Deutschland, Land der Debilen?
Manche Dinge sind tatsächlich so kompliziert, dass sie von weiten Teilen der Bevölkerung nicht mehr angemessen thematisiert werden können.
Eigentlich wollte ich nur mal kurz im Internet nach ein paar Vergleichswerten zu meiner Heizkostenabrechnung schauen, als ich gemerkt habe, dass wir dort tatsächlich wie ein Volk von Debilen wirken.
Und als ich dann auch noch in ein Interview mit dem französischen Neurowissenschaftler Michel Desmurget hineinkomme, der den dramatischen Niedergang des westlichen Bildungsniveaus mit dem digitalen Medienkonsum und einer perfiden Strategie der Chinesen erklärt, war mir klar, dass ich meine bereits vorbereitete Kolumne auf die nächste Woche schieben muss.
Denn es ist schon wirklich heftig, finde ich. Da kämpfen wir gerade gegen die Russen und während wir dabei Gefahr laufen, uns zu ruinieren, verlieren nebenbei nicht nur gleichzeitig auch noch den Wettbewerb gegen China, sondern überdies sogar unseren Verstand. Triple witching nennt man das an der Börse, oder?
Doch wo anfangen? Vielleicht mit den Wirtschaftsnachrichten: Biontech geht nach Großbritannien, BASF und Bayer mit ihren Chemie- und Pharmasparten in die USA und nach China, und Linde ist jetzt ja auch komplett weg, verschwindet sogar aus dem Dax. Unsere Beamten werden hingegen vollzählig hier im Lande ihre Pension beziehen.
Schon die Pisa-Studien haben gezeigt, dass chinesische Kinder westliche Kinder weit hinter sich lassen, doch jetzt wurde von China das TikTok-Virus verbreitet, um dem westlichen Kinderverstand den Rest zu geben, wohingegen chinesische Kinder diese App aus nachvollziehbaren Gründen nur 40 Minuten pro Tag nutzen dürfen.
Der Neurowissenschaftler Desmurget fasst die gesamte Entwicklung im Westen so zusammen: „Der Einbruch des schulischen Niveaus bei Sprachen und Mathematik, bei verbalen und auch schriftlichen Fähigkeiten ist absolut katastrophal. Ein durchschnittlicher Schüler ist heute etwa auf demselben Niveau wie einer, den man vor 25 Jahren noch als extrem leistungsschwach einstufte.“
Und wenn man sich dann überlegt, wie leicht wir eigentlich alle durch die Komplexität der Welt vor 25 Jahren hindurchgekommen sind und wie schwierig das heute oft ist, dann sieht man, wie sich hier eine brutale Schere öffnet: Die Anforderungen werden jedes Jahr größer, die Fähigkeiten sie zu bewältigen jedoch im gleichen Maße kleiner.
Was mich zu meiner Heizungsabrechnung bringt. Im Prinzip ist dort alles zu finden, was ich suche. In meiner Wohnungsanlage wird mit Gas geheizt, ich sehe die Zahlen für den Energiebezug, was ich davon verbraucht habe und was mir dafür berechnet worden ist. Nur leider gibt es keine Verbindung zwischen den Zahlen, dazwischen klafft ein Loch.