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    Interview mit Stefan Weber  7627 Newron Pharmaceuticals: Parkinson-Mittel vor weiteren Zulassungs-Erfolgen

    Newron Pharmaceuticals hat ein Mittel zur Bekämpfung von Parkinson auf dem Markt. Weitere  Wirkstoffkandidaten befinden sich in einer fortgeschrittenen Entwicklung. In Deutschland ist bisher aber kaum ein Investor auf das italienische Unternehmen mit deutschem Vorstandschef aufmerksam geworden. Das will CEO Stefan Weber ändern. Im Interview mit unserer Redaktion stellt er sein Unternehmen vor, spricht über eine millionenschwere Förderung durch die Europäische Investitionsbank und schaut auf die kommenden Studien.

    Herr Weber, mancher kennt Sie eventuell noch als - unter anderem - ehemaligen CFO von Biofrontera. Was hat Sie 2005 bewogen, nach Italien zu Newron Pharmaceuticals zu gehen?

    Weber: Neben der Herausforderung, eine Management-Position im Ausland zu übernehmen, sah ich die Chance, das vielversprechende Unternehmen in einer sehr spannenden Phase der Unternehmensentwicklung aktiv mitzugestalten. Gereizt haben mich insbesondere die eigenen wissenschaftlichen Ansätze, die die Grundlage für Newrons Medikamentenkandidaten bildeten. Dazu hatte die Gesellschaft ein engagiertes und erfahrenes Management-Team – deren Mitglieder übrigens, mit der Ausnahme des seinerzeitigen CEO, allesamt heute noch im exekutiven Management sind –, einen branchenerfahrenen Aufsichtsrat und erstklassige internationale Life Science Investoren. Wir haben seither erfolgreich Herausforderungen gemeistert und wesentliche Meilensteine erreicht. Dazu gehören der Gang an die Schweizer Börse im Jahr 2006, der mit einem Erlös von damals 74,3 Millionen Euro einer der drei weltweit erfolgreichsten Biotech-IPOs des Jahres war, und die erste Vermarktungszulassung im Jahr 2015.

    14 Jahre später: Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt?

    Weber: Newron verfügte damals mit Safinamide bereits über einen klinischen Medikamentenkandidaten, den wir in den Folgejahren bis zur Marktreife entwickelt haben. Die Vermarktungszulassung dieses Parkinson-Medikaments in weiten Teilen der Welt erfolgte unter dem Produktnamen Xadago (Kanada: Onstryv). Parkinson-Patienten den ersten neuen chemischen Wirkstoff seit mehr als 10 Jahren zugänglich zu machen, stellt in meinen Augen jedenfalls den bisher wichtigsten Meilenstein des Unternehmens dar. Deutschland war 2015 übrigens das erste Land, in dem Xadago auf den Markt kam. Jetzt sind wir mit einem zweiten Produktkandidaten, Sarizotan zur Behandlung von Atmungsstörungen bei der seltenen Erkrankung Rett-Syndrom, wieder kurz vor dem Abschluss der globalen und zulassungsrelevanten Studie. Evenamide, neben Xadago ein weiterer Entwicklungskandidat aus der eigenen „Medikamentenküche“ Newrons, steht vor dem Beginn zulassungsrelevanter Studien in zwei Indikationen von Schizophrenie.

    Die Europäische Investitionsbank (EIB) hat das große Potenzial unserer Pipeline anerkannt und uns 2018 ein Finanzierungspaket von bis zu 40 Millionen Euro zugesagt.

    In der Summe haben wir eine für ein kleines biopharmazeutisches Unternehmen starke Pipeline von Produkten mit Potenzial zur Eigenvermarktung aufgestellt, die zudem solide finanziert ist.

    In Deutschland dürfte ihr Unternehmen nur wenigen Anlegern außerhalb der Biotech-Fachwelt bekannt sein. Können Sie in wenigen Sätzen beschreiben, wo der Fokus von Newron Pharmaceuticals liegt und an welchen Medikamentenprojekten geforscht wird?

