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    Börsen-Zeitung  471  0 Kommentare Volatilität als Risiko, Marktkommentar von Dietegen Müller

    Frankfurt (ots) - Nicht zum ersten Mal sorgt die rekordverdächtig
    niedrige Volatilität an den Aktienmärkten für Aufsehen. Der VStoxx
    Index, der die am Markt für den Euro Stoxx 50 erwartete
    Schwankungsbreite auf Sicht von 30 Tagen abbildet, ist am Mittwoch
    unter 10,8 Punkte und damit auf den bisher niedrigsten Stand
    gesunken. Ein Wert von 20, so die Faustregel, prognostiziert eine
    mittlere tägliche Schwankungsbreite von 1 Prozent - bei 10 wären es
    nur 0,5 Prozent. In den USA ist das Bild ähnlich, wenngleich dort das
    Tief früher im Jahr erreicht wurde. Im langfristigen Mittel beträgt
    die Volatilität etwa um 20 Punkte, in Krisenphasen auch bis 90
    Punkte.

    Was sagt nun die sehr niedrige Volatilität in Bezug auf die
    Risiken im Markt aus? Gemeinhin wird sie als Sorglosigkeit
    interpretiert. Da sie dauerhaft niedrig zu sein scheint, ist eine
    Frage, ob das Verhalten sorgloser Anleger früher oder später
    unweigerlich in einen Crash münden muss. Der eben verstrichene
    Jahrestag des "Black Monday" 1987 lässt grüßen.

    Nun wäre es eine sehr buchhalterisch geprägte Sichtweise, die
    erwartete Schwankungsbreite eines Wertpapiers als aussagekräftigen
    Indikator zu verstehen, was die Risiken ebensolchen Wertpapiers
    betrifft. Dass dessen Preis stark schwanken kann, sagt nichts aus
    über seinen fundamentalen Wert und die innewohnenden Risiken. Es
    handelt sich nur um eine Eigenschaft. Diese Erkenntnis ist wichtig,
    denn erfahrene Investoren halten Volatilitätskennziffern zu Recht für
    ungeeignet, Hinweise auf die innewohnenden Risiken von Anlagen zu
    geben.

    Ohne dies in direkten Zusammenhang stellen zu wollen, ist auch der
    Zusammenhang zwischen Volatilität und Rendite nicht eindeutig. In der
    Praxis zeigt sich, dass Aktien, die eine niedrige Volatilität
    aufweisen, über lange Zeiträume eine überdurchschnittliche
    Renditeentwicklung zeigen. Die aus dem Kapitalmarktmodell abgeleitete
    Aussage, niedrigere Volatilität werde mit niedrigeren Renditen
    belohnt und höhere Volatilität mit höheren Renditen, ist so gesehen
    nicht haltbar.

    Es wäre aber fahrlässig, Volatilität zu ignorieren, nur weil sie
    wenig Brauchbares zur Risikoerkennung liefert. Eine Studie der ETH
    Zürich um den französischen Physiker Didier Sornette sagt, es gebe
    keinen systematischen Beweis, dass eine steigende Volatilität als
    Frühwarnsignal für eine Blase genutzt werden könne. Doch hätten bei
    40 untersuchten Finanzmarktblasen in rund zwei Drittel der Fälle
    Kurseinbrüche nach einer Phase geringer Volatilität stattgefunden.
    Angesichts der geringen Stichprobe lässt sich aber nicht sicher
    ausschließen, dass es sich hier um einen Zufallsbefund handelt - oder
    um eine Trivialität: Bricht ein Markt ein, steigt die Volatilität,
    also wird sie vorher geringer gewesen sein.

    Ein weiterer Grund, sich mit Volatilität auseinanderzusetzen,
    liegt in der Entwicklung zu einer eigenen Assetklasse.
    Volatilitätsprodukte haben in den vergangenen Jahren einen Boom
    erfahren. So gibt es nicht nur Volatilitätsindizes, sondern auch
    etliche Derivate (Futures und Optionen) sowie Exchange Traded
    Products (ETP), mit denen sich Spielarten von Volatilität kaufen und
    verkaufen lassen. Während der Kauf von Volatilität ein enormes
    Verlustgeschäft war, hat sich der Verkauf - etwa über den Inverse VIX
    bisher gelohnt.

    Doch das Risiko besteht, dass hier zu viele Investoren auf die
    falsche Seite setzen. Laut Christopher Cole vom US-Hedgefonds Artemis
    Capital sind derzeit rund 1,5 Bill. Dollar an Anlagegeldern so
    investiert, dass sie von einer dauerhaft niedrigen Volatilität
    ausgehen. Rund 60 Mrd. Dollar seien direkt in Produkte investiert,
    die auf fallende Volatilität setzen. Viele Produkte verknüpfen dabei
    Veränderungen in der Volatilität mit Aktienkäufen oder -Verkäufen, um
    damit eine Zusatzrendite einfahren zu können.

    Einige Marktbeobachter befürchten hier Risiken, sollte die
    Volatilität plötzlich anspringen. Dies würde Investoren, die auf
    fallende Volatilität gesetzt haben, unter Druck setzen und zu
    Aktienverkäufen führen, welche die Volatilität weiter erhöhten. Im
    ungünstigsten Fall könnte sich daraus ein selbstverstärkendes,
    womöglich systemisches Problem entwickeln.

    Ein Warnzeichen könnten die in den vergangenen Monaten teilweise
    extremen Sprünge in der Volatilität sein. So stieg der Vix im Mai an
    einem Tag um 46,4 Prozent (der S&P 500 fiel um 1,8 Prozent). Der Spuk
    war rasch wieder vorbei. Bisher ist es dabei zu keinen
    selbstverstärkenden Bewegungen gekommen. Das muss nicht so bleiben.
    Dadurch, dass Volatilität eine Assetklasse geworden ist, kann sie
    selbst zum Risiko werden.

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