Selbstbewusstsein Indonesisch
Starke Wirtschaft begünstigt bevorstehende Wahlen
Indonesien ist eines der wenigen Schwellenländer, das sich gelegentlich einen wirtschaftspolitischen Patzer leisten kann. Vor zwei Wochen sperrte sich das Parlament in Jakarta gegen eine Erhöhung
der Benzinpreise. Mit der Anhebung sollte das Haushaltsdefizit unter dem gesetzlichen Schwellenwert von 3 Prozent gehalten und zudem mehr Spielraum für weitere Infrastrukturinvestitionen sowie die
Unterstützung der ärmsten Bevölkerungsschichten geschaffen werden. Das ablehnende Votum erfolgte auf Betreiben der Opposition, die sich auf diese Weise jeglicher Verantwortung für die unpopuläre
Benzinpreiserhöhung entziehen wollte. Offenbar hat der Wahlkampf für die erst 2014 anstehenden Präsidentschaftswahlen bereits begonnen.
Während andere Schwellenländer mit hohen Haushaltsdefiziten (Indien, Südafrika) bzw. hohen Leistungsbilanzdefiziten (Indien, Türkei) oder einer übermäßigen Verschuldung des Finanzsystems (China,
Südkorea) zu kämpfen haben, ist die indonesische Volkswirtschaft weitgehend im Gleichgewicht. Nach der Asienkrise hatten sich die Wirtschaftspolitiker des Landes die Schaffung makroökonomischer
Stabilität als erste Priorität auf die Fahnen geschrieben. Dadurch konnte der Inselstaat nicht nur seine Haushalts- und Leistungsbilanzdefizite senken, sondern auch den Großteil seiner
Auslandsverschuldung abbauen und gleichzeitig ein solides Bankenwesen schaffen.
Angesichts dieser beachtlichen wirtschaftspolitischen Leistungen und der starken Ausgangsposition sind Regierung und Parlament jetzt zunehmend bereit, unpopuläre Entscheidungen zu vermeiden, deren
Nutzen sich erst auf lange Sicht abzeichnet. Heutzutage sind die indonesischen Entscheidungsträger vor allem an der Maximierung des Wirtschaftswachstums interessiert, auch wenn das längerfristig zu
höheren Defiziten und größeren Risiken führen sollte. Die deutlichen Zinssenkungen in den letzten Quartalen und der Verzicht auf die Benzinpreiserhöhung sind jedenfalls vor diesem Hintergrund zu
sehen.
Positiv ist dabei zu vermerken, dass die indonesische Wirtschaft jetzt so stark ist, dass ein oder zwei weniger geglückte Entscheidungen ihr kaum etwas anhaben können: Das Land profitiert nach wie
vor von Faktoren wie niedriger Kreditdurchdringung, niedriger Verschuldung und stetigem Konsumwachstum. Im gegenwärtigen Umfeld, das von schwachem Wachstum in den USA und Europa sowie zunehmendem
Druck auf die Wirtschaftsleistung in China geprägt ist, kann die solide indonesische Volkswirtschaft etwaige negative Auswirkungen verkraften. Die wichtigsten Antriebsfaktoren der indonesischen
Wirtschaft sind Binnenkonsum und Investitionen. Zudem besteht erheblicher Spielraum für weiteres Wachstum, da sowohl Unternehmen als auch Privathaushalte sich lange Zeit zurückgehalten haben. Ein
Zuwachs von rund 6,5 Prozent in diesem Jahr ist durchaus im Bereich des Möglichen.
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In den vergangenen Jahren konnten wir zudem einen Anstieg der Infrastrukturinvestitionen beobachten, die sich gerade in letzter Zeit intensiviert haben. Nachdem das Parlament im Dezember ein neues
Gesetz über die Enteignung von Land verabschiedet hat, erhofft man sich jetzt eine Beschleunigung des Planungsprozesses und den Bau neuer Straßen sowie sonstiger Infrastruktureinrichtungen. Der
Verzicht auf die Anhebung der Benzinpreise verringert zwar den Spielraum für eine weitere Steigerung der öffentlichen Investitionen, wird das Land jedoch nicht vom Kurs abbringen. Dafür sind die
Wachstumsdynamik und das volkswirtschaftliche Fundament inzwischen zu stark. Das sind die Gründe für die anhaltend gute Performance des indonesischen Aktienmarktes – trotz der in jüngster Zeit
enttäuschenden politischen Entscheidungen.
(Gastbeitrag von Maarten-Jan Bakkum, Global Emerging Markets-Aktienstratege bei ING IM, Den Haag)