Wie viel Angst müssen Anleger vor dem GAU an den Zinsmärkten haben? - Seite 2
Gemäß geldpolitischem Lehrbuch würde schnell der „Casus Belli“, der Kriegsfall ausgerufen: Mobilmachungen in Form von Leitzinserhöhungen und Zurückführungen von Anleiheaufkäufen zum Zwecke der Inflationsvorbeugung sind unverzüglich durchzuführen.
Tatsächlich scheint der Rentenmarkt bereits erste Signale einer Renditewende bei US-Staatspapieren einzupreisen. Und da der US-Anleihemarkt für die globalen Rentenmärkte der unbestrittene Leithammel ist, sind auch leichte Renditesteigerungen in Deutschland zu beobachten.
Überhaupt, eine seit 1981, also mittlerweile seit 35 Jahren andauernde Anleihehausse schreit doch förmlich nach Trendumkehr, oder?
Ginge der Umkehrschub bei Renditen unvermindert weiter, wären vor allem große Kapitalsammelstellen und Vermögensverwalter gezwungen, ihre gewaltigen
Anleihebestände vorbeugend zu verkaufen. Sie sind ohnehin starkem Konkurrenzdruck ausgesetzt. Sie werden dann nicht warten, bis aus Buchgewinnen Buchverluste werden. Und je mehr Good Bye zu
Anleihen sagen, umso mehr steigen die Renditen. Die Baisse nährt die Baisse.
Zinserholungen sind auch Gift für die größte konkurrierende Anlageklasse „Aktien“. Der deutsche Leitindex DAX befindet sich auf dem aktuell relativ hohen Kursniveau nicht aus fundamentalen Gründen,
sondern vor allem wegen der seit 2008 stark gesunkenen Renditen der größten Alternativanlage „Zinsvermögen“. Früher, als es für deutsche Staatspapiere noch was gab, hatte der DAX keine Chance,
nachhaltig über 8.000 Punkte zu steigen. Warum auch bei risikolosen und attraktiven Brot und Butter-Renditen von vier bis fünf Prozent. Sollte es zu einer klaren Renditeumkehr nach oben kommen,
hätte der Aktienmarkt heute erneut schlechte Karten.
Ist ein Anleihe-Crash möglich?
Kein Anleger muss sich vor einer amerikanischen Zinspolitik mit Schaum vor dem Mund wie zwischen 2004 und 2006 fürchten. Mit einem Anstieg von einem auf 5,25 Prozent hatte die Fed damals nicht nur die ungeliebte Immobilienblase wie eine Schmeißfliege auf der Vase zerschlagen, sondern die Vase gleich mit: Mit einem Schlag hat auch die Weltkonjunktur den Löffel abgegeben. Eine Wiederholung wäre mit „dämlich“ noch nett umschrieben.
Lesen Sie auch
Trumps staatliche Konjunkturoffensive ist ohne stramme weitere Neuverschuldung nicht möglich. Laut Daten vom IWF wird die US-Staatsverschuldung bis zur nächsten Präsidentenwahl 2021 um etwa fünf Billionen US-Dollar steigen. Das ist noch einmal ein Viertel mehr als der bisherige Schuldenkönig Barack Obama hinterlässt. Wer sonst außer der Fed kann eine renditegünstige Finanzierung garantieren, die den US-Staatshaushalt nicht völlig ruiniert. Es sollte auch nicht vergessen werden, dass Frau Yellen eher als Konjunkturunterstützerin, weniger als Inflationsbekämpferin gilt. In ihr schlummert deutlich mehr Taube als Falke.