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     2844  0 Kommentare Was jetzt tun?


    Spanische Pfahlmuscheln weisen den Weg

    Derzeit erleben wir wieder einmal Zeiten von Massenbewegungen. An den Börsen wie im Fußball. Und ständig herrscht in der Masse die Tendenz vor, einer Meinung zu sein.

    An der Börse wissen wir, dass man nur dann Geld verdienen kann, wenn man sich vom Drang der Masse fern hält. Doch wie macht man das?

    Vielleicht kann man hier vom Fußball lernen. Da gab es gestern beim EM-Endspiel einen eingeschworenen Antizykliker und Contrarian, der nicht über seinen Schatten springen konnte und einfach nicht mit der Masse halten und für Deutschland sein konnte. Dabei wollte er es so gerne. Wollte sich so gerne in der Public Viewing Arena wieder einen Orgasmus holen. Der letzte Orgasmus war doch schon so lange her.

    Und deshalb beschloss er zu handeln. Er musste etwas tun, um mit der Masse gehen zu können, und das bestand darin, sich selbst Spanien zu verleiden, dann würde es schon klappen, mit den Deutschen zu halten, dachte er. Und so verzehrte er gegen 18 Uhr die mitgebrachte Dose spanischer Pfahlmuscheln. Die Medizin wirkte, denn pünktlich zum Einlaufen der Mannschaften erbrach er sich. Jetzt konnte er wirklich nicht mehr mit „diesen Spaniern“ halten.

    Geholfen hat ihm das freilich nicht viel. Denn nun stand er erneut auf der falschen Seite. Zwei Dinge sollte man wohl tatsächlich nicht machen, weder beim Fußball noch an der Börse: Gegen die eigenen Überzeugungen handeln und versuchen, sich selbst auf Linie zu trimmen. Wer den Drang verspürt, sich gegen die Masse zu stellen, der muss das auch tun. Da hilft keine Medizin und auch keine kosmetische Operation. Da gilt es, die Backen zusammen zu kneifen und jetzt langsam ans Kaufen zu denken.





    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
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