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     2949  0 Kommentare Züricher Lektionen

    Im Schneesturm bin ich zurück gekommen von der Internationalen Kapitalanleger-Tagung des ZfU in Zürich. Es war eine wunderbare Veranstaltung, bei der sich wirklich gute Ideen ergeben haben. Im Grunde genommen erfährt man als „alter Hase“ auf derartigen Tagungen ja kaum Neues. Es ist jedoch so, dass sich vielfach ein neuer Blickwinkel ergibt. Man wird auf Dinge gestoßen, die man zwar vorher schon wusste, aber in einer anderen – und nur abgeschwächten – Weise beachtet hat. Und das macht es so wichtig, immer wieder hinzugehen. Ganz besonders nach Zürich. Zwei Dinge sind mir in den letzten Tagen ganz besonders zu Bewusstsein gekommen. Eine will ich heute erzählen, die nächste am Montag.

    Wer hat eigentlich vor etwas 25 Jahren, als der Super-Zyklus der Aktien begann, gewusst, was die Börse ist, wo die Börse ist und wie man überhaupt Aktien kaufen kann? Das wäre Teufelszeug, hieß es damals. Um Gottes Willen, nichts für Kleinanleger. Da könne man sich nur die Finger verbrennen. Und dann stiegen die Aktien und stiegen. Und als es schließlich zu spät war, ist die Masse der Anleger schließlich doch damit vertaut gemacht worden ...

    Welche Dinge sind heute nun genauso rätselhaft wie die Aktien vor 25 Jahren? Genau, es sind die Rohstoffe! Wer noch vor ein paar Jahren Rohstoffe kaufen wollte, der war – mit Ausnahme von Gold und Silber – ausschließlich auf Rohstoffaktien und Rohstoffaktien-Fonds verwiesen. Doch Aktien sind keine Rohstoffe. Wer jedoch Rohstoffe direkt kaufen wollte, war genauso ratlos wie der potentielle Käufer von Aktien vor 25 Jahren. Und nicht nur genauso ratlos – sondern auch genauso gewarnt: Denn wer kennt nicht eine der grauenhaften Geschichten von Telefonverkäufern, die ihre Kunden mit Kaffeekontrakten in den Ruin gestürzt haben?!

    Heute sieht es bereits etwas anders aus. Bei der ABN AMRO gibt es endlos laufende Rohstoff-Zertifikate zu kaufen – und Jim Rogers hat jetzt ein Zertifikat auf einen selbstentwickelten „Rogers International Commodity Index“ entwickelt, einen breit gestreuten Index von 35 verschiedenen Rohstoffen. Diesen gibt es ebenfalls bei der ABN AMRO.

    Rogers ist der Meinung, dass die Rohstoffe den nächsten Superzyklus an den Märkten ausmachen werden, der auf jeden Fall bis ins nächste Jahrzehnt hinein reicht. Das ist natürlich nichts Neues, denn Rogers war schon immer für Rohstoffe (genau wie Leuschel immer pessimistisch und Thieme immer optimistisch waren). Doch die obige Argumentation reizt wirklich alle antizyklischen Gene in mir. Und Rogers hat natürlich auch überzeugende Fakten au seiner Seite: Im Zuge des Bearmarktes der letzten Jahrzehnte sind – mit Ausnahme beim Gold und Silber – nahezu keine Investitionen in den Abbau und den Anbau von Rohstoffen getätigt worden. Das ist der pure Schweinezyklus, denn im Bearmarkt investiert der kurzfristig denkende Investor und CEO natürlich nicht. Und plötzlich werden überall in Asien Rohstoffe en masse gebraucht, wollen die Chinesen Fleisch essen und nicht mehr nur Reis und Bohnen (was jedoch deren Nachfrage als Tierfutter nur umso stärker ankurbelt).

    Eine sprunghaft steigende Nachfrage trifft also auf ein kurzfristig kaum steigerbares Angebot. Die Nachfragekurve verschiebt sich nach außen, die Anbotskurve nach innen. Und ihr Schnittpunkt springt mithin dramatisch nach oben. Viele Anleger sind schon dabei. Doch keine große Zeitung berichtet heute über Rohstoffe und im Börsenfernsehen ist das ebenfalls kein Thema. Man braucht nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, dass das in fünf bis zehn Jahren durchaus anders sein könnte.

    berndniquet@t-online.de

    Anmerkung: Ich sehe diese Entwicklung durchaus als konsistent an mit meiner Ablehnung der Goldanlage und meiner These vom Tod der Inflation. Gold, so denkt auch Rogers, wird in diesem Zyklus nur underperformen. Und gestiegene Rohstoffpreise können bei schwacher Nachfrage nicht auf die Preise überwälzt werden. Oder nur zu einem Teil, was dann zu sinkender Nachfrage der Verbraucher bei anderen Gütern – und entsprechend dort sinkenden Preisen – führen wird. Inflation ist stets ein kumulativer Prozess breit steigender Preise und Löhne. Doch Derartiges ist in den nächsten zehn Jahren nicht in Sicht.


    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
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