Die Mär vom falschen Präsidenten für die Aktienmärkte
Sehr verehrte Leserinnen und Leser,
spätestens seit der Dollar deutlich schwächelt (und der Euro entsprechend stark steigt; siehe Börse-Intern vom 22.07.2020 bzw. vom 31.07.2020) hört man als Begründung unter anderem, dass dies mit der US-Präsidentschaftswahl in diesem Jahr zusammenhängt. Daraus wird auch eine mögliche Belastung für die Aktienmärkte abgeleitet.
Drei Gründe, warum Wahlen für Aktien belanglos sind
Die Begründung klingt zunächst schlüssig: Republikanische Präsidentschaftskandidaten gelten allgemein als wirtschaftsnah und -freundlich, demokratische Bewerber sollen dagegen von der Wirtschaft eher kritisch beäugt werden.
Mag sein, dass diese unterschiedliche Wahrnehmung irgendeinen realen, historischen Hintergrund hat – aktuell ergibt diese aus drei Gründen keinen Sinn.
Erstens ist gar nicht klar, ob die Pläne, die Joe Biden und die Demokraten im Wahlkampf propagieren (und die von diversen Kommentatoren als weniger vorteilhaft für die Wirtschaft eingestuft werden) nach einem Wahlsieg genauso umgesetzt werden (können). Sofern die Demokraten bei den zeitgleich stattfindenden Kongresswahlen keine Mehrheit in beiden Kammern erhalten, dürften etliche Pläne am Widerstand der Republikaner scheitern.
Darüber hinaus werden in den Medien auch Maßnahmen der Trump-Regierung als nachteilig für die Wirtschaft (Handelsstreit/Zölle, Corona-Bekämpfung) betrachtet. Was also welchen Einfluss hat, ist bereits aus diesem Blickwinkel kaum noch abzuleiten.
Keine klaren kurzfristigen Effekte
Viel klarer sind dagegen – zweitens – die Umfrageergebnisse der beiden Kandidaten:
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Hier lag Biden schon von Anfang an vor Trump – nach der Logik „Ein Demokrat ist schlecht“ hätten also Dollar und Aktienmärkte schon seit Monaten fallen müssen. Das war bekanntlich nicht der Fall. Immerhin kann man ab Mitte Mai einen zunehmenden Vorteil für Biden erkennen, der zumindest als Begründung für die Dollarschwäche herhalten kann, die faktisch zeitgleich begann.
Allerdings folgten die Aktienmärkte diesem Muster bekanntlich nicht, sondern zeigten sich weiter stärker. Und weder der Dollar noch die Aktienmärkte profitierten merklich von der Gegenbewegung bei den Umfragen, die ab Mitte Juli erkennbar ist.
Eine klare Bevorzugung eines Kandidaten durch die Finanzmärkte ist also im kurzfristigen Bereich nicht erkennbar.
Die Langfristanalyse der US-Präsidentschaftswahlen
Drittens kann man anhand der Aktienmärkte auch langfristig analysieren, ob diese Differenzierung der beiden politischen Lager jemals so deutlich war, wie es manche Kommentatoren glauben machen wollen. Verlässliche Kursdaten liegen zumindest für den Dow-Jones-Index seit 1885 vor – ein Jahr in dem zufällig auch ein neuer US-Präsident ins Amt kam. Wir haben also eine 136-jährige Historie für einen Vergleich von Aktienmarktverlauf und politischen Führung in den USA.