Gold - Rückblick
Das Ende des Goldstandards
Gold liebt nichts so sehr wie Ironie. Und nun, 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkrieges, besteht für London die Gefahr, endgültig seine Dominanz im Finanzbereich zu verlieren.
Manch einer mag dazu geneigt sein, wieder den Krieg in einer kleinen Ecke Europas dafür verantwortlich zu machen. Und wieder geht es darum, dass ein mächtiges Land von seinem kleinen Nachbarstaat
eine Entschuldigung verlangt.
Angefangen hat alles im Jahr 1914.
„Es kann passieren, dass hier Kaffee von Brasilien nach Hamburg oder Kaninchenfelle von Australien nach New York verkauft werden“, bemerkte ein Londoner Bankkaufmann unmittelbar vor der Julikrise
in 1914. Aber was auch immer wohin verkauft und transportiert werden sollte, so „wickelten die Käufer und Verkäufer ihre Transaktionen in London ab“.
Einer der wenigen Bereiche, in denen das heutzutage immer noch zutrifft, ist der physische Gold- und Silbermarkt. Denn insgesamt zerbrach das Britische Empire in den darauffolgenden drei
Jahrzehnten und Großbritannien verlor seine Vorherrschaft in sämtlichen anderen Sektoren. US-Banken übernahmen die Abwicklungen von weltweiten Geschäftsaktivitäten, und der US-Dollar wurde
wichtiger als das britische Pfund, nachdem bei der neu geschaffenen Währungsordnung der Dollar als Ankerwährung festgesetzt wurde. Das entsprechende Bretton-Woods-System feiert in dieser Woche ebenfalls ein großes Jubiläum, nämlich sein 70stes.
Doch obwohl Großbritannien über keinerlei Minenproduktion verfügt und eine kaum nennenswerte Verbrauchernachfrage oder Kapazität zur Veredelung vorzuweisen hat, sitzt hier nach wie vor der weltweit
wichtigste Markt für physisches Edelmetall. Mit seinen speziellen Tresoren werden hier die marktüblichen sogenannten Good-Delivery-Barren gehandelt, die ihre Besitzer von Arizona nach Peking und von Perth nach
Katar wechseln. Aber in sämtlichen anderen Bereichen begann im Sommer 1914, Londons Rolle als Clearingsstelle der Welt abzunehmen. Genauer gesagt fing dies in dieser Woche vor genau 100 Jahren
an.
Das Attentat von Sarajewo
Nach dem Attentat von Sarajewo, bei welcher der Erzherzog Franz Ferdinand ermordet wurde, stellte Österreich-Ungarn am 23. Juli 1914 sein Ultimatum an Serbien. Jedoch erhielt das Ultimatum 10 Forderungen, die offensichtlich bewusst unannehmbar verfasst worden waren. Von daher erschien eine
kriegerische Auseinandersetzung nahezu unausweichlich. Am nächsten Morgen gerieten die Finanzmärkte in Panik, die laut Aussage von Niall Ferguson bislang recht kühl reagierte hatten. Doch
plötzlich befanden sich die Londoner Banker – die zu jener Zeit die Gläubiger bei rund der Hälfte aller weltweiten Handelsgeschäfte waren – in der Situation, dass ihre Schuldner das Geld nicht mehr
zurückzahlen konnten. Denn diese konnten anderswo keine neuen Kredite aufnehmen, die zur Begleichung ihrer Schulden nötig gewesen wären.