checkAd

    Schwellenländer-Experte  2013  0 Kommentare „Der Westen schläft nicht“ - Seite 2

    FundResearch: Dann lassen uns bei China bleiben. Das Wirtschaftswachstum liegt bei rund sieben Prozent, das Land gehört zu den weltweit führenden Wirtschaftsmächten und auch der politische Einfluss nimmt immer mehr zu. Ist es nicht eigentlich ein Witz, China noch als „Schwellenland“ zu bezeichnen? Ist es nicht längst in der Riege der entwickelten Volkswirtschaften angekommen?

    Professor Gu: Nein, das glaube ich nicht. Ein Trugbild narrt das Land. Aber um Ihre Frage zu beantworten, ist es wichtig zu definieren, was Schwellenländer eigentlich ausmacht.

    FundResearch: Und das wäre?

    Professor Gu: Ein Schwellenland ist ein Land, das sich noch nicht 100 prozentig von der Armut verabschiedet hat und gleichzeitig noch nicht den Wohlstand erreicht hat, den es in Westeuropa und Nordamerika gibt. Es gibt maximal 15 Länder in der Welt, die als sogenannte „Industriestaaten“ bezeichnet werden können. Also Länder, die ein pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt von mehr als 30.000 US-Dollar erreicht haben. Davon ist China weit entfernt. Das pro-Kopf-BIP liegt bei etwa 10.000 US-Dollar. Da ist noch ein langer Weg zu gehen. Vom Volumen her ist China stark, nicht aber beim Thema Wohlstand, beim individuellen Lebensstandard. 

    FundResearch: Dem prominenten peruanischen Volkswirt Hernando de Soto zufolge hat China in den vergangenen 18 Jahren erkannt, dass die Planwirtschaft nicht funktioniert. Stattdessen wurde ein Unternehmertum aufgebaut und Armut erfolgreich bekämpft.

    Professor Gu: Das stimmt. Aber es ist noch nicht genug. Es gibt mindestens noch 100 Millionen Menschen in China, die dem UNO-Standard zufolge unterhalb der Armutsgrenze leben. Solange China es nicht schafft, diese 100 Millionen Menschen von Armut zu befreien, kann man das Land nicht als Industriestaat bezeichnen. China wird sich immer auf einem Niveau bewegen, das nur der Hälfte dessen in Westeuropa oder Nordamerika entspricht. Ich habe wirklich meine Zweifel, dass die Chinesen das ändern werden. Das hat insbesondere technologische Gründe.

    FundResearch: Dann stellt sich für Sie nicht die Frage, wann China zum Industriestaat aufsteigt, sondern ob es überhaupt gelingt?

    Professor Gu: Absolut. Es ist alles andere als sicher, dass China das jemals ohne radikale Innovationen schaffen wird. Der Rückgang des Wirtschaftswachstums hat auch damit zu tun. Die Regierung hat erkannt, dass sich das starke, aber grobe Wachstum schädigend auf die Lebensqualität der Menschen auswirkt. Viel wichtiger ist die Qualität des Wachstums, die für einen dauerhaften Wohlstand sorgt. Dahinter steht auch die neue Philosophie, die sich in China durchgesetzt hat, lieber langsamer zu wachsen, dafür aber qualitativer. 

    Seite 2 von 7



    Patrick Daum
    0 Follower
    Autor folgen
    Mehr anzeigen
    Patrick Daum ist Dipl.-Politologe mit Schwerpunkt für Europa, Wirtschaft und Recht. Als Redakteur bei €uro-Advisor-Services GmbH ist er zuständig für die Top-Themen auf www.fundresearch.de.
    Mehr anzeigen
    Verfasst von 2Patrick Daum
    Schwellenländer-Experte „Der Westen schläft nicht“ - Seite 2 Xuewu Gu, Professor am Center for Global Studies an der Uni Bonn, sprach mit exklusiv FundResearch über die Entwicklung der Schwellenländer und erläutert, warum er nicht glaubt, dass es China ohne radikale Innovationen schaffen wird, sich zum Industriestaat zu entwickeln.