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    Auf Kuschelkurs mit Erdogan  5506  3 Kommentare "Humanitäre Bankrotterklärung" - Europäische Werte? Egal! Hauptsache weniger Flüchtlinge

    Spardeal mit Griechenland, Aktionsplan mit der Türkei: Europa tut plötzlich alles, um sich die Flüchtlinge so weit wie möglich vom Leib zu halten – auch wenn das bedeutet, die eigenen Werte zu verraten.

    Erinnern Sie sich eigentlich noch an das griechische Schuldendrama, das uns monatelang in Atem hielt? Wenn ja, dann werden Sie sich sicher auch an die harte Haltung Deutschlands erinnern. Immer wieder war es vor allem Finanzminister Wolfgang Schäuble, der auf die Einhaltung der Sparvorlagen pochte und sich vehement gegen einen Schuldenschnitt wehrte. Von allen Seiten hagelte es Kritik (siehe hier), doch die Bundesregierung blieb hart. Mit Erfolg, am Ende unterzeichnete ausgerechnet Alexis Tsipras, der angetreten war, das Spardiktat zu beenden, das härteste Sparprogramm aller Zeiten.

    Heute scheint das alles fast vergessen, die Prioritäten haben sich geändert. Die Flüchtlingskrise stellt alles andere in den Schatten und plötzlich ist die Bundesregierung zu dem bereit, wogegen sie sich all die Monate zuvor so vehement gesträubt hat: Sparerleichterungen für Griechenland (Mehr dazu hier: Flüchtlinge sollen in Griechenland bleiben - Bundesregierung lockt mit Sparerleichterungen).

    Es wäre nicht die erste Rolle rückwärts in der Flüchtlingskrise. Auch der am Donnerstagabend beschlossene Aktionsplan zwischen der EU und der Türkei zeigt: Europa tut plötzlich alles, um sich die Flüchtlinge so weit wie möglich vom Leib zu halten – auch wenn das bedeutet, die eigenen Werte zu verraten.

    EU auf Kuschelkurs mit der AKP-Regierung

    Die türkische Demokratie – sofern es sie je ernsthaft gegeben hat - ist längst nur noch ein Schatten ihrer selbst. Die Politik von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan wird von Tag zu Tag repressiver. Kritische Journalisten werden mundtot gemacht oder auf Jahre weggesperrt, der Waffenstillstand mit der PKK ist außer Kraft gesetzt. Die Tage des Friedensprozesses sind gezählt, stattdessen herrschen wieder Terror und Gewalt. Mit Pressefreiheit, Religionsfreiheit und all den anderen Werten, die sich die EU so gerne auf die Fahnen schreibt, hat das längst nichts mehr zu tun. Die türkische Gesellschaft ist tief gespalten. So tief, dass selbst monströse Anschuldigungen wie die, wonach die Regierung bei dem jüngsten Terroranschlag in Ankara irgendwie ihre Finger mit im Spiel gehabt haben soll, nicht mehr so absurd klingen, wie sie es eigentlich sollten.

    Und doch ist das alles plötzlich zweitrangig, wenn es darum geht, den Zustrom der Flüchtlinge zu unterbinden. Plötzlich wird die AKP-Regierung mit offenen Armen empfangen und ein so gewiefter Staatsmann wie Erdogan weiß das natürlich für sich zu nutzen.

    Der Gewinner heißt Erdogan

    So erhält Erdogan im Gegenzug dafür, dass er mehr Flüchtlinge von Europa fernhält, diverse Zugeständnisse seitens der EU. Neben einer finanziellen und politischen Unterstützung soll auch über eine Visaerleichterung für türkische Staatsbürger diskutiert werden. Darüber hinaus steht die Einstufung der Türkei als „sicheres Herkunftsland“ im Raum (mehr dazu hier). Das alles dürfte Erdogans Position entscheidend stärken. Und es wäre nicht das erste Mal, dass er solche Zugeständnisse als Blankoscheck für weitere Repressionen gegen die Minderheiten in seinem Land versteht.

    „Eine humanitäre Bankrotterklärung“

    Die Türkei-Berichterstatterin der christdemokratischen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Renate Sommer (CDU), warnte die EU bereits vor dem Gipfeltreffen davor, sich erpressen zu lassen. Erdogan benutze die Kriegsflüchtlinge als Druckmittel gegenüber der EU, so Sommer im „Handelsblatt“: „Natürlich ist die Türkei ganz wesentlich mit verantwortlich für den Massenzustrom nach Europa. Die türkischen Grenzen wurden sehr gezielt geöffnet.“

    Die frischgebackene Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Sara Wagenknecht, kritisierte das Anbiedern der EU ebenfalls aufs Schärfste. Angesichts des Umgangs mit den Kurden könne die Türkei nicht zum sicheren Herkunftsland erklärt werden, betonte sie am Donnerstag in ihrer Rede vor den Bundestag. Es sei eine „humanitäre Bankrotterklärung“. Die Vorsitzende der Linksfraktion GUE/NGL im Europaparlament, Gaby Zimmer, forderte, es dürfe „keinen schmutzigen Deal zwischen der EU und der Türkei geben, den die Kurden mit ihren Leben und Journalisten mit ihrer Freiheit bezahlen.“ Aber das alles scheint plötzlich zweitrangig. Auch wenn Sommer warnt: „Europäische Werte sind nicht verhandelbar.“ - Offenbar sind sie es doch.




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