. Aber drei solche Verluste kurz hintereinander kämen nach derselben Berechnung einmal in vier Millionen Jahren vor. Da passt also etwas nicht. Diese großen Stürze werden nicht richtig eingeordnet.

    Blümel: Was machen Sie dann anders?
    Sornette: Ich nenne solche Phänomene "Drachenkönige", das macht es greifbarer. Drachen sind etwas Besonderes, die finden wir nicht im Zoo. Und ein König, denken Sie an den König von Marokko, der ist so reich und mächtig wie das halbe Land, das ist jemand außerhalb einer Normalverteilung. Da gelten eigene Mechanismen. Und die Phänomene fallen nicht vom Himmel, sie kündigen sich an. Ein Crash ist die Konsequenz eines langen Reifeprozesses – ein Markt, der aus dem Gleichgewicht gerät.

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    Blümel: Spielen dabei psychologische Effekte eine Rolle?
    Sornette: Ja, aber anders als etwa in der Behavioral Finance konzentrieren wir uns nicht auf den individuellen Anleger, sondern auf das Verhalten vieler. Der Mensch agiert in Netzwerken, viele Entscheidungen werden durch sozialen Druck ausgelöst, durch Angst, Sorge, irrationale Gründe. Der Mensch fürchtet sich davor, anders zu entscheiden als die Masse. Warum nur hat der Mensch ein so großes, energiefressendes Gehirn, obwohl es bei der Geburt unterentwickelt ist? Die beste Antwort ist wohl die, dass das Gehirn mit den Anforderungen der sozialen Gruppen wachsen soll. Wir überleben nicht allein, wir sind stark in Gruppen.

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    Martin Blümel
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    Martin Blümel, Autor bei €uro am Sonntag, beleuchtet in seinem Blog Blümel staunt das tagesaktuelle Geschehen an den Finanzmärkten.
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    Verfasst von 2Martin Blümel
    "Es gibt zwangsläufig neue Blasen" - Interview mit Didier Sornette - Seite 2 Didier Sornette, einst Physiker, jetzt Ökonom und Professor für Entrepreneurial Risks an der ETH Zürich, will zeigen, dass Finanzkrisen wie Erdbeben und Explosionen von Treibstofftanks in Raketen nach Gesetzen funktionieren. "Wir wollen einen …

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