Existenzbedrohung für Bauern
Niedriger Milchpreis? Lidl fordert Sondersteuer für Milch, der Staat soll’s richten
Bei der Frage des niedrigen Milchpreises schieben sich die Milchproduzenten und die Milchverwerter den Schwarzen Peter zu. Doch bei einem Milchpreis, der bei der Hälfte der eigentlichen Produktionskosten liegt, scheint eine Einigung in weiter Ferne.
Man kann es den Milchbauern nicht verübeln, wenn sie sagen: Dafür nicht! Nun melden sich die Einzelhändler zu Wort. Nicht der Milchpreis werde zur Existenzbedrohung vieler Bauern. Nein, es werde (wieder) zu viel produziert. Und da ist auch wieder die Frage nach der Massen- vs. der Familienproduktion und der Quote.
„Unseren Einkäufern ist es im Prinzip egal, wie hoch der Milchpreis ist“
Der niedrige Milchpreis, der mittlerweile zur Bedrohung vor allem für kleinere Milchbauern wird, hängt nicht mit dem Preiskampf unter den Einzelhändlern zusammen, betont Klaus Gehrig, Chef der
Schwarz-Gruppe in Neckarsulm, zu der Lidl und Kaufland gehören. „Das Problem ist doch: es wird zu viel produziert“, sagte Klaus Gehrig im Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung"
(F.A.Z.). Die Position des Handels in seinen Augen: „Unseren Einkäufern ist es im Prinzip egal, wie hoch der Milchpreis ist. Wichtig ist, dass der Einkaufspreis so hoch oder so niedrig ist
wie für andere Händler auch.“ Die Lösung liegt für Gehrig daher auf der Hand: „Wenn der Staat etwas regeln will, dann soll der Staat es regeln. Durch eine Sondersteuer, die alle gleichermaßen
trifft“, schlägt er vor.
Das Einkaufsverhalten der Verbraucher habe sich übrigens nicht geändert, seit klar ist, dass die niedrigen Milchpreise manchen Bauern ruinieren werden, berichtet gegenüber der F.A.Z. Sven Seidel,
der die Lidl-Sparte führt. Prinzipiell hätte man sogar bei dem Discounter selbst die Möglichkeit, ein Zeichen zu setzen. So ist Lidl Kunde bei einem Milchbetrieb aus Bayern, der seinen Milchbauern
einen etwas höheren Preis ausschüttet. Allein von Lidl seien in den vergangenen sechs Jahren zwölf Millionen Euro an diese Bauern geflossen, sagt Seidel. Aber der Anteil dieser etwas teureren
Milch mache am gesamten Milchabsatz nur einen niedrigen zweistelligen Prozentsatz aus – vor der Milchkrise wie auch jetzt.
Preiskampf? Die Umsätze steigen kräftig!
Trotz des Preiskampfs und des dadurch sinkenden Preisniveaus in den Discountern haben Lidl und Kaufland ihre Umsätze kräftig gesteigert. Um 8 Prozent auf 85,7 Milliarden Euro nahm im
Geschäftsjahr 2015/2016 (29. Februar) der Umsatz der Handelsgruppe zu, wie Klaus Gehrig, Gesellschafter der Schwarz Unternehmens-Treuhand (SUT) gegenüber der F.A.Z. berichtete. Das
Stiftungsunternehmen mit Sitz in Neckarsulm im nördlichen Baden-Württemberg gehört damit zu den größten Handelskonzernen der Welt. Noch etwas größer sind bisher noch die amerikanischen Konzerne
Walmart, Costco und Kroger, erst nach der Schwarz-Gruppe kommen Tesco, Carrefour, Aldi und Metro. Allein auf Lidl entfallen 64,6 Milliarden Euro, während
Kaufland einen Umsatz von 21,1 Milliarden Euro realisiert hat. Insgesamt arbeiten 375000 Mitarbeiter für den Konzern, das sind 25.000 Personen mehr als im Vorjahr.
Hintergrund - Milchpreis und Milchquote:
Bis Ende März 2015 gab es in der Europäischen Union die so genannte Milchquote, mit der die Milchproduktion in den Mitgliedstaaten geregelt und mithin eingeschränkt wurde. Die Idee dahinter: Durch die Begrenzung des Angebots sollte ein stabiler Preis für Milcherzeugnisse gesichert werden. Wörter wie „Milchsee“ oder „Butterberge“, die Ende der 1970er Jahre die Runde machten, sollten der Vergangenheit angehören. Jedem EU-Mitgliedsland wurde eine Produktionsquote für Milch zugewiesen. In Deutschland wurde diese Milchquote auf die einzelnen milcherzeugenden Betriebe verteilt. Wurde mehr Milch produziert als es die entsprechende Quote zuließ, wurde der Betrieb sanktioniert. Die Mehrproduktion an Milch über die Quote hinaus sollte sich wirtschaftlich nicht mehr rechnen. Seit dem Wegfall der Quotenregelung können Milcherzeuger frei den Rohstoff Milch produzieren.