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    Rohstoffe  12948  0 Kommentare Die Party ist vorbei - Seltene Erden, was nun?

    Kein Handy würde ohne sie klingeln, kein Elektroauto würde ohne sie fahren und kein Windrad würde sich ohne sie drehen – Seltene Erden gehören zu den weltweit wichtigsten Rohstoffen. Doch die Welt der Seltenen Erden ist eine Welt voller Widersprüche. Und sie steckt tief in der Krise.

    Die Sache mit der Seltenheit

    Die Mad Men der Werbeindustrie hätten es kaum besser machen können. Der Name „Seltene Erden“ generiert die perfekte Illusion, die jedoch bei näherer Betrachtung wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt. Denn „selten“ ist an den Seltenen Erden nicht viel. Auch die Bezeichnung „Erden“ trifft es nicht ganz. Vielmehr handelt es sich um eine Gruppe von 17 chemischen Elementen, die weltweit vor sich hinschlummern. Aber: Die Förderung von Praesodym, Neodym und Co. ist aufwendig und ziemlich kostspielig und das nicht nur in materieller Hinsicht. Vor allem die Umwelt muss einen hohen Preis für Seltene Erden zahlen. Doch mehr dazu später.

    Die Sache mit dem Hype

    Es ist gar nicht mal so lange her, da herrschte in Sachen Seltene Erden regelrechte Goldgräber-Stimmung. Je größer der Hype um die Tech-Branche, desto größer wurden die Dollar-Zeichen in den Augen der Rohstoff-Gräber. Steigende Nachfrage bei knappem Angebot – ein todsicheres Investment, glaubten viele. Also investierten sie in entsprechende Zertifikate, Fonds oder direkt in die Aktien der Produzenten. Blöd nur, dass die Nachfrage eben doch nicht wie erwartet gestiegen ist. Wie „n-tv“ berichtet, prophezeiten Analysten vor vier Jahren, die Nachfrage werde bis 2015 auf 200.000 Tonnen steigen. Eingetreten ist genau das Gegenteil. Statt 200.000 wurden zuletzt gerade mal 110.000 Tonnen Seltene Erden gefördert.

    Zwar wurde die Tech-Branche in der Tat größer und damit theoretisch auch der Bedarf an Seltenen Erden. Doch die Unternehmen wissen um die Abhängigkeit und die damit verbundenen Gefahren. Sie sorgen entsprechend vor und versuchen, die Stoffe durch Alternativen zu ersetzen. Dennoch bleiben die Seltenen Erden bislang ein unverzichtbarer Rohstoff. Das bringt uns zum nächsten Punkt.

    Die Sache mit der Marktmacht

    Alle brauchen es, aber nur einer hat es - Das ist gut für den, der es hat, aber leider Gift für den Markt an sich. Denn es handelt sich in diesem Fall um ein Monopol, bei dem der Produzent seine Marktmacht voll und ganz ausspielen kann. Egal wie hoch er die Preise schraubt, zahlen müssen die anderen mangels Alternativen so oder so. Wenn ein solches Monopol auch noch auf staatlicher Ebene angesiedelt ist, sind geostrategische Machtspielchen vorprogrammiert. So auch bei den Seltenen Erden. Diese wurden und werden nämlich fast ausschließlich in China gefördert. Bis zu 90 Prozent der Seltenen Erde kommen aus China –und das wusste die chinesische Regierung natürlich für sich zu nutzen. Mehrfach hatte sie seit 2005 die Ausfuhr der gefragten Rohstoffe begrenzt. Im Januar bereitete die Welthandelsorganisation dem Treiben schließlich ein Ende und hob die Exportbeschränkungen auf. Begründung: Diese verschafften den chinesischen Unternehmen „unfaire Wettbewerbsvorteile“ (siehe: Nach WTO-Schiedsspruch: China öffnet Export von Seltenen Erden).

    Trotzdem warnen Beobachter immer wieder vor dem gefährlichen chinesischen Monopol. Aber hat Peking tatsächlich so viel Einfluss? Nein, sagen andere. Der Einfluss Chinas habe schon lange vor dem WTO-Schiedsspruch angefangen zu bröckeln.

    Weil der erwartete Nachfrage-Boom ausblieb und zudem immer neue Vorkommen entdeckt werden, sind die Preise für Seltene Erden massiv gefallen. Laut „Wall Street Journal“ habe sich der Preis seit 2010 um mehr als das Zehnfache verbilligt. Von dem einstigen Marktvolumen in Höhe von 17 Milliarden US-Dollar sei inzwischen gerade mal eine Milliarde übrig geblieben. Marktmacht hin oder her, selbst ein chinesisches Monopol konnte diesen enormen Preisverfall nicht aufhalten.

    Die Sache mit dem Comeback

    Eine Nachfrage, die nicht so recht steigen will, und Preise, die trotz Monopol vor sich hin purzeln – damit ist klar: Die Party bei den Seltenen Erden ist erst einmal vorbei. Doch paradoxerweise könnte genau das den Grundstein für ein fulminantes Comeback legen.

    Fakt ist: Die Industrie wird die Seltenen Erden so schnell nicht vollständig ersetzen können und auch in Zukunft auf sie angewiesen sein. Fakt ist aber auch: Die Förderung der Seltenen Erden stellt eine erhebliche Belastung für die Umwelt dar. Das sind keine guten Voraussetzungen in Zeiten, in denen unser Umweltbewusstsein gerade neu zu erwachen scheint.

    Die Lösung der Forscher: Recyceln statt Fördern. Das klingt zunächst toll, aber die Sache hat zwei Haken. Zum einen sind die Seltenen Erden in vielen Geräten nur in ganz kleinen Mengen vorhanden. Dementsprechend steht der Ertrag des Recyclings momentan nicht im Verhältnis zum Aufwand. Zum anderen erweist sich der günstige Marktpreis als Innovationsbremse. Solange Seltene Erden so günstig zu haben sind, werden Unternehmen wohl keine Unsummen in die Erforschung alternativer Recycling-Methoden stecken, so die "SZ".

    Die spannende Frage ist daher: Wird der Preis dauerhaft niedrig bleiben? Wenn ja, dann werden Förderstätten möglicherweise bald unprofitabel. Gerade erst musste mit Molycorp der letzte US-amerikanische Produzent die Segel streichen. Je mehr Produzenten kapitulieren, desto geringer das Angebot. Folglich müsste der Preis dann wieder ansteigen – und China könnte seine Marktmacht plötzlich doch wieder ausspielen. Oder aber die steigenden Preise animieren die Unternehmen, nun doch mehr ins Recycling zu investieren und auf diese Weise völlig neue Geschäftsfelder zu erschließen. Auch dann könnten die Seltenen Erden ein Comeback erleben – im wahrsten Sinne des Wortes.




    wallstreetONLINE Redaktion
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