    Weber: Als biopharmazeutisches Unternehmen konzentriert sich unsere Arbeit auf die Entwicklung neuartiger Therapien für Patienten mit Erkrankungen des zentralen und peripheren Nervensystems. Mit Xadago (Safinamide) für die Behandlung der Parkinson-Krankheit haben wir bewiesen, dass wir ein Produkt erfolgreich von der ersten wissenschaftlichen Idee bis zum Markt entwickeln können. Das Produkt ist aktuell in der EU, der Schweiz, den USA, Australien, Kanada, Brasilien und Kolumbien für die Behandlung der Parkinson-Krankheit zugelassen und wird über unseren Partner Zambon zusammen mit weiteren Partnern in den entsprechenden Märkten vertrieben. Weitere Zulassungsanträge werden aktuell von den Behörden in Japan, Mexiko und Israel geprüft. Zu den Wirkstoffkandidaten in fortgeschrittener Entwicklung gehören wie schon erwähnt Sarizotan für das Rett-Syndrom und Evenamide als mögliche erste Begleittherapie zur Behandlung von Patienten mit Positivsymptomen der Schizophrenie. Im Fall des erfolgreichen Abschlusses der Entwicklung und der Zulassung von Sarizotan und/oder Evenamide möchten wir die Medikamente in seltenen Erkrankungen oder Nischenindikationen in bestimmten Regionen selbst vertreiben, während für den Vertrieb in Indikationen mit großer Patientenzahl sowie in Regionen außerhalb unseres Fokus Partnerschaften angestrebt werden.

    Bei einem ihrer Projekte, Evenamide, gab es jüngst aufgrund Bedenken der US-Behörde FDA zur Sicherheit überraschende Verzögerungen bei neuen klinischen Studien. Eigentlich sollten diese im zweiten Quartal starten. Nun müssen zusätzliche Sicherheitsdaten erforscht werden. Ist absehbar, zu welchen Verzögerungen die zusätzlichen Arbeiten führen und welche finanziellen Auswirkungen dies für Newron hat?

    Weber: Eine fundierte Aussage zu den konkreten Verzögerungen werden wir nach dem Treffen mit den Vertretern der FDA in den nächsten Wochen und dem Erhalt des Protokolls der erreichten Übereinkunft treffen können. Dazu werden wir dem Markt ein entsprechendes Update zu Evenamide geben. Wir sind von diesem einzigartigen Wirkstoffkandidaten und dem neuartigen Therapiekonzept für Schizophrenie-Patienten weiterhin absolut überzeugt. Basierend auf den bislang vorliegenden Anmerkungen der FDA und unserer langjährigen Entwicklungserfahrung mit Evenamide und Kandidaten der gleichen Wirkstoffgruppe sind wir zuversichtlich, die Bedenken zufriedenstellend adressieren zu können.

    Können Sie die Bedenken der FDA verstehen und gibt es noch Verhandlungsoptionen, um den Schaden bzw. die Verzögerungen zu begrenzen?

    Weber: Wie für uns steht auch für die FDA das Wohl der Patienten im Fokus ihrer Arbeit. Bevor wir in die nächste Phase der Entwicklung mit 1.500 bis 2.000 Patienten starten, möchte die Zulassungsbehörde gern weitere erklärende Untersuchungen zu einzelnen Ergebnissen aus präklinischen Studien sehen. Erlauben Sie mir dazu noch eine Bemerkung: Solche präklinischen Ereignisse sind nicht unerwartet bei der Wirkstoffklasse, mit der wir uns beschäftigen – den spannungsabhängigen Natriumkanalblockern. Wir haben umfangreiche Erfahrungen in der Durchführung von erklärenden Studien wie sie die FDA fordert, auch aus unserer Historie mit vergleichbaren Wirkstoffkandidaten, inklusive Safinamide. Rückblickend können wir feststellen, dass wir in allen Fällen die Fragen der FDA erfolgreich adressieren und die Entwicklung fortsetzen konnten.

    Mit Xadago (Safinamide) haben Sie bereits ein in den USA und der EU zugelassenes Medikament im Portfolio, das 2018 Royalties in Höhe von rund 4 Millionen Euro erzielt hat. Welche Zahlen sind hier für die kommenden Jahre zu erwarten, zumal es weitere Zulassungen für das Parkinson-Medikament geben soll? Wo sehen sie mögliche peak sales für das Medikament?

