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     2218  0 Kommentare Unglaubliche Veränderungen

    Es ist interessant: Je älter man wird, umso stärker realisiert man Veränderungen, für die man vorher kaum einen Blick gehabt hätte. Alleine in Hinsicht auf die Finanzen kommt es mir vor, als hätten wir in den letzten Jahrzehnten gleich in mehreren verschiedenen Welten gelebt.

     

    Erinnern Sie sich noch an die Twin-Deficits in den USA? Überhaupt an die Angst vor den Budgetdefiziten? Die ist heute komplett verschwunden. Die Defizite sind zwar weit höher als damals, als die Angst grassiert, doch heute tangiert das kaum noch jemanden.

     

    Oder denken Sie manchmal noch an die Zeit, als alle Welt dachte, dass Geldmengenausweitungen zu Inflation führen? Das wirkt aus heutiger Sicht richtig putzig, oder?

     

    Und dann natürlich die Zinsen. Hätte es jemals jemand für möglich gehalten, dass es eine Zeit geben könnte, in der die Anleihen der Bundesrepublik Deutschland im Bereich von unter zehn Jahren allesamt eine negative Verzinsung aufweisen, wie das heute der Fall ist?

     

    Ich denke: Nein! Das ist wie beim Mauerfall 1989. Wer das prognostiziert hätte, den hätte man zu Recht für unzurechnungsfähig gehalten.

     

    Weitere überraschende Veränderungen sind also beinahe vorprogrammiert. Eine Konstante scheint es jedoch zu geben: Die Aktienkurse sind durch alle Irrungen und Wirrungen hindurch immer gestiegen, allerdings von heftigen Krisen unterbrochen.

     

    Die Veränderungen betreffen natürlich nicht nur die Wirtschaft. Eine Sache hat mich gerade vor Kurzem beinahe umgeworfen: Ich erinnere mich noch gut an eine Kolumne von mir aus dem November 2015, in der ich etwas geschrieben hatte, von der ich fürchtete, sofort als Nazi bezeichnet zu werden. Sie lautete:

     

    Wie soll eine Demokratie mit denjenigen umgehen, die unter Verdacht stehen, eben diese Demokratie zerstören zu wollen? Meine persönliche Lösung sieht so aus: Um unsere Gesamtordnung zu schützen, müssen die Freiheitsrechte Einzelner eingeschränkt werden. Alle Gefährder sowie der potentielle Terroristenkreis sollten elektronisch überwacht werden. Mit einer elektronischen Fußfessel oder Vergleichbarem.“

     

    Da dachte ich: Jetzt stellen sie mich an die Wand!

     

    Heute hingegen – und ich glaube immer noch weder meinen Augen noch Ohren zu trauen – ist das die Position der SPD. Tatsächlich. Die der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.

     

    Ab jetzt ist wirklich anscheinend alles möglich.

     

    Leider aber auch das genaue Gegenteil davon.

     

     

     

     


    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Unglaubliche Veränderungen Ab jetzt ist wirklich anscheinend alles möglich

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