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     2239  0 Kommentare Die modernen Alchemisten (3)

    George Soros und die Alchemie

    George Soros hat sich intensiv mit den Themen Alchemie und Finanzmärkte auseinander gesetzt. Der Hauptkritikpunkt von Soros an den herrschenden ökonomischen Theorie ist es, dass sie sich an der Methode der Naturwissenschaften orientiert – und folglich in ihrem Gegenstandsbereich kein eigenes Denken thematisieren kann. Das bedeutet: Wenn wir eine Wirtschafts- oder eine Marktprognose erstellen wollen, dann müssen wir das Denken aller Beteiligten selbst übernehmen.

    Um das zu verdeutlichen, ein Beispiel: Nehmen wir an, zwei Menschen sitzen an einem Tisch und besitzen jeder eine Tafel Schokolade. Was wird nun passieren, wenn ich eine weitere Tafel Schokolade auf den Tisch lege?

    Um eine Antwort zu finden, muss ich anscheinend den beiden Menschen jeweils bestimmte Verhaltensweisen unterstellen. Ich muss im Voraus, also bevor ich es experimentell überprüfen kann, Verhaltensannahmen machen, wie diese Menschen sich in unterschiedlichen Situationen verhalten werden. Entscheidend ist dabei, dass ich die Situation vor dem Überprüfen „modellieren“ muss. Ich muss also meinen beiden Wirtschaftssubjekten gewisse Vorstellungen und Verhaltensweisen „unterschieben“ oder besser „aufzwingen“. Das müssen natürlich nicht unbedingt meine sein, es werden vielmehr diejenigen sein, von denen ich glaube, dass diese Menschen sie hegen und an den Tag legen.

    Doch das Problem ist ein prinzipielles: Wenn ich in Bereichen menschlicher Handlungen etwas prognostizieren will, dann muss ich den Beteiligten etwas „aufzwingen“. Doch genau das ist, worauf George Soros in seinem Buch „Die Alchemie der Finanzen“ hinweist, nichts anderes als eine alchemistische Vorstellung – dem unedlen Metall die Goldeigenschaft aufzwingen. Im Resultat heißt das: Jeder, der glaubt, eine richtige Prognose im Kontext von autonomen menschlichen Handlungen zu besitzen, ist ein Alchemist – ein Finder des Steines der Weisen und ein Kreateur von Homunculi.

    Und so finden sich denn auch auf dieser Seite und im ganzen Netz und überall dort, wo sich beschriebenes Papier antreffen lässt, lauter Weisensteine. So viele Weisensteine, dass man vor Weisensteinen fast nicht mehr treten und schon gar nicht mehr atmen kann. Auch das macht natürlich den Reiz unserer modernen Zeit aus: Früher suchten nur wenige vereinzelte Philosophen nach einem einzigen Stein der Weisen. Heute hingegen gibt es die Weisensteine gleich im Dutzend – aber was sage ich: Dutzende von Millionen ...

    So, liebe Leser, und jetzt haben Sie sicherlich erst einmal die Nase voll von Niquet-Texten. Da passt es gut, dass ich in der nächsten Woche eine Vorweihnachts-Pause einlegen werde. Die nächste Kolumne von mir finden Sie deshalb am kommenden Freitag an dieser Stelle.

    berndniquet@t-online.de


    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Die modernen Alchemisten (3) George Soros und die Alchemie George Soros hat sich intensiv mit den Themen Alchemie und Finanzmärkte auseinander gesetzt. Der Hauptkritikpunkt von Soros an den herrschenden ökonomischen Theorie ist es, dass sie sich an der Methode der …