Börse Shanghai auf 13-Monats-Tief
Im Frühjahr hat die chinesische Finanzaufsicht den Handel mit Index-Futures genehmigt. Seit Mitte April können qualifizierte Marktteilnehmer dort jetzt unter anderem auch auf fallende Kurse setzen.
Dem Markt ist dies allerdings nicht gut bekommen. Der Shanghai Composite Index ging seitdem nochmals um 20 Prozent nach unten. Am Montag landete er auf dem vorerst niedrigsten Niveau seit April
2009.
An dieser schwachen Entwicklung war natürlich nicht nur der Future-Handel schuld, sondern ein ganzes Bündel von Faktoren. Chinas Börse wird gemeinhin als Spielwiese „wildgewordener Privatanleger“
bezeichnet, und diese Anleger profitierten davon, dass sich der Index von Herbst 2008 bis Sommer 2009 annähernd verdoppelte. Dies nährte Befürchtungen einer Überhitzung, zumal die Bewertungen in
Shanghai seinerzeit deutlich höher waren als in Hongkong. Im Gegenzug haben Chinas Börsianer ihre Gewinne auch früher wieder mitgenommen. Bereits seit vergangenem August geht es in Shanghai
überwiegend wieder abwärts.
Aktuell ist man am Markt vor allem über die Welle an IPOs und Kapitalerhöhungen besorgt, die einfach nicht abreißen will. Demnächst steht der Mega-Börsengang der Agricultural Bank of China ins
Haus, die in Shanghai und Hongkong kombiniert bis zu 30 Milliarden Dollar einsammeln will. Und auch die übrigen chinesischen Großbanken halten die Hand auf, da sie jeweils etliche Milliarden Dollar
brauchen, um den neuen Mindestreservevorschriften zu genügen. Derartig riesige Kapitalmaßnahmen sind an der Wallstreet schon seit Jahren nicht denkbar, und könnten jetzt auch die Aufnahmefähigkeit
der chinesischen Börsen überstrapazieren.
Daneben gibt es inzwischen viele Beobachter, die mit einer spürbaren konjunkturellen Abkühlung in China rechnen. Das Land hat die Finanzkrise mit einer sehr lockeren Geldpolitik und einem großen
Konjunkturprogramm erfolgreich hinter sich gebracht. Jetzt wird das Geldmengenwachstum aber wieder gedrosselt; verschiedene Subventionsprogramme könnten ebenfalls in Bälde zurückgefahren
werden.
Insbesondere die chinesische Immobilienwirtschaft hat zuletzt einen starken Dämpfer erhalten. Der Sektor wird jetzt wieder viel stärker reglementiert; Immobilienspekulationen werden durch neue
Steuergesetze und Beschränkungen bei der Darlehensvergabe unattraktiver. Die schwächeren Impulse aus dem Bauwesen dürften sich auch auf den Stahl- und Baustoffsektor und auf die chinesische
Rohstoffnachfrage allgemein negativ auswirken. Eine gewisse Bremswirkung auf die gesamte Binnenwirtschaft ist sicherlich nicht auszuschließen. Allerdings waren diese Schritte notwendig, um einer
drohenden Überhitzung des Immobiliensektors entgegenzuwirken.
Trotz der enorm robusten Konjunkturentwicklung war das letzte Halbjahr für Chinas Börsianer ein verlorenes Jahr. Inzwischen mehren sich aber wieder die positiven Anzeichen. Zum einen sind die
Bewertungen mittlerweile auf ein vernünftiges Maß zurückgekommen. Zum anderen erholt sich vielerorts das Sentiment. Vor allem aus dem Ausland kommen seit einigen Wochen netto wieder Zuflüsse,
nachdem die Investoren aus Übersee zuvor mehrere Monate lang Geld aus Shanghai abgezogen hatten (es gibt einige Institutionelle, die auch an Chinas Inlandsbörsen aktiv sein können). Stabilisiert
hat sich der Aktienmarkt in Shanghai aber noch nicht, und wird dies vor den anstehenden großen IPOs wohl auch nicht tun.
In diesem Zusammenhang stellt sich einmal mehr die Frage, ob der Shanghai Composite Index für die westlichen Indizes eine Art „Vorläufer-Funktion“ haben könnte. Immerhin hat sich Chinas
wichtigster Inlands-Index deutlich früher erholt als die Westbörsen. Gleichzeitig wurde dann auch das Jahreshoch 2009 bereits im August markiert, und auch die anschließende Korrektur setzte früher
ein als an den übrigen großen Weltbörsen.
Die Theorie, wonach der Shanghai Composite Index dem Dow und dem DAX vorauseilt, hat sich gerade in den letzten Monaten wieder bestätigt. Sollte sie weiterhin zutreffen, dann steht den Westbörsen
allerdings noch einiges an Ungemach bevor. Denn der SCI gab seit Jahresbeginn bereits 23 Prozent ab, und von seinem 52-Wochen-Hoch vom August hat er sich inzwischen sogar schon rund 27 Prozent
entfernt.
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