    Weber: Parkinson ist nach der Alzheimer-Krankheit die zweithäufigste chronische, neurodegenerative Erkrankung bei älteren Menschen. Weltweit leiden 1 Prozent bis 2 Prozent der Bevölkerung über 65 Jahre und damit zwischen sieben bis zehn Millionen Menschen an Parkinson. Der globale Markt für Parkinson-Therapien wird derzeit mit einem Wert von über 4 Milliarden US-Dollar beziffert. Vor dem Hintergrund des fortschreitenden Bevölkerungswachstums und einer durch Fortschritte in der Gesundheitsversorgung gesteigerten Lebenserwartung steht zu erwarten, dass in Zukunft noch mehr Menschen von der Parkinson-Krankheit betroffen sein werden und der Markt weiter wachsen wird. Dank einer langfristigen Marktexklusivität, die durch entsprechende Patentrechte in der Europäischen Union bis 2029 und in den Vereinigten Staaten bis 2031 gilt, wird Xadago unserem Unternehmen noch für mindestens ein Jahrzehnt als eine der wesentlichen Erlösquellen zur Verfügung stehen. Xadago wird durch Zambon bzw. durch weitere Vertriebspartner in verschiedenen Regionen der Welt vertrieben. Newron bekommt dafür übliche Umsatzbeteiligungen aus den Produktverkäufen. Zu Umsatzerwartungen und Peak Sales verweisen wir auf die einschlägigen Analystenberichte.

    Welche nächsten Rollout- und Entwicklungs-Schritte stehen für Xadago (Safinamide) an und wie hoch werden die Investitionen für Newron beim weiteren Rollout und den klinischen Studien ausfallen?

    Weber: Nach jüngsten Zulassungserfolgen in Brasilien, Kanada, Kolumbien und Australien und mit Blick auf laufende Zulassungsverfahren in den bereits genannten Ländern rechnen wir damit, dass Xadago in den kommenden zwölf Monaten in weiteren Schlüsselmärkten eingeführt wird. Gleichzeitig treibt unser Partner Zambon die Vorbereitungen für den Start einer potenziell zulassungsrelevanten Wirksamkeitsstudie mit Xadago bei Patienten mit levodopa-induzierter Dyskinesie voran. Diese Studie soll noch in diesem Jahr beginnen und eine entsprechende Labelerweiterung ermöglichen, um Xadago insbesondere im weitgehend von Generika dominierten US-Markt zu differenzieren. Wir haben Zambon in der Konzeption der Studie unterstützt und leisten einen begrenzten finanziellen Beitrag zur Durchführung der Studie, im Gegenzug zu zusätzlichen Royalty-Zahlungen im Erfolgsfall.

    Ein Datum, auf das Aktionäre bei Newron Pharmaceuticals in diesem Jahr besonders schauen, ist die anstehende Vorlage von Phase-III-Ergebnissen für Sarizotan, das für die Behandlung von Patienten mit Rett-Syndrom entwickelt wurde. Wann sollen die Daten vorliegen und wie werden dann die nächsten Schritte aussehen, zumal die kommerziellen Rechte noch bei Newron selbst liegen und Sie die Vermarktung auch selbst übernehmen wollen?

    Weber: Sarizotan ist, obwohl nicht unser erster Zulassungskandidat, doch ein Novum, da wir erstmals selbst in Kernterritorien die Vermarktung übernehmen wollen. Dafür eignen sich die Indikation (seltene Erkrankung in ca. 1 von 10.000 Mädchen) sowie die Erreichbarkeit der Patienten (über die Rett-Patientenorganisationen) nahezu optimal. Die Ergebnisse der Zulassungsstudie werden voraussichtlich im vierten Quartal 2019 veröffentlicht. Sollten die Ergebnisse der Studie positiv ausfallen, könnten nach den erforderlichen Abstimmungen mit den Zulassungsbehörden die jeweiligen Zulassungsanträge sowie die Vorbereitungen der Markteinführung in Angriff genommen werden. Für die Territorien, die nicht in unserem Fokus stehen, würden entsprechende Partnerschaften angestrebt.

    Welche Investitionssumme wird der Aufbau eines eigenen Vertriebsnetzes in den wichtigsten Märkten für Sarizotan benötigen?

