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     842  0 Kommentare Noch etwas ganz Wichtiges

    Heute möchte ich einmal etwas sehr Wichtiges, aber auch Schwieriges ansprechen. Dabei geht es darum, genau zu verstehen, woher unsere gegenwärtigen historisch einmaligen Niedrigzinsen kommen. Und vor allem: Woher nicht.

     

    Gegenwärtig geht nämlich die Meinung um, der niedrige und teilweise bereits negative Zins liege nicht primär an der EZB, sondern an einer alternden Bevölkerung in Verbindung mit einem rasanten technologischen Wandel.

     

    Früher hätten die privaten Ersparnisse nicht ausgereicht, um den Kapitalbedarf der Privatwirtschaft zu decken, was zwangsläufig zu einem positiven Zins geführt habe. Heute hingegen sei Kapital gleichsam im Überfluss vorhanden, so dass diejenigen, die es leihen wollen, kaum Zinsen zu bieten haben.

     

    Die Notenbanken wären demnach eher Getriebene des Zinsabstiegs als deren eigentliche Verursacher.

     

    Kann das sein? Die Antwort lautet: Jein. Wichtig ist es hier jedoch, die Ebenen auseinanderzuhalten. Dann zeigt sich nämlich sehr klar: Ja, eine erhöhte Altersvorsorge und geringere Kapitalnachfrage drückt die Zinsen. Doch nein, das erklärt weder Negativzinsen noch überhaupt das gegenwärtig historisch einmalig niedrige Zinsniveau.

     

    Wir sind hier im Bereich der Stock-Flow-Problematik der Ökonomie angelangt, an der viele Betrachtungen der Wirtschaft scheitern, oft sogar diejenigen von professionellen Ökonomen.

     

    Konkret: Die Ersparnisse sind eine Kategorie der Einkommensentstehung. Sie sind eine Stromgröße und beziehen sich auf eine Zeitperiode, beispielsweise sein Jahr.

     

    Investitionen werden jedoch nicht mit Ersparnissen finanziert, sondern mit Geld. Und Geld ist eine Bestandsgröße, eine Vermögensgröße, die periodenunabhängig ist.

     

    Die Höhe der Geldmenge wird durch die EZB in Zusammenwirken mit dem Geschäftsbanken festgelegt. Kauft die EZB Anleihen auf, erhöht sich die Geldmenge, was zu einem Sinken der Zinsen führt.

     

    Die Zinsen werden auf den Vermögensmärkten festgelegt, auf den Märkten für die Stocks, den Stockmarkets. Und nicht im Rahmen der Einkommensbildung durch die Ersparnisse.

     

    Ersparnisse sind zwar ebenfalls zinsreagibel, ihr Einfluss auf die Zinsen ist jedoch minimal. Was man sich leicht klarmachen kann, wenn man überlegt, um wieviel höher das Geldvermögen und die Geldmenge in Deutschland sind als die Ersparnisse eines Jahres.

     

    Die Investitionen haben hier ebenfalls einen Effekt. Bleiben sie aus, drückt das den Zins tendenziell weiter. Doch das kann die gegenwärtige Situation nicht erklären. Zudem muss man berücksichtigen, dass die Unternehmen sich derzeit weit höher verschulden, als sie Kapital für Investitionen benötigen, da es für sie lukraktiv ist, mit dem geliehenem Geld eigene Aktien zurückzukaufen, um so ihren Gewinn zu erhöhen.

     

    Der Schurke des Stückes mit den niedrigen und teilweise gar negativen Zinsen ist also die EZB. Oder eben der Retter des Systems, je nachdem, wie man es betrachtet. Die EZB hat Anleihen aufgekauft wie nie zuvor in der Geschichte, und deshalb sind die Zinsen gesunken wie nie zuvor.

     

    Da könnten wir Bürger 1000 Jahre lang einen Großteil unserer Einkommen sparen, so etwas kriegen wir Sparer selbst niemals hin. Denn die EZB ist eine Atombombe, und wir haben nur ein paar harmlose Silvesterknaller in den Händen.

     

    Damit bringt man kein System aus dem Gleichgewicht, beziehungsweise einen aus der Umlaufbahn zu geraten drohenden Planeten dorthin wieder zurück.

     

     

     


    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Noch etwas ganz Wichtiges Wer ist der Schurke des Stücks mit den niedrigen Zinsen?