EU-Gipfel
Kritik an Merkels Plänen für Euro-Wirtschaftsregierung
Die Idee einer gemeinsamen Wirtschaftsregierung der Euro-Gruppe von Bundeskanzlerin Angela Merkel ist beim EU-Gipfel in Brüssel am vergangenen Freitag auf heftigen Widerstand gestoßen. Neben der
Kritik an dem Vorgehen von Deutschland und Frankreich, gab es auch inhaltliche Vorbehalte. So blieben sowohl die EU-Kommission und das Europäische Parlament bei dem geplanten neuen Wettbewerbspakt
weitgehend außen vor. Zudem sei die Lage von Ländern ohne Euro-Währung nicht geklärt.
Polens Ministerpräsident Donald Tusk griff Merkel persönlich an. Polen habe „grundlegende Zweifel an der Methode“, die Wirtschaftsregierung im Rahmen der Euro-Gruppe zu verwirklichen, berichtet das
Nachrichten-Magazin „Der Spiegel“. „Warum müssen Sie eine Spaltung demonstrieren? Steht der Rest von uns in Ihrem Weg?“, fragte Tusk nach dem EU-Gipfel am Freitag. Polen gehört nicht zur
Euro-Gruppe. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán klagte im Kreis mit fünf anderen Regierungschefs aus Osteuropa, Merkels Vorstoß sei ein „ein unfreundlicher Akt“. Das Vorgehen sei zwar mit
Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, nicht aber mit kleineren EU-Mitgliedern abgesprochen.
Kritik kam zudem vom belgischen Premierminister Yves Leterme sowie seinem Kollegen aus Luxemburg, dem Chef der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker. Beide störten sich vor allem an der deutschen
Forderung, das Renteneintrittsalter in der Euro-Gruppe anzugleichen und inflationsgebundene Lohnerhöhungen abzuschaffen. Dies sei „sozialer Kahlschlag“, sagt ein Gipfel-Teilnehmer.
Großbritanniens Regierungschef Cameron bemängelte laut Tageszeitung "Die Welt" die geplante gegenseitige Anerkennung von Berufs- und Bildungsabschlüssen innerhalb der Wirtschaftsregierung als
Gefahr für den Binnenmarkt. Zypern und Irland wendeten sich gegen Vorschläge für eine einheitliche Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer.
Die Staats- und Regierungschefs hatten sich bei ihrem Treffen nur dem Grundsatz nach auf Merkels Vorstoß zu einer stärkeren Koordinierung ihrer Wirtschaftspolitik im Rahmen der Euro-Gruppe
verständigt. Die Atmosphäre sei jedoch von Beginn an eisig gewesen, berichten Teilnehmer. Angesichts der knappen Zeit – bis Ende März sollen die Vorschläge konkret ausgearbeitet werden – könne man
nur von einem „Fehlstart“ sprechen, heißt es selbst auf deutscher Seite, berichtet „Der Spiegel“.
Vor allem die EU-Kommission drängt auf ein möglichst verbindliches Regelwerk – und so auf eine Stärkung ihrer eigenen Position. Zudem will sie Merkels Idee einer stärkeren wirtschaftspolitischen
Koordinierung auch gegen Deutschland richten. „Nicht nur Defizit-Länder, auch Überschuss-Länder müssen Anpassungen vornehmen“, sagt der EU-Generaldirektor für Wirtschaft und Finanzen, Marco Buti.
Der Vorstoß betrifft Deutschland, dessen Außenhandelsüberschuss schon mehrmals von den USA und Frankreich kritisiert worden war. In Berliner Regierungskreisen rechnet man mit harten Verhandlungen
der Euro-Finanzminister, die sich nächste Woche in Brüssel treffen.