    Weber: Das Rett-Syndrom ist eine seltene neurodegenerative Erkrankung, die in erster Linie Mädchen ab dem Kleinkindalter betrifft. In Europa beispielsweise gibt es weniger als 20.000 Patientinnen mit dieser schweren Krankheit. Die Patienten bzw. ihre Angehörigen sind jedoch in der Regel über Patientenverbände organisiert und vernetzt. Es gibt nur wenige spezialisierte Ärzte und Fachzentren, die ebenfalls Teil der Rett-Community sind. Diese Kontakte können wir zielgerichtet und bedürfnisgerecht mit einem überschaubaren qualifizierten Betreuungsteam adressieren. Es handelt sich also um eine Herausforderung, die wir auch ohne einen großen Partner und mit vergleichsweise moderatem Einsatz von Finanzmitteln stemmen können.

    Die Experten von valuationLAB, die auf den Bereich Life Sciences spezialisiert sind, halten es für möglich, dass Newron Pharmaceuticals im Jahr 2021 die Gewinnzone erreichen könnte. Stimmen Sie dem zu? Oder wie sind ihre eigenen Pläne?

    Weber: Es ist schwierig vorherzusagen, welche Entwicklungsprogramme wir anstoßen werden, ob wir Einlizenzierungen vornehmen oder zu welchem Zeitpunkt lukrative Vertriebskooperationen zustande kommen. Allein solche Kooperationen könnten kurzfristig zu einem positiven Ergebnis führen – wie zum Beispiel im Jahr 2017, als Newron Meilensteinzahlungen seines Partners Zambon im Zusammenhang mit der FDA-Zulassung von Safinamide in den USA erhalten hat. Dabei handelt es sich jedoch um Einmaleffekte. Eine Prognose über eine nachhaltige Profitabilität möchten wir deshalb erst abgeben, wenn wir ein Produkt selbst vermarkten. Es gilt jedoch hervorzuheben, dass auf dem Weg zu diesem langfristigen Ziel viele wichtige Value Inflection Points liegen, die den Wert der Aktien unseres Unternehmens erheblich beeinflussen sollten.

    Bis dahin ist Newron durchfinanziert?

    Weber: Mit liquiden Mitteln bzw. verfügbaren Finanzierungsreserven von insgesamt bis zu 84 Millionen Euro am Jahresanfang 2019 sind wir in einer starken finanziellen Position. Damit können die aktuell vorhergesehenen Entwicklungsprogramme und die operativen Tätigkeiten von Newron über das Jahr 2020 hinaus finanziert werden.

    Newron Pharmaceuticals war bisher an der Schweizer Börse notiert, nun gibt es auch eine Notiz in Düsseldorf und im XETRA-Handel. Gehen Sie nicht davon aus, dass der Streit zwischen der EU und der Schweiz um die Börsenäquivalenz kurzfristig beigelegt wird?

    Weber: Die beiden Parteien haben den Streit um das sogenannte Framework Agreement zum 1. Juli 2019 eskalieren lassen, die Börsenäquivalenz der SIX ist zu diesem Tag ausgelaufen. Damit wird es für EU-Investoren aufwendiger, an der SIX notierte Aktien zu handeln. In den Tagen danach waren Presseberichte zu lesen, in denen einzelne Banken ihre Kunden über Einschränkungen im Handel mit Schweizer Aktien informierten. Für uns als italienisches und somit in der EU ansässiges Unternehmen mit Listing an der Schweizer Börse war genau diese zuletzt absehbare Situation inakzeptabel, zumal der Großteil unserer institutionellen Investoren aus der Europäischen Union stammt. Unsere Priorität war es, für alle Kapitalmarktteilnehmer der EU weiter uneingeschränkten und kostengünstigen Handel mit unserer Aktie sicherzustellen. Daher haben wir uns für das zusätzliche Listing an der Börse Düsseldorf und den Handel über Xetra entschieden. Wenn es uns dadurch gelingt, noch weitere Investoren, die bisher nicht an der SIX handeln konnten oder wollten, für die Aktie zu gewinnen, ist das ein willkommener Zusatznutzen für alle Aktionäre.

    Eine Kapitalerhöhung ist bei Newron Pharmaceuticals also nicht zu erwarten, für die die Notierungsaufnahme in Deutschland quasi der vorbereitende Schritt war?

    Weber: Auch wenn wir derzeit sehr gut positioniert sind, können und wollen wir derartige Schritte nie ausschließen und evaluieren ständig sämtliche Optionen, die dem Erfolg unserer Unternehmensentwicklung zugutekommen können.


    Dieses Interview ist eine Kooperation von wallstreet:online mit der Redaktion von www.4investors.de.





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