Smart Investor Weekly 29/2012
Deutschland und der IWF – das Konjunkturwunder, das keines ist
Deutscher Michel im „Konjunkturglück“
Es ist nicht mehr zu übersehen, seit Monaten trüben sich weltweit die Konjunkturaussichten ein. Auch Deutschland, das lange Zeit konjunkturell auf der sprichwörtlichen „Insel der Glückseeligen“
lebte, ist betroffen. So erreichte der vom Markit-Institut veröffentlichte Einkaufsmanagerindex für Deutschland im Juni mit 48,5 Punkten (-0,8 Punkte) ein Drei-Jahres-Tief und der ZEW-Index des
Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung ist um weitere 2,7 Punkte auf nunmehr minus 19,6 Punkte gefallen. Das ist zwar eine Verlangsamung gegenüber dem Vormonat, aber noch immer eine abwärts
gerichtete Tendenz. Die deutschen Exporte sind ins Stocken geraten und das kann angesichts der krisenhaften Entwicklungen in unseren wichtigsten Absatzmärkten auch nicht weiter verwundern. Dass die
Exporte in die Eurozonen-Krisenländer mittels des EZB-Verrechnungssystems Target2 ohnehin zu einem guten Teil faktisch von Deutschland selbst bezahlt werden, steht auf einem anderen Blatt. Da
scheint es eine gute Nachricht zu sein, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) trotz dieser insgesamt düsteren Entwicklung, die Wachstumsprognosen für Deutschland jüngst sogar um 0,4% auf
+1,0% erhöht hat. Der Deutsche Michel also im „Konjunkturglück“?!
Die Verwundbarkeit Deutschlands
Zweifel erscheinen angebracht. Nur nebenbei sei bemerkt, dass handelsblatt.de die Nachricht von der „deutlichen“ Anhebung der Wachstumsprognose am 16.7. noch einmal unter der Überschrift
„IWF-Prognose: Deutschlands Konjunktur ist 2012 im Aufwind“ unter das Volk streute, obwohl die eigentliche Nachricht vom 3.7. stammt, also knapp zwei Wochen alt war. Wer sagt, nichts sei älter als
die Nachricht von gestern? Konjunkturoptimismus kann offenbar gar nicht oft genug verbreitet werden. Dabei ist die Argumentationslinie der IWF-Studie eine ganz andere: Es werden nämlich durchaus
düstere Szenarien für die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft gezeichnet, wobei man nicht müde wird, sowohl die „Verwundbarkeit“ Deutschlands aufgrund seiner Exportabhängigkeit als auch dessen
„Schlüsselrolle“ bei der Sicherung der Stabilität und der Erhöhung des Wachstums zu betonen. Die einigermaßen offenen Drohungen und die kaum verklausulierten Aufforderungen, lassen sich kurz auch
so übersetzen: Deutschland solle gefälligst den Karren aus dem Dreck ziehen, wenn es denn die „traumhafte“ Wachstumsrate von einem ganzen stolzen Prozentpunkt erzielen will. Da sind sich die beim
IWF tonangebenden USA und die „große Bewunderin“ deutscher Exporterfolge, die geschäftsführende IWF-Direktorin Christine Lagarde einmal vollkommen einig.