Hüfners Wochenkommentar
"Wird jetzt die EZB infiziert?" - Seite 2
Die schlechte Nachricht: Gelitten unter der Krise hat die Europäische Zentralbank. Sie gilt in den Augen der Menschen nicht mehr als die geachtete Hüterin der Währung. Das ist übrigens, wenn man sich die Zahlen näher betrachtet, nicht nur in Deutschland so. In Italien, Frankreich und Spanien ist das Ansehen der EZB noch stärker gesunken.
Das ist eine alarmierende Entwicklung. Wie kann eine Währung auf Dauer existieren, wenn die Zentralbank, die dahintersteht, nicht mehr das Vertrauen der Menschen genießt? Dass sich die Kurve am aktuellen Rand etwas nach oben dreht, ist nur ein schwacher Trost.
Es liegt nahe, diese Entwicklung mit der Politik der EZB zur Rettung des Euros in Verbindung zu bringen. Die Menschen sind nicht damit einverstanden, dass sich ihre Notenbank in die politischen Händel hat hineinziehen lassen. Vor allem den Deutschen fallen hier viele Dinge ein, die ihnen nicht gefallen.
Bei genauerem Hinsehen steht dahinter freilich noch etwas anderes. Die Eurokrise begann 2010 mit dem ersten Hilfsprogramm für Griechenland. Der Absturz des Vertrauens in die EZB setzte jedoch schon zwei Jahre früher ein, nämlich mit dem Kollaps an den internationalen Finanzmärkten, als noch niemand an Griechenland dachte.
Lesen Sie auch
Es war also primär nicht der Euro, der die EZB in den Augen der Menschen diskreditiert hat. Es war die ultralockere Geldpolitik mit Nullzinsen und überschäumender Liquidität, die sie seitdem betreibt. Das irritiert die Menschen. Sie sehen darin die Ursache für ihre Angst vor einer Zerrüttung des Finanzsystems. Mit dieser Politik stand die EZB aber nicht allein da. Alle anderen großen Notenbanken haben das getan. Ich vermute daher, dass auch die Notenbanken anderer Staaten in den letzten Jahren an Reputation verloren haben. Leider gibt es im Eurobarometer dazu keine vergleichbaren Zahlen.
Für Anleger
Erstens sollte man bei der Interpretation der Zahlen Vorsicht walten lassen. Dahinter stehen keine objektiven Fakten, sondern Umfragen. Sie können sich auch immer schnell ändern. Zweitens muss der Anleger keine Angst vor einem Zerfall des Euros als Währung haben. Es kann zwar passieren, dass das eine oder andere Land aus der Währungsunion ausscheidet. Das wird die Gemeinschaftswährung aber nicht kaputt machen. Eine Flucht aus dem Euro ist – zumindest in den stabileren Ländern Zentraleuropas – nicht angebracht. Drittens zeigt die Verschlechterung des Ansehens der Zentralbank, dass die Zweifel an der Gesundheit des Finanzsystems von vielen geteilt werden. Als Anleger muss man das ernst nehmen. Auch bei vordergründig freundlichen Finanzmärkten sollte man die Risiken nicht aus dem Blick verlieren. Das ist an sich eine Selbstverständlichkeit. Aber man kann sie nicht oft genug sagen. Die Tatsache, dass es in den letzten Jahren alles gut ge-gangen ist, ist kein Beweis, dass das auch in Zukunft