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     232  0 Kommentare Investmentchef der Bethmann Bank: „Anleger sollten sich bei Aktien noch zurückhalten“

    Glaubt man den Aktienmärkten, befinden sich die Volkswirtschaften schon wieder auf dem Rückweg zur Normalität. Doch Anleger sollten sich nicht zu früh freuen, warnt Reinhard Pfingsten. Der Investmentchef der Bethmann Bank glaubt: Die Märkte könnten noch einmal auf die Tiefs des März rutschen.
    Reinhard PfingstenFoto: Bethmann Bank 

    Bei so ziemlich allen wichtigen Indizes zeigt sich das gleiche Bild: Seit den Tiefpunkten im März sind sie wieder rasant nach oben gestiegen. Beim Dax, Dow Jones oder MSCI World beläuft sich das Plus auf 25 bis 28 Prozent. Die Aktienanleger preisen bereits ein, dass die Unternehmen den Lockdown beenden und langsam die Produktion wieder hochfahren. Das gilt analog auch für den Dienstleistungssektor.
    Tatsächlich haben beispielsweise Daimler und Volkswagen auch Werke in Europa wieder gestartet - wenn auch erst einmal im Ein-Schicht-Betrieb. In China läuft die Produktion schon länger. Und in den USA wollen unter anderem GM, Ford und FCA den nahezu vollständigen Stillstand im Mai zu beenden. So wie in der Autobranche sieht es in vielen anderen Bereichen aus.
    Leider ist zu befürchten, dass das Hochfahren der Produktion länger dauert als erwünscht und auch länger als erwartet. Es ist sehr viel komplexer, ein Werk wieder zu starten, als es zu stoppen. Verstärkte Sicherheitsmaßnahmen wie Mindestabstände, eine verringerte Belegschaft und möglicherweise fragile Lieferketten werden den Output spürbar begrenzen. Das wird wahrscheinlich so lange andauern, bis ein Impfstoff entwickelt wird und in ausreichenden Mengen zur Verfügung steht. Das wird laut Experten allerfrühestens im Herbst der Fall sein, wahrscheinlich eher erst im kommenden Jahr. Bis dahin wird es weiterhin verschiedene Beschränkungen geben, um die Gesundheitssysteme nicht zu überlasten.
    Dazu kommt, dass jetzt höchstwahrscheinlich Zweitrunden-Effekte einsetzen. Menschen in Kurzarbeit oder ganz ohne Job werden sicherlich nicht als erstes über den Kauf eines neuen Autos nachdenken. Das Gefährliche an der gegenwärtigen Krise ist, dass es sich außer um einen Angebots- auch um einen Nachfrageschock handelt. Das gilt sogar für den Online-Handel.
    E-Commerce bricht 20 Prozent ein
    Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel berichtete Anfang April von deutlichen Umsatzverlusten von durchschnittlich einem Fünftel bei den Online-Shops. Nur Waren, die auch im stationären Einzelhandel stark gefragt sind, verzeichneten Zuwächse, also Lebensmittel, Drogerieartikel, Medikamente und Waren aus Baumärkten. Beim Rest sieht es mau aus.
    Das Ifo-Institut rechnet damit, dass sich die deutsche Wirtschaft erst wieder Ende 2021 auf Vorkrisenniveau bewegt. Im laufenden Quartal erwarten die Konjunkturforscher einen Einbruch der Wirtschaftsleistung um mehr als zwölf Prozent. Für das Gesamtjahr sagen sie ein Minus von 6,2 Prozent voraus. Das ist mehr als 2009 während der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise. Und wahrscheinlich steht Deutschland noch vergleichsweise gut da.

    Die verschiedenen Hilfspakete der Bundesrepublik summieren sich insgesamt auf rund 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Länder wie Italien, Spanien oder auch Frankreich kommen nicht annähernd auf solche Beträge. Kein Wunder, dass die deutsche Exportwirtschaft düster in die Zukunft blickt. Die Ifo-Exporterwartungen der deutschen Industrie sind im April von minus 19 auf minus 50 Punkte abgestürzt. Dabei handelt es sich um den niedrigsten Wert, der jemals gemessen wurde.
    Berichtssaison mit negativen Ergebnissen
    Die Unternehmensergebnisse des ersten Quartals liefern einen Vorgeschmack darauf, welche Spuren die Covid-19-Pandemie in den Gewinn-und-Verlust-Rechnungen der Unternehmen hinterlässt. Und es ist mit höchster Wahrscheinlichkeit absehbar, dass die Ergebnisse im zweiten Quartal noch schlechter als die in den ersten drei Monaten des Jahres ausfallen werden.
    Vor diesem Hintergrund scheinen die Schätzungen der Unternehmens-Analysten noch deutlich zu optimistisch. Sie rechnen für die Unternehmen des MSCI World (developed) in diesem Jahr mit einem Gewinnrückgang von durchschnittlich 11,8 Prozent. Beim MSCI All Countries kalkulieren sie sogar nur mit einem Minus von 9,4 Prozent. Tatsächlich könnte sich der Gewinn-Rückgang jedoch auf bis zu 20 Prozent belaufen. Da scheint eine KGV-Bewertung von 16,9 beziehungsweise 16,1 recht ambitioniert. Das sieht nicht unbedingt nach Kauf-Kursen aus.
    Zweiter Dip nach unten wahrscheinlich
    Die Crashs sind an den Aktienmärkten in den zurückliegenden Jahrzehnten alle nach einem ähnlichen Muster verlaufen. Nach einem Absturz kam es zu einer Bärenmarktrally, bevor es noch einmal kräftig nach unten ging. Das war 1973 so, genauso wie 1987 und in den Jahren 2000 bis 2003 sowie 2007. Bei den beiden letzten Crashs vor Corona ging der zweite Dip sogar noch tiefer nach unten als der erste.
    Dazu kommt, dass der Kursanstieg in den vergangenen Wochen bei dünnen Umsätzen stattfand und die Volatilität sich noch immer auf einem hohen Niveau bewegt. Beides erhöht die Anfälligkeit der Aktienmärkte. Es könnte also durchaus sein, dass die Märkte die Tiefs vom März noch einmal testen. Angesichts dieser Erfahrungen und Umstände sollten die Anleger derzeit Aktien eher untergewichten. Das Aufwärtspotenzial scheint deutlich kleiner zu sein als das Abwärtspotenzial.
    Über den Autor:Reinhard Pfingsten arbeitet bei der Bethmann Bank als Chief Investment Officer und ist Mitglied im Management Team des globalen Investment Centers der ABN-Amro-Gruppe